Die vier Bücher des Intermediarius
Buch 1
DIE WEISHEITSLEHRE DES HEILIGEN GRAAL
INHALT
Seite
Christliche Esoterik
und neue Mystik.
Eine Einführung in den Geist der Werke des Intermediarius
7
Vorrede
15
I. Teil.
Dreifaltigkeit Gottes
(Trinitas)
19
Spiegelung der
Dreifaltigkeit Gottes als himmlische Triade
....
20
Die Hierarchien
23
Lucifer
26
Universum (Erzengel.
Tierkreis. Planeten)
39
Schöpfung (Der Mensch
als Eben/Abbild Gottes.
Paradies. Der Fall des
Menschen. Folge des Falles)
48
Folge des Falles des Menschen für
die ganze Erde und die Naturreiche
67
Die Naturreiche. — Die Elemente
71
Der Tod (Zustände des Lebens innerhalb und
außerhalb der irdischen Form) 78
Zustände nach dem Tode (In den vorchristlichen
Zeiten)
83
Die Führer der
Menschheit (Initiation)
93
Vorbereitung zur zweiten
Schöpfung (Das hebräische Volk)
104
II. Teil.
Die zweite Schöpfung
(Trinitas)
115
Die Offenbarung des Sohnes
117
Das Hinabsteigen Christi durch
die Reihen der Hierarchien bis auf die Erde 119
Der Gott-Mensch Christus, auf
Erden lebend
123
Opferung Christi
128
Die Erlösung durch das Opfer Christi
135
Vom heiligen Graal
145
Die Kirche Christi
164
Zustände der Seele
nach dem Tode in der christlichen Zeit
168
Das letzte Gericht über
die Erde
175
Die neuen makrokosmischen
Hüllen in der fünften, sechsten, siebten
Region des Kosmos
177
Das makrokosmische Gefäß
182
Symbolische Darstellung der zweiten
Schöpfung
Erklärung des Bildes
186
Buch 4
Das große Zeichen
Das große Zeichen
Die heilige Reliquie
Der Weg der
Menschheit zur geistigen Erweckung
Der natürliche Mensch
Der geistige Mensch
Die symbolische Weisheitssprache
Die heilige Weihnacht
Der innere Mensch
Das Herz als Weisheitszentrum
Das innere Herzensleben
Die Reinigung (Katharsis)
des Herzens
Die Verklärung der Sinne
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Christliche
Esoterik und neue Mystik.
Eine Einführung in den Geist der Werke des Intermediarius.
„Das Christentum ist so alt wie die Menschheit."
St. Augustinus.
Wenn im Nachfolgenden der Versuch gemacht wird, eine kurze Einführung
in dem Geist der Werke des Intermediarius zu geben, so soll damit der Inhalt
dieser 4 Bücher weder analysiert noch feuilletonistisch zerschwälzt
werden; dieser Inhalt soll vielmehr in seiner ganzen Tiefgründigkeit
und gedanklichen Schwere stehen bleiben. Es soll dem Leser, der erstmals
an die gewaltigen Wahrheiten der christlichen Esoterik, wie sie hier geboten
werden, herantritt, nur der Zugang zu ihnen erleichtert, ihm gewissermaßen
ein Schlüssel in die Hand gegeben werden, der die Pforte zum Mysterium
in etwa aufzuschließen vermag. Im Zusammenhang damit soll eine begründete
Antwort auf die Frage versucht werden, weshalb die vier Intermediarius-Bücher
geschrieben werden mußten und welches Ziel sie anstreben.
Die Bücher des Intermediarius sind keine leichte Lektüre;
sie wollen es auch gar nicht sein. Sie sind in langen Jahren ernster Kontemplation
und selbstloser Versenkung in die unergründlichen Tiefen der im Geiste
unmittelbarsten Christentums erschauten Welt- und Schöpfungsgeheimnisse
erstanden, während welcher Zeit dem begnadeten Menschen, der seine Worte
und seine Feder für die Niederschrift zur Verfügung stellte, für
sich selbst aber daraus nicht den mindesten Ruhm sucht und daher namenlos
bleiben will, sichtbarlich ein hoher Führer zur Seite stand.
Diese Entstehungsgeschichte bringt es wohl mit sich, daß die Bücher
des Intermediarius nicht für die Vielen geschrieben sind, die heute
nach modisch gewordener religiöser Literatur greifen. Sie suchen vielmehr
die Wenigen, die nach einer Gottes- und Heilandsliebe trachten, welche
nicht nur auf schwankenden Gefühlen beruht, sondern durch vertiefte
Erkenntnis der letzten und höchsten Dinge in der Well, durch klare
Einblicke in das innerste geistige Gefüge der Schöpfung und deren
wesenhafte Zusammenhänge unterbaut ist und so allen Anstürmen
und Anfechtungen des unermüdlich tätigen Widersachers Gottes
von Anbeginn standzuhalten vermag.
Diese Wenigen, die zu den „Stillen im Lande" gehören, will Intermediarius
aufsuchen, um sie einzuladen, ihm in das noch so wenig erschlossene geistige
Reich der wahren christlichen Esoterik zu folgen, damit sie sich als Menschen
in ihrer ewigen Bestimmung zunächst selbst erkennen und ihr Erdenleben
im Sinne der neugewonnenen Erkenntnisse gestalten. (Denn Erkenntnis verpflichtet
zu konsequenter Tat; wer gegen seine bessere Erkenntnis handelt, vernichtet
sein höheres Ich!) Wer sich aber in ernsthaftem Bemühen den Inhalt
der Werke des Intermediarius zu eigen gemacht hat, der ist davon so erfaßt
und durchdrungen, daß er sich wie neugeboren fühlt und als ein
anderer Mensch seinen Lebensweg weiterschreiten wird, als Mitstreiter St.
Michaels, des großen Erzengels und Führers der Christenheit
im Entscheidungskampf um das Schicksal der Menschheit, das auch das Schicksal
von Erde und Kosmos sein wird.
Ist erst einmal eine kleine Schar esoterisch geschulter und lebendig
gewordener Christen gewonnen, dann wird das Licht, das von ihnen ausgeht,
auch andere anziehen, die einstweilen noch ferner stehen, wohl aber die Ahnung
einer anderen Welt in sich tragen, und die Zahl der Michaels-Streiter wird
sich rasch vergrößern. Allein dies ist erst das weitere Ziel der
Intermediarius-Bücher.
Zunächst und vor allem muß eine Kerntruppe geworben werden
von Christen, die gewillt sind, höhere Erkenntnis und Lebensgestaltung
in unbeugsamer täglicher Überwindung des eigenen niederen Ichs
und mit kompromißloser Zielstrebigkeit zu vereinigen. Diese Intermediarius-Jünger
werden von selbst in ganz enge geistige Beziehung zu einander treten, eine
ganz neue Gemeinschaft bilden, deren Lebensgesetze nicht von außenher
aufgezwungen werden, sondern von innen heraus wachsen, vom Ziele her bestimmt
und befruchtet.
Es ist überflüssig zu sagen, daß hier keinerlei Sektengründung
angestrebt wird. Der allgemein religiöse Boden, auf dem das Werk des
Intermediarius geistig bereits steht und nun auch physische Gestalt annehmen
will, ist die Kirche Christi mit ihrer offenbarten Lehre und ihren Heilsund
Gnadenmitteln, die Una Sancta, deren „anima" die ganze Menschheit mit der
Liebe des Welterlösers umfängt und beseelt, deren Ökumenizität
aber nicht tiefsinniger ausgedrückt werden kann als durch das Wort
des Dichters:
Gottes ist der Orient!
Gottes ist der Occident!
Nord- und südliches Gelände
ruht im Frieden seiner Hände.
Derselben einen und wahren christlichen Kirche unterwirft sich auch
der Schreiber der Intermediarius-Bücher inbezug auf alles, was in diesen
vier Büchern die christliche Offenbarungs-, Glaubens- und Sittenlehre
berührt, mit der Selbstverständlichkeit des katholischen Christen.
Die vier Bücher des Intermediarius gleichen in ihrem inneren Aufbau
einem machtvollen Orgelspiel. Das erste, bereits vor dem Wellkriege niedergeschriebene
Buch: „Die Weisheitslehre des heiligen Graal" ist das Präludium, in
dem der nach den ewigen Wahrheiten suchende Menschengeist an der Hand eines
überirdischen Führers sich, gewissermaßen noch von der Erde
und vom Fleische aus, an die aus den Tiefen und Höhen des Universums
ihm entgegenstrahlenden wahren Wirklichkeiten der Welt hinantastef. Immer
hellsichtiger wird dabei sein geistiges Auge, es trinkt Erkenntnis um Erkenntnis
in sich hinein - aber noch gehen ihm schwer die Worte aus der Feder, die
all das, was er geschaut, in Bilder und Begriffe erdgebundener Vorstellungswelt
bannen sollen, wozu noch als erschwerender Umstand tritt, daß dieser
Mensch wohl germanischen Stammes und sehr gebildet, von Haus aus aber der
deutschen Sprache nur unvollkommen mächtig war. Und doch war ihm durch
seinen Führer der bestimmte Auftrag erteilt worden, was er geschaut,
in erster Linie dem deutschen Volke zu vermitteln! Und so wurde das unmöglich
Scheinende möglich: „Die Weisheitslehre des heiligen Graal" erschien
bereits vor dem Kriege, allerdings in noch recht unbeholfenem und fehlerhaftem
Deutsch als Privatdruck. Diese „Weisheitslehre" ist nun in engstem Zusammenwirken
mit dem Schreiber dieser Einführung formell gänzlich umgearbeitet
worden und dürfte nun auch stilistisch allen vernünftigen Anforderungen
genügen.
Der Leser ist nun freundlichst gebeten, die „Weisheifslehre des heiligen
Graal" wie ein Präludium auf sich wirken zu lassen. Er soll ohne Voreingenommenheit,
vielmehr ganz rückhaltlos und im besten Sinne naiv, mit aufgeschlossener
Seele Kapitel um Kapitel dieses Buches in sich aufnehmen, langsam lesend
und dabei öfters innehaltend und kontemplie-rend. Wiederholungen bereits
mitgeteilter Erkenntnisse in späteren Ka piteln sollen nicht unangenehm,
sondern als Notwendigkeit empfunden werden, damit das Aufgenommene vertieft,
fester verwurzelt werde und uns allmählich in Fleisch und Blut übergehe,
sozusagen zu unserer zweiten, besseren Natur werde. In solcher Weise vermag
der aufmerksame Leser den Erkenntnis-Weg des Verfassers von der Erde und
den erdhaften Dingen hinauf zu den höheren Wirklichkeiten zu wiederholen
und zu seinem eigenen Wege zu machen. Wie aus weiten, ihm aber nicht mehr
unerreichbaren Fernen her wird er dann auch bereits jene noch höheren
Wirklichkeiten ahnen, die in den folgenden drei Büchern des Intermediarius
dargestellt werden.
In diesen Büchern, die innerhalb weiterer zweimal sieben Jahre
entstanden sind, ist das geistige Auge des Schauenden nicht mehr von der
vergänglichen materiellen Ebene zum immerwährenden geistigen
Sein hin gerichtet: nun vermag der geschulte Blick im Lichte der ewigen
Weisheit herabzuschauen auf das Gewoge und Getriebe der in Zeit und Raum
sich entfaltenden Welt, deren von den Gesetzen des Dualismus, des „Zwistes",
bedingter Ablauf mit dem Abfall und Sturze Luzifers, des mächtigen
„Widersachers", beginnt und mit der endgültigen Überwindung dieses
Widersachers seinen Abschluß finden wird. Nach dem gigantischen Schlußakt
dieses Weltendramas wird das Universum aus dem Zustande des Zwistes (der
Polarisierung) und des raumzeitlichen Ablaufs wieder in den Zustand der
göttlichen Harmonie und schöpferischen Ruhe zurückkehren.
Den Zeitpunkt dieses Schlußaktes kennt nur der Vater -aber da Christus
uns gelehrt hat, auf die Zeichen zu achten, die diesem Schlußakte
in Raum und Zeit vorhergehen, können wir sagen, daß der Vorhang
des großen Welttheaters, soweit es unseren gegenwärtigen Schöpfungsraum
umfaßt, sich wohl bald zum letzten Male heben wird.
Was nun an kosmischem Geschehen zwischen Engelsturz und Weltende vor
sich geht, das entschleiert Intermediarius in seinem zweiten und dritten
Buche. Das zweite Buch „Homo Coelestis" (Der himmlische Mensch) enthüllt
die Schicksale des Wesens, das seit dem Engelsturze zum Mittelpunkte der
Schöpfung geworden ist: des Menschen. Denn der Mensch ist ja kein Erzeugnis
irdischer Entwicklung, kein Affenabkömmling oder eine sonstige „Spitzenleistung"
tierischer Deszendenz, sondern als geistiges Wesen überkosmischer
Herkunft und von Gott selbst in naher Beziehung zur zweiten Person in der
Trinität geschaffen, um an die Stelle der gefallenen Engel zu treten.
Als solches Wesen verband sich der Mensch, aus seinem himmlischen Urbilde
infolge der Verführung durch Luzifer teilweise heraustretend, mit
dem dualistischen Kosmos und erlebte hier seinen Fall aus der inneren Einheit
mit der Gottheit in die Zwiespältigkeit der Erkenntnis des Guten und
des Bösen. Damit beginnt die Ursünde oder Ursonderung von Gott,
als notwendige Folge die Vertreibung aus dem Sonnenparadiese, die Versetzung
des Menschen auf die sich unter dem Fluche des Schöpfers verdichtende
und verdunkelnde Erde - die nun nicht mehr Zentrum des Universums sein konnte,
sondern zum Planeten ward - und anschließend der lange Leidensweg
der Menschheit und aller Kreatur bis zur Erlösung und zur neuen Vergeistigung
im ständigen Ringen mit den dualistischen Gewalten auf Erden und im
Kosmos. Endziel ist die Wiedervereinigung des gefallenen Menschen mit seinem
himmlischen Urbilde vermöge der unerhörten Erlösungstat des
Gottessohnes Jesus Christus, des Mittlers, die sowohl im Kosmos wie auf
der Erde vollbracht werden mußte.
Dies erleben wir geistig im ersten Hauptstück des großen
Orgelwerkes, mit dem wir die 4 Bücher des Intermediarius verglichen
haben. Im zweiten Hauptstück, dem dritten Intermediarius-Buche „Universum",
wird um das Menschheits- und Erlösungsdrama die ungeheure Peripherie
des göttlichen, trinitarischen Schöpfungsraumes gezogen, dabei
aber immer das unverrückbare Zentrum des Universums, die Trinität
selber, im Auge behalten und auch das Erlösungswerk Christi in allen
seinen Beziehungen zu den verschiedenen „Hüllen" alles Geschaffenen,
der materiellen, elementalischen und siderischen Hülle, erläutert
und betrachtet.
Haben wir so unsere geistige Einheit mit dem Universum wiedergefunden,
dann klingen die Akkorde des „Postludiums", des vierten Intermediarius-Buches
„Das große Zeichen", vertraut und beseligend an unser inneres Ohr.
Das große Zeichen, das im geheimnisvollen Widerschein des erlösenden
Kreuzes und der himmlischen Weisheits- und Liebesrose dem zur geistigen
Schauung wiedergeborenen Menschen wonnesam aufleuchtet, ist der heilige
Graal, der geheimnisvolle Opferkelch Melchise-deks, in dem Christus beim
letzten Liebesmahl sein mystisches Blut den Zwölfen dargeboten und
in dem Joseph von Arimathia das Herzblut des sterbenden Gottessohnes auffing.
Im Zeichen dieser teuersten, den Menschen dieser Welt aber annoch verborgenen
Reliquie der Christenheit wird die bevorstehende Weltwende sich vollziehen.
Der aus der Macht des Widersachers endgültig befreite und durch Christi
Blut erlöste, im heiligen Geiste der Weisheit wiedergeborene Mensch
aber wird zu seinem himmlischen Urbild zurückkehren und die ganze erlöste
Schöpfung mit sich führen. *
Dies ist in kurzen Zügen Sinn und Ziel der vier Bücher des
Intermediarius. Sie sind eine Schule der Weisheit in des Wortes tiefster
Bedeutung. Sie knüpfen - da alles Wahre und Wirkliche in der Welt ein
Kontinuum ist - an die hohe Weisheit der alten echten Mysterien an, aus deren
Quellen schon Moses und die Propheten geschöpft; sie führen die
Tradition der großen, leider fast vergessenen Mystiker des christlichen
Mittelalters: Seuse, Eckhart, Tauler, Ruysbroeck, St. Hildegard, St. Gertrud,
St. Bonaventura, Albert der Große weiter; sie nehmen die Wege echter
Esoterik wieder auf, die später Jakob Böhme, Angelus Silesius,
Franz v. Baader, Joseph v. Görres in Vereinsamung gegangen sind, von
einer immer rationalistischer und materialistischer werdenden, verstandesklugen
Zeit nicht mehr verstanden. Intermediarius wirft aber auch neues Licht auf
die Weisheitslehre der östlichen Kirche, jene Heilige Sophia, deren
himmlischer Abglanz auf den genialen Werken eines Solowjew, Florenski, Berdjajew
und anderer tiefgläubiger Russen ruht, und schafft so das geistige Fundament
für eine neue christliche Ökumene, für das wahre Reich Gottes
auf Erden, das da ist ein Reich der Weisheit und der Gnade, geboren aus
den trinitarischen Tugenden des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe, überstrahlt
vom seraphischen Lichte des hl. Franz von Assisi.
Das größte Verdienst des Intermediarius aber darf wohl darin
erblickt werden, daß er zum erstenmal die Grundlagen schafft für
eine objektive Mystik, indem er die Wesensschau der übersinnlichen Welt
heraushebt aus der Subjektivität des mittelalterlichen Mystikers und
sie auf dem Wege der Geistesschulung im Sinne der Weisheit allen gläubigen
Christen zugänglich macht, die guten Willens sind. Es sei zum Schlusse
dieser Einführung aber nochmals mit allem Nachdruck gesagt, daß
Intermediarius es ablehnt, bloßes „Geheimwissen" zu vermitteln. Er
will Weisheit lehren und gleichzeitig zu weisem Leben erziehen, zu einemLeben
und ständigen Höherstreben aus dem Vollbewußtsein der grenzenlos
gesteigerten Verantwortung heraus, die jeder esoterisch ein gestellte Christ
für sich wie für seine ganze Umwelt vor dem ewigen Gott und vor
Jesus Christus, dem Erlöser und Herrn der Well, hat. Nur in diesem Sinne
werden hiermit die vier Bücher des Intermediarius in verhältnismäßig
geringer Auflage allen nach wahrer Weisheit suchenden
Mitmenschen übergeben. Fra Tedesco.
«««««
Vorrede.
Der Inhalt dieses Buches kann von dem Verfasser nur betrachtet werden
wie eine geistige Gabe, die in seine Hände gelegt wurde, damit er
sie der Menschheit weiterreichte. Der Verfasser selber spielt dabei nur
die Rolle eines Vermittlers; sein Name als Persönlichkeit kommt deswegen
nicht in Erwägung. Das Buch erscheint daher unter dem Namen „Intermediarius",
und zwar in deutscher Sprache.
Der Inhalt des Buches stellt ein Ganzes dar, in welchem der Aufbau so
ist, daß die Gedanken, nacheinander folgend in den Sätzen und
Kapiteln, sich als zusammengehörig ergeben. Wollte man einen Satz
nur für sich lesen, ohne seine Stellung auf das Vorhergehende zu beziehen,
so würde dieser dadurch eine ganz unrichtige Bedeutung erhalten und
auf das gesamte Bild, das gezeigt wird, zerstörend einwirken. Um einen
richtigen Eindruck zu bekommen, soll das Ganze durchgelesen und durchdacht
werden, da der wahre Geist des Inhaltes sich dann erst offenbaren kann.
—
So wie immer der heilige Graal, als der Abendmahlskelch mit dem allerheiligsten
Blute (Sanguis realis) Christi als Symbol des Herzens Christi, durch seinen
göttlichen Inhalt die geistige Nahrung denen gegeben hat, die in seiner
Nähe sein durften, — so wird auch heute unter dem ewigen Symbol des
heiligen Graal der Menschheit eine geistige Gabe gereicht, die dem menschlichen
Geist jene himmlische Nahrung sein kann, welche die göttlichen Kräfte
in ihm belebt und stärkt. Das Symbol des Kelches bildet mit dem Symbol
des Kreuzes die Grundfeste der christlichen Symbolik in der Weisheitslehre
des Christentums. Die Weisheitslehre des heiligen Graal legt der Symbolik
des Kelches eine besondere Bedeutung bei.
Es wird der Inhalt dieses Buches, wenn nicht beim erstmaligen Durchlesen,
so doch bei wirklicher Vertiefung in denselben den Menschen geistig und
seelisch über die Seinsebene des bloßen Erden-Menschen hinausführen
und ihn seine wahre Heimat erkennen lassen.
Durch die geistige Nahrung des heiligen Graal wird er sich verbunden
fühlen mit Dem, der durch Sein Blut das Gefäß geheiligt hat,
indem Er diesem den göttlichen Inhalt gab. Schon der Name Heiliger Graal
deutet auf den göttlichen Inhalt dieser Reliquie hin, weil dieser Name
eine Zusammenziehung ist des dreifachen Klanges Ger-a-haal, dessen esoterische
Bedeutung lautet: „das durch die Engel getragene heilige Blut".
Intermediarius.
«««««
1. Teil.
Dreifaltigkeit
Gottes (Trinitas)
Kapitel I
Über jede Form von Offenbarung erhaben ist die göttliche Dreifaltigkeit
in ihrer Einheit die erste und zugleich letzte Definition, welche von dem
Wesen Gottes gegeben werden kann.
Das Mysterium der Einheit der göttlichen Natur, die zugleich die
Dreiheit der göttlichen Personen ist, nämlich des Vaters, des
Sohnes (des ewigen Wortes des Vaters) und des Heiligen Geistes (der vom
Vater und vom Sohne ewig ausgeht), ist das größte Geheimnis der
göttlichen Offenbarung. Ihr wahres Wesen zu erfassen ist nur demjenigen
gegeben, der sich durch ein übersinnliches Leben so vereinigt hat mit
dem Wesen des Sohnes, der zum Erlöser der Menschheit wurde, daß
er durch den Sohn gleichsam mit dem Vater in dem Heiligen Geist verbunden
ist, da die Drei im Wesen eins sind.
(M. E. macht Intermediarius hier ein Zugeständnis an die kath.
Lehre, denn in Band 3 spricht sie „von dem Sohn, der das göttliche
Antlitz des Vaters darstellt“ und somit das eigentliche Personsein Gottes
ausdrückt. Damit widerspricht sie im Grund der drei Personenlehre
zugunsten einer Lehre von drei Seinsweisen Gottes und bestätigt J.
Böhme: „denn Gott ist keine Person, als nur in Christo“ Mysterium Magnum,
7. Kapitel, Vers 5. Kommentar von mir, Hans-Dieter Ulmer)
Als der Sohn sich als den Gottmenschen Christus offenbart hat und das
Leben eines Menschen führte, damit Er zum Erlöser der Menschheit
werde, da verband sich die göttliche Dreifaltigkeit, die wesentlich
eine Einheit ist, direkt mit der Menschheit und mit der geoffenbarten Welt;
sie bleibt von der Zeit an mit ihr verbunden, bis •— „an das Ende der Erdenzeiten"
— bis zu der Zeit, wo die Welt, die sich in dem ganzen Reiche des Raumes
und der Zeit offenbart und dadurch vergänglich ist, aufhören
wird zu sein. Das Eintreten des Sohnes in die Welt der Offenbarung, insbesondere
Sein Erscheinen und Leben auf der Erde inmitten der gefallenen Menschheit,
wird daher als der zweite Schöpfungsakt betrachtet, weil von dem Momente
an die göttliche Dreifaltigkeit unmittelbar in die zeiträumliche
Welt einwirkt; im Gegensatz zum ersten Schöpfungsakt, bei welchem die
Dreifaltigkeit, über aller Offenbarung stehend, wie durch Spiegelung
ihres Wesens die Dreiheit oder göttliche Triade hervortreten läßt,
welche, noch Eins seiend, eine erste Offenbarung und erste Schöpfung
darstellt als die lebendige, leuchtende Himmelsrose.
Als Spiegelung des Gott-Vaters entsteht der Urvater als das Zentrum
der ersten Offenbarung, welches das Leben und den Mittelpunkt bildet und
als solchen auch das Wesen der Trinität — des Sohnes und des Heiligen
Geistes — im Abbild in sich enthält. Das Leben des Vaters wird vorzugsweise
gespiegelt im urväterlichen, lebenausstrahlenden Centrum, sodaß
es die Überhand über die zwei anderen Angesichte erhält.
Der Heilige Geist aus der göttlichen Trinität offenbart sich
im Abbild gleich wie ein leuchtender Weisheitsspiegel, der das urväterliche
Centrum wie eine Peripherie umgibt und das vom Centrum ausgestrahlte Leben
in Erleuchtung und Vollkommenheit zurückstrahlt.
Der Sohn offenbart sein Wesen als das Wort oder die Stimme Gottes, als
der Mittler Christus, der als klingender Bote zwischen dem lebenden Centrum
und der leuchtenden Peripherie sich bewegt. Von dem Herzen des Urvaters ausgehend,
belebt und durchtönt er die Peripherie, die als Weisheitselement die
lebendige Urform der ersten Offenbarung darstellt.
In dieser Urform, die, im Gegensatz zum urväterlichen Prinzip,
das der Urmutter genannt werden kann, ist auch im Abbild das Wesen der
göttlichen Trinität in Einheit enthalten; das Wesen des Heiligen
Geistes wird aber vorzugsweise als Weisheitselement gespiegelt.
Christus der Mittler spiegelt in sich die göttliche Dreifaltigkeit
als Einheit; es spiegelt sich in Ihm dabei sein eigenes Wesen, das des Sohnes,
vorzugsweise als das Wort.
Während die göttliche Dreifaltigkeit so aufgefaßt wird,
als stelle der Heilige Geist dabei die innigste Verbindung zwischen dem Vater
und dem Sohne dar, wobei die göttliche Dreifaltigkeit zugleich die
Einheit ist, so wird in der ersten Offenbarung die Spiegelung des Angesichtes
des Heiligen Geistes wie hinausprojiziert als Weisheitselement und bildet
als lebendiger Geist die lebendige Urform. Vom innerlichsten Leben der
Trinität wird er in der Projizierung der Dreiheit das äußerlichste
Prinzip, — obwohl Inneres und Äußeres auch in diesem Abbilde
als himmlische Triade oder Dreiheit noch immer wesentlich ein sind. So
offenbart sich als erstes Abbild der göttlichen Dreifaltigkeit die
Triade in der Himmelsrose. Sie ist die erste Schöpfung, welche über
Zeit und Raum hinausragt. Die Trinität selbst aber steht über
jeder Offenbarung bis zu dem Moment, wo sie sich vermittelst des Sohnes
als Gottmenschen mit den im Raume und in der Zeit sich offenbarenden Welten
verbindet.
«««««
Spiegelung der Dreifaltigkeit Gottes als Himmlische
Triade.
Kapitel II
.
Die heilige Dreifaltigkeit Gottes spiegelt sich überall im Universum
und auf mannigfaltige Weise in den verschiedenen Regionen, welche durch
Offenbarung entstehen; zunächst in der Triade, durch welche die Himmels-rose
entsteht. Das Centrum, welches der Urvater genannt werden kann, sowie die
Peripherie, die Grundform, oder das urmütterliche Element der Weisheit,
sind auf dreifache Art gestaltet; ebenso der Mittler, Christus;1) —
1) Der Name Christi „Mittler" in der Triade weist
auf Seine ewige gottmenschliche Würde hin, im Sinne der wesentlichen
Einheit zwischen dem göttlichen Worte und dem himmlischmenschlichen
Urbilde sowie auf Seine einigende Wirkung zwischen Urvater und Urmutter.
und diese drei Wesen bilden zusammen wieder eine Dreiheit. Auch das,
was zwischen Centrum und Peripherie sich an lebendigen Kräften offen-
bart, ist auf dreifache Weise eingeteilt, wie in neun Regionen, in welchen
drei Hierarchien von Wesen tätig sind, von denen jede wieder in drei
Abteilungen zerfällt. So gibt es neun Arten von Hierarchien, die aber
im Wesen eins und nicht räumlich voneinander getrennt sind durch die
Regionen.
Die drei Prinzipien: die Stärke oder Contraction (Concentration),
Liebe oder Expansion (Ausdehnung) und Weisheit (Union, Verbindung der zwei
anderen Tätigkeiten) sind sowohl im urväterlichen Prinzip, wie
im urmütterlichen und in dem des Mittlers Christus vorhanden. Es überwiegt
aber die Wirkung einer bestimmten Kraft und zwar ist diese verschieden in
einem jeden der drei Wesen. Im Centrum, in dem urväterlichen Prinzip,
ist die Stärke, die Concentration, vorherrschend; der Urvater ist die
Stärke, in Ihm ruht alles; Er bewahrt in sich den Willen, dem die Entstehung
des Universum zu Grunde liegt; doch nur ein geringer Teil dieser Kraft zeigt
sich in der Offenbarung. In Ihm ist deswegen die Stärke, weil Er in
sich zurückbehält unendlich mehr als das, was herausgestrahlt wird
durch Offenbarung. In Ihm und auf Ihm ruht alles; das was aus Ihm hervorgeht,
ist gering im Verhältnis zu seinem Wesen. Ein ewiger Quell von lebendiger
Wärme ist in Ihm.
Das urmütterliche Prinzip, als Urform oder Peripherie, bewahrt
in sich dasjenige, was als Kraft aus dem Centrum im Universum geoffenbart
wird. So wird diese Kraft umgebildet, zerteilt, verbunden, geordnet und
begrenzt. In diesem Prinzip überwiegt die Potentialität der Weisheit,
ein bindendes und zu gleicher Zeit befreiendes Element, wodurch dasjenige
was als Wärme vom Centrum ausgeht, wie Licht zurückgestrahlt
wird, wie Licht aber, das innerhalb der Peripherie bewahrt bleibt und als
inneres Licht verstanden werden muß. Die Kräfte, die vom Centrum
ausgehen, werden dadurch behütet und bewahrt, dann zurückgestrahlt
in höherem, voll-kommnerem Maße; durch die Zusammenwirkung dieser
beiden Kräfte entstehen die Hierarchien oder himmlischen Chöre;
sie sind wie die Sprache zwischen Centrum und Peripherie.
In dem Mittler Christus überragt die Expansion. Er ist der Bote
zwischen dem urväterlichen und urmütterlichen Element; sein Weg
führt durch das Himmelreich, wo die hierarchischen Wesen tätig
sind; er geht vom Centrum zur Peripherie, Liebe ausstrahlend überall,
und kehrt von der Peripherie wieder zurück zum Centrum.
Die Trinität, über aller Offenbarung stehend, entfaltet ihre
Tätigkeit in drei Wesen: Im Ur-Vater, in der Urmutter1) und in dem Mittler.
1) Der hier und im Nachfolgenden öfters gebrauchte
Ausdruck „Urmutter" will immer als „urmütterliches Prinzip" verstanden
sein; nur der Kürze halber wurde das Wort „Urmutter" gewählt.
Das urmütterliche Prinzip ist wie das Auge Gottes, es ist der göttliche
Blick, welcher durch Schauen die Urbilder schafft; es ist die Lichtjungfrau,
die Urbilder zu Urformen webt.
Der Mittler Christus, ist die Stimme Gottes, das lebendige Wort, welches
Leben in die Urbilder bringt und harmonischen Einklang zwischen denselben
hervorruft. Dieser Klang gibt die Linien an, nach welchen die Urformen
durch die Lichtjungfrau gewoben werden. Das Wort Gottes enthält im
Abbild die Trinität Vater — Sohn — Heiligen Geist; durch dieses wird
alles belebt; seine dreifache Geisteskraft durchsingt und durchklingt die
Himmelsrose und lebt in jedem der Urbilder.
Der Ur-Vater ist wie der Odem und das Leben Gottes, der das bewußte
Leben, das Gefühl des Seins in die Urbilder bringt und auch ein Zusammenleben
der Urbilder mit ihrer Umwelt möglich macht. In sich trägt er
die Dreiheit: der Ausatmung — diese ist die Offenbarung des göttlichen
Geistes, als das Wesen des Ur-Vaters, des leben-ausstrahlenden Centrums;
der Einatmung — diese ist die geistige Flamme, die das Geoffenbarte zerstören
und in sich aufnehmen würde, wenn es Gottes Wille wäre. Zwischen
beiden ist ein Moment der göttlichen Ruhe, die Suspension — wenn alles
schweigt; dies ist das Angesicht Gottes, da zeigt sich Sein wahres Bild
unverschleiert, so wie es über alle Offenbarung hinaus dasteht.
Der sich offenbarende göttliche Geist, das göttliche Antlitz
und die Flamme, formen das dreifache Angesicht Gottes in dem Urvater. Es
offenbart sich Gott in der Lichtjungfrau durch Schauen; es offenbart sich
Gott in dem Mittler Christus dem Wort durch Sprechen; es offenbart sich Gott
unmittelbar als Vater in dem lebendigen Geist des Ur-Vaters durch Atmen.
Das Wort, Christus, offenbart sich in und durch die Lichtjungfrau als
das, was die Urbilder, welche durch die Lichtjungfrau zu Urformen gewoben
werden, belebt. In das Seelische bringt er das geistige Element und dieser
Geist tönt durch das Seelische als Stimme Gottes. Im Wort, in dem Mittler
Christus, offenbart sich der Ur-Vater durch den lebendigen Geist, dieser
ist der lebendige Odem, welcher das innere Leben des Mittlers, Christi, ausmacht.
Durch die Lichtjungfrau wird das, was als seelisches Element lebt, dreifach
gestaltet; durch das Wort, ist das, was als geistiges Leben da ist, auf
dreifache Art gebildet; durch den Ur-Vater wird das ganze Universum in dreifachem
Rhythmus geschaffen und alles, was darin lebt, erhält eine dreifache
Bewußtseinsmöglichkeit.
Der Urvater, als lebenspendendes Centrum, ist das Herz, welches das
Leben des Universums reguliert und durch welches die beiden Strömungen
des Ein- und Ausatmens in rhythmischer Folge stattfinden. Der Ur-Vater,
die Ur-Mutter und der Mittler, Christus, stellen in Ihrer Tätigkeit
die drei Prinzipien dar als: Stärke (oder Willen), Weisheit (oder Denken),
Liebe (oder Fühlen), welche als Einheit das Wesen Gottes in der Offenbarung
sind.
Centrum und Peripherie sind zweifach und zugleich bilden sie eine Einheit,
denn der Raum, welcher zwischen beiden entsteht, ist wie ein lebendiges
Wesen und wird durch das Leben des Wortes erfüllt. Eine leuchtende,
klingende Himmelsrose, aus deren Herz immerfort hervorquillt der lebendige
Odem, durch den die Blätter sich bilden, die sich erstrecken bis zur
Peripherie, um wiederum ins Centrum zurückzukehren. Sie ist die erste,
urspiüngliche Offenbarung Gottes.
«««««
Kapitel III
Die Blätter der Himmelsrose, die den lebendigen Raum zwischen.
Mittelpunkt und äußerer Peripherie erfüllen, bilden Chöre
oder Gruppen von geistigen Wesen, welche in verschiedene Reihen gegliedert
sind, je nachdem die Region, in der sie sich bewegen, dem Centrum näher
ist oder weiter davon entfernt liegt.
Der lebendige Raum, welcher sich als Offenbarungsfeld zwischen Centrum
und Peripherie — Herz und Auge Gottes — befindet, und der durch das lebendige
Wort erfüllt wird, zerteilt sich, nach dem Prinzip der Drei-heit,
in die verschiedenen Regionen. Jede dieser Regionen wird durch das göttliche
Wort belebt auf solche Weise, daß vom Wort, welches aus dem Centrum
zur Peripherie tönt, die Laute jede Region nacheinander durchdringen.
Dadurch wird in jeder einzelnen Region ein gewisser Teil des Wortes festgehalten;
jede Region hat ihren bestimmten Ton und Buchstaben (des Wortes) und nach
diesen wird alles, was sich darin befindet, aufgebaut und belebt. So entstehen
die verschiedenen Reihen von geistigen Wesen, welche die Hierarchien genannt
werden. Es sprach das Ur-Väterliche Centrum, und die Sphären
der Hierarchien entstanden. Sie waren verschieden voneinander. Die Wesen
aber, welche da leben, können sich so bewegen, daß sie vom Centrum
ausgehend bis zur Peripherie die verschiedenen Regionen durchwandern und
von der Peripherie wieder zum Centrum zurückkehren; so sind sie wie
lebendige Blätter jener Himmelsrose, wie leuchtende Flammen, die in
den himmlischen Regionen gleichwie an einer Leiter auf und nieder gehen.
Die himmlischen Regionen vom Centrum bis zur Peripherie sind eingeteilt
in drei Regionen, von welchen jede wiederum dreifach ist, sodaß es
neun Regionen gibt, in welchen die Wesen, sich anpassend an die bestimmte
Sphäre, in der sie sich befinden, auf neunfache Weise gestaltet sind
und auch auf neunfache Art tätig wirken. Ihre Tätigkeit besteht
darin, daß sie jenen Ton, welcher speziell die Region ihrer Wirksamkeit
durchdringt, wie ein Echo wiederholen, sich damit durchdringen und dadurch
geeignet werden, insbesondere die Offenbarung Gottes anzuerkennen, welche
ihrer Region angehört. Die Regionen, die dem Centrum am nächsten
liegen, können als über jenen Regionen liegend, die der Peripherie
näher sind, zunächst nicht betrachtet werden. Sie sind nur im Typus
verschieden, weil die ersteren mehr den urväterlichen, die letzteren
mehr dem urmütterlichen Element entsprechen; dasselbe gilt auch von den
Wesen, die sich in ihnen befinden. Das Wort, das vom Centrum ausgehend, den
lebendigen Raum durchklingt bis zur Peripherie, wo es zurückgestrahlt
wird, ist wie eine Zwiesprache zwischen Urvater und Urmutter; die Töne
sind mehr oder weniger rein, je weiter sie sich vom Urvater oder von der Urmutter
entfernen.
Durch Lucifers Fall aber kann die Antwort auf das Wort Gottes nur in
absoluter Klarheit in den himmlischen Sphären ertönen, weil Lucifer
in dem Reiche, wo er wirkt, seine Stimme hineinmischt. Die hierarchischen
Wesen, die wie die Abbilder der himmlischen Hierarchien auf Gottes Befehl
ihr Wirkungsfeld in den Kosmos hineinverlegten, um dort als Diener Gottes
den Widersacher zu bekämpfen, erscheinen dort wie verschieden in Höhe
und Wert, indem die, welche näher der göttlichen Offenbarung liegen,
die Laute des Wortes, das ihrer Region entspricht, am reinsten aufbewahren
können. Nun können auch die Wesen in den äußersten Regionen
nicht mehr direkt vom Centrum das Wort verstehen, noch den Sinn des Wortes;
sie sind gebunden an den Ton, welcher nur für ihre Region paßt
und müssen indirekt, durch Vermittlung der Wesen aus den dem Centrum
näher liegenden Regionen, den Willen Gottes erfahren. So ist es dann
auch die Aufgabe dieser Hierarchien, insbesondere
die der höheren, nicht nur in der Anschauung Gottes zu verweilen
durch Hinaufschauen, sondern auch Hinuntersehen auf die unter ihnen stehenden
hierarchischen Wesen, damit diese durch sie den Willen Gottes erkennen.
Die in nächster Nähe des Urvaters befindlichen Wesen, die
Seraphim, haben in sich die Kraft ausgeprägt, die in der göttlichen
Triade dem Mittler Christus, der Liebe entspricht. Wie wärmende Flammen
umgeben sie das göttliche Centrum, ihr Leben durchwärmt und durchströmt
das Universum, sie fühlen und leben in Gott selbst.
Die Wesen, welche in der nächsten Region sind, haben jene Kraft
in sich, die in der Triade der Urmutter, der Weisheit, entspricht. Sie sind
wie leuchtende Strahlen; das Angesicht Gottes schauen sie unmittelbar, im
göttlichen Lichte leben sie als die himmlischen Cherubim. In der dritten
Region, vom Centrum entfernt, (welche der der Cherubim folgt), sind die Wesen,
die in ihrer Natur dem göttlichen Willen entsprechen. Sie stehen unmittelbar
in der Kraft des Vaters, durch sie strömt seine Willenskraft in das
Universum ein. Er ruht auf ihnen: es sind die himmlischen Throne. Dies sind
die drei Regionen, welche sich in der nächsten Nähe Gottes befinden;
sie bilden die drei höchsten Hierarchien und die erste der drei hierarchischen
Gruppen oder Triaden. Sie entsprechen insbesondere dem väterlichen
Elemente, indem sie dem Centrum am nächsten sind.
Die zweite hierarchische Gruppe besteht aus den Chören der K y
r i o t h e t e s, D y n a m e i s, Ex u s i a i, oder Herrschaften,
Mächte und Gewalten. Von diesen sind die Herrschaften in der Region,
welche auf die der Throne folgt; die Herrschaften sind begabt mit der Kraft,
die der Weisheit entspricht. Als Licht strahlen sie diese Weisheit aus
und erleuchten inspirierend diejenigen Wesen, welche in den Regionen wirken,
die der ihrigen am nächsten sind. Die Mächte sind wie Boten, die
die Weisheit der Herrschaften mit der Tätigkeit der Gewalten verbinden;
sie bewegen sich in der Region, welche zwischen beiden liegt. Sie entsprechen
der Liebe und der Wirkung des Mittlers Christus in der himmlischen Triade.
Die Gewalten festigen die Weisheit, die ihnen mit der Bewegung der Mächte
zuströmt, sie entsprechen dem centralen Prinzip, dem väterlichen
Element in der zweiten hierarchischen Gruppe, gleichwie die Throne in der
ersten. Die zweite Triade ist gleichsam der Vermittler zwischen der ersten
und dritten hierarchischen Gruppe, sie wirkt wie der Mittler Christus,
der als Wort zwischen Vater und Mutter klingt. Die dritte Triade besteht
aus den Chören der Fürstentümer (Archai), der Erzengel (Archangeloi)
und der Engel (Angeloi). In dieser entsprechen die Fürstentümer
dem väterlichen Element; sie fassen den Willen des Vaters auf, indem
sie diesem Willen gemäß tätig sind. Die Erzengel in der
nächsten Region sind mit dem Prinzip der Weisheit verbunden; in Weisheit
ergießen sie ihr Wesen und leuchten dadurch in die nächstliegende
Region der Engel hinein. Die Engel, welche in der neunten Region sind, befinden
sich am weitesten enfernt von dem Centrum und der Peripherie am nächsten.
In ihnen lebt das Element der Liebe, so wie in den Mächten aus der
zweiten Triade und in den Seraphim aus der ersten. Die dritte Triade, welche
dem urmütterlichen Element, der Urform, am nächsten ist, stimmt
auch im Wesen mit der Kraft der Urmutter überein, wie die erste Triade
mit der Kraft des Urvaters und die zweite Triade mit der des Mittlers Christus.
Sein Wesen ist die Liebe; in der zweiten Triade sind die Wesen, welche insbesondere
dem Element der Liebe entsprechen, in der mittleren Region, der fünften,
und halten sozusagen das Gleichgewicht. In der ersten Triade, die im Ganzen
dem Wesen des Ur-Vaters entspricht, sind die Seraphim als Träger der
Liebe dem Centrum am nächsten und in der dritten Triade, der das Wesen
der Urmutter zu grunde liegt, sind die Träger des Liebesprinzipes,
die Engel, nahe der Peripherie in der neunten Region. Centrum und Peripherie
sind unmittelbar von den Trägern des Liebesprinzipes umgeben: der Urvater
von den Wesen, bei welchen das aktive Willenselement der seraphischen Wärme
entspricht: die Urmutter den Wesen, welche die weisheitsvolle Liebe, die
sich als Hingabe offenbart, in sich tragen, von den Engeln. Zwischen beiden
ist Christus, das Wort Gottes, der Bote, der Mittler zwischen urväterlichem
Willen und urmütterlicher Weisheit. Er selbst ist das Element der Liebe,
es ist das Centrum seines Wesens. So ist auch in der zweiten Triade die
Region, in welcher die Träger der Liebe sind, in der Mitte dieser
Triade und ebenso in der Mitte aller Regionen.
Es kann das Prinzip der Liebe als das wichtigste betrachtet werden in
der Schöpfung, weil direkt neben die zwei schaffenden Elemente die
Träger der Liebe gestellt sind; auch stehen diese Träger der Liebe
in den mittelsten Regionen des Geschaffenen. Nach dem Willen des Urvaters,
mit der Weisheit der Urmutter wird das Universum gebildet; die Kraft der
göttlichen Liebe durchlebt das Geschaffene als der Mittler — Christus
— und die himmlischen Träger der Liebe sind dem Urvater und der Urmutter
am nächsten gestellt. So ist die Anordnung der himmlischen Chöre
in den auf einander folgenden Regionen vom Centrum bis zur Peripherie; sie
bilden die Himmelsrose.
«««««
Kapitel IV.
Die Ausstrahlung des Urvaters ist die Emanation von himmlischen Wesen,
die bis zur Urform hinausgehen, um dann wiederum zum Centrum zurückzukehren;
so formen sie die lebendigen Blätter der Himmelsrose. Centrum und
Peripherie sind von einander verschieden und doch im Wesen eins; die lebendigen
Blätter sind wie geflügelte Boten, welche die Wirkungen zwischen
beiden rhythmisch erleben.
Ein Bote aber, welcher von dem Centrum ausgestrahlt war, kehrt nicht
zurück, als er die Peripherie erreicht hat. Dieses Wesen ist ausersehen,
das erste mächtige Geschöpf Gottes zu sein, das den Vater durch
alle Hierarchien hindurch bis an die Peripherie vertreten soll, gleichwie
ein Diener seinen Herrn. Deshalb ist diesem Geschöpf solche Macht gegeben,
daß es, wie im Abbild, die drei Prinzipien Gottes selbst im Aspekte
der göttlichen Triade in sich tragen kann. Jenes Wesen, das wie ein
leuchtender Stern aus dem Urvater hervorging, kann von dem Centrum bis zur
Peripherie sich frei bewegen und die Regionen der hierarchischen Chöre
durchwandern. Es ist das erste Geschöpf, welches die göttliche
Triade, wie in schwachem Nachklang, in sich erleben konnte. Die Chöre
der himmlischen Hierarchien zusammengenommen haben das Verständnis
für den Vater, den Mittler Christus und die Urmutter; jeder einzelne
von ihnen aber ist nur teilweise erleuchtet, je nach der Region, in der er
sich befindet und der Gruppe, welcher er angehört. Das erste Geschöpf
aber hat dem Urvater gegenüber die Macht, mit einer gewissen Willkür
sich zu offenbaren, desgleichen auch dem Mittler und der Urmutter gegenüber,
weil es ein Abbild jener drei Prinzipien in sich trägt. Jene Freiheit,
welche Gott ihm wie ein Zeichen des Vertrauens gibt und mit welcher er in
Harmonie mit dem göttlichen Schöpfungsplan seinem Herrn und Schöpfer
dienen soll, wird so durch dieses Wesen mißbraucht, daß es jenes
väterliche Prinzip, welches es i n s i c h erlebt, dem Urvater entgegenstellt:
Es stellt seinen eigenen Willen dem göttlichen Willen gegenüber.
So streitet es mit dem Element der Liebe, mit dem Mittler Christus, als es
statt göttlicher Liebe Eigenliebe offenbart; so stellt es seine eigene
Weisheit der Weisheit der göttlichen Urmutter entgegen. Dadurch hat
es sich außerhalb der Regionen der göttlichen Offenbarung gestellt;
es tritt aus dem Lichtkreis des göttlichen Reiches heraus — hinein in
ein unbekanntes Reich der Finsternis, in dem es selbst herrschen und sich
als Gott durch Offenbarung der Dreiheit und Ausstrahlung des eigenen Wesens
fühlen möchte. Statt des ersten Geschöpfes Gottes ist es der
Sohn der Finsternis geworden. Mit dem Lichte, das es als göttliches Geschöpf
in sich trägt, leuchtet es in das Reich der Finsternis hinein; Lucifer
der Lichtträger ist es, aber Träger des Eigenlichtes, nicht des
göttlichen Lichtes, weil er geschaffen war, um das göttliche Licht
zu tragen, selbst aber das Licht schaffen wollte. Abgefallen von der Triade,
herausgetreten aus dem Reiche der himmlischen Wesen, hat er ein düsteres
Reich für sich geformt, in welchem er allein Herr ist, wo er alles,
was an göttlicher Offenbarung da ist, auf anti-göttliche Weise
als Eigen-Offenbarung gibt, sodaß alles in umgekehrter Art vorhanden
ist. Lucifers Reich ist entstanden außerhalb des Reiches Gottes, es
ist das Reich der umgekehrten Himmelsrose, welches aber deshalb, weil Lucifer
nur Gottes Geschöpf ist und nicht selbst ein Gott, wie ein niedriges
Reich betrachtet werden muß, im Vergleich mit den himmlischen Reichen
Gottes.
So ist unter dem Reiche, in welchem die Trinität durch ihr Abbild
herrscht, ein neues Gebiet entstanden. Durch den Abfall Lucifers wird unter
die Dreiheit eine neue Zahl gestellt; aus der Dreiheit entsteht eine Vierheit
und v i e r ist die Zahl, die sich überall zeigt, wo nicht nur die göttliche
Welt, sondern auch die Welt Lucifers in die Erscheinung tritt.
Aus der Urform, dem Reiche der göttlichen Weisheit, ist Lucifer
herausgefallen in die niederen Regionen und dadurch, daß er als erstes,
kraftvolles Geschöpf durch Gott nach seinem Bilde geschaffen ist in
dreifacher Art, kann er auf die einheitliche Urform so einwirken, daß
neben dem Dreifachen, als Abbild der Triade, ein Vierfaches erscheint. So
entstehen die vier Himmelsrichtungen O-S-W-N. Von diesen sind die drei ersten
in ihrer Eigenart in Harmonie mit dem Wesen der Triade, sodaß die O—W
Linie mit den Elementen der Weisheit (Ur-Mutter) und Kraft (Ur-Vater) übereinstimmt.
Die Linie S—N ist so geformt, daß die Himmelsrichtung S dem Wesen
des Mittlers Christus entspricht; die Richtung des N aber ist der Punkt,
wo durch Lucifers Abfall die einheitliche Peripherie zunächst durchbrochen
wird, als er das Reich der Finsternis betritt. Lucifer hat auf das Prinzip
der Urform, auf die Lichtjungfrau selbst, nicht einwirken können; doch
außerhalb der ursprünglichen Peripherie liegen jene Regionen,
in welchen er zwischen den anwesenden Archetypen der Geschöpfe auftreten
kann.
Zwischen der himmlischen Urperipherie und dem Urcentrum befinden sich
jene drei Himmel oder Sphären, die als Empyreum, Kristallhimmel und
Fixsternhimmel bezeichnet werden. Im ersten Himmel, der dem Urcentrum am
nächsten gedacht wird, lebt das Licht der Urweisheit. In dieser Sphäre
schaut die Seele unmittelbar die ewige Himmelsrose, welche in sich das
Wesen des Urvaters, des Wortes und der Urmutter als Einheit umfaßt
und in der die himmlischen Hierarchien die lebendigen Blätter bilden.
Ihr Centrum ist der Urvater in dreifachem Aspekt, ihre Peripherie die Urform,
dazwischen lebt der Mittler. Die zweite Region ist der sogenannte Kristallhimmel;
da wirkt das Element der Liebe auf solche Weise, daß wiederum eine
Bewegung zwischen erster und dritter Sphäre zustande kommt. Dem Prinzip
der Weisheit gemäß entsteht durch die sich hingebende Liebe für
die dritte Sphäre der Plan, nach welchem die starke Kraft, die dieser
Sphäre angehört, wirken wird. Während die zweite Sphäre
als Einheit sich offenbart, ist in dieser dritten Sphäre schon merkbar
die Wirkung von Lucifers Abfall. Es sollte da, wo das Prinzip der Stärke,
des Willens, herrscht, eine Centralisation stattfinden, eine Widerspiegelung
des urväterlichen Elements; doch hat sich gerade dort das Prinzip des
Abfalles und der Zerspaltung durch Lucifers Absturz gebildet. Die Zerspaltung
nach den vier Richtungen O-S-W-N bewirkt, daß in dem sogenannten Fixsternhimmel
die einheitliche Urform sich in zwölffacher Zerteilung offenbart. Jene
zwölf Teile, welche beruhen auf den vier Himmelsrichtungen und den
drei Prinzipien (oder Eigenschaften der Urform) tragen heute die Namen
der zwölf sogenannten Himmels-Constellationen oder Fixsternzeichen.
Sie sind das Abbild des ursprünglich einheitlichen Fixsternhimmels,
sowie dieser wie in zwölf Centren zerspaltet sich darstellen muß
für jene Regionen, die außerhalb der Urperipherie liegen.
Diese zwölffache Peripherie ist die Grenze, wo sich die rein himmlischen
Sphären und der Bereich Lucifers treffen. Von da an hört das
Reich des Himmels auf und alles, was sich weiter als göttlich offenbart,
ist vermischt mit der Wirkung Lucifers. Immer tiefer tritt Lucifer in das
Reich der Finsternis ein, je weiter er sich entfernt von der leuchtenden
Himmelsrose. Der zwölffache Umkreis, die Region der Fixsterne, ist
die äußerste Grenze seines Wirkens. So ist schon von Anfang an
durch den Vater der weitere Weg Lucifers begrenzt worden durch die Urform,
das Prinzip der göttlichen Weisheit. Wie auf zwölffache Weise
schaut das Auge Gottes die Taten Lucifers an. Freiheit wollte der Schöpfer
seinem Geschöpf lassen, aber als die Freiheit mißbraucht war,
wurde von Anfang an eine Grenze gezogen für die Möglichkeit dieses
Mißbrauches. Es ist dadurch, daß die zwölffache Peripherie
den Umkreis von Lucifers Wirkungsfeld formt, eine bestimmte Grenze für
die Tiefe seines Falles gestellt; diese Grenze kann nur der Punkt sein,
welcher überall am weitesten von der Peripherie entfernt ist und daher
in der Mitte liegt. Lucifer geht von der Peripherie zu diesem Mittelpunkt,
wo er seinen tiefsten Fall erlebt und sich von den himmlischen Sphären
und dem urväterlichen Element am weitesten entfernt hat.
Seitdem Lucifer aus der letzten Region der himmlischen Sphären
herausgefallen ist an dem Punkte, welchem die Himmelsrichtung des Nordens
entspricht, bildet er immer neue Regionen bei seiner weiteren Entfernung
von den himmlischen Reichen. Die Zerteilung dieser Regionen ist abhängig
von den ersten Grundlinien, nach welchen die zwölffache Zerspaltung
geschah. Diese zwölf Teile befinden sich nebeneinander im Raume, sie
liegen in ein und derselben Region. Durch die weiteren Taten Lucifers entstehen
andere Regionen, mehr oder weniger entfernt vom Fixsternhimmel; weil sie
aber unter- oder nacheinander entstehen, statt nebeneinander, und doch auf
der Zerteilung von 3 und 4 beruhen, offenbaren diese Regionen sich nicht
als zwölffach, sondern siebenfach. Statt im Raume nebeneinander, sind
sie in der Zeit nacheinander und so kann gesagt werden, daß durch Lucifers
Abfall ein Reich entsteht, welches aus der Ewigkeit in das Zeitliche versetzt
wird.
So wie in den himmlischen Regionen alles ist, weil es da keine Zeit,
sondern Ewigkeit gibt, in welcher alles für ewig da ist, so ist im Reiche
Lucifers die Ewigkeit zerbrochen in die Dreiheit der Zeit (Vergangenheit,
Gegenwart, Zukunft) und dadurch entsteht, statt ewigen Seins, Werden und
Vergehen mit dem dazwischen liegenden Momente des Daseins; es entsteht die
Dualität von Entwicklung und Zerstörung. Die Grenze des Reiches,
wo Lucifer wirkt, die Region des Fixsternhimmels, ist ebenso die Grenze,
wo die Ewigkeit aufhört und das Zeitliche anfängt; zwar scheinbar
ewig, ist auch dieses Reich schon der Herrschaft der Zeit unterstellt.
So ist dieses Reich als ein vergängliches Reich zu betrachten.
In allem, was sich im Zeitlichen entfaltet, ist immer nur ein Teil desjenigen
offenbart, was ursprünglich dem Ewigen angehört; dasjenige, was
sich dort entwickelt, kann sich nur teilweise ausleben. Es entsteht jedesmal
eine Dualität als Einheit, welche eine Licht- und eine Schattenseite
zeigt. Es ist mit der siebenfachen Offenbarung in der Zeit nacheinander ein
nichtgeoffenbartes Fünffaches verbunden, welches neben der siebenfachen
Offenbarung im Raume da ist, obwohl nicht in der Zeit wahrnehmbar. So ist
alles in diesem Reich siebenfach geoffenbart, es hat aber ungeoffenbart in
sich das Fünffache.
In dem Zwiegespräch zwischen Urvater und Urmutter ist durch den
Fall Lucifers etwas Neues hinzugetreten. Der Urvater spricht und die neun
Chöre von himmlischen Wesen entstehen; dann klingen wie ein Echo aus
der Urform die Töne zurück, und weit über sie hinaus tönt
das Wesen des göttlichen Wortes in dreifacher Weise. Nach dem Sturz
Lucifers hat sich seine Stimme in das Neunfache eingemischt. Dasjenige, was
wie ein Echo zurückklingen soll, tönt dann weiter durch, bis in
das Reich, wo er wirkt. Weil in ihn die drei Prinzipien hineingelegt sind,
hat Lucifer eine dreifache Möglichkeit des Klanges erhalten und dadurch
gesellt sich zu dem neunfachen Klang der Stimme des Vaters der dreifache Ton
von Lucifers Stimme. Nach dem Klang jenes zwölffachen Tones ist alles
gestattet, was sich außerhalb der Himmelsrose befindet. So erfüllen
die neun himmlischen Chöre das Reich Gottes mit neunfachem Klang, welcher
durch das lebendige Wort, das dreifache Wesen des göttlichen Mittlers,
Christus, zusammengefaßt und erhoben wird. In dem Reich, wo Lucifer
wirkt, ist ein schwacher Nachklang jener neunfachen Harmonie vorhanden, aber
durch das dreifache Mittönen Lucifers ist die Harmonie in Disharmonie
verwandelt, und der Klang ist dadurch unklar geworden.
Die schaffenden Töne des Sohnes sind wie das Leben der neun himmlischen
Chöre zwischen dem väterlichen Centrum und der Peripherie. Wenn
diese Töne durch die Urform in das Reich, wo Lucifer wirkt, eindringen,
bilden sich auch da Wesen, welche zwar nicht zu den himmlischen Chören
gehören, aber doch auch als Hierarchien betrachtet werden können;
sie sind wie Abbilder der ersten. Sie sind gruppiert in Regionen von verschiedener
Höhe. Von der Region des Fixsternhimmels bis in die nächste Nähe
des Tiefpunktes von Lucifers Fall befinden sich diese Hierarchien.
Weil in diesem Reiche alles auf siebenfache Weise eingeteilt ist, sodaß
es da auch nur sieben Wirkungssphären gibt, statt neun, so können
nur sieben von den neun Hierarchien in den Offenbarungen tätig sein.
Es wirken Hierarchien, welche den himmlischen Seraphim und Cherubim entsprechen,
in der nächsten Nähe der himmlischen Urform, in der Region des
Fixsternhimmels; in den sieben niederen Regionen wirken sie nicht direkt.
Diejenige Hierarchie, welche der der himmlischen Throne entspricht, ist
in jener Region tätig, wo Lucifer in der ersten Region, die unterhalb
des Fixsternhimmels liegt, einen ersten Wirkungskreis ausbildet. Die höchsten
Regionen in dem Reiche Gottes, welche durch die Seraphim belebt werden,
liegen da in der nächsten Nähe des väterlichen Centrums.
In dem Reiche, wo Lucifer wirkt, ist es umgekehrt, und die Seraphim sind
am weitesten entfernt von dem Centrum, das durch Lucifer als Anticentrum
gebildet ist. Die luciferische Gegenwirkung formt ein umgekehrtes Bild
des göttlichen Reiches, das aus der Ewigkeit in das Zeitliche versetzt
worden ist, in das, was dreifach zerbrochene Ewigkeit ist.
Durch die dreifache Kraft, die in ihm lebt als Gegenbild der göttlichen
Triade, hat Lucifer auch Wesen beleben können, die in den Regionen
seines Reiches tätig sind nach seinem Willen, den er dem göttlichen
Willen gegenübergestellt hat. Diese Wesen stellt er zwischen die Regionen,
wo die Hierarchien nach dem Willen Gottes tätig sind; sie wirken in
die Regionen der Hierarchien hinein, jedoch so, daß ihre Wirkung die
der wahren Hierarchien kreuzt. Sie können mit denselben Namen genannt
werden wie die wahren Hierarchien, nur daß jene im Wesen niedriger
sind wie diese, weil nicht der Vater, sondern Lucifer sie bildete. Jene Wesen
aber sind alle so geformt, daß sie wie einen halben Ton niedriger sind
als die wahren, die durch die Stimme Gottes geschaffen wurden.
Durch Lucifers Stimme hervorgerufen, können sie nur Dissonanz in
ihrem Wesen tragen. Statt durch Gotteskraft, durch Gnade, geschaffen zu
sein, hat Lucifers Eigenwille sie hervorgebracht; nicht mit dem göttlichen
Willen, sondern gegen diesen Willen sind sie entstanden. Aber nur allmählich
in der Zeit, konnten sie nacheinander entstehen und sie sind auch den Gesetzen
der Zeit Untertan. Es wirken auch die wahren Hierarchien nicht in gleichem
Maße zu gleicher Zeit, weil auch sie ins Reich der Vergänglichkeit
hineinversetzt sind, wo die Regionen nacheinander gebildet und belebt werden.
Die göttliche Triade, die als Dreiheit in Einheit gleichzeitig
tätig ist, wird in den Regionen, wo Lucifer weilt, zu einer solchen
Offenbarung, die in der Zeit nacheinander geschieht, sodaß drei einzelne
Offenbarungen entstehen, welche wie durch eine Grenze von einander abgetrennt
sind in der Zeit. Es entwickelt sich etwas, was auf umgekehrte Weise den
drei göttlichen Attributen entspricht; dieses aber wird zu einer dreifachen
Hüllennatur, welche statt göttlicher Tätigkeit eine negative
Form ist.
So entstehen nacheinander zunächst drei Hüllen oder Räume
in den drei Regionen, die Lucifer in seinem weiteren Fall zuerst durchstreift;
sie sind die makrokosmischen Centren, die vom Fixsternhimmel umgeben sind.
In der Region, welche der des Fixsternhimmels am nächsten liegt,
woselbst die Hierarchie der wahren Throne wirkt, und die hierarchischen
Diener Lucifers diese Wirkung durchkreuzen, entsteht zunächst eine
Form, die dem Wesen des Ur-Vaters in umgekehrter Weise entspricht; sie ist
wie eine lebendige Hülle, in welcher das Prinzip des Willens insbesondere
tätig ist. Daher ist sie gleichsam aus Wärmestoff gestaltet, aus
dem, was in dem urväterlichen Centrum das immer hervorquellende Leben
ist; weil in diesem Reich immer Dualität herrscht, so ist diese Wärmeoffenbarung
verbunden mit der des Gegenteils, der Kälte.
Dies ist das zuerst entstandene kosmische Centrum, das eine Hülle,
einen Raum, darstellt, den Lucifer beherrscht. Diese Hülle, in der Zeit
entstanden, ist den Gesetzen der Vergänglichkeit unterworfen; sie entwickelt
sich, bildet sich aus, besteht und erreicht ihren Daseins-Höhepunkt,
um dann allmählich zu vergehen.
Nach ihr folgt die Ausbildung einer Form in der Region, die weiter entfernt
vom Fixsternhimmel ist als die erste und die als zweite Region betrachtet
werden kann. Diese lebendige Form, die wieder Lucifer als Hülle dient,
entsteht da, wo die Hierarchie der wahren Herrschaften tätig ist,
der die Hierarchie Lucifers entgegensteht. Diese Hülle entspricht
auf umgekehrte Weise dem Wesen des Mittlers in der göttlichen Triade;
sie offenbart sich als leuchtende Schönheit, welche gleichwie ein
Opfer liebevoll ihr Licht ausstrahlt. Als ihr Gegenteil entsteht aber die
Finsternis, als ein Resultat der Arbeit der luciferischen Hierarchien. Auch
diese Form entsteht und vergeht in der Zeit.
Nach ihr wird in der dritten Region, woselbst die Hierarchie der wahren
Mächte wirkt, deren Taten wiederum durch die Diener Lucifers durchkreuzt
werden, eine andere lebendige Form ausgebildet, die nach dem Wesen des urmütterlichen
Prinzips, der Weisheit (auf umgekehrte Weise) gestaltet ist. Diese Form
trägt in sich wie eine Wiederholung dessen, was in den zwei früheren
Formen war; wie auch in der Triade jeder einzelne Teil die Kräfte der
zwei anderen in sich trägt, aber mit Überwiegen des einen.
Gleichwie in den himmlischen Sphären die Urbilder sich gestalten
durch die Stimme Gottes, das lebendige Wort, so ist in dieser dritten Hülle
der Klang das belebende Element. Weil dieser Klang aber zweifach gestaltet
ist und zwar durch die entgegengestellten Wirkungen der wahren und der
luciferischen Hierarchien, besteht er aus harmonischen und disharmonischen
Tönen, und dadurch können nur Gebilde entstehen, welche ein disharmonisches
und zu gleicher Zeit dualistisches Element in sich tragen. Dieses dualistische
Element hat in der Entwicklung dieser dritten Hülle dazu geführt,
daß sich allmählich ein Teil, in welchem die harmonischen Töne
vorherrschen, herausbildet aus einem anderen Teil, in welchem die Disharmonie
überragt. Diese dritte Hülle, welche nach dem Wesen des urmütterlichen
Prinzipes gestaltet ist auf umgekehrte Weise, ist so ausgebildet worden,
daß in der Dualität etwas entstand wie ein Zerrbild von dem,
was sich in der Triade als Sprache oder Wirkung zwischen dem urväterlichen
Centrum und der urmütterlichen Peripherie offenbart.
Es zerspaltet sich die Hülle in zwei Teile, von welchen der eine
als Centrum wirkt, der andere als Peripherie. Wie eine Sonne strahlt das
Centrum, der Teil, in welchem die Harmonie vorherrscht, sein Licht und
seine Kraft zu der Peripherie, aus der die Disharmonie heraustönt
und die wie eine düstere Hülle jenes Centrum umgibt. Statt der
leuchtenden Peripherie der himmlischen Regionen, der reinen Lichtjungfrau,
die die Willensoffenbarungen des Urvaters zu Urbildern verwebt, die geformt
sind nach Angabe des Wortes Gottes, nach dem Wesen des Gottes-Sohnes, ist
jene düstere Peripherie entstanden, wie ein erstes weibliches Prinzip
im Kosmos, welches in sich aufnimmt die Lichtkräfte des Centrums, der
Sonne, und sie verwebt zu Formen, die nicht nach dem Worte Gottes, sondern
nach dem Wesen Lucifers gebildet sind.
In Chaos, Finsternis und Disharmonie wirren diese Zerrbilder durcheinander,
teilweise von einander getrennt, teilweise mit einander verbunden; der
Ton, welcher aus ihnen zurückklingt wie ein Echo, und der Klang, den
sie formen, ist wie ein Schrei, ein Teil der großen Dissonanz, die
das Leben dieser Peripherie ausmacht.
Jenes erste weibliche Prinzip, welches im Gegensatz zu der himmlischen
Lichtjungfrau — zu dem reinen urmütterlichen Elemente — ohne Licht,
ohne Reinheit und ohne Weisheit ist, kennt statt des Willens des Vaters nur
Lucifers Willen, der vom Centrum aus der Peripherie entgegenstrahlt. Statt
des göttlichen urväterlichen Prinzips aber ist aus jener Willensoffenbarung
Lucifers etwas entstanden, was sich als erstes männliches Prinzip zeigt.
In die Entwicklung dieses dritten Raumes hat Lucifer das hineingebracht, worin
er seine Wirkung insbesondere geltend machen kann, jenes dualistische Element,
das sich als männlich und weiblich offenbart in dem Reiche, welches
Lucifer angehört.
In den himmlischen Sphären ist das urväterliche und das urmütterliche
Prinzip eine unzertrennbare Einheit, die sich zweifach offenbart; der Mittler
ist der Bote, die Verbindung dieser Zweiheit zur Einheit. In der dritten
Region im Kosmos wird ein zweifaches Element entwickelt, das, ursprünglich
miteinander verbunden, auseinandergetrennt wird und sich dann verbindet
in der Zeit.
Die Zahl sieben offenbart sich in jenen Regionen immer mehr; in der
ersten Hülle, die in umgekehrter Weise dem urväterlichen Willensprinzip
entspricht, ist die Zahl zwölf noch vorherrschend. Je mehr aber die
Offenbarung in Regionen stattfindet, welche sich immer mehr von der Region
des Fixsternhimmels entfernen, desto deutlicher zeigt sich in allem die
Siebenzahl. Damit geht zusammen, daß die Hülle oder der Raum,
der ausgebildet wird, sich immer mehr loslöst aus seiner Umgebung,
immer fester und dichter wird. Es ist, als ob die Wirkung des Widersachers
bei der Formung einer nächsten Hülle sich jedesmal mehr concentrierte
in seiner Wirkung bis dahin, wo er das Anticentrum bildet in der Mitte seines
Reiches, in der vierten Region.
In den Hüllen entsteht immer mehr Vielfältigkeit, weil das
Prinzip der Spaltung in ihnen wirkt; die Abbilder oder Zerrbilder der ursprünglichen
himmlischen Urbilder werden zu Formen, welche, obschon verbunden miteinander,
doch eine gewisse Trennung zeigen; sie stimmen dabei überein mit dem
bestimmten Grade, in welchem sich die ganze Hülle als Einheit aus
ihrer Umgebung herausgesondert hat. Nicht nur hat Lucifer Anteil an diesen
Formen, es ist dabei auch sein Wille, daß in diesen Formen und in
ihren vielfältigen Zerspaltungen Wesen wohnen sollen, die sie beleben.
Sie sollen seine Diener sein; er will über die Wesen herrschen, die
in den einzelnen Teilen der Hülle, in den Formen, leben.
Von den wahren Hierarchien, die nach der Stimme Gottes hören und
das Wort Gottes bei ihren Taten als Vorbild haben, sind die Throne aus
der ersten Hierarchie diejenigen, die in der ersten Region tätig sind,
wo sich der Raum entwickelt, welcher dem väterlichen Prinzip des Willens
in umgekehrter Art entspricht. Die Throne wirken auf diesen Raum als Ganzes
ein; die Wesen aber, welche insbesondere wirken in Bezug auf die einzelnen
Formen, die sich während der Entwicklung allmählich aussondern,
sind die höchsten Wesen aus der dritten Hierarchie, die Fürstentümer.
Weil sie verbunden sind mit jenen Formen, welche zwar durch die wahren Hierarchien
aufgebaut werden, doch auch unter Lucifers Einfluß stehen, ist für
sie nicht nur Gottes Stimme wahrnehmbar, sondern auch die Stimme Lucifers.
Einige Wesen aus dieser Hierarchie sind verführt worden, auf jene
Stimme Lucifers zu hören, mit welcher er ihnen die Erlangung desselben
Wertes wie die Throne versprach, wenn sie in diese Formen einziehen und nach
seinem Willen sie beleben würden. Diese Wesen haben sich dann auf solche
Weise mit den Formen verbunden, daß sie, statt gleichsam von außen
auf diese einzuwirken, in sie eingezogen sind. Die Formen haben dadurch
mehr Bedeutung bekommen; sie können dann ein Leben für sich führen,
und weil in ihnen dieses Leben dem Willen Lucifers gehorcht, sind sie immer
mehr dem väterlichen Willen entzogen worden. Es entsteht dadurch wieder
eine Dualität in der Hierarchie der Fürstentümer, einige
folgen dem Willen des Vaters, andere dem Lucifers.
Dasselbe geschieht mit dem zweiten Raum, welcher dem Prinzip des Mittlers
in umgekehrtem Sinne entspricht. Die wahre Hierarchie der Herrschaften
ist dabei tätig in Bezug auf die ganze Hülle; die Erzengel wirken
auf die einzelnen Formen ein und wieder verführt Lucifer einige der
Erzengel, sich tiefer mit ihren Kräften in die Formen hineinzuleben,
als sie dem Worte gemäß tun sollten, wofür er ihnen gleichen
Rang mit den Herrschaften verspricht.
Bei Ausbildung des dritten Raumes sind die Mächte an der Hülle
als Ganzes tätig; die Engel wirken ein in die einzelnen Formen. Die
Verführung einer Anzahl der Engel durch Lucifer führt dazu, daß
diejenigen, welche sich zu sehr hineinversenken in die Formen, sich abtrennen
müssen von den andern, die das Wort Gottes treu befolgen. Dadurch zerbricht
die ganze Hülle in zwei Teile, die sich dann entgegenstehen in Centrum
und Peripherie. Im Centrum befinden sich die Engel, welche nicht verführt
worden sind durch Lucifers Stimme; die verführten Engel leben in der
finsteren Peripherie.
Dadurch, daß die Engel, welche nicht direkt durch Lucifer verführt
wurden, doch der Wirkung der ihnen entgegengestellten luciferischen Diener
ausgesetzt sind, welche die Taten der wahren Mächte kreuzen, strömte
auch der Wille Lucifers aus dem Centrum zu der Peripherie hin, in welcher
nur verführte Engel leben und es entsteht etwas, das ein umgekehrtes
und verdorbenes Abbild ist der himmlischen Sprache vom urväterlichen
Centrum zu der urmütterlichen Peripherie.
Der Wohnplatz der gefallenen Engel ist wie ein makrokosmisches weibliches
Ungeheuer, das die ihm zuströmenden Sonnenkräfte vampyrisiert;
mit Hilfe dieser Kräfte werden die einzelnen Formen aufgebaut, deren
jede für sich selbst ein Ungeheuer ist, das seine Wurzel in dem Ganzen
hat; so sind diese Zerrbilder entstanden durch die Verbindung von Lucifers
Kräften mit den Kräften der weiblichen Schlange, welche die Peripherie
bildet, indem sie das Ende ihres Schwanzes im Munde hält.
In der Zeit nach einander herrscht Lucifer insbesondere in einer der
verschiedenen kosmischen Regionen, und je tiefer sein Fall wird, umso mehr
entfernt er sich dabei von der Sphäre des Fixsternhimmels. Jedesmal,
wenn er in einer bestimmten Region tätig ist, concentriert er sich in
dieser und es bildet sich eine Hülle, welche wie ein Kern in jener Region
ist. Dieser Kern wird fester und mehr aus der ganzen Region herausge sondert,
je näher diese Region dem Tiefpunkt von Lucifers kosmischen Fall und
damit dem Centrum seines Wirkungsfeldes im Kosmos liegt.
Der erste Raum, der durch die Taten der wahren Hierarchien und die Gegenwirkung
von Lucifers Dienern entstand, erstreckt sich über die ganze erste
Region des Kosmos; der zweite aber hat sich schon mehr aus ihrer eigenen
Region herausgetrennt, und der dritte Raum steht wieder mehr auf sich
in der dritten Region da. Der vierte Raum sondert sich wie ein Centrum
aus der betreffenden Region heraus und diese vierte Hülle wird für
Lucifer das Centrum, aus dem er im Kosmos den Taten der wahren Hierarchien
und so den Willen Gottes entgegenwirkt.
Da die Entwicklung jedes Raumes und seiner Hülle in der Zeit verläuft,
gibt es immer einen Zeitpunkt, welcher vor der Ausbildung der Hülle
liegt, eine Periode, während der die Hülle da ist, und einen Zeitpunkt,
dem der Zerfall der Hülle folgt. So ist die Hülle dem Prinzip
des Entstehens und Vergehens Untertan. Nach abgelaufener Entwicklung der
alten Hülle und vor dem Beginn der Ausbildung einer neuen Hülle
entsteht eine Zeitperiode, die wie eine Welten-Nacht zwischen der alten
und der neuen Offenbarung liegt.
Jene Regionen, in welchen Lucifer einmal tätig gewesen ist, bei
Ausbildung einer bestimmten Hülle, bleiben für sich bestehen; sie
sind dann da und haben ihren Einfluß und ihre Bedeutung in Bezug auf
die neue Hülle, die entwickelt wird. Auch bildet sich immer wiederum
eine Hülle, gleichsam ein Extrakt der alten vergangenen Hüllen
in jeder dieser Regionen, welche früher belebt worden sind; und diese
Hüllen sind wie Merkmale dessen, was früher war, jetzt aber angepaßt
an die neuen Verhältnisse ist. Wie Zeichen sind sie in der Erinnerung
Lucifers, welche objektiviert werden und mit dem Neuen sich verbinden.
Lucifer ist immer insbesondere mit der Hülle verbunden, welche
in einer neuen Region erstmals geformt wird; bei jeder neuen Ausbildung
steigt er tiefer herab, bis er das Centrum in der vierten Region des Kosmos
erreicht. Jede dieser Hüllen würde ganz dem Wesen Lucifers hingegeben
sein, wenn nicht Gott selbst jedesmal einen seiner Diener schickte, der
die Taten Lucifers in gewisse Grenzen bannen soll. So wie es Hierarchien
gibt, die im Reiche Lucifers dem göttlichen Worte gemäß
wirken, und dadurch die Diener Lucifers bekämpfen, so auch wird Lucifer
selbst bekämpft durch Michael, der die Aufgabe hat, sich ihm entgegenzustellen.
Während Lucifer vom Centrum der vierten Hülle aus, in welcher
er tätig ist, einwirkt in alles, was sich auf dieser entwickelt, steht
jener göttliche Streiter ihm gegenüber und bekämpft ihn,
indem er seine Kräfte von außen hineinwirken läßt
in jene Hülle und in die Wesen, welche da in Formen leben.
Es streitet der Erzengel U r i e 1 mit Lucifer, während in der
ersten Region die erste Hülle geformt wird. Die umgekehrte Kraft des
urväterlichen Prinzipes, durch welche jene Hülle sich entwickelt,
wird durch die erhabene Strenge und Kraft Uriels auf diese Weise ausgeglichen,
daß wie ein Moment der Ruhe, des Equilibrum, entsteht zwischen umgekehrten
und wahren urväterlichen Kräften. In diesem Momente ist für
die Wesen, welche dort wirken, die Möglichkeit da, die wahre Stimme
Gottes zu hören, die, als das Wort, Christus, in dieses Reich hineinklingt;
denn dieses Wort tönt durch die Hierarchien bis dahin, wo die Fürstentümer
sich verbunden haben mit den Formen, welche sich auf dieser ersten Hülle
entwickeln. Die verführten Wesen, die der Stimme Lucifers gehorchten
und sich zu tief hineinlebten in diese Formen, in der Hoffnung, dadurch den
Thronen gleichwertig zu werden, erhalten die Möglichkeit der Erlösung,
indem das göttliche Wort selbst zu ihnen spricht, unter ihnen lebt und
ihnen damit zeigt, was wahre Demut ist.
Und wie er, der Sohn Gottes, in einer dieser Formen lebt — als das Wort
selbst in eine Form aufgenommen worden ist — und diese Form geopfert wird,
sodaß die Kräfte des Sohnes nach den vier Himmelsrichtungen
hinausfließen, wird zu dem Momente der Suspension die Hoffnung der
Erlösung hinzugefügt. Für die ganze erste Hülle ist
ein Äquivalent geschaffen worden für die Zukunft, durch welches
Lucifers Fall nicht aufgehoben wird, durch das aber für die vom Widersacher
verführten Geschöpfe Gottes die Möglichkeit des Aufstieges,
der Rückkehr zum väterlichen Centrum gegeben ist. Uriel, der
Diener Gottes, ist der Hüter für die Entwicklung der ersten Hülle,
bis Christus sein Wesen in jene Hülle hineintönen läßt.
Bei Ausbildung der zweiten Hülle ist der leuchtende, kraftvolle
Erzengel R a f a e 1 Lucifer gegenübergestellt. Auch er wacht über
dieser Entwicklung bis zu dem Punkte, wo das Wort selbst sich verbindet mit
einer der Formen, in welchen Erzengel leben, auf daß die Verführten
wiederum den Unterschied erkennen zwischen dem wahren Wort Gottes und der
Stimme Lucifers. Durch Opferung jener Form und Ausströmung des lebendigen
Wortes nach den vier Richtungen wird auch da ein Punkt festgestellt für
die Zukunft, wie eine bestimmte Stufe, auf welcher die verführten Geschöpfe
hinaufsteigen und zum Vater wiederkehren können.
Es klingt auch das göttliche Wort hinein bis in das Reich der verführten
Engel während der Ausbildung der dritten Hülle, aber nur bis
zu einem bestimmten Zeitpunkte. Wie der einzige reine Klang lebt es in
der Welt der Dissonanzen in einer reinen Form zwischen den Ungeheuern. Denn
als jene Engel, welche nicht verführt worden sind, sich versammelt
haben in dem Teil der Hülle, das als Centrum einwirkt auf den anderen
Teil, die düstere Peripherie, hat sich der Sohn Gottes, in der Form
eines nichtverführten Engels lebend, zwischen die verführten Engel
begeben; er hat sie nicht verlassen, damit das Wort Gottes auch zu ihnen
sprechen könne. Dann aber, als jene Wesen sich teilen in die, welche
hören wollen, und solche, denen nicht zu helfen ist, haben sich die
ersteren wiederum mit dem centralen Teil der Hülle verbunden, die letzteren
aber sind herausgefallen aus der Möglichkeit der Erlösung und
damit gänzlich Lucifers Diener geworden. Gabriel ist als Erzengel der
Hüter der Entwicklung jener dritte Hülle, er ist insbesondere dann
bemüht, die bösen Kräfte der weiblichen Schlange auszugleichen
und durch seine Vermittlung nur ist es möglich, daß das Wort hineinklingen
kann bis in jene düstere Peripherie.
Wenn Christus immer tiefer hinuntersteigend in den Sphären der
Hierarchien, während der Ausbildung des dritten Schöpfungsraumes
eintritt in die Regionen, in welchen Wesen leben aus der Hierarchie der
Engel, dann hat das Wort, die Stimme Gottes, durch alle Hierarchien hindurchgeklungen,
welche in diesem Reiche dem väterlichen Willen gemäß tätig
sind.
Diese Hierarchien, welche wie ein Abglanz sind der himmlischen Wesen,
die sich zwischen dem urväterlichen Centrum und der urmütterlichen
Peripherie befinden, indem sie die lebendigen Blätter der Himmelsrose
darstellen, werden dann durch das Wort wie aufs neue belebt; sie werden
dadurch speziell die Diener des Gottes-Sohnes, so wie die himmlischen Hierarchien
die des Vaters sind.
So sind drei Arten von Hierarchien tätig: die, welche im himmlischen
Reiche zwischen Urvater und Urmutter wirken, die des Gottessohnes, welche
den Willen des Vaters vermitteln als Diener des Wortes, und die Hierarchien,
welche Lucifer ergeben sind.
Die hierarchischen Diener des Gottessohnes und die Lucifers bekämpfen
sich, und Lucifer selbst sind die Erzengel entgegengestellt, welche in
die Ausbildung der verschiedenen Hüllen einwirken sollen. Die Hierarchien
des Gottessohnes wollen Vermittler sein zwischen den väterlichen und
luciferischen Hierarchien und so die verführten Wesen erlösen.
Nach vollendeter Ausbildung der dritten Hülle, die dem Gesetz des
Entstehens und Vergehens in der Zeit gemäß auseinanderfällt
und ihre Daseinsform verliert, steigt Lucifer immer tiefer in den Kosmos
herab und erreicht die vierte Region, welche sich im Mittelpunkt befindet.
In jener Region bildet sich eine neue Raumhülle aus, die wie ein Centrum,
abgetrennt von der Umgebung, sich aus dieser ganzen Region heraussondert.
Wie ein Anticentrum des urväterlichen Centrums nimmt sich diese neue
Hülle aus.
Mit der Ausbildung der drei vorhergehenden Hüllen ist nacheinander
in der Zeit und in umgekehrter Weise das dreifache Wesen der himmlischen
Triade nachgebildet und zwar so, daß die erste Hülle in ihrer
Art dem Wesen des Urvaters, dem Willen, entspricht, die zweite Hülle
dem des Mittlers Christus, der Liebe, und die dritte Hülle dem Wesen
des urmütter-lichen Prinzips, der Weisheit. Die vierte Hülle fällt
sozusagen heraus aus irgendwelcher umgekehrten Nachahmung der himmlischen
Triade. Zu der Dreiheit kommt etwas hinzu wie ein Viertes und diese vierte
Welt ist gleichsam eine Wiederholung von dem, was Lucifer bewirkte, als
er durch seinen Fall unterhalb des himmlischen Reiches sein eigenes Reich
wie ein viertes hinzufügte; aber diese Wiederholung
findet auf umgekehrte Weise statt.
Lucifer selbst kann nur Neues entstehen lassen, indem er, aus seinem
Gedächtnis heraus, unter den neuen Umständen, d. h. im tieferen
Fall, immerzu das wiederholt, was in den höheren Regionen gewesen ist.
Zunächst wiederholt sich auch in der vierten Hülle das, was als
die Eigenschaften der Triade umgekehrt nachgebildet worden ist.
In dem, was in umgekehrter Weise dem Wesen der 3x3 = 9 Hierarchien entspricht,
ist das vorhanden, was mit ihrer dreifachen Wirkung übereinstimmt,
so wie diese sich als Abbild der himmlischen Triade in den Sphären
der hierarchischen Tätigkeit offenbart. Es bilden sich dadurch Gruppen,
die gemeinsam wirken in gleichartiger Weise. Zunächst entstehen drei
Gruppen; von diesen ist eine dem urväterlichen Prinzip und der drei
Chöre der ersten Hierarchie gemäß tätig; die zweite
Gruppe wirkt entsprechend dem Wesen des Mittlers und dem der drei Chöre
der zweiten Hierarchie; die dritte Gruppe bezieht sich auf das urmütterliche
Prinzip und die drei Chöre der dritten Hierarchie. Da jene Gruppen von
Wesen in umgekehrterWeise der himmlischen Triade in ihrer Art entsprechen
und gleichsam ein umgekehrtes Bild des Prinzipes und der Wesen der Hierarchien
darstellen, so können sie sich nicht offenbaren wie geistige Wesen,
welche die Formen beleben, die als Teil der ganzen Hülle und gewissermaßen
von ihr abgesondert, für sich da sind; sie können nur die Formen
und die ganze Hülle aufbauen nach der Art, wie diese sich durch die
Taten Lucifers und die Wirkung des ihm entgegengestellten Erzengels gestalten
müssen.
Durch die dreifache Gruppierung und dreifache Wirkung jener Wesen entstehen
die Elemente: das Feuer, welches als wärmespendende Kraft dem Wesen
des Urvaters entspricht, die Luft, welche in ihrer Expansion dem Prinzip
des Mittlers, der Liebe, ähnlich ist, und das Wasser, das in seiner
beweglichen Art als reines, spiegelndes Element, der Weisheit, das Wesen
des Urmütterlichen wiedergibt.
Mit der Ausbildung der ersten Hülle der ersten kosmischen Region,
wo die Throne tätig sind, ist das Wesen des Feuers, welches auch das
Wesen der Throne ist, vorhanden, aber nur als Wärme, nicht als E1ement
; und so ist auch in der Region, in der die Herrschaften an der Entwicklung
der zweiten Hülle mitwirken, das herausstrahlende Licht, das später
das Element der Expansion, der Luft, wird, schon da. Ebenso ist das Wesen
des Beweglichen, Flüssigen in der Region, in der die dritte Hülle
entsteht, unter Mitwirkung der Mächte zu bemerken. Elemente aber werden
sie erst bei der Entwicklung der vierten Hülle, wenn sie sich zusammenfinden
in einem neuen Prinzip und zwar in dem der Centralisation, des Festen,
welches dann als viertes Element hinzukommt.
Was sich in den drei früheren Räumen ausbildete, lebt wieder
auf in der vierten Hülle, aber so, daß es durch die Kraft der
Centralisation sich in festeren Formen offenbart. So entstehen als Wiederholung
von dem, was in den früheren Hüllen entwickelt worden ist, drei
verschiedene Arten von Formen, welche teilweise abgetrennt, teilweise verbunden
mit der ganzen Form als Hülle, durch verschiedene Arten von Wesen belebt
sind. Diese drei Grundtypen von Formen entsprechen wiederum in zerbrochener,
umgekehrter Weise den drei göttlichen Prinzipien, die sich in den Hierarchien
offenbaren als Abglanz der Triade.
Bei jeder Ausbildung einer Hülle entstand auch gleich ein Gegenbild
von dem Wesen jener bestimmten Hierarchie, welche da verbunden ist mit
den einzelnen Formen, die sich aus dem Ganzen heraussondern. Dadurch, daß
von den drei Chören der dritten Hierarchie (der Fürstentümer,
der Erzengel und der Engel) einige dazu verführt wurden, sich mehr
in die Formen hinein zu versenken, als sie ursprünglich, dem Gebote
des Vaters gemäß, tun sollten, und sie deshalb Lucifer Untertan
wurden, ist es ihm leicht geworden, Gegenbilder hervorzurufen, welche das
wahre Wesen jeder dieser Hierarchien in umgekehrter Weise wiedergeben.
Die Wirkung der Fürstentümer, die die Formen mit ihrem Leben
ganz umgeben und sie dadurch zusammenhalten, ohne sich in sie zu versenken,
erhielt ihr Gegenbild in dem, was auf unvollkommenere Weise und auf niederer
Stufe sich bei der Ausbildung der vierten Hülle als Typus für die
mineralischen Formen gibt.
Das Wesen der Erzengel, die sich bei der Entwicklung der zweiten Hülle
mit den einzelnen Formen so verbinden, daß diese etwas wie sprühendes
Leben aus sich heraustreten lassen, ist abgebildet im Typus der Pflanzenformen.
Das Wirken der Engel auf die Formen während des Daseins der dritten
Hülle, wirkt auf niederer Stufe in dem, was an typisch-tierischer
Form in der vierten Hülle auftritt. So sind bei der Entwicklung der
vierten Hülle die Typen da für das, was später Mineral-,
Pflanzen- und Tierreich wird.
Durch die Wirkung der luciferischen Hierarchien, die die Taten der wahren
Hierarchien des Mittlers Christus durchkreuzen, ist auch etwas hervorgerufen,
was sich bei der Ausbildung jeder Hülle direkt als ein umgekehrter
Typus der himmlischen Triade ausnimmt. Es entsteht während der Entwicklung
der ersten Hülle, welche selbst in umgekehrter Weise dem urväterlichen
Prinzip entspricht, ein bleibender Typus, in welchem direkt das Willenselement
tätig ist; in der zweiten Hülle zeigt sich ein Typus, welchem
das Gefühlselement entspricht, und in der dritten Hülle erscheint
ein Typus, welcher das Weisheitselement in sich trägt. Diese Typen
sind für sich da und bleiben bestehen nach ihrer Ausbildung, sie werden
immer wiederholt bei der Entwicklung einer neuen Hülle; sie beziehen
sich aber auf die Hülle als ganzes, im Gegensatz zu der vorhandenen
Veranlagung dessen, was sich in der vierten Hülle offenbart in der dreifachen
Einteilung der einzelnen Formen. Es ist dies ein makrokosmisches Element,
während die drei verschiedenen Arten von Formen mikrokosmisch sind.
Die vierte Hülle wiederholt an sich die Ausbildung jener drei Typen,
so wie bei jeder neuen Hülle die vorhergehende Entwicklung wiederholt
wird, in der Zeit nacheinander, bevor sich das neu Hinzukommende offenbart.
Mit dieser vierten Hülle aber kommt nicht ein bestimmter Typus hinzu,
sondern es werden die drei Typen wie centralisiert in einem Mittelpunkte
und dadurch verfestigt; wenn etwas hinzukommen soll, so kann es nicht durch
Lucifer geschehen; er kann sich nur immer mehr in sein Centrum zurückziehen
und von da aus wirken. Neues aber kann er nicht schaffen, weil er sich trotz
seiner, ihm durch seinen Schöpfer gegebenen Freiheit, zu halten hat
an das, was als Gesetz, Maß und Zahl der Schöpfung aufgestellt
worden ist. Er kann zwar nach seinem Willen alles um- kehren, combinieren
und dadurch das Ursprüngliche scheinbar zerbrechen; er kann aber
nichts zustande bringen, was nicht auf irgend welche Weise zusammenhängt
mit dem, was ohne ihn in unverdorbener Gestalt schon da war als Geschaffenes.
All die Wirkungen Lucifers beruhen auf einer Verzerrung der durch den
Schöpfer gestellten Gesetze und Zahlen und können am Ende immer
wieder auf diese wahren Gesetze zurückgeführt werden. Dies ist
das Maß und die Grenze von Lucifers Freiheit und dadurch wäre
ihm immerzu die Möglichkeit der endlichen Erlösung vorbehalten
durch die unendliche Gnade des Schöpfers zu seinem Geschöpf.
Er aber wendet sich von dieser unendlichen Gnade ab, denn sein überkosmischer
Fall geschah sub specie aeternitatis.
«««««
Universum.
Erzengel. Tierkreis. Planeten
Kapitel V.
Die Erzengel, die Lucifer entgegengestellt sind, wirken in jeder Region
von der Umgebung aus auf die Hülle und alles, was sich darin entwickelt,
ein. Lucifer selbst läßt seinen Willen vom Mittelpunkte der
Hülle ausströmen bis an die Oberfläche und versucht, alles
was da lebt, zu beherrschen. Je mehr sich die Hülle aus ihrer Umgebung
heraussondert und sich ausbildet in den Regionen, welche immer weiter von
der Fixsternsphäre entfernt sind, desto intensiver wird die Gegenwirkung
des Erzengels aus der Umgebung, desto kräftiger der Streit mit Lucifer.
Die Übereinstimmung der Hülle mit ihrer Umgebung in der betreffenden
Region wird immer geringer, je mehr sich Lucifer dem Tiefpunkt seines Falles
und der Mitte seines Gebietes im Kosmos nähert. Die erste Region, welche
der Sphäre des Fixsternhimmels am nächsten liegt, ist mit der
sich darin entwickelnden Hülle fast ganz verbunden, insbesondere während
der ersten Hälfte, der des Entstehens. Aus der Umgebung jener Hülle
wirkt der Erzengel Uriel ein.
Lucifer senkt sich immer tiefer hinein in das, was als Gegenbild des
centralen urväterlichen Prinzipes im Kosmos ausgebildet wurde. Mit seinem
Eigenwillen durchsetzt er diese Hülle und die Formen, welche zwar mit
ihr verbunden sind, jedoch ein Leben für sich haben. Nach diesem bleibt
aus der Entwicklung der ersten Hülle etwas zurück wie ein Typus
für das, was luciferischer Eigenwille ist. Dieser Typus lebt weiter
in der Zeit und in der Entwicklung und wird jedesmal bei der Ausbildung
einer neuen Hülle verstärkt, bis er in der vierten Region, seinen
Höhepunkt erreicht. Es kann gesagt werden, daß er in der vierten
Hülle zu dem wird, was später den Typus der durch Lucifer zum
Eigenwillen verführten und daher gefallenen Erdenmenschen entspricht.
Durch das Wirken des Gottesboten Uriel in Verbindung mit den Taten der
wahren Throne, bleibt etwas wie ein Abbild des wahren urväterlichen
Willenselementes erhalten, das als ein Typus des unverfälschten väterlichen
Willens dasteht. Wie ein Kern, aus welchem sich später ein neues Verständnis
für den urväterlichen Willen entwickeln kann, bleibt jener Typus
bestehen und wird hinausgetragen aus der ersten Region in jene Sphäre,
welche nach der anderen Seite dem Fixsternhimmel am nächsten liegt.
Dieser Typus ist da wie ein Centrum, das erst in der Zukunft belebt
werden soll. Zunächst aber, wenn Lucifer aus der ersten Region eintritt
in die zweite Region des kosmischen Reiches, bleibt jener Kern für
ihn unerreichbar; es bildet sich sodann die zweite Hülle aus, die sich
mehr aus ihrer Umgebung heraussondert. Hier wirkt der Gottesbote R a f a
e 1 von außen hinein in die Hülle, Lucifer von innen heraus, und
da die Hülle sich mehr unterscheidet von der Umgebung, so ist die Gegenwirkung
stärker. Rafael bewirkt in Verbindung mit den wahren Herrschaften, daß
ein Abbild des wahren Wesens des Mittlers Christus bewahrt bleibt, das, über
das zeitliche erhoben, wie ein Kern bleibt und erst in der Zukunft seine
volle Bedeutung erhalten wird. So wird dieses Abbild aus der zweiten Region
hinausgetragen in die, welche auf der anderen Seite von dem Fixsternhimmel
aus die zweite ist, in die sechste Region.
Lucifer selbst bildet während der Entwicklung der zweiten Hülle
den Typus aus für das, was er, als umgekehrtes Wesen des Mittlers
Christus, in sich als Eigenliebe fühlt, und dieser Typus bleibt auch
bei der weiteren Entwicklung bestehen; es ist der Urtypus von dem, was später
auf der vierten Hülle im Tierreich auf Erden lebt.
In der dritten Region ist der Streit zwischen dem Gottesboten Gabriel
und Lucifer intensiver als in den zwei vorhergehenden Regionen, weil der
Unterschied zwischen der dritten Hülle und der dritten Region größer
ist. Durch Gabriels Wirkung, verbunden mit den wahren Mächten, wird
als Typus ein Abbild des wahren urmütterlichen Wesens geschaffen, das
über das Zeitliche erhoben, hinüberführt aus der dritten Region
in die entsprechende Region nach der anderen Seite des Tiefpunktes von Lucifers
Reich, in die fünfte Region, die vom Fixsternhimmel gleich weit entfernt
ist wie die dritte. Durch Lucifers Wirkung entsteht mit der Entwicklung der
dritten Hülle der Urtypus für das, was dann weiter in das Zeitliche
hineinversetzt bleibt und sich während der Ausbildung der vierten Hülle,
des Centrums, im Leben der ganzen Pflanzenwelt offenbart.
In der vierten centralen Region ist der Gottesbote Michael ihm entgegengestellt
worden. Hier ist der Streit am heftigsten. Vom Centrum aus, welches sich
aus der Umgebung heraus gänzlich für sich gestellt hat, wirkt
Lucifer den Kräften Michaels entgegen. — Lucifer entwickelt den Urtypus
für das, was als Festes an sich da ist. Dieses läßt die
Kräfte, welche aus der Umgebung einwirken, auf sich aufprallen und
stellt denselben die eigenen inneren Kräfte entgegen. Es ist der Typus
für die Kraft, welche in dem Inneren des Minerals eingeschlossen lebt
und der die Kräfte, die es von außen bildend umgeben, entgegen
gestellt sind. So sind bei der Ausbildung der vierten Hülle, zu unterscheiden:
1) die verschiedenen Wesen, welche in den Elementen
wirken,
2) die drei Typen von Formen, welche
das Tiereich, Pflanzen
reich und Mineralreich ausmachen und die durch die Wesen
aus den Elementen aufgebaut werden, und
3) die drei seelischen Typen, welche als makrokosmische
Kräfte
die drei verschiedenartigen Reiche
beleben und mit ihren
Eigenschaften übereinstimmen.
Sie sind durch Lucifer ausgebildet worden, während der Entwicklung
der drei früheren Hüllen, als Typen für Eigenwillen, Eigenfühlen,
Eigenwissen, während die Erzengel mit Hülle der wahren Hierarchien
die wahren Abbilder des väterlichen Willens, der Liebe (des Mittlers)
und der Weisheit (der Lichtjungfrau) behalten und sie herausgehoben haben
aus der Entwicklung, die in der Zeit verläuft, in die Ewigkeit hinein.
Durch Michael mit den Kräften der wahren Gewalten verbunden, entsteht
ein Typus, in welchem sich die Abbilder des wahren urväterlichen Prinzipes,
des wahren Gottessohnes und des wahren urmütterlichen Prinzips vereinigen,
— der Typus des reinen Menschen, als Gottes Geschöpf.
Michael ist der Bote, der selbst Träger dieser drei Prinzipien ist;
seinem Wesen nach ist er wie ein wahres Abbild der väterlichen Kräfte,
sie sind in ihm symbolisch eingehüllt durch Helm und Panzer; das Schwert,
mit dem er Lucifer bekämpft und besiegt, ist das Gebot, das Wort Gottes,
das denjenigen vernichtet, gegen den es sich wendet; sein Schild, der reine
Spiegel, in welchem Gottes Antlitz unmittelbar eingeprägt ist, ist
das Bild der reinen urmütterlichen Peripherie, durch welche das urväterliche
Centrum seine Kräfte offenbart. Er ist der, welcher immerfort als Abgesandter
der himmlischen Triade Lucifer bekämpfen muß.
Die vier Boten Gottes, welche Erzengel genannt werden, gehören
nicht zu der Hierarchie der Erzengel. Sie tragen den Namen Erzengel, weil
sie tätig sind bis in die Reiche der hierarchischen Erzengel; im Reiche
der Engel wirken sie nur von oben hinein und betreten nur selten ihre Regionen.
Im wesentlichen sind sie über alle Hierarchien, die im Kosmos tätig
sind, erhaben. Sie haben den göttlichen Auftrag erhalten, die Kräfte
der vier Himmelsrichtungen, die entstanden sind mit dem Fall Lucifers, zu
hüten. Ihre eigentliche Sphäre der Tätigkeit ist die des
Fixsternhimmels, von da wirken sie aus der Ewigkeit in das Zeitliche hinein.
Jeder von ihnen hat die bestimmte Art des Wirkens, welche seinem Wesen entspricht
und auch die bestimmte Himmelsrichtung, die durch ihn behütet wird.
Als Lucifer aus der Region des Fixsternhimmels herausfällt an dem
Punkte, wo die nördliche Richtung ist, und in der ersten Region des
Kosmos an der Ausbildung der ersten Hülle mitwirkt, da tritt ihm jener
Erzengel entgegen, der diesen Punkt zu hüten hat, der strenge Uriel,
und läßt durch seine Vermittlung die Kräfte der Region des
Fixsternhimmels, insbesondere aus jener N-Richtung, auf Lucifers Taten einwirken.
Es ist erwähnt worden, wie in der Region des Fixsternhimmels mit
der Zerspaltung durch Lucifers Fall zwölf verschiedene Centren entstehen,
die insbesondere ihre Kräfte auf die weiteren Vorgänge im kosmischen
Reiche einwirken lassen. Diese zwölf Kraftcentren sind analog mit
dem, was heute, während der Erdentwicklung, als die zwölf zodiakalen
Constellationen angesehen wird. Diese zwölf Constellationen enthalten
in sich einen Teil der Kräfte aus der ganzen Urform und diese Kräfte
sind in jeder Constellation auf verschiedene Weise gestaltet, so daß
in zwölffacher Art gewirkt wird. Dadurch aber, daß durch die
Wirkung Lucifers auf umgekehrte Weise alles nachgebildet wird, was sich
als himmlische Offenbarung kundgibt, sind auch diese zwölf Kräfte
in ihr Gegenteil umgeformt worden; so ist nicht nur die positive Wirkung
der zwölf Constellationen vorhanden, sondern mit jeder Constellation
ist eine negative Wirkung als Gegenpol verbunden. Im Fixsternhimmel waltet
das Prinzip des Guten und des Bösen, aber nur insoweit es die Regionen,
wo Lucifer wirken kann, anbetrifft. Die Region des Fixsternhimmels selbst
liegt über diese Zerteilung hinaus. In der Region des Fixsternhimmels
werden die zwölf Constellationen zunächst erwähnt, welche,
in bezug auf unser Planetensystem, am meisten tätig sind. Der ganze
Fixsternhimmel aber ist nach dieser Zwölfzahl eingeteilt und so bestehen
in diesem mannigfaltige Abbilder und Spiegelungen dieser zwölf Zerspaltungen.
Doch gibt es zwölf Hauptgeister aus der Hierarchie der Throne, die
als die zwölf Geister des Universums die zwölffache Zahl der Zerspaltung
— überall wo sie in der Region des Fixsternhimmels offenbart ist —
beherrschen und hüten.
Als Lucifer in nördlicher Richtung durch die Region des Fixsternhimmels
den Kosmos betritt, führt sein Weg aus dieser Region heraus in nordöstlicher
Richtung des N-Punktes zwischen der Constellation der Zwillinge und der
des Krebses. Uriel wirkt ihm aus der Nord-West-Richtung entgegen, wo sich
die Constellation des Löwen befindet, in welcher die urväterlichen
Willenskräfte stark sind. Diese urväterlichen Willenskräfte
werden aufbewahrt und behalten in dem, was aus der Entwicklung der ersten
Hülle als wahres Abbild des urväterlichen Prinzipes bleibt. —
Lucifer bildet da den Typus des Eigenwillens aus als Urtypus des verführten
Erdenmenschen. Dieser Typus ist so entgegengesetzt dem des wahren Menschen,
wie der himmlischen Constellation des Löwen die Constellation des Wassermann
gegenübersteht, in welcher die Kräfte des wahren Menschen als
göttlichen Geschöpfes enthalten sind.
Weil Lucifers weiterer Fall sich spiralförmig gestaltet, so entwickelt
sich die zweite Hülle in der zweiten Region seines Reiches unter einem
anderen Punkte des Fixsternhimmels. Dadurch tritt ihm der folgende Erzengel
Rafael aus der westlichen Himmelsrichtung entgegen und läßt
die ganze Kraft des Fixsternhimmels durch die Constellation des Adlers
(oder Scorpions) in Lucifers Taten einströmen. In dieser Constellation
sind die Kräfte des wahren Fühlens und des höchsten Verständnisses
für die göttliche Liebe enthalten, für das, was das Wesen
des Mittlers ist. Mit diesen Kräften wird durch Rafael, den Hüter
des Westens, das Abbild bewahrt des wahren Wortes, des Mittlers Christus,
aus der Entwicklung der zweiten Hülle heraus, in welcher Lucifer den
Typus des Eigenfühlens ausbildet. Wie die Constellation des Stieres,
in welcher die Kräfte des Mitgefühles verborgen liegen, am Himmel
der des Adlers gegenübergestellt ist, ist dieser Typus des Eigenfühlens
dem des wahren Fühlens entgegengesetzt, denn Lucifer gebraucht immer
die negativen Kräfte der entgegengestellten Constellation.
Der dritte Schöpfungsraum gestaltet sich wiederum in einer anderen
Himmelsrichtung, in der des Südens. Der Erzengel Gabriel läßt
von da aus die Kräfte des ganzen Fixsternhimmels durch die Constellation
des Wassermanns in die Taten des Widersachers einfließen. Dadurch aber,
daß es Lucifer so gut gelungen ist, eine Anzahl von Engeln zu verführen,
sodaß sie sich mit den Formen, die sie beleben sollten, gänzlich
verbunden haben, wodurch die Zerteilung des Raumes in Centrum und Peripherie
herbeigeführt werden konnte, — kann Gabriel die Kräfte des Fixsternhimmels
nicht weiter in die dritte Region einwirken lassen durch jene Constellation,
in welcher die wahren menschlichen Kräfte enthalten sind. Derjenige
Teil des dritten Schöpfungsraumes, der sich als Centrum ergibt gegenüber
der Peripherie, hat dadurch eine Ähnlichkeit entwickelt mit dem, was
im zweiten Schöpfungsraum sich ausbildete; es strahlt Leben und
Licht aus; die Peri pherie ist nur da als Antipode des Centrums. Beide können
die Kräfte aus dem Fixsternhimmel nur erhalten durch Vermittlung
der Constellationen, die in den zweiten Schöpfungsraum einwirken,
die des Adlers (oder Scorpions) und die ihr entgegengestellte Constellation
des Stieres. Dadurch, daß der dritte Schöpfungsraum aus zwei
Teilen besteht, müssen die Kräfte sich durch beide Constellationen
ergießen und zwar auf zweifache Art. Es wirken die Kräfte durch
die Constellation des Adlers auf das Centrum ein, die der Constellation
des Stieres auf die Peripherie. Weil in beiden Teilen des Raumes aber Lucifer
tätig ist, der immer die negativen Kräfte aus der entgegengestellten
Constellation anwendet, um ein Gegenbild zu dem zu bilden, was die Erzengel
erhalten wollen als Abbild der göttlichen Prinzipien — so wirken auch
in beiden Teilen des dritten Schöpfungsraumes die negativen Kräfte
des Adlers als Scorpionkräfte in der Peripherie und die des Stieres
im Centrum. Das Centrum erhält Verständnis für das Wesen
Christi durch die Adlerkräfte, die aber vermischt werden mit den negativen
Stierkräften, die das männliche Prinzip — den Egoismus, das destructive
Element — hervorbringen und in das wirken, was sich auf Magie bezieht, die
nur dem eigenen Zwecke dient.
Durch die Constellation des Stieres strömen in die Peripherie die
Kräfte des Mitfühlens, des Duldens, der Opferfähigkeit ein,
aber sie vermischen sich wiederum mit den Scorpionkräften, und diese
bringen das Wesen der Vernichtung, des unreinen Empfindens, der negativen
Magie hinzu, welche auch im Geben sich selbst nur sucht, das weibliche Element.
Die Kräfte des Adlers, der bestrebt ist, sich in reinere Atmosphären
zu erheben, um der Sonne näher zu sein, verändern sich in die des
Scorpions, der sich im Schlamm aufhält, und mit seinem unreinen, tödlichen
Stich sein Opfer vergiftet. Durch die Wirkung Gabriels wird das aus der
Entwicklung dieses zerfallenen Schöpfungsraumes herausgehoben, was
als Abbild des reinen urmütterlichen Elementes dasteht: die Jungfrau
mit dem Monde unter ihren Füßen.
Der vierte Schöpfungsraum, das eigentliche Centrum im kosmischen
Reiche Lucifers, bildet sich aus in der Himmelsrichtung des Ostens. Der
Erzengel Michael, bewaffnet mit der Rüstung der dreifachen Gotteskraft,
läßt die Kräfte des Fixsternhimmels durch die Constellation
des Wassermanns in Lucifers Taten einströmen. Durch sein Wesen sind
die Kräfte jener Constellation dermaßen verstärkt, daß
eine Wiederholung von dem, was mit dem dritten Raume vorging, nicht mehr
möglich ist. Die Entwicklung des vierten Raumes geschieht unter dem
Einfluß des Wassermanns, und die Kräfte des wahren Menschlichen,
als Geschöpf Gottes, strömen in sie ein, im Gegensatz zu dem, was
Lucifer schon im ersten Schöpfungsraume als Typus des Eigenwillens —
des gefallenen verführten Menschen — im Zeitlichen vorbereitet hatte.
Mit den negativen Kräften aus der Constellation des Löwen, welche
das Prinzip des Willens als Centralisation enthalten, bewirkt Lucifer die
Verfestigung seines Centrums, wodurch das mineralische Element entstehen
kann.
Mit jeder Herausbildung eines neuen Schöpfungsraumes in der ihm
entsprechenden Region erhält diese Region den Charakter eines Abbildes
des großen Umkreises des Fixsternhimmels mit den zwölf Kraftcentren.
Der betreffende Erzengel läßt die Kräfte einer bestimmten
Constellation aus dem Fixsternhimmel direkt in dieses Abbild einströmen
und wirkt von da aus mit seinen Taten auf den sich entwickelnden Schöpfungsraum
ein. Je entfernter die Region, in der der Raum ausgebildet wird, dem Fixstern
himmel liegt, desto größer ist der Unterschied zwischen der Region
und dem Raume selbst, sodaß sich der Raum immer mehr aus ihrer Region
heraussondert und für sich da ist. Durch diese Concentration Lucifers
wird sein Wirkungsfeld zwar kleiner, seine Wirkung in diesem Felde aber
umso intensiver. Ebenso die Gegenwirkung des betreffenden Erzengels. Jede
Region enthält die Abbilder der zwölf Constellationen, Die ganze
Region in zwölf entsprechende Teile zerteilt, gibt die zwölf Zeichen
des Zodiakus Die Zeichen des Zodiakus sind die Widerspiegelung der zwölf
Kraftcentren des Fixsternhimmels, in einer der Regionen des Kosmos. Sie
umgeben den betreffenden Raum als Peripherie und sind verschieden von jenen
Constellationen, die alle Schöpfungsraume umgeben und die Grenze bilden
zwischen den dualistischen Regionen und den himmlischen Sphären.
Indem in der vierten Region der vierte Schöpfungsraum ausgebildet
wird, entsteht in den drei oberen Regionen des Kosmos in der ersten, zweiten
und dritten Region eine Wiederholung von dem, was sich dort vorher als Schöpfung
entwickelt hat. In jenen drei Regionen, die von der anderen Seite des Centrums
dem Fixsternhimmel gleich entfernt liegen, der fünften, sechsten und
siebten Region, offenbart sich in Anlage der Kern von dem, was sich damals
schon herausgehoben hat aus der Entwicklung des ersten, zweiten und dritten
Schöpfungsraumes und durch die Erzengel für die Zukunft aufbewahrt
worden ist.
Es bestehen außer dem vierten Schöpfungsraum, in welchem
Lucifer tätig ist, und zwar neben diesem Centrum im Raume nach der
linken Seite hin — das ist die Seite der Vergangenheit — die drei Schöpfungsräume,
welche ihre Entwicklung schon beendet haben. In der Mitte, im Momente der
Gegenwart, befindet sich das Centrum, die vierte Hülle. Nach der rechten
Seite, der Seite der Zukunft hin, zeigen sich die Anlagen der drei Entwickelungsphasen
des kosmischen Lebens für jene Geschöpfe, die nach Erlösung
aus der Gewalt des Widersachers streben.
Im vierten Schöpfungsraum tritt eine Wiederholung ein von dem,
was während der Ausbildung des dritten Raumes geschah. So wie sich
jener Raum zerteilt hat in zwei Teile, von welchen der eine als Centrum
wirkt, der andere als Peripherie, so spaltet sich vom vierten Raum wiederum
ein Teil ab, der zum Centrum wird für den anderen Teil. Damit das, was
mit der Ausbildung des dritten Raumes vorging, als das zweifache Element
des umgekehrten urväterlichen und urmütterlichen Prinzipes sich
als männliches und weibliches offenbarte, nicht wieder auftreten und
die Entwicklung des vierten Schöpfungsraumes gänzlich beherrschen
könne, bewirkt der Erzengel Michael eine zweite Zerteilung in Bezug
auf die Peripherie. Das, was als schlimmstes Element die Wiederholung der
Peripherie aus dem dritten Schöpfungsraume darstellt, hebt er wie
einen Teil an sich heraus aus dem, was sich dann — gereinigt und erhoben
— als Neues entwickeln kann unter dem unmittelbaren Einfluß der Constellation
des Wassermannes, von welcher die Kräfte des wahren menschlichen Elements
als eines Geschöpfes Gottes ausströmen. Von dem Teil aus, der
als Centrum da ist, kann Lucifer nicht mehr auf die weibliche Schlange
einwirken, weil sie nun gänzlich in die Gewalt Michaels geraten ist;
die frühere Peripherie aus der Entwicklung des dritten
Schöpfungsraumes ist Michaels Eigentum geworden.
Von dieser Peripherie aus bekämpfte er Lucifer, der nun tätig
ist in dem Teil des Raumes, der als Centrum wirkt und auch in dem, welcher
als neue Peripherie da ist. Das, was als Centrum wirkt, ist aber eine Wiederholung
von dem, was früher schon da war, und deswegen concentriert Lucifer
seinen Einfluß in dem neuen Element. So wirkt er insbesondere ein
in jene neue Peripherie, (d. h. in die vierte Region) und bildet in dieser
Region, in welche die Kräfte des Wassermanns einströmen, ein
festes Centrum aus, mit Hilfe der negativen Kräfte der Constellation
des Löwen. Dieses Centrum wird dann zum vierten Schöpfungsraum
in der vierten Region.
Es sind während dieser vierten Entwicklung sieben verschiedenen
Centren vorhanden. Außerdem entstehen im Laufe dieser Entwicklung in
der vierten Region drei andere Centren:
Als Wiederholung aus der Zerspaltung des dritten Schöpfungsraumes,
1) das Centrum: Sonne;
2) die alte Peripherie, welche durch Michael zum centralen
Ort seines
Wirkens geworden ist: Mond;
3) das, was sich in der vierten Region zu einem Schöpfungsraum
ge
bildet hat, in welchem Lucifer wirkt: Erde.
Als Zeichen am Himmel offenbaren jene Centren sich während des
Daseins des vierten Schöpfungsraumes, indes Lucifer im Centrum des
kosmischen Reiches tätig ist. Dieses Centrum ist die heutige Erde,
und die Centren in den sieben Regionen sind die Planeten, die sich heute,
eingeschlossen durch die Sphäre des Fixsternhimmels, in ihren Bahnen
bewegen. Diese Bahnen haben Beziehungen zu den verschiedenen Regionen. Als
Überbleibsel aus der Entwicklung des ersten Schöpfungsraumes bewegt
sich heute der Planet Saturn in seiner Bahn, die astrologisch dem Fixsternhimmel
am nächsten liegt. Das Zeichen für die Ausbildung des zweiten
Schöpfungsraumes ist der heutige Planet Jupiter und seine Bahn liegt
dem Fixsternhimmel ferner. Hierauf folgt die Bahn der Asteroiden und nach
ihr die des Planeten Mars. Beide sind die Überbleibsel der Entwicklung
des dritten Schöpfungsraumes und die Zeichen der Zerteilung dieses
Raumes und des gewaltigen Abfalls der verführten Engel.
In der vierten Region offenbaren sich: die Sonne, als Wiederholung des
centralisierenden Prinzipes aus der Entwicklung des dritten Schöpfungsraumes,
der Mond, als Zeichen der weiblichen Schlange, welche durch Michael besiegt
worden ist, und die Erde, als neues Centrum, in welchem Lucifer wirkt. Die
drei Centren, welche erst in der Zukunft ihrem eigentlichen Wesen nach belebt
werden können, zeigen sich heute als die Planeten, die ihre Bahnen
haben zwischen Erde und Sonne: Venus, Mercur, V u 1 c a n. Ihre eigentlichen
Bahnen können sich erst in der Zukunft gestalten, wenn die Entwicklung
in der vierten Region zu der Vergangenheit gerechnet werden wird. Im eigentlichen
Centrum, der Erde, liegt der kritische Punkt, nach welchem die zukünftigen
Ereignisse sich anordnen werden; es ist der Moment der Gegenwart, welcher
durch die Vergangenheit bestimmt ist und durch den die Zukunft gestaltet
wird.
Die zwei Planeten Uranus und Neptun, die sich in Bahnen bewegen, welche
weit hinausliegen über die Saturnbahn, gehören nicht zu den Über
bleibseln der in der Vergangenheit entstandenen Schöpfungsräume.
Sie sind Zeichen am Himmel von dem, was sich abgespielt hat zwischen dem
Fall Lucifers aus der Region des Fixsternhimmels und der Ausbildung des
ersten Schöpfungsraumes, in welchem die Hierarchie der wahren Throne
tätig ist, im Kampfe mit den luciferischen Hierarchien. Auch hier
hat Lucifer seine Diener gestellt, die die Taten der wahren Hierarchien
durchkreuzen. Als Zeichen dieses Kampfes ist heute der Planet Uranus am
Himmel zu sehen wie ein Überbleibsel aus den längst verflossenen
Zeiten der Vergangenheit, vor der Entwicklung des ersten Schöpfungsraumes.
Noch weiter zurück bewegen sich in ihren Bahnen der Planet Neptun
und andere uns bisher noch unbekannte Planeten (z. B. Pluto), wie Schatten
am Himmel aus der Zeit, als der Streit zwischen den wahren Hierarchien und
deren luciferischen Gegnern vor sich ging. Wie fremde Wanderer zwischen
den Sternen ziehen diese Planeten am Himmel; sie gehören nicht zu
der Region der Fixsterne und sind ebenso außerhalb dessen, was sich
als Planetensystem in den Regionen, wo Lucifer wirkt, entwickelte, wenngleich
sie astronomisch zu unserem Sonnensystem gehören.
Jeder Schöpfungsraum, der sich in diesen Regionen ausbildet, ist
wie ein Centrum, das seine Wirkung auf die Umgebung ausübt. Der erste
und auch der zweite Raum sind centrale Punkte an sich; mit dem dritten
Raume entsteht durch die Zerteilung ein Centrum, das seine eigene und ihm
wesenhafte Peripherie hat, die sich wiederum aus der Umgebung aussondert.
Bei dem vierten Raume tritt ein Centrum hervor, wie eine Wiederholung der
früheren Vorgänge; die Peripherie zerteilt sich dann noch einmal
in zwei Teile, von welchen jener, der als Neues entwickelt wird, als Centrum
auftritt gegnüber dem, der sich als Wiederholung des früheren dritten
Schöpfungsraumes zur Peripherie bildet. Das neue Centrum aber ist wie
eine Peripherie desjenigen, was sich als Wiederholung des centralen Punktes
ausgebildet hat. So formten sich die Beziehungen zwischen den drei Teilen
des vierten Schöpfungsraumes: Sonne, Erde und Mond.
Wenn mit der Entwicklung des dritten Schöpfungsraumes ein Teil
als Centrum einwirkt auf die Peripherie, wiederholt sich in dem ersten
Raume das, was vorher während der Ausbildung des zweiten Raumes da
war, als der eine Schöpfungsraum als Ganzes die Umgebung mit seinen
Lichtkräften durchstrahlte. In diesem zweiten Raume wurde auf umgekehrter
Weise das Wesen des Mittlers nachgebildet, der, als Wort Gottes, der Bote
zwischen dem urväterlichen und urmütterlichen Element ist. Das
wahre Wesen Christi ist dadurch mit diesem zweiten Schöpfungsraume
gewissermaßen verbunden, wenn auch nur im Abbild.
Bei der Ausbildung des dritten Raumes, bei dem das Centrum eine Wiederholung
des Wesens des zweiten Raumes darstellt, haben die Kräfte des Gottessohnes
Christus wiederum zu dem Centrum eine gewisse Beziehung, aber nur da, wo
die Kräfte Lucifers nicht wirken. Von hier aus ergießt sich das
Wesen des göttlichen Wortes in das Reich der gefallenen Engel,
im Gegensatz zu der Wirkung Lucifers auf die Peripherie.
Wenn es Lucifer nicht gelungen wäre, die Engel zu verführen,
wäre der dritte Schöpfungsraum nicht zerteilt worden. Sie
wäre an sich ein leuchtendes Centrum geblieben, das sich damals schon
durch seine Beziehungen
zu dem Wesen Christi, zu einem Centrum hätte ausbilden können,
welches in sich das Wesen des urmütterlichen Elementes als strahlende
Peripherie enthalten hätte. Durch den Fall der Engel aber haben sich
Peripherie und Centrum gänzlich getrennt, sie wurden entgegengestellte
Elemente und damit ist die Peripherie zu einem niedrigeren Prinzip geworden.
Als Lucifer den Menschen, der durch die göttliche Dreifaltigkeit
in das Paradies versetzt war, verführte, ging mit der Ausbildung des
vierten Schöpfungsraumes Ähnliches vor. Der vierte Raum hätte,
wie damals der dritte, verbunden bleiben können mit dem Centrum, welches,
als Wiederholung der Ausbildung des zweiten Raumes, den Kräften Christi
verwandt ist. Als Folge des Falles der Engel ist die Möglichkeit der
Zerteilung des vierten Raumes größer geworden; ohne diesen Fall
wäre die Ausbildung des vierten Raumes schon in den höheren Regionen
geschehen und wäre die Macht Lucifers so gering gewesen, daß
er keinen solchen Einfluß auf das Geschöpf Gottes hätte
ausüben können. Nach dem Sturze der Engel ist die Macht Lucifers
gewachsen und versucht er weiter die Schar seiner Diener zu vermehren. Erst
als der Mensch Lucifer verfiel, ward der vierte Schöpfungsraum zerteilt
in das, was als Centrum bleibt, verbunden mit den Kräften des Mittlers
Christus — in welches aber auch Lucifer wirken kann — und in eine Peripherie,
die wiederum zu etwas Niedrigerem wird, als was sie ursprünglich war,
solange sie mit dem Centrum eine Einheit bildete. Aus dieser Peripherie
wird durch Michaels Kraft das herausgesondert, was als typische Wiederholung
der Peripherie des dritten Raumes da ist, damit die neue Entwicklung einen
anderen Charakter haben kann. So stellen sich die drei Teile des vierten
Schöpfungsraumes dar als Sonne (das Centrum), als Erde in der Peripherie
der Sonne und als Mond in der Peripherie der Erde.
Wenn Lucifer nicht die Macht gehabt hätte, den Menschen zu verführen,
so wäre die Erde Sonne gewesen und der Mond wäre, statt in der
Peripherie der Erde, mit der Sonne verbunden geblieben. Durch die Verführung
des Menschen ist der vierte Schöpfungsraum zerteilt worden. Der Mensch
fiel und trat aus dem Paradies heraus; die weitere Entwicklung des zerfallenen
Teiles, mit dem er sich verband, geht in den niederen Regionen vor sich,
wo Lucifer herrscht; die Kräfte des Gottessohnes Christus bleiben mit
dem centralen Teil verbunden, der dann, als Sonne, der Erde Licht und Leben
zuströmt; als Zeichen der guten Kräfte Michaels steht der Mond
da, wie eine Mahnung an das, was die Erde geworden wäre ohne seine
Kraft. Die drei Planeten, welche erst in Zukunft belebt werden sollen, sind
verbunden mit den Kräften des centralen Teiles, mit der Sonne, sie
werden durch sie gehütet und bewahrt; ihre Bahnen liegen deswegen um
die Sonne herum.1)
1) An diese esoterische Verbindung des Gottessohnes mit der Sonne (=
altnordisch s u n) erinnert der Sonnenkult der hochstehenden vorchristlichen
Religionen, der durchaus nicht einer göttlichen Verehrung der materiellen
Sonne entsprang. Die Sonne war diesen hohen Religionen vielmehr das Symbol
des Gottessohnes und als Zeitgestalterin der Urgrund des „heiligen Jahres",
aus dessen graphischer Darstellung (nach Herman Wirth) die „heilige Urschrift"
der Menschheit entstand.
Durch den Fall des Menschen und den Abfall der Erde aus dem Centrum
heraus geht die Entwicklung, welche der Ausbildung des vierten Schöpfungsraumes
als Typus entspricht, statt im Centrum, in der Peripherie vor sich; es
ist dadurch der Raum nicht zu gleicher Zeit der centrale Punkt, um welchen
sich während der Entwicklung der Erde alles dreht; sie ist, statt
Sonne zu sein, zum Planeten geworden. Es wird durch die Verführung
Lucifers die Sonne der Mittelpunkt des Planetensystems statt der Erde und
die Bahnen aller Planeten gestalten sich um sie herum. Die hohen Kräfte
haben sich im neuen Centrum, der Sonne, gehalten und wirken von da aus in
die Erde ein. Lucifer hat seine stärksten Kräfte in die Erde hineingebracht
und sich selbst in ihr concent r i e r t. Vom Monde aus, der sich wie ein
Wächter um die Erde bewegt, bekämpft ihn Michael mit den Waffen
des dreifaltigen Gottes, dessen Willen er auszuführen hat.
«««««
Die erste Schöpfung.
Der Mensch als Ebenbild Gottes. Paradies.
Der Fall des Menschen. Folge
des Falles.
Kapitel VI.
Nachdem die Engel, die letzte der Hierachien, mit der Entwicklung des
dritten Schöpfungsraumes die entsprechenden Gebilde belebt hatten
und durch Lucifers Verführung zu Wesen geworden waren, welche aus der
Region der wahren Hierarchien herausfielen, sind durch den Willen Gottes
andere Wesen dazu berufen, mit der Ausbildung des nächsten Schöpfungsraumes
die einzelnen Gebilde zu bewohnen. Die gefallenen Engel sind Diener Lucifers
geworden und sind dadurch nicht geeignet, in der neuen Entwicklungsphase
die einzelnen Gebilde zu beleben, die auch in den früheren Schöpfungsräumen
nur durch Wesen aus der wahren Hierarchie belebt werden konnten.
Die hierarchischen Wesen, die in den einzelnen Gebilden während
der Ausbildung eines bestimmten Raumes leben, stimmen im Wesen überein
mit dem Prinzip, welchem dieser Raum entspricht. So leben die Fürstentümer,
die ihrem Wesen nach dem väterlichen Element verwandt sind, im Umkreis
des ersten Raumes, der in umgekehrter Weise auch dem väterlichen Prinzip
entspricht. Im Ring des zweiten Raumes, der dem Wesen des Gottessohnes
Christus im Abbild verwandt ist, beleben die Archangeloi die einzelnen
Gebilde; in der dritten Raumsphäre, die ein umgekehrtes Bild des urmütterlichen
Elementes ist, werden die entsprechenden Gebilde durch die Engel belebt.
Der vierte Schöpfungsraum, der aus dieser Nachbildung der drei göttlichen
Prinzipien herausfällt, kann in seinen einzelnen Gebilden nicht
durch Wesen aus den hierarchischen
Regionen bewohnt werden.
Es ist gesagt worden, wie mit der Entwicklung des vierten Raumes in
umgekehrter Weise das dreifache Wesen der Hierarchien nachgebildet wird
und sich offenbart in den Elementen und in den Naturreichen. Diese werden
belebt durch jene drei Prinzipien, welche Lucifer schon in den früheren
Schöpfungsräumen ausbildete, als Eigenwillen, Eigenfühlen
und Eigenwissen, im Gegensatz zu den durch die Erzengel aufbewahrten Abbildern
der drei göttlichen Prinzipien, die in den höheren Regionen des
Kosmos verbleiben.
Zunächst aber entsteht in der vierten Region Raum, in welchem sich
das Gegenbild der hierarchischen Anordnung als Unordnung offenbart; ein
chaotisches Centrum ist da, das eine Vielheit in sich birgt. Die Wesen aus
den Hierarchien, die die einzelnen Gebilde der vorhergehenden Räume
belebten, haben im ersten, zweiten und dritten Raume gelebt; die Engel,
die den dritten Raum bewohnten, sind die letzten Glieder der wahren Hierarchie.
Es wäre der vierte Schöpfungsraum ein Chaos geblieben, wenn nicht
Gott selbst andere Wesen, die Menschen, mit der Entwicklung dieses Raumes
verbunden hätte, die er unter Michaels Schutz stellte. Als Boten Gottes,
ausgehend vom urväterlichen Centrum, sind sie über jene Entwicklung
erhaben und können Gottes Willen durch ihre Taten in diese Entwicklung
hineintragen. Und nicht nur der Wille des urväterlichen Centrums soll
durch sie in die Entwicklung hineingebracht werden, sondern auch das Element
der Liebe, des Christus, und der Weisheit, der Lichtjungfrau. Dies kann
nur geschehen, wenn diese Wesen in sich selbst die himmlische Triade widerspiegeln,
wenn sie nach dem Bilde Gottes geschaffen sind. So entsteht eine neue Hierarchie
von Wesen, welche die Triade in sich tragen, wie einstmals Lucifer als erstes
Geschöpf. Weil Lucifer aber immerfort seinen eigenen Willen dem Willen
Gottes entgegenstellt und dadurch dauernd im Kampfe mit dem Erzengel Michael
steht, so stellt Gott jene Wesen in d i e Region hinein, aus welcher Michael
den Taten Lucifers entgegenwirkt, damit sie unter seinem Schutz leben.
Michael ist der Hüter dieser neuen Hierarchie, so wie Gabriel der
Hüter der Engel ist. Es läßt Michael die Kräfte des
ganzen Fixsternhimmels durch die Constellation des Wassermanns in den vierten
Schöpfungsraum einfließen. Die Constellation enthält die
Kräfte, welche sich beziehen auf das, was als Geschöpf und Abbild
der göttlichen Triade das Urbild des menschlichen Wesens darstellt.
Jenes Urbild lebt im Himmel und in der himmlischen Peripherie, ehe es
hineinversetzt wird in die Region, wo Michael als Hüter des Ostens
an dem Punkte steht, wo sich dann die Constellation des Wassermanns im Fixsternhimmel
befindet. Aus dem Herzen des Vaters hervorgegangen, durch die Stimme Gottes
geführt bis zur urmütterlichen Peripherie, erlebt dieses Geschöpf
das Wesen des Vaters und des göttlichen Sohnes Christus, als es durch
die Reihen der himmlischen Chöre der Hierarchien zur Lichtjungfrau1)
gelangt, die das seelische Element seines Urbildes webt; jenes Wesen
1) „Lichtjungfrau" bedeutet nichts Anthropomorphes, sondern ist das
esoterische Symbol des noch unzerteilten (indifferenten) jungfräulichen
Lichtes, das als Weltlicht s e e 1 e das Leben des Universums trägt
und das reine, ungeschwächte frauliche Prinzip darstellt, das wieder
in geheimnisvoller Verbindung mit dem urväterlichen Geiste Gottes
steht, aus dem auch die Weltlichtseele oder die Lichtjungfrau hervorgegangen
ist. In der griechischen Mythologie entspricht diesem Mysterium die Geburt
der Pallas Athenae aus dem Haupte des Zeus. In der germanischen Mythologie
wird das geschlechtlich noch nicht zerteilte, entzweite und gegeneinandergestellte
Geistseeleprinzip durch Frauja und Fro (Frou) symbolisiert, ein Doppelwort,
das die deutsche Sprache bis ins Mittelalter festhielt als Bezeichnung
für Herr und Herrin. Noch deutlicher wird das Mysterium, das hinter
diesen Begriffen steckte, in dem androgynen Seinszustand der griechischen
Mythologie. Erst Lucifer verzerrte diese hohe Seinsgestalt in den Hermaphroditen
und hernach in die niedere Zweigeschlechtlichkeit, wodurch auch die Zeugung
neuen Lebens aus der siderischen und elementalischen in die materielle Hülle
verlegt wurde.
lebt im Herzen, in dem Worte und in dem Auge Gottes, bis es die Himmelsrose
verläßt, bis es durch die erste und die zweite Sphäre —
durch das Empyreum und den Kristallhimmel — eintritt in die dritte Sphäre
der Peripherie, die des Fixsternhimmels.
Solange das menschliche Urbild in der Himmelsrose lebt, ist es ein geistig-seelisches
Geschöpf, das die himmlische Triade in sich widerspiegelt; unter der
Führung Michaels werden ihm die Kräfte des Wassermanns eingeprägt
und schaut er als himmlischer Mensch herunter in die Region des Fixsternhimmels,
von welcher Michael seine Taten ausgehen läßt. Von dieser Region
aus folgt der Mensch seinem Führer Michael, der seine Wirkung bis in
jene vierte Region von Lucifers Reich hineinstrahlt, in welcher im Abbild
die Kräfte der zwölf Constellationen des Fixsternhimmels vorhanden
sind. Sie sind wie ein Umkreis für das, was neu im Centrum entsteht.
So wie sich der Fixsternhimmel zum Kosmos verhält, verhält sich
dieser Umkreis zu dem speziellen Centrum, das als vierter Raum da ist.
Zunächst sind beide nicht in der Weise voneinander abgetrennt, wie
dies später der Fall ist, als sich dieser Raum in Sonne, Erde und
Mond zerteilt hat.
Aus der Region des Fixsternhimmels, gehütet durch Michael, steigt
der Mensch hinunter in die Sphären des kosmischen Reiches und auf seinem
Wege begegnen ihm die Hierarchien, die als Abbild der himmlischen Chöre,
der Blätter der Himmelsrose, dem Willen des Vaters, der Liebe des
Sohnes Christus und der Weisheit der Lichtjungfrau gemäß ihre
Taten verrichten. Mit heiliger Liebe, Freude und Ehrfurcht schauen sie zum
erstenmal jenes Wesen, das, kurz zuvor, doch in ewiger Gegenwart, aus dem
Herzen des Vaters hervorgegangen, wie ein Bote aus den himmlischen Regionen
in ihrer Mitte erscheint, denn sie wissen, daß es die göttliche
Triade in sich trägt und als Abbild Gottes seine Kräfte so in das
vorhandene Chaos hineinbringt, daß für den früheren Fall
der Engel die Erlösung kommen kann. Voller Hoffnung sehen sie den Menschen,
als er seinen Weg von dem Fixsternhimmel bis zur vierten Region betritt,
und sie scharen sich um ihn und begleiten ihn und segnen jeden seiner Schritte,
indem sie beide Seiten des Weges einnehmen.
Auch die luciferischen Diener sehen den Menschen hinuntersteigen und
werden von Haß und Furcht erfüllt; der Weg aber, den der Mensch
geht, ist derselbe, den auch die Kräfte Michaels nehmen, wenn sie vom
Fixsternhimmel bis in die vierte Region hineinstrahlen; daher können
die luciferischen Diener den Menschen nicht erreichen, weil er unter Michaels
Schutz geht.
Als der Mensch unter Michaels Führung, von der Region des Fixsternhimmels
aus, Lucifers Reich betritt bis in die vierte Region, wird für ihu
Michael der Vertreter der göttlichen Triade, die sich in der Himmelsrose
unmittelbar ihm offenbart. Der Wille des Erzengels ist für ihn der
Wille des Vaters; in seiner Stimme fühlt er, als Liebe, das Wesen des
Sohnes Christus; seine Gestalt erinnert ihn an das Urbild, welches die Weisheit
der Lichtjungfrau ihm gewoben hat. So werden dem Menschen die Gesetze offenbar
in dieser vierten Region, wo Michael herrscht und von welcher aus dasjenige,
was Lucifer im vierten Schöpfungsraum bewirkt, nach dem göttlichen
Willen angeordnet wird. Durch Michaels Kraft entsteht in dem Chaos Ordnung,
Gott schafft durch ihn; und als der Mensch in die vierte Region eintritt,
findet er da die Urtypen der Formen für die Naturreiche, das seelische
Element, das sie belebt und die Wesen, die in den Elementen wirken. So wie
die Kräfte der zwölf zodiakalen Constellationen des Fixsternhimmels
sich in der vierten Region widerspiegeln als die zwölf zodiakalen Zeichen,
so schaut der Mensch um sich herum ein Abbild des himmlischen Paradieses
in dem, was sich offenbart als die vierte Region, als Umkreis dessen, was
als vierter Schöpfungsraum, in welchem Lucifer wirkt, entstanden ist.
Von dieser vierten Region aus soll der Mensch so einwirken auf die einzelnen
Formen, welche sich im vierten Raume aussondern, wie Michael von dieser
Region aus, die den Raum als Ganzes beeinflußt. Es kann dadurch der
Wille Gottes bis in die Teile desselben einwirken, welche sich als abgetrennte
Formen offenbaren. Sich mit der Form verbinden soll der Mensch nur insoweit,
daß er diese Formen mit seinem Wesen umgibt und, wie vom Umkreis aus,
die Form belebt und durchsetzt; die Form soll der Mensch dabei betrachten
wie ein fremdes, sogar ihm feindliches Gebilde mit eigenem Wirkcentrum, das
eingebettet ist in seine Kräfte, mit denen er das bekämpfen soll,
was in der Form selber vorgeht und zur bloßen Form gehört. So
wie Michael von der Peripherie aus Lucifer in seinem Centrum bestreitet,
so ist der Mensch dazu berufen, die einzelnen Formen als unter luciferischen
Einflüssen stehende Centren zu betrachten, die er umbilden soll nach
dem Willen Gottes. Die vierte Region, als Peripherie des vierten Schöpfungsraumes,
steht unmittelbar in Beziehung zur großen Peripherie, von welcher die
Region des Fixsternhimmels die dritte und niedrigste Offenbarung ist; durch
sie führt der Weg hinauf durch die Region des Kristallhimmels in die
des Empyreums. Dieser Weg, der unmittelbar aus der vierten Region hinaufführt
bis zur göttlichen Triade, bleibt dem Menschen offen, so lange er
in jener vierten Region, unter Führung Michaels, die göttliche
Triade in seinem Geiste rein bewahrt und das Wesen des Vaters, des Mittlers
und der als Lichtjungfrau sich offenbarenden himmlischen Weisheit (Sophia)
in seinem Wesen widerspiegelt.
Durch die Licht Jungfrau, wie durch das Auge Gottes im lichtvollen Urbilde
seelisch geschaffen, innerlich erfüllt mit dem Leben des Gottessohnes
Christus, das ihn, wie die Stimme Gottes, geistvoll durchklingt, ist der
Mensch durchdrungen von dem lebendigem Odem, welchen Gott, der Urvater,
ihm eingehaucht hat. So atmet er rhythmisch ein und aus, in Harmonie mit
dem göttlichen Odem, der das Universum durchsetzt, und bleibt verbunden
mit dem Herzen des Vaters, aus welchem er hervorgegangen ist.
Als geistiges Wesen lebt der Mensch im göttlichen Centrum. Mit
jedem Atemzug nimmt er das Leben Gottes in sich auf und kann er Gottes
Antlitz unverschleiert schauen, solange er diesen Odem in sich behält;
dann sendet er ihn wie ein Dankgebet wiederum hinaus ins Universum, nachdem
der Odem dadurch, daß er im Menschen gewohnt hat, sein Eigentum geworden
ist. Wie ein freiwilliges Dankopfer an Gott soll das Geschöpf das, was
in ihm als göttlicher Odem lebt, seinem Schöpfer entgegenbringen.
Bewußt und mit freiem Willen will Gott durch den Menschen gedient werden.
Jeder Atemzug soll sein: ein In-sich-Aufnehmen des Lebens Gottes, eine Contemplation
in Erkennen, Schauen und Erleben des göttlichen Geistes und seines
wahren Angesichtes in sich; dann ein dankendes Anbeten, ein Sich-Hinopfern
an Gott in Vertrauen und Glauben; denn jedes Ausatmen schließt in
sich eine völlige Hingabe und einen festen Glauben an die Möglichkeit,
wieder einatmen zu können, wieder das Leben Gottes wie eine Gabe in
sich aufzunehmen.
Zwischen Centrum und Peripherie der Himmelsrose tönt die Stimme
Gottes, das lebendige Wort; es durchklingt und durchbebt alles und wird
durch die himmlischen Chöre und auch durch den Menschen, als geistiges
Wesen, auf dreifache Weise erlebt. Wie ein Einatmen ist das Hören
auf Gottes Stimme — dann folgt ein Contemplieren des Gehörten, durch
welches das Gehörte innerlich erlebt wird als eigenes bewegliches
Fühlen im Geiste — dann, wie ein Echo, tönt die Antwort darauf
wie ein Ausatmen, eine freiwillige Rückgabe des Empfangenen. So entsteht
eine Zwiesprache zwischen Schöpfer und Geschöpf.
Auch das Schauen erlebt der Mensch, als geistig-seelisches Wesen, wie
ein Einatmen, wenn er die lichtvolle Weisheit in sich aufnimmt — sie in
Contemplation als Schönheit innerlich erlebt — und sie dann ausatmet
als Kraft und Stärke, die aus seinen Wesen ausströmt; gleichsam
ein seelisches Verständnis offenbart sich dadurch zwischen Schöpfer
und Geschöpf.
Die göttliche Triade, welche in dem Geschöpf widergespiegelt
wird, offenbart sich in ihm wie drei Kraftcentren; eines von diesen ist das
wahre Centrum seines Wesens, wie ein Abbild des Herzens Gottes, des väterlichen
Willensprinzips; um dieses herum befindet sich das zweite Centrum, durch
welches das Prinzip des Gottessohnes sich wie das Wort offenbart; um diese
beiden herum ist das Centrum, das mit dem Prinzip der Lichtjungfrau, der
Weisheit im Lichte, übereinstimmt. — Das geistige Wesen, in der Himmelsrose
lebend, offenbart im Abbild das Herz, die Stimme und das Auge Gottes. So
besteht es aus drei Centren oder geistigen Organen: das Herz, mit dem es
in Gott selbst lebt, im Centrum; das Auge, mit dem es das Geschaffene bis
zur Peripherie schaut und erkennt; sodann das geistige Organ, durch welches
es Gottes Stimme hören und mit dem es auf diese Stimme wie mit eigenen
Lauten antworten kann. Diese geistigen Organe nehmen sich aus wie drei ineinander
schwingende Sphären, von welchen sich die eine als centrale Kraft offenbart,
während sich die zwei anderen in wechselnder Weise um die dritte bewegen,
die eine mehr als Peripherie, die andere wie zwischen beiden eine Verbindung
darstellend.
Wie ein Abbild der Himmelsrose ist das geistige Wesen, wenn es in himmlischen
Regionen lebt. Wenn es dann durch die Lichtjungfrau das see lische Urbild
erhalten hat und damit hinuntersteigt durch die Constellation des Wassermanns,
wird der wahre menschliche Typus ihm eingeprägt und es erhält
neben dem Abbild der göttlichen Triade ein Abbild der Kräfte,
welche in dem Erzengel Michael ihren Ausdruck finden, der die Kräfte
des Wassermanns beherrscht. Der Mensch hat die Aufgabe, im Kleinen das zu
bewirken, was Michael im Großen ausführt; er soll die einzelnen
Gebilde des vierten Schöpfungsraumes mit seinen Kräften so durchsetzen,
wie Michael diesen ganzen Raum durchstrahlt. Im Abbild erhält er deswegen
das Wesen des großen Erzengels.
Während der Mensch unter der Führung Michaels durch die Reihen
der wahren Hierarchien bis in die vierte Region hinuntersteigt, begegnen
ihm auf seinem Wege die verschiedenen hierarchischen Wesen, und jedes von
ihnen reicht ihm eine Gabe beim Eintritt in die neue Welt. Die dreifache
Gabe von Stärke, Liebe, Weisheit bringen sie dem Menschen zum Opfer.
— So ist es noch in viel späterer Zeit, als derselbe Mensch den Kräften
Lucifers verfiel und Gottes Sohn, Christus, zum erstenmal als Mensch die
verfallene Erde betritt, um der von Gott abgefallenen Menschheit Rettung
zu bringen. Dann gehen auch zu ihm die drei Könige und opfern ihre Gaben
als Myrrhe, Weihrauch und Gold; sie sind Repräsentanten der drei Typen
aus den Hierarchien und bringen das zum Opfer dar, was ein Symbol ist für
die Kräfte der Stärke, Liebe und Weisheit. Und so, wie die luciferischen
Diener sich aufbäumten gegen den neugeschaffenen Menschen, als er in
ihre Regionen eintrat, so war das Christuskind der Wut des Königs Herodes
ausgesetzt, der den Kindermord befahl aus Furcht um seinen Thron. Wie aber
dieser Mord am Christuskind verhindert wurde durch die Flucht nach Ägypten,
so wird der Mensch durch Michael aus der Gefahr herausgeführt, sodaß
die Scharen Lucifers ihn zunächst nicht erreichen können.
Im Menschen selbst widerspiegelt sich wie im Abbilde die geistige Wirkung,
die sich in der Himmelsrose als die des urväterlichen Centrums und
die der urmütterlichen Peripherie offenbart. Wie Geist und Seele nehmen
diese zwei göttlichen Prinzipien sich im Menschen aus. Im Wesentlichen
sind sie als Einheit verbunden, doch wirken sie gegenseitig aufeinander
ein. Das seelische Element ist der Spiegel des Geistes; in der Seele wird
das Abbild dessen bewahrt, was der Geist erlebt, wenn er sich durch die kosmischen
Regionen hinaufschwingt bis in das urväterliche Centrum der Himmelsrose,
in dem er seinen Schöpfer erkennt. Die Seele kann nur bis in jene Region
aufsteigen, in der die Lichtjungfrau sie gewoben hat, als Urbild für
das geistige Wesen des Menschen. Durch Vermittlung des geistigen Elementes
aber ist es der Seele möglich, das Wesen der Lichtjungfrau selbst wie
ein himmlisches Ideal in sich zu erblicken, welches sie dann als ihre himmlische
Mutter erlebt, denn durch den Geist erhält sie ein Abbild dessen, was
zu den himmlischen Regionen gehört.
Als Lucifer während der Entwicklung des dritten Schöpfungsraumes,
der in umgekehrter Weise das Abbild des urmütterlichen Prinzipes darstellt,
eine Anzahl Engel dazu verführt, sich mit ihrem Wesen zu tief hineinzuver
senken in die einzelne Formen, tritt als Folge davon ein, daß dieser
Raum sich in zwei Teile zerspaltet, von welchen der eine c e n t r a 1
bleibt, der andere aber sich als Peripherie abtrennt und dadurch seine
Entwicklung fortsetzt auf einer niedrigeren Ebene, als es sonst der Fall
gewesen wäre. Damit ist das seelische Element von dem geistigen abgetrennt
worden und hat deswegen die Beziehungen zu den himmlischen Regionen, die
es nur durch Vermittlung des Geistes erlangen kann, verloren. Lucifer kann
dadurch dieses seelische Element für seine Taten gebrauchen und es
gänzlich verbinden mit dem, was er als Abbild des wahren Seelischen
des urmütterlichen Prinzips — während der Entwicklung des dritten
Schöpfungsraumes — an Formen ausbildet. Statt zu hören auf die
Stimme der Erzengel, jener Wesen aus den wahren Hierarchien, die, über
ihnen stehend, Gottes Willen treu geblieben sind, haben jene Engel auf die
Formen geschaut, welche Lucifer ihnen zeigte, die sie zwar beleben, aber
nicht für sich begehren sollten. Damit sind sie unter die Gewalt Lucifers
geraten und das seelische Element ist, statt des Abbildes der Lichtjungfrau,
des reinen urmütterlichen Prinzipes, das in sich den Geist widerspiegelt,
ein Zerrbild desselben geworden und zwar ein Abbild der unreinen weiblichen
Schlange, welche den Inspirationen Lucifers gehorcht und das Abbild seines
Wesens in sich trägt.
Während der Ausbildung des vierten Schöpfungsraumes hat Michael
alles das, was sich als Wiederholung des Vorganges der dritten Schöpfung
in der vierten Region offenbart, aus der Entwicklung herausgesondert, wie
die Überreste dessen, was er mit seinen Kräften überwunden
und vernichtet hat.
Als geistig-seelisches Wesen tritt der Mensch in die vierte Region ein
mit der Aufgabe, die einzelnen Formen, die in der vierten Schöpfung
ausgebildet sind, wie vom Umkreise aus mit seinem Wesen zu beleben. Als geistig-seelisch
offenbart sich auch der Mensch in jener vierten Region zunächst in
einer Einheit; mit dem Geistigen mehr geneigt zurückzustreben nach
dem urväterlichen Centrum, fühlt er sich im Innersten seines Wesens
mit seinem Schöpfer in Einheit verbunden, wenn er das Leben Gottes
ein- und ausatmend in dem Moment, der zwischen beiden liegt, das Antlitz
Gottes unverschleiert schaut. Das seelische Element in ihm ist wie der Spiegel
seines Geistes, es strebt hinauf bis zur urmütterlichen Peripherie.
So wie die Region des Fixsternhimmels als Peripherie dem kosmischen
Reiche am nächsten liegt, indem sie die Grenze bildet zwischen den
himmlischen Regionen und dem Gebiete, wo Lucifer wirkt, so ist das seelische
Element im Menschen mehr geeignet, die äußere Peripherie seines
Wesens zu bilden, von welchem der Geist das Centrum ist. Diese Peripherie
steht deswegen auch in der vierten Region den Offenbarungen Lucifers am nächsten,
sie formt sozusagen die Grenze zwischen dem Gebiete des menschlichen Geistes
und der Wirkung Lucifers, die sich im vierten Schöpfungsraume zeigt.
Sie ist die Vermittlerin zwischen dem geistigen Elemente im Menschen und
den einzelnen Formen im vierten Raume, welche durch den Menschen von der
vierten Region aus, wie von außen her, belebt werden soll. So lange
das seelische Element, gleichwie ein reiner Spiegel, dem geistigen Centrum
zugewendet bleibt und gleichsam mit der Kehrseite die Grenze bildet für
das kosmische Reich — wenn die Seele ihre Aufmerksamkeit nur dem Geistigen
widmet und wie ohne Begierde in die Welt der Offenbarung hineinschaut — solange
bleiben Geist und Seele mit den himmlischen Regionen verbunden, obgleich
sie im Kosmos tätig sind. Wenn aber die Seele in Begierde und Fühlen
sich der äußeren Welt zukehrt, dann verbindet sie sich dadurch
immer mehr mit jener Welt, sie wendet sich um und spiegelt statt des Geistes
in sich, das Wesen und das Reich Lucifers. Sie verliert ihren Zusammenhang
mit dem geistigen Element und stürzt sich in die niederen Regionen.
Dasselbe geschah auch bei dem Fall der Engel, während der Ausbildung
des dritten Schöpfungsraumes.
Seitdem der Mensch, in der vierten Region lebend, sein Wesen so zerteilt
sieht, daß das geistige und das seelische Element sich wie abgesondert
voneinander in zwei menschlichen Wesen ausleben, von welchen das eine mehr
das geistige Prinzip, das andere mehr das seelische in sich trägt,
ist die Gefahr der Abtrennung der beiden Prinzipien umso größer
geworden. Als aus der Seite, dem Herzen des ersten Menschen, in welchem
der Geist das seelische Element überwiegt, eine zweite Art menschlichen
Wesens geschaffen wird, in welchem das Seelische mehr ausgesprochen ist,
da ist zunächst nur eine äußere Trennung der beiden Prinzipien
da; diese beiden menschlichen Wesen bilden zusammen eine Widerspiegelung
der zwei göttlichen Kräfte: des urväterlichen Centrums und
der urmütterlichen Peripherie. Der zweite Mensch aber ist abhängig
von dem ersten, wie die Seele vom Geiste; er ist nicht direkt aus dem Herzen
des Vaters hervorgegangen wie der erstgeschaffene Mensch, sondern aus dem
Herzen des ersten Menschen; durch den ersten Menschen soll er die Gebote
Gottes empfangen.
Während der erste Mensch unmittelbarer mit seinem Schöpfer
verbunden ist, ist der zweite Mensch, in welchem das Seelische überwiegt,
dem Kosmos näher; er schaut unmittelbar in die Welt der äußeren
Offenbarungen hinein. So wie Gott durch seinen Diener Michael, als Vermittler,
zum ersten Menschen spricht, und sogar unmittelbar zu ihm, wenn er seinen
Geist zu immer höheren Regionen erhebt und sich da mit seinem Schöpfer
verbindet, so kann auch Lucifer zu dem zweiten Menschen sprechen, der mit
den Kräften seiner Seele in die äußere Welt hineinschaut.
Der geistige Mensch ist sozusagen abhängig von dem seelischen Menschen
in Bezug auf sein Verhältnis zur äußeren Welt. Durch die
Zusammenwirkung des geistigen und des seelischen Menschen entsteht gleichsam
ein Abbild von dem, was sich als Sprache zwischen dem urväterlichen
Centrum und der urmütterlichen Peripherie ausnimmt. In dieser Sprache
werden die himmlischen Chöre von Hierarchien offenbar wie die lebendig
tönenden Blätter der Himmelsrose. In der vierten Region des kosmischen
Reiches kann durch die Verbindung der geistigen und seelischen Kräfte
in beiden Menschen eine lebendige Sprache entstehen, durch welche Wesen gebildet
werden, die im Abbild den himmlischen Chören gleichen. Diese sollen
die Erlösung bewirken von all dem, was sich in dem vierten Raume entwickelt
als umgekehrtes Wesen der wahren Hierarchien im Tierreich, Pflanzenreich,
Mineralreich und in den Elementen. Der Mensch selbst soll die einzelnen Formen
umbilden, welche Lucifer schon aus der Entwicklung des ersten Schöpfungsraumes
als Typus des Eigenwillens im Gegensatz zum väterlichen Willenselement
herausgehoben hat.
Dadurch, daß jene luciferischen Gebilde durch das Wesen des Men
schen aus der vierten Region, wie von außen her, belebt werden, können
sie allmählich umgestaltet werden und mit den geistig-seelischen Kräften
sich verbinden, die im Menschen ihr Abbild haben. Diese Gebilde, die ein
Abbild Lucifers zeigen, können dadurch, daß der Mensch sie mit
seinen Kräften durchsetzt, statt des Typus des luciferischen Eigenwillens
das wahre menschliche Urbild, das vom Erzengel Michael gehütet wird,
abbilden.
Im vierten Schöpfungsraume ist durch Lucifer alles beibehalten,
was er in den früheren Entwicklungen des ersten, zweiten und dritten
Schöpfungsraumes ausbildete, und sein Reich, das sich innerhalb der
Peripherie der vierten Region befindet, wird durch diese Region ringsherum
begrenzt. In dieser Region, die ein Abbild des himmlischen Paradieses ist,
befinden sich ebenso die vier Punkte, die durch den Fall Lucifers aus den
himmlischen Regionen als Zerspaltungslinien entstanden sind. Wie vier große
Ströme nehmen diese Linien sich aus, die das Paradies durchkreuzen.
In der Nähe des Nordpunktes, in welchem Lucifer aus der Region des Fixsternhimmels
herausgefallen ist, zwischen der Constellation des Krebses und der der Zwillinge,
sind in diese vierte Region die zwei Bäume gestellt worden, welche
der Mensch nach dem Willen Gottes nicht berühren soll. Dort ist der
kritische Punkt, wo durch den Abfall Lucifers die Verbindung entstand zwischen
dem Paradies und dem Reiche Lucifers, wo der Ausgang aus dem Paradiese in
die niederen Regionen möglich ist; im Gegensatz zum Ausgang vom Paradiese
in die höheren Regionen, der sich unter der Constellation des Wassermanns
befindet in der östlichen Himmelsrichtung.
An diesem Punkte kann Lucifer dem seelischen Menschen am besten zureden,
hineinzuschauen in sein kosmisches Gebiet und mehr Anteil an dieser äußeren
Welt zu gewinnen, als er nach dem Willen Gottes haben soll. So stellt er
an jenen Ort eine Form hin, das Bild von dem, was als verdorbenes seelisches
Element in seinem Reiche sich offenbart hat während der Entwicklung
des dritten Schöpfungsraumes. Die weibliche Schlange zeigt sich dem
seelischen Menschen am Baume, welchem er nach Gottes Gebot nicht berühren
soll. Diese Schlange spricht zum Menschen; sie ist klug und schlau; von
allem, was in den kosmischen Regionen geschehen ist, weiß sie zu erzählen.
Göttliche Weisheit verspricht sie dem Menschen, wenn er die verbotenen
Früchte des Baumes in sich aufnehmen wird. Dadurch, daß der
Mensch dieser neuen Stimme zuhört, wird der göttliche Rhythmus
in ihm unterbrochen, es mischt sich etwas Fremdes hinein; er atmet nicht
mehr den göttlichen Odem mit. So verliert er den festen Zusammenhang
mit dem geistigen Elemente; die reine Spiegelung des Geistes wird in ihm
getrübt, da er sich der äußeren Welt gänzlich zuwendet.
Der seelische Spiegel wendet sich um und statt des geistigen Centrums widerspiegelt
sich in ihm das dualistische Reich im Kosmos und Lucifer selbst. Der seelische
Mensch hat die Früchte vom Baume der Erkenntnis des Guten und Bösen
gegessen. Anders ist er dann geworden; seine Umgebung ist ihm fremd, denn
er weiß von einer neuen Welt, er weiß von anderen Regionen, von
einem anderen Fürsten, der da Herrscher ist; er hat geschaut die weibliche
Schlange als vorher nicht gekanntes, seelisches Element.
Dann geht er zum geistigen Menschen, der von ihm abhängig ist in
Bezug auf seine Verbindung mit der Umwelt und verführt ihn dazu, von
jener verbotenen Frucht zu nehmen, so wie er es selbst getan. So wird
auch ihm, dem ersten Menschen, das kosmische Reich, wo Lucifer wirkt, offenbar;
auch er verliert den göttlichen Rhythmus in sich. Herausgefallen aus
dem Rhythmus des göttlichen Odems, fühlt er sich wie aus dem
Herzen des Vaters verbannt; zum erstenmal schaut er im Augenblicke der
Contemplation nicht mehr unverschleiert das Antlitz Gottes; zum erstenmal
schließt sich die himmlische Pforte, durch welche er vorher zu den
höheren Regionen aufgestiegen ist; zum erstenmal fühlen beide
sich wie Menschen, abgetrennt vom Schöpfer und — das wissend, was
Lucifer ihnen geoffenbart hat — lernen sie das Schamgefühl kennen.
Und als die Stimme Gottes zu ihnen klingt, da werden sie durch dieses Schamgefühl
verhindert zu antworten; so wie sie aus dem Rhythmus des göttlichen
Odems herausgefallen sind, so ist es ihnen auch unmöglich, weiter auf
die Stimme Gottes zu horchen und zu antworten. Es ist ihnen auch die Möglichkeit
des Schauens genommen worden; sie erleben, fühlen und schauen anders
wie vorher; das göttliche Element ist aus ihrem Bewußtsein,
Fühlen und Wissen geschwunden; statt dessen empfinden sie in sich
den Kern von Eigenfühlen, Eigenwissen, welchen Lucifer in sie hineinlegen
konnte und der das Erleben von Gottes Willen, Gottes Wort, Gottes Weisheit
in ihnen verschleiert. Nicht mehr beleben und beherrschen sie mit ihrem
Wesen die einzelnen Formen des vierten Schöpfungsraumes von der dritten
Region aus, sondern sie werden mit diesen Formen umkleidet und weil diese
Formen durch Lucifers Fall in den niederen Regionen und als Gegenbild des
Geistigen entstanden, sind sie den Menschen wie ein Kerker, der sie von
den geistigen Welten abschließt. So müssen sie hinuntersteigen
in das Reich, wo Lucifer tätig ist und wo sie, mit den einzelnen Formen
verbunden, im vierten Schöpfungsraume selbst leben sollen. So wurden
sie wie mit einer Tierhaut bedeckt und gehören von da an nicht mehr
den im Einklang schwingenden himmlischen Sphären, sondern dem dualistisch
zerteilten, zwiespältigen und zwieträchtigen Kosmos an.
Es wiederholt sich mit dem Menschen dasselbe, was mit Lucifer geschah,
als er aus der Region des Fixsternhimmels herausfiel und das himmlische Paradies
verließ in der Richtung des Nordpunktes. Auch der Mensch muß
die Region verlassen, welche Abbild des himmlischen Paradieses ist, durch
die Pforte, die beim Zeichen der Zwillinge liegt. Michael, der Gegner Lucifers,
hütet diese Region, von welcher aus er Lucifer bekämpft; der Mensch,
der diese Region verlassen muß, wird durch ihn aus dem Paradiese verbannt,
weil er sich mit Lucifers Taten verbunden hat. Michael wird von da an Gegner
des gefallenen irdischen Menschen, so wie er Hüter des geistigseelischen
Menschen war, solange noch der Mensch mit dem Herzen Gottes vereint lebte.
Mit seinem Fall wird alles, was über dem Reiche Lucifers liegt,
für den Menschen weiterhin unzugänglich, da er, eingekerkert in
die luciferischen Formen, im vierten Schöpfungsraum leben muß,
wo Lucifer im Anticentrum des göttlichen urväterlichen Centrums
wirksam ist.
So wie früher bei dem Abfall Lucifers Gott
in seiner unendlichen
Gnade und Liebe die Grenze für seinen Fall gesetzt hat, sodaß
es nicht Gotteswille, sondern Lucifers Eigenwille ist, der ihm die Rückkehr
zu Gott-Vater unmöglich macht, so ist bei dem Fall des Menschen ebenso
vorgesehen worden, wenn auch auf andere Weise, daß der Mensch durch
seinen Abfall nicht ganz verloren gehe, daß er nicht ganz der Herrschaft
Lucifers verfalle Es ist ein Teil des menschlichen
Wesens davor behütet worden, zu tief
hinunterzusteigen, denn Gott selbst hat dem Menschen bei seinem Fall
jenen Teil seines Wesens entnommen, der als geistig-seelisches Wesen mit
dem Herzen des Vaters verbunden bleibt und als himmlisches Wesen in den Regionen
der Himmelsrose lebt, bis zu der Region des Fixsternhimmels, nicht aber
in jener Region selbst. Das wahre menschliche Urbild (Archetypus), durch
die Lichtjungfrau gewoben, ist für ihn bewahrt geblieben, auf daß
der wahre ewige Mensch in der himmlischen Triade als unvergäng liches
Wesen bestehen bleibe. Für dieses himmlische Urbild des Menschen bleibt
Michael der Hüter.
Nun aber kann das menschliche Urbild nach dem Fall des irdischen Menschen
nicht mehr hinuntersteigen bis in die vierte Region des Kosmos; es bleibt
in den himmlischen Regionen. Der irdische Mensch aber kann sich, eingekerkert
in die äußeren Formen, nicht in die himmlischen Regionen begeben;
eine schwache Erinnerung nur bleibt ihm an seine paradiesische Umgebung,
die er in der vierten Region als Abbild des himmlischen Paradieses erlebt
hat. So hat der Mensch sich in zwei Teile zerspalten; der urbildliche Mensch
kann zunächst keine Beziehung haben zum irdischen Menschen; der irdische
Mensch weiß nichts vom himmlischen Urbilde; er ist vorerst ein Wesen,
welches das wahre geistige Element verloren hat und auch das rein seelische,
insoweit dieses ein Spiegel des Geistigen ist. Dafür hat er das erhalten,
was während der Ausbildung der verschiedenen Schöpfungsräume
im Kosmos durch den Widersacher entstanden ist: das verdorbene seelische
Element des dritten Schöpfungsraumes (durch den Fall der Engel), das
verdorbene geistige Element des zweiten Schöpfungsraumes (mit der Verführung
der Erzengel), die verdorbene Willenskraft, aus der Zeit, da die Fürstentümer
im ersten Schöpfungsraum verführt wurden. Mit diesen drei Eigenschaften
erhält der Mensch die teilweise verdorbene Form, in welche er sich
versenkt hat. So hat der irdische Mensch in seiner irdischen Form ein Abbild
der drei göttlichen Kräfte des Vaters, des Sohnes Christus und
der Lichtjungfrau in verkehrter Weise erhalten und ist teilweise ein Abbild
Lucifers geworden. Doch leben im Menschen auch Kräfte, die aus den
höheren Sphären und von den Erzengel kommen, die Lucifers Taten
entgegenwirken.
Mit dem Eigenwillen erlebt der Mensch ein festes Centrum in sich, mit
dem Eigenfühlen erlebt er eine geistige Kraft in sich und mit dem
Eigenwissen fühlt er in sich selbst alles widergespiegelt, was in
seiner Umwelt vorgeht. Durch die Wunschwirkung zwischen dem geistigen und
dem seelischen Menschen, die wie ein Abbild der Sprache des Urvaters zum
urmütterlichen Prinzip ist, sollten im Paradiese Wesen entstehen, die
im Abbild den himmlischen Chören glichen und diese sollten, wie von
außen her ihre Kräfte einstrahlend, die Erlösung bewirken
von all dem, was sich im vierten Schöpfungsraume entwickelt als umgekehrtes
Wesen der Hiearchien, als Formen im Tier-, Pflanzen- und Mineralreiche.
Durch den Fall der ersten Menschen hat sich die Wirkung ihrer geistigen
und seelischen Kräfte so geändert, daß die Wesen, welche
als Abbilder der himmlischen Chöre entstehen sollten, nicht geschaffen
werden konnten. Die Ursprache, das schöpferische, geistig zeugende Wort
zwischen beiden Menschen geht mit ihrem Fall verloren, denn Gott entnimmt
dem irdisch gewordenen Menschen das geistige und rein seelische Element und
versetzt es hinein in die himmlischen Regionen. So können auch die Reiche,
welche sich als umgekehrtes Wesen der Hierarchien entwickeln, nicht erlöst
werden, und obwohl der Mensch auf Erden das höchste Geschöpf
ist, hat er doch die Macht über die ihm umgebenden Naturreiche verloren.
Er lebt nicht mehr in den Regionen, die über dem Wesen jener Reiche
hinausliegen, sondern selber lebt er jetzt inmitten der Naturreiche; er
wirkt auf sie ein und sie wirken auf ihn; so empfindet er einzelne Teile
aus ihnen, die ihm gut, andere, die ihm feindlich sind.
Als der Mensch aus dem Rhythmus des göttlichen Odems herausgefallen
ist, weil er Lucifer Gehör schenkte, ist durch dieses neue Element,
das sich hineingemischt hat, der Rhythmus in ihm unharmonisch geworden.
Als Folge der in ihm erweckten Begierde, mehr zu sein, mehr zu fühlen,
mehr zu wissen, als Gott ihm angezeigt hat, ist er aus dem wirklichen Willen,
Fühlen und der göttlichen Weisheit herausgefallen und ist der Rhythmus
seines Odems so geworden, daß die Neigung des Ausatmens größer
ist, wie die des Einatmens. Dasselbe ist mit Lucifer geschehen durch seinen
Fall; und auch die luciferischen Hierarchien offenbaren sich auf diese unharmonische
Weise. Sie haben, wie Lucifer selbst, das Gleichgewicht verloren zwischen
Ausatmen und Einatmen — Offenbarung und Versenkung in ihr eigenes Sein
— ; sie wollen immerzu tätig sein und zeigen sich dadurch als aggressiv,
disharmonisch, das wahre Zeitmaß zerstörend, wo sie mit ihren
Taten die der wahren Hierarchien durchkreuzen.1) Ihre Wirkungen stehen am
Ende aber immer denjenigen der wahren Hierarchien nach, denn sie können
den wahren Rhythmus doch nicht mitmachen, weil es für sie Perioden
gibt, in welchen sie das überwiegende Ausatmen ersetzen müssen,
damit sie nicht vernichtet werden. Lucifer muß ihnen dann neue Kräfte
einflößen und diese holt er sich aus den Wesen, die er seit
dem Zeitpunkte seines Falles verführen konnte, wodurch die göttlichen
Kräfte ihres Wesens unter seine Macht gekommen sind.
1) In diesem Zusammenhang versteht man auch die Übung gewisser
Yogaschulen, sich durch ständiges Ausatmen ohne Einatmen in einen
veränderten inneren Spannungszustand zu versetzen, wodurch „Visionen"
möglich werden, allerdings nur von Wesenheiten und Gebilden der luciferischen
Welt.
Solange der Mensch noch mit dem Herzen des Vaters verbunden, und daher
als ewiges Wesen lebt, hat das Zeitliche keine Gewalt über ihn. Weil
er aber aus dem göttlichen Rhythmus herausfällt dadurch, daß
er nicht nur auf Gott hört, sondern sich negativ
zuhörend etwas Anderem übergibt und vom Baume der
Erkenntnis des Guten und Bösen ißt, tritt er, als irdischer Mensch
von seinem himmlischen Urbilde getrennt, aus der Ewigkeit in das Zeitliche
ein. Den ewig-göttlichen Rhythmus preisgebend, überläßt
er sich dem Rhythmus des gefallenen Geschöpfes Lucifers, der als solches
nur ein zeitliches Wesen ist. Nicht nur lernt der Mensch mit seinem Fall
außerhalb der ihm bekannten Umwelt des Paradieses eine neue Welt, die
Lucifers, kennen und versteht dadurch die zwiespältige Entwicklung und
das Prinzip des Guten und Bösen, weil in dieser neuen Welt sich alles
in zwiegespaltener, entzweiter (polarisierter) Weise offenbart — sondern
er tritt damit auch in den Cyklus der Zeiten ein.
Da lernt er wieder eine dreifache Wirkung kennen, wie ein Gegenbild
des göttlichen Odems selbst. Ausgeatmet in der Zeit ist das, was hinter
dem Menschen liegt; eingeatmet wird die Zukunft, die durch Ausatmung Vergangenheit
wird; dazwischen liegt ein Ruhepunkt, wie eine abgeschlossene scheinbare
Ewigkeit, als Gegenwart. In diesem Zeitlichen liegt eingeschlossen das Geheimnis
von Gut und Böse.
In der Ewigkeit ist alles in göttlicher Ruhe und Vollkommenheit
aufbewahrt, belebt durch den göttlichen Rhythmus, den lebendigen Odem.
Das menschliche Wesen fragt da nicht nach dem, was war, was ist, was sein
wird; da lebt es in Gott in vollem Glauben, in Hingabe und Vertrauen. Als
der Mensch selbst wissen will, tritt er in das Zeitliche hinein. Da lehrt
Lucifer ihn einen andern Rhythmus kennen, den des zeitlich gewordenen Geschöpfes.
Der Mensch wird dann gestellt zwischen Ein- und Ausatmen wie in eine scheinbare
Ewigkeit, die Gegenwart, über welche er Herr und König ist. Darin
fühlt er sich selbst wie ein Gott. So wie er früher in dem Augenblick
der Contemplation Gottes Antlitz unverschleiert sah, so wirft er dann den
Blick auf sich selbst, erlebt sich selbst bewußt, und lernt zurückschauen
in die Vergangenheit, in das, was ausgeatmet worden ist; durch die Erinnerung
wird er sich der Vergangenheit bewußt, indem er sich in diese vertieft.
Diese Vergangenheit umfaßt auch alles, was Lucifer ausgeatmet hat
als Umwelt des irdischen Menschen, und so verbindet sich der Mensch mit
dieser äußeren Welt und lernt sie immer mehr kennen. Die Zukunft,
als noch Einzuatmendes, ist dem Menschen Gegenstand seines Wissendranges,
dessen Ursprung der Ehrgeiz ist; denn nicht nur will er sich Herr der Gegenwart
fühlen und die Vergangenheit mit seiner Erinnerung bewältigen,
auch die Zukunft möchte er in seinem Erkenntnisdrang beherrschen und
durchdringen.
Als sich durch seinen Fall der Mensch zerteilte in ein rein geistigseelisches
Wesen oder den himmlischen Menschen und in ein solches, das auf Erden selbst
leben soll, den irdischen Menschen, da verläßt er als letzterer
das Paradies durch die Pforte, welche aus der vierten Region hinausführt
in das Reich, wo Lucifer selbst herrscht. Diese Pforte befindet sich zwischen
den zwei verbotenen Bäumen des Paradieses im nördlichen Punkte
bei der Constellation der Zwillinge. Die Kräfte, welche mit dieser
Constellation verbunden sind, deuten eine Dualität an; sie beziehen
sich auf die Trennung zwischen dem himmlischen Menschen, welcher wieder
hinaufsteigt zu den höheren Regionen, wo das menschliche Urbild lebt,
und dem irdisch gewordenen Menschen, der den Weg in die niederen Regionen
betreten muß; eine aufwärtsführende und eine hinunterstrebende
Kraft liegen in der Constellation der Zwillinge verborgen. Die aufwärtsführende
Kraft bewirkt, daß der himmlische Mensch den Weg betritt, der hinauf
in die höheren Regionen führt, wo die Ewigkeit herrscht; als geistiges
Wesen blüht er da auf; — die nach unten strebende Kraft führt
den gefallenen Menschen in das Reich der Vergänglichkeit hinein, wo
er den Zerfallskräften in Bezug auf das Geistige Untertan wird und als
geistiges Wesen immer mehr abstirbt.
Hätte der Mensch auch von dem zweiten Baume des Paradieses, der
ihm verboten war, nehmen können, so wäre nicht nur ein Teil von
ihm in das dualistische Reich des Kosmos hinuntergestiegen. Es wäre
dann nicht ein zum himmlischen Urbilde zurückkehrender und ein zur Erde
heruntersteigender Teil im Menschen gewesen, sondern das ganze Wesen des
Menschen wäre irdisch geworden. Die Früchte des Baumes der Erkenntnis
des Guten und des Bösen lehrt ihn Lucifer kennen und sie führen
ihn aus der Ewigkeit in das Reich des Vergänglichen hinein. Die Früchte
des zweiten Baumes, des des Lebens, hätten ihm die geistigen, himmlischen
Kräfte, welche zur Ewigkeit gehören, mitgegeben in das Reich Lucifers.
So wäre der Mensch mit allen seinen geistig-göttlichen Kräften
unmittelbar verbunden worden mit der Welt Lucifers; derjenige Teil, welcher
als himmlisches Wesen der Ewigkeit angehört und sich mit dem Fall vom
irdisch gewordenen Menschen abtrennte, wäre mit in das irdische Element
versenkt worden. In Bezug auf das himmlische Element wäre dadurch der
Mensch abgestorben; der verderbte irdische Mensch hätte das Gepräge
der Ewigkeit erhalten, sodaß niemals der Augenblick hätte eintreten
können, wo er die irdische Form ablegt, wie jetzt beim Tode. Die Folgen
für die Entwicklung der Menschheit wären dann nicht auszudenken.
Dadurch, daß er nur von dem einen der verbotenen Bäume nahm
und das Gebot nur teilweise brach, konnte ein Teil seines Wesens zu den himmlischen
Regionen aufsteigen und in dem Herzen des Vaters als das ewige menschliche
Urbild weiterleben.
Von der Constellation des Wassermanns bis zu der der Zwillinge hatte
der Mensch die vierte Region als Abbild des himmlischen Paradieses durchwandert,
als ihn Lucifer durch die Schlange verführte an dem kritischen Punkte,
wo er selbst aus den himmlischen Regionen herausgefallen war. So hat der
Mensch da neun Zeichen durchwandert, als Abbild von neun aus den zwölf
Constellationen des Fixsternhimmels. Wäre er Lucifers Einfluß
nicht verfallen, so hätte er die drei übrigen Zeichen in der vierten
Region, also im Paradiese, durchgehen und die einzelnen Formen, die sich
auf der Erde entwickeln, von außen beleben und mit seinem Wesen durchdringen
können. Dadurch, daß er bei der Constellation der Zwillinge die
Pforte des Paradieses verläßt, muß er die Kräfte der
folgenden drei Constellationen, der des Stieres, des Widders und der Fische,
auf sich wirken lassen, da er in die kosmischen Formen eingekerkert und
vom himmlischen Menschen abgetrennt worden ist. Es wirken dann die guten
und die schlimmen Kräfte aus diesen Constellationen auf ihn ein und
er selbst ist beiden hilflos ausgesetzt, denn durch Lucifer, der sein Herr
geworden ist, sind die positiven Kräfte jeder Constellation durch negative
Kräfte wie auf umgekehrte Weise nachgebildet
worden. Es war ja das
dualistische Prinzip des Guten und Bösen schon damals entstanden,
als Lucifer aus der Region des Fixsternhimmels herausfiel und anfing, im
Kosmos tätig zu sein.
Die dualistischen Kräfte aus der Constellation der Zwillinge wirken
in solcher Weise auf die materiellen Formen ein, die der Mensch bewohnen
muß, daß eine zweifache Wirkung sich in ihnen offenbart. So
sind die Kräfte, die aus den drei Constellationen Stier, Widder und
Fische fließen, auch von Bedeutung für die weitere Umbildung
der Formen, in welchen er eingekerkert lebt. Im Laufe der weiteren Entwicklung
muß der Mensch sich seelisch-geistig zunächst jene Kräfte
aneignen, die ihm aus diesen Constellationen zuströmen, damit er den
Rückweg finde hinauf zu dem wahren menschlichen Urbilde, mit dem er
sich, vermittels der Kräfte der Constellation des Wassermanns, in der
Zukunft wieder vereinigen wird. Er soll durch die Geduld, die mühsame
Arbeit und die Kräfte des Widerstandes die negativen Kräfte aus
der Constellation des Stieres überwinden, die seine Formen immer dichter
und fester machen und ihn dadurch mehr mit der Erde verbinden möchten.
— Mit den besten Kräften aus der gegenüberliegenden Constellation
des Adlers soll er die negative Wirkung des Stieres ausgleichen und damit
die Erdenschwere seiner Form durch innere Kräfte überwinden. —
Durch die Kräfte des Widders soll er jedes Hindernis überblicken,
als Kämpfer gegen seine Form auftreten und ihre ihn hemmenden Eigenschaften
mit der Kraft seines inneren Lebens zersprengen. — Die positiven Kräfte
aus der Constellation der Waage sollen ihm die Eigenschaft des Gleichgewichtes
geben, sodaß ein richtiges Verhältnis zwischen innerem Leben und
der Form selbst entsteht. Dies kann nur geschehen, wenn der Mensch bereit
ist, die äußere Form zu kreuzigen, wo sie dem inneren Leben ein
Hemmnis wird.
Auch soll er später erkennen, daß die beiden Constellationen
des Stieres und des Widders die Symbole enthalten für die Opfertiere
und damit lernen, sich als Opfer hinzugeben, als Sühne für das,
was er durch den ersten Fall verdorben hat. Dann weiß er, daß
all dasjenige mit ihm sterben muß, was er nach seinem Fall durch das
Leben auf Erden, statt im Paradiese, in sich aufgenommen hat, damit er einmal
auferstehen könne als wahrer Mensch: und er wird mit den Kräften
aus der Constellation der Fische eintreten in ein für den gefallenen
Menschen unsichtbares geheimnisvolles Reich und in einem neuen Element der
Gnade leben. In dieses Element der Gnade kann er nur dann Einlaß gewinnen,
wenn er sich durch Vermittlung der positiven Kräfte aus der Constellation
der Jungfrau gänzlich reinigt von dem, was sich durch Vereinigung mit
den kosmischen Formen seit dem Fall an Unreinheit in seiner Seele angehäuft
hat, wenn die Seele wiederum jungfräulich geworden ist, so daß
sie sich dem göttlichen Geiste zuwendet und diesen in ihrem Wesen rein
widerspiegelt, wie einstmals das wahre geistige Centrum sich in der rein
seelischen Peripherie hatte abbilden können.
Wenn der Mensch sich abtötet für die Welt Lucifers und wartet
auf die geistige Offenbarung aus den himmlischen Regionen, dann
kann die Trennung, die durch den Fall entstanden ist zwischen himmlischem
und irdischem Menschen, wieder aufgehoben und er wiederum zum wahren Menschen
werden in der Constellation des Wassermanns. Dann wird er den Kreis vollendet
haben. Nicht durch eigene Kräfte aber, sondern nur durch Gnade Gottes
wird der Mensch in der Zukunft jene Erlösung seines Wesens erlangen
können, denn Gott sandte seinen Sohn in die Welt der Sünden hinein,
um durch Seine Reinheit die verdorbene Menschheit zu retten und als wahres
Opferlamm die Kraft der Gnade zu bringen.
Wenn der Mensch in der vierten Region, die das Abbild des himmlischen
Paradieses ist, lebt und seinen Weg aufwärts nehmen kann bis in das
Herz der Himmelsrose, dann offenbart sich sein Wesen in der Form von drei
leuchtenden Sphären als der drei Organe, die das Abbild der Dreifaltigkeit
Gottes sind; das menschliche Urbild, das von Michael mit den Kräften
aus der Constellation des Wassermanns durchsetzt wird, gibt dem Menschen
eine Gestaltung, welche mit den leuchtenden Kreisen ein Antlitz verbindet
und dazu eine Form, die die vier Zerspaltungslinien nach den Himmelsrichtungen
an sich trägt.
Solange der Mensch nur in der Himmelsrose lebt, ist er selbst ein Abbild
dieser Rose; wie er aber durch die Kräfte der Lichtjungfrau sein Urbild
erhält und dieses beeinflußt wird durch Michael, der die Kräfte
aus dem Fixsternhimmel durch die Constellation des Wassermanns strömen
läßt, da ändert sich seine Gestalt. Bis in die vierte Region
lebt er da wie ein aus Licht gewobenes Bildnis, aus welchem die Stimme
Gottes heraustönt und das mit dem Odem Gottes durchsetzt ist; die
vier Linien nehmen sich wie ein leuchtendes Kreuz aus; zwischen diesen
vier Hauptlinien befinden sich funkelnde Lichtstrahlen, die sich in flügelartigen
Formen zeigen. Sie sind wie ein Abbild der Formen, die zu den wahren hierarchischen
Wesen gehören, welche im Kosmos tätig sind.
Als Abbild der himmlischen Chöre, die wie die lebendigen Blätter
der Himmelsrose sind, haben jene hierarchischen Wesen Formen, die sich
in den Regionen des Kosmos offenbaren in flügelartigen Gestalten,
wie aus Lichtstrahlen gewoben. Je höher der Rang dieser Wesen ist,
desto reicher ist die Gestaltung der Flügel. So haben die Engel eine
Form, die einem leuchtenden Kreis ähnlich ist, mit zwei Flügeln
versehen; die Erzengel haben doppelte Flügel. Bei den höheren
Wesen werden jene Flügel immer mannigfaltiger; die Cherubim und die
Seraphim haben zwölffache Lichtflügel mit vier und mit sechs Fittichen,
die sich wie innere Lichtflügel ausnehmen. Es offenbaren sich jene
Gestaltungen wie aus Licht gewoben, sodaß die Flügel sich wie
Bündel von Lichtstrahlen zeigen, durch welche jene Wesen mit den Kräften
verbunden sind, die ihnen aus den höheren Regionen durch die Region
des Fixsternhimmels zuströmen.
In dieser geistig-seelischen Gestalt sollte der Mensch die durch Lucifer
ausgebildeten Formen durchdringen und beleben. — Bei dem ersten Menschen,
in dem das geistige Element überwiegt, ist die Form der vier Linien,
die sich als Abbild der vier Himmelsrichtungen bildet, mehr betont. Bei
ihm ist das Abbild des Centrums mehr ausgeprägt als das der Peripherie;
es befindet sich in der Mitte dieser vier Linien, wie im Herzen des durch
sie geformten Kreuzes, und es leuchtet wie eine strahlende Sonne. Bei dem
zweiten Menschen, welcher aus dem Herzen des ersten geschaffen ist und in
dem das seelische Element das geistige überragt, sind die vier Linien
auch vorhanden; nur leuchtet das, was als Abbild der urmütterlichen
Peripherie da ist, über das Abbild des Centrums hinaus; dadurch sind
die gekreuzten Linien wie eingefaßt in jene Peripherie. Beide sind
wie himmlische Blumen, die in den Lichtstrahlen der Gnade Gottes leben.
Als beide, der seelische und der geistige Mensch, von den Früchten
des verbotenen Baumes nahmen, und Lucifer Macht über sie bekommen hatte,
verloren sie das wahre geistige und rein seelische Element, das sich als
himmlischer Mensch aus ihnen heraustrennte; ihre himmlische Gestalt samt
den flügelartigen Lichtstrahlen, mit denen sie mit den höheren
Regionen und der Region des Fixsternhimmels verbunden waren, mußte
verschwinden. Die Form, in welche sie durch Lucifers Kraft eingekerkert werden,
hat eine irdische Gestalt; sie ist so ausgebildet worden, daß sie wie
ein Gegenbild des wahren menschlichen Urbildes dasteht. Sie ist von tierischer
Art, aber dadurch, daß die wahren Hierarchien immerzu dem luciferischen
Element in der Entwicklung entgegenwirken und Michael selbst Lucifers Taten
bekämpft, hat diese Form eine zwiefache (zwistige) Natur erhalten und
trägt neben dem luciferischen Bilde, das sie darstellt, gleichsam ein
zerbrochenes Abbild des Wesens Michaels in sich. Es kann gesagt werden, daß
der Mensch durch seinen Fall, statt ein Ebenbild Gottes zu sein, ein Abbild
Lucifers ist; aber dieses Abbild Lucifers ist durchwoben mit den Kräften
des Erzengels Michael, der die dreifache Gotteskraft in sich spiegelt. So
ist die irdische Form des Menschen, wie der Kosmos, dualistisch.
Wenn die irdische Form des Menschen verglichen wird mit dem menschlichen
Urbilde, so stellt sich heraus, daß die irdische Form in umgekehrter
Art das Urbild darstellt; mit seinem Fall hat sich der Mensch umgekehrt
oder verkehrt. Das, was im himmlischen Menschen als Herz- und Mittelpunkt
seines Wesens das Symbol Gottes und der Ewigkeit ist, wird in der irdischen
Form auf zweierlei Weise projiziert, und zwar im oberen Teil des Menschen,
in dem die Kräfte Michaels stärker sind, als Kehlkopf und Gehirn,
und im unteren Menschen, in welchen Lucifer insbesondere einwirkt, als Milz,
Verdauungsorgane und Fortpflanzungsorgane. Die Wirkung des Gehirns, als Erkenntnisorgan
des oberen Menschen, wird in dem unteren Menschen widergespiegelt. Die Tätigkeit
des Gedankenschaffens des oberen Menschen durch die Wirkung des Gehirns
steht in Beziehung zu dem unbewußten Hervorbringen Seinesgleichen
im unteren Menschen.
Der geistige Mensch und der aus ihm geschaffene seelische Mensch sollten
durch geistig-seelische Sprache jene Wesen hervorbringen, die als Abbilder
der wahren Hierarchien hätten tätig sein und das, was durch Lucifer
als umgekehrtes Wesen der Hierarchien, als Tier-, Pflanzen-, Mineral-Reich
und Elemente geformt ist, erlösen können. In den durch Lucifer
gebildeten Formen ist der zweifache Typus vorhanden, der dem Wesen des umgekehrten
und verdorbenen, geistig-seelischen Elementes entspricht, wel ches mit der
Entwicklung des dritten Schöpfungsraumes, durch den Fall der Engel,
als Zerrbild der urväterlichen und urmütterlichen Kräfte in
ein männliches und weibliches Prinzip durch Lucifer entwickelt worden
ist.
Jene Formen sollten durch das geistig-seelische Wesen des wahren Menschen
umgebildet werden zu wahren Abbildern des menschlichen Urbildes. Weil der
Mensch sich aber in sie versenkt hat und dadurch in sie eingefangen wurde,
ist er allen schlimmen Kräften Untertan geworden, die mit diesen niederen
Formen verbunden sind. So muß der Mensch auf Erden in einer Form
leben, die der Ausdruck ist von einem dieser zwei Prinzipien, die im dritten
Schöpfungsraum als männlicher und als weiblicher Typus entstanden
sind.
Nicht nur ist die menschliche Form zerteilt in einen oberen und unteren
Teil, sondern auch nach beiden Seiten ist sie zerbrochen worden und so trägt
auch sie in sich die vier Zerspaltungslinien. Diese Linien offenbaren sich
aber nicht äußerlich, die Form besteht in ihrer Einheit; in
den Kräften aber, die durch sie hindurchströmen und sie in Stand
halten, zeigt sich diese Zerteilung. Die Form besteht aus zwei äußerlich
gleichen Teilen, die sich als linke und rechte Seite ausnehmen; die inneren
Organe aber sind in jenen Teilen teilweise verschieden. Jene geistigen Strömungen,
die vor dem Fall im menschlichen Wesen lebten als der Odem und das Leben
Gottes, sind in umgekehrter und zerbrochener Weise in der dualistischen Form
nachgebildet worden als Atmungsprozeß und der damit zusammenhängende
Blutkreislauf. Das Blut ist das verdichtete und verdorbene Abbild des göttlichen
Lebens, das durch den menschlichen Organismus fließt; dieses Blut
wird insbesondere durch den Einfluß Lucifers belebt.
Durch das Herz, als Centrum des Organismus, wird die Bewegung des lebendigen
Saftes, des Blutes, geregelt in Verbindung mit dem Atmungsprozeß,
und dieser Prozeß verbindet die Form mit der Umwelt und macht sie
von dieser abhängig. Der Organismus atmet die Luft ein und aus, so
wie der himmlische Mensch, als geistiges Wesen im Herzen des Vaters, abhängig
von Ihm, den lebendigen Odem Gottes einatmet. Die Bewegung des Blutes durch
den ganzen Organismus wird durch diesen Atmungsprozeß reguliert;
in ihr ist sehr deutlich die zweifache Zerteilung zu sehen (der Teil, durch
welchen sich der Einfluß Michaels stärker kundgibt und jener,
der mehr von Lucifer beherrscht wird), da die menschliche Form in eine rechte
und linke Seite zerteilt ist. Die rechte Seite des ganzen Blutumlaufes ist
die, welche das reine lebendige Blut enthält; sie wird durch Michael
beeinflußt und steht in Verbindung mit den aufblühenden Kräften
und allem, was in der Zeit zukünftig ist; in der linken Seite offenbart
sich das unreine, tote Blut, welches zu Lucifers Beziehung hat und mit
den absterbenden Kräften und der Vergangenheit verbunden ist. Im Blutumlauf
sind die zweifachen Kräfte widergespiegelt, die sich durch die Constellation
der Zwillinge als aufwärtsstrebende und abwärtsgehende Strömungen
offenbaren.
Es zeigt sich ebenso im „Blutkreislauf" die Zerteilung der Form in einen
oberen und unteren Menschen: nach oben strebt das Blut vom Herzen aus,
durchströmt das Gehirn und kehrt zum Herzen zurück; nach unten
geht die Strömung vom Herzen aus durch die niederen Teile des Organismus
und fließt dann wieder zurück. Die innere Wirkung des Atmens
im oberen Menschen, welche durch die Lungen ermöglicht wird, ist im
unteren Menschen veräußerlicht und widerspiegelt sich als Tätigkeit
in der Bewegung der Knie; die innere Aktivität des Blutumlaufes in ihrer
zweifachen Natur wird äußerlich in der Bewegung der beiden menschlichen
Füße nachgebildet.
Die Hauptorgane des Organismus haben alle Beziehungen zu einem der Schöpfungsräume,
welche Lucifer in seinen Regionen entwickelt hat; auch gibt es solche,
die sich beziehen auf das, was sich heute schon offenbart als Anlage eines
zukünftigen Zustandes. Es sind die sieben Hauptorgane im Organismus
verbunden mit den sieben folgenden Centren im Planeten-System.
Mercur = Lungen Venus = Nieren
Mond /Erde =Gehirn Mars = Galle
Jupiter = Leber
Saturn = Milz
Die Organe, welche sich auf zukünftige Bildungen beziehen, sind
auch nur in der Anlage da. Weil aber die ganze menschliche Form nur während
der Erdentwicklung da ist, werden alle Organe, sowie die ganze Form, innerlich
und äußerlich, in der zukünftigen Entwicklung anders sein.
Es sollte das menschliche Wesen im Lichte Gottes schauen und die göttliche
Weisheit sollte in seiner Seele leben; statt dessen schaut der Mensch auf
Lucifer und die äußere Welt der Formen; er kann durch Denken
mit dem Gehirn in seiner Umwelt etwas verstehen.
Die Stimme Gottes sollte in ihm tönen; schöpferisch sollte
auch er wirken dadurch, daß das Echo des Wortes aus ihm herausklingen
konnte; statt dessen hat er das Wort verloren; er hört auf Lucifers
Stimme und kann nur mit den physischen Organen Seinesgleichen hervorbringen.
Der Odem, als das Leben Gottes, sollte ihn durchdringen, er sollte in
Gott mitatmen und als geistiges Wesen leben in der Ewigkeit; statt dessen
atmet er in einer vergänglichen Welt, als irdischer vergänglicher
Mensch; es pocht ein physisches Herz rhythmisch in ihm und reguliert statt
geistigen Lebens den Umlauf des Lebensblutes, in welchem Lucifer wirkt.
Die menschliche Form wird durch den Fall des paradiesischen Menschen
so gestaltet, daß in ihr die Organe auf die Weise entstehen, wie schon
geschrieben ist, als zerbrochene, nach oben und unten projizierte Abbilder
der geistigen Kraftcentren, die sich im himmlischen Menschen befinden. So
gestaltet sich auch das Antlitz des Menschen als Abbild des menschlichen
Urtypus und erhält die menschliche Gestalt die Kreuzform, wenn auch in
zerbrochener Weise. Die flügelartigen Lichtstrahlen sind in der Form
des irdischen Menschen selbst nicht nachgebildet; die geistig-seelische Kraft
des irdischen Menschen aber strömt nach jenen Linien, wie vom Herzen
aus nach allen Richtungen, insbesondere durch beide Arme und Hände.
Es kann gesagt werden, daß nicht nur vom Herzen, sondern von jedem
der physischen Organe geistig-seelische Kräfte in den Raum hinausstrahlen,
sodaß die Kräfte, die in der Form des irdischen Menschen eingekerkert
sind, diese Form wie eine leuchtende Atmosphäre durchdringen und umgeben.
Diese geistig-seelischen Kräfte aber gehören zum gefallenen Erdenmenschen,
der seine Einheit mit dem himmlischen Menschen verlor und statt des wahren
geistigen und seelischen Elementes, das ihn zum Abbild Gottes macht, das
in sich aufnahm, was durch Lucifer als verdorbenes Geistiges und Seelisches
während der Entwicklung der vorhergehenden Schöpfungsräume
ausgebildet wurde. Dieses entspricht in umgekehrter Weise den Prinzipien
der himmlischen Triade, als Eigenwillen, Eigenfühlen und Eigenwissen.
Es bleibt jedoch im irdisch gewordenen Menschen der Teil seines wahren
Menschen erhalten, der sich vom himmlischen Menschen getrennt hat — gleichsam
als Substanz des himmlischen Menschen — und eingekerkert worden ist in die
irdische Form; es bleibt dies das eigentliche Centrum des menschlichen Wesens,
und um dieses herum gestaltet sich die weitere Ausbildung seiner Form, welche
beeinflußt wird durch die Herrschaft kosmischer Kräfte. Der
irdische Mensch erlebt innerhalb der Formen ein eigenes Willenscentrum,
ein eigenes Gefühlsleben und ein eigenes Verständnis für
die Umwelt, in der er gestellt worden ist und wäre es nicht so, daß
mit der Ausbildung der Schöpfungsräume in den kosmischen Regionen
immerzu einer der vier Erzengel die Taten Lucifers bekämpft hätte,
so würde dem Menschen nach seinem Fall die Möglichkeit genommen
sein, sich aus dem Eigenwillen, Eigenfühlen und Eigenerkennen heraus
zu seiner Umwelt in eine solche Beziehung zu stellen, daß er diese
nicht nur mit seinen dreifachen Kräften ergreifen will, sondern auch
die Tatsachen der Umwelt auf sich einwirken läßt.
»»»»»
Folgen des Falles des Menschen
für die ganze Erde und die Naturreiche.
Kapitel VII
Der Fall des Menschen hat nicht nur für ihn selbst die wichtigste
Folge, auch die Gestaltung der Naturreiche und seine ganze Umwelt wird dadurch
geändert. Es ist im vorigen Kapitel gesagt worden, wie durch den Fall
des Menschen aus der Region des Paradieses heraus die Erde, statt sonnenhaftes
Centrum zu sein, zur Peripherie wurde oder zum Planeten. Der Schwerpunkt
der Entwicklung ist dadurch verlegt worden. Für den gefallenen Menschen,
der dann im vierten Schöpfungsraume, auf Erden, seine Entwicklung weiterführt,
wird dieser Planet das Centrum, von welchem aus er die andern Planeten,
auch Sonne und Mond, betrachtet; es ist aber ein relatives und subjektives
Centrum, während die Sonne das Centrum aller Planeten ist.
Während der Mensch im Paradiese lebt, weiß er sich als ein
seelisches Centrum, von dem heraus er seine Kräfte in die irdische
Form hineinstrahlt, gleichwie die Sonnenkräfte die Erde beleben; als
er aber auf derErde leben muß, ist er an diese gebunden und damit
aus der Sonnenregion herausgeworfen; die Erde wird ihm wie ein Ort der Verbannung,
auf welchem er leben muß so, wie er als seelisches Wesen in die irdisch-menschliche
Form eingekerkert ist. Und wo sich für seinen Blick die Sonne am Himmel
in ihrer Bahn bewegt, da war der Ort, wo er vor seinem Fall lebte, in dem
Paradies, in der vierten Region, die das Abbild des himmlischen Paradieses
darstellt.
Hätte der Mensch vom verbotenen Baume nicht genommen, so hätten
sich Sonne, Erde und Mond nicht voneinander abgetrennt auf solche Weise,
wie es geschehen ist. Die Erde, und mit ihr der Mond, wären nicht so
voneinander abgesondert, sie würden unmittelbar miteinander verbunden
geblieben sein. Durch den Fall des Menschen — dadurch daß er sich
von Lucifer verführen ließ, seine Seele vom geistigen Elemente
ab- und der äußeren Welt zuzuwenden, sodaß die Seele sich
mit dieser Welt zu eng verbunden hat — wird mehr Gewicht gelegt auf die
äußere Welt; der Schwerpunkt verlegt sich vom geistigen Centrum
auf die die Seele umgebende Welt. Dadurch fällt ein Teil des menschlichen
Wesens jener Umwelt anheim, und muß dann, aus der vierten Region,
der Sonnenregion oder dem Paradies, herausgefallen, im vierten Schöpfungsraum,
auf Erden, weiterleben.
Die weitere Folge ist, daß die menschliche Form einen mehr abgeschlossenen
Charakter erhält und das Wesen jener Form immer mehr sich aus der
sie umgebenden Welt heraussondert. Sie nimmt damit festere Umrisse an.
Weil der Mensch sich so tief in seine Form hineinlebt, daß er von
ihr, wie von einem physischen Centrum aus, seine Umwelt betrachtet, wird
diese Form wie ein kleines Abbild, ein Mikrokosmos des vierten Schöpfungsraumes
selbst, von welchem heraus Lucifer Michael entgegenwirkt. Die menschliche
Form wird so, daß sie die Natur des Mineralreichs annimmt; wie in
der mineralischen Form, so liegen in der Form des Erdenmenschen auch Kräfte
eingeschlossen, die, vom physischen Centrum aus, sich den aus der
Umwelt hereinwirkenden Kräften entgegenstellen.
So wie die Form das Wesen des mineralischen Elementes enthält,
welches während der Entwicklung des ersten Schöpfungsraumes angelegt
wurde, so enthält sie auch in sich das Wesen der beiden Prinzipien,
die durch Lucifer im zweiten und dritten Schöpfungsraum entwickelt
wurden. Diese sind die Urtypen für das, was sich als pflanzliche und
als tierische Formen im vierten Raum — auf Erden — offenbart. Die irdisch-menschliche
Form trägt den Charakter des mineralischen, pflanzlichen und tierischen
Typus an sich. In ihrer mineralisch-pflanzlich-tierischen Gestaltung war
sie da, und der Mensch sollte mit seinen geistigen Kräften, welche
im Abbild die Dreifaltigkeit Gottes darstellen, so umbilden, daß sie
auf richtige Art das Wesen Gottes in sich tragen könne. Als der Mensch
sich zu tief in jene Form hineinlebt, wird sein Wesen so verbunden mit den
Kräften, die in dieser Form enthalten sind, daß er nicht mehr
Herr bleibt über sie; statt, von der paradiesischen Region aus, die
Form geistig-seelisch zu beherrschen, gewinnt die Form eine Übermacht
über ihn; er wird von ihr abhängig. So wird auch sein Verhältnis
anders zu den Reichen, die sich im vierten Schöpfungsraum als die der
tierischen, pflanzlichen und mineralischen Formen ausbilden; statt über
ihnen zu stehen, wird er verpflichtet, in ihrer Mitte zu leben; und er wird
von ihnen wiederum abhängig in Bezug auf seine eigene Form, die nur
bestehen kann, indem sie sich mit diesen Reichen verbindet durch den Vorgang
der Ernährung. Der Mensch, der vorher sich erhalten konnte durch die
himmlische Nahrung, welche ihm aus dem Paradiese zuströmte, muß
dann auf der Erde seine Nahrung suchen in der Umwelt, in den ihn umgebenden
Naturreichen.
Die menschliche Form ist mit dem Fall des Menschen so gestaltet worden,
daß sie in zerbrochener und umgekehrter Weise das Urbild des wahren
Menschen mit seinen geistigen Organen als Zerrbild darstellt. Durch ihre
feste Verbindung mit dem zerfallenen Wesen des Menschen, trägt diese
Form, neben der tierischen, pflanzlichen und mineralischen Natur den Typus
des gefallenen Erdenmenschen an sich, der als solcher das höchste Wesen
ist, welches in einer irdischen Form auf Erden lebt.
Der Typus für diesen gefallenen Erdenmenschen wurde schon angelegt
während der Entwicklung der ersten Schöpfung, als Prinzip des Eigenwillens,
im Gegensatz zu dem väterlichen Willenselement. Dieses luciferische
Prinzip des Eigenwillens nahm der Mensch in sich auf, als er sich unter die
Macht Lucifers stellte; er erlebt es wie ein inneres Willenscentrum, als
einen festen Mittelpunkt, um welchen herum sich sein weiteres seelisches
Erleben gruppiert.
Mit dem, was als Prinzip des Eigenfühlens im zweiten Schöpfungsraume
entwickelt wurde, verbindet sich der Erdenmensch ebenso und erlebt es als
das Fühlen, welches sich in seinem Inneren abspielt und das sich um
das innere Centrum des Eigenwillens herumbewegt. Es ist dieses luciferische
Eigenfühlen — im Gegensatz zu dem Elemente des Gottessohnes — das seelische
Prinzip, welches sich im Leben des Tierreiches auf Erden offenbart.
Das Prinzip des eigenen Erkennens oder Wissens, welches mit der dritten
Schöpfung im Gegensatz zum urmütterlichen Weisheitselement entwickelt
wird, zeigt sich im inneren Seelenleben des irdischen Menschen als das Erleben
der Umwelt in sich selbst; eine innere seelische Spiegelung der äußeren
Welt geht damit im Menschen vor. Auf Erden offenbart sich dieses Prinzip
in dem, was im Planzenreiche lebt.
Was im vierten Schöpfungsraume ausgebildet werden kann als belebendes
Prinzip des mineralischen Reiches — weil der Mensch aus dem Paradiese heraustritt
und auf Erden leben muß — ist wie ein Gegenbild zu dem, was die Aufgabe
des paradiesischen Menschen ist in Bezug auf die Art und Weise, wie er
die irdische Form, von der vierten Region aus, beleben sollte. Das Mineral
wird von den höheren Kräften belebt und beherrscht, die wie von
außen herankommend, die mineralische Form umstrahlen und durchdringen.
Den in die Form des Minerals gebannten Kräften wirken sie entgegen,
und durch die Wirkung der beiderlei Art Kräfte aufeinander entsteht
die Form des reinen Minerals. So sollte auch der Mensch von der Region des
Paradieses aus mit den wahren geistigen und seelischen Kräften seines
Wesens die irdische Form umgeben und durchdringen, wie von außen an
sie herantretend. Dadurch, daß Kräfte, die als Gegenwirkung in
den Formen selber eingeschlossen sind, den Kräften des himmlischen
Menschen entgegentreten und sich dennoch als untergeordnete offenbaren, würde
der Mensch sich wie ein reines Mineral ausgenommen haben. Die irdische Form
würde — statt des Typus des menschlichen Gegenbildes, des tierischen
und des pflanzlichen — durch die Kräfte des wahren Menschlichen, das
Wesen eines leuchtenden, klingenden und lebendigen Kristalls angenommen
haben, in welchem sich die dreifachen Kräfte, als Abbild des Urvaters,
des Mittlers, und des urmütterlichen Prinzipes, spiegeln.
Weil aber der Mensch sich von Lucifer dazu verführen ließ,
den Offenbarungen der äußeren Welt, und damit den einzelnen
Formen — die er vom Paradiese aus geistig und seelisch umstrahlen sollte
— zuviel Bedeutung zu geben und sich zu tief in sie einzuleben, hat er
sich verbunden mit jenen Kräften, welche in die Form eingeschlossen
sind, die den aus dem Umkreis herantretenden Kräften entgegenwirken
und als luciferische Kräfte zur Form selber gehören. Die Form
an sich erhält dadurch eine größere Bedeutung; sie wird
mehr aus ihrer Umgebung herausgebildet, denn die in ihr eingekerkerten
menschlichen Kräfte sind dann stärker geworden als die, welche
aus der Umwelt auf sie einwirken.
Die geistigen und seelischen Kräfte, die zum wahren himmlischen
Menschen gehören, sind von dem gefallenen irdischen Menschen abgesondert
und können dadurch nicht mehr, wie von außen heran, auf die Form
so einwirken, wie es vor dem Fall geschah. So hat der Mensch seine Wirkung
in Bezug auf die irdische Form umgekehrt. Statt mit den Kräften verbunden
zu sein, die, von außen herantretend aus höheren Regionen, die
Form wie beim Mineral geistig und seelisch durchdringen und umstrahlen,
hat er sich vereinigt mit den Kräften, welche, in die Form eingefangen,
jenen höheren Kräften entgegenwirken. Statt geistig-mineralisch
zu sein, ist er physischmineralisch geworden. Statt dem Beispiel des großen
Erzengels zu folgen, der von der vierten Region aus auf den vierten Schöpfungsraum
mit seinen geistigen Kräften einwirkt, ist er nach Lucifers Vorbild
tätig, der vom Centrum des vierten Raumes aus mit seinen Kräften
den Erzengel bekämpft. Durch diese Umkehrung des Menschen muß
er, statt im Paradiese, weiter auf Erden leben und die Taten Michaels, mit
denen er einstmals verbunden war, sind ihm nunmehr wie gegnerische Kräfte,
die ihm, als irdischem und luciferisch gewordenem Menschen, feindlich sind;
sie wollen ihn als solchen zerstören, so wie sie allen Taten Lucifers
bekämpfen.
Weil alles das, was Lucifer ausbildet, sich im Reiche des Vergänglichen
offenbart und dadurch dem Gesetz des Entstehens, Seins oder BeStehens und
Vergehens in der Zeit unterworfen ist, so gilt dieses auch für den
vierten Schöpfungsraum und alles, was sich darum entwickelt. Was für
diesen ganzen Raum als Gesetz vorhanden ist, macht sich geltend für
die einzelnen Formen, die sich in ihm ausbilden; und je mehr diese Formen
sich aus dem Ganzen heraussondern und für sich ein eigenes Leben führen,
desto mehr sind sie der Vergänglichkeit unterworfen. Der Mensch, der
sich durch seinen Fall in diese Form eingelebt hat, ist dadurch verbunden
mit den Gesetzen, die für sie gelten, und so wird er als irdischer Mensch
zu einem vergänglichen Wesen, das entsteht, besteht und vergeht in
der Zeit.
Hätte der Mensch die irdische Form vom Paradiese aus mit geistigen
und seelischen Kräften durchlebt und sich weiter nicht in sie hineinversenkt,
so wäre er, mit den höchsten Regionen verbunden, ein ewiges Wesen
geblieben; er hätte die vergängliche Form umgebildet und sie,
wenn sie ein Abbild und Spiegel des himmlischen Menschen geworden, in die
Ewigkeit hinauftragen können. Durch den Fall aber wurde ein Teil des
Menschen als irdisches Wesen in die Form eingekerkert und hineingebracht
in das Reich des Vergänglichen; damit ist Geburt und Tod für den
Menschen auf Erden entstanden.
»»»»»
Die Naturreiche. —- Die Elemente
Kapitel VIII
Solange der Mensch im Paradiese lebt, findet er in dieser Region in
seiner Umwelt das seelische Prinzip, das die Formen belebt, die im vierten
Schöpfungsraum entstanden sind, als das umgekehrte Wesen der Hierarchien:
als Tierreich, Pflanzenreich und Mineralreich. Diese Formen werden nach
den Linien, die ihrem bestimmten Urtypus und dem seelischen Prinzip, das
sie beleben wird, entsprechen, auf Erden durch die Wesen, welche in den
Elementen tätig sind, aufgebaut. Diese Wesen wirken zunächst so,
daß sie etwas wie Wärme, Licht und Beweglichkeit hervorrufen,
und erst später, nach dem Fall des Menschen, werden sie zu Elementen
des Feuers, der Luft und des Wassers, nachdem das Element der Verfestigung
(Erde) sich mit ihnen verbunden hat.
Das seelische Prinzip, das die Formen in den drei Naturreichen beleben
soll, hat für jedes dieser Reiche ein besonderes Verhältnis zu
den betreffenden Formen und strahlt seine belebenden Kräfte von der Region
des Paradieses aus auf bestimmte Weise in jene Formen hinein.
Unter Lucifers Einfluß wurde dieses seelische Prinzip mit der
Entwicklung der früheren Schöpfungsräume gebildet als Gegenbild
der drei göttlichen Kräfte, die im paradiesischen Menschen ihr
Abbild finden. Als Abbild der himmlischen Triade hätte der Mensch
jene Gegenbilder umgestalten können; den Urtypus des Eigenwillens,
jenes Prinzip, welches sich als Abbild Lucifers durch den Fall mit dem irdischen
Menschen verbindet, hätte er, als paradiesischer Mensch, zu dem geistig-seelischen
Prinzip der Stärke machen können; das Eigengefühl, welches
als geistig-seelischer Typus die Formen des Tierreiches belebt, hätte
er zur Schönheit und zum Liebes-Element gestalten können; das
Eigen-Erkennen oder -W i s s e n, der als geistig-seelischer Typus das ganze
Pflanzenreich belebt, wäre durch den wahren Menschen zum seelischen
Weisheitselement geworden.
Jene Formen, die im vierten Schöpfungsraum in den drei Naturreichen
als Gegenbild von dem Wesen der Hierarchien und auch der Elemente aus gebildet
waren, sollten mit dem Zwiegespräch zwischen den beiden (in Bezug
auf ihre geistigen und seelischen Kräfte) verschieden gestalteten
Menschen im Paradiese erlöst werden dadurch, daß mit diesem
himmlischen Sprechen Wesen entstanden wären, die ein Abbild der wahren
Hierarchien in sich tragen und mit ihren Kräften jene Gegenbilder
umgestalten können.
Mit dem Fall des Menschen aber ist nicht nur die Möglichkeit jener
Erlösung ausgeschlossen worden, sondern jene seelichen Prinzipien müssen,
weil sie in gewisser Weise abhängig sind vom Menschen, diesen Fall miterleben.
Auch die Formen, welche in den drei Naturreichen ausgebildet sind, können
nun nicht mehr erlöst werden durch die geistige Schaffungskraft oder
die himmlische Sprache des Menschen. Das seelische Element, das sich offenbart
in den Formen des Tierreiches, erlebt am tiefsten den Sturz mit, weil die
Form, welche nach dem Fall auf Erden durch den Menschen belebt wird, am
meisten übereinstimmt mit der des tierischen Typus. Statt erlöst
zu werden, verbindet sich das Element des Eigenfühlens mehr mit den
Tierformen, als es ursprünglich war, und wird das Leben im Tierreiche
auf Erden in niederer Art gestaltet, indem es sich fester mit den Formen
verbindet.
So ist es auch mit dem Element des Eigenwissens, das sich in den Formen
des Pflanzenreiches auslebt. Zwar weniger tief erlebt es den Fall mit; doch
wird das Wesen des Pflanzlichen auf Erden im Ganzen niedriger, als es sonst
gewesen wäre. Während sich der Mensch durch seinen Fall innerlich
verbindet mit dem Element des Eigenwillens und ebenso die seelischen Elemente
des Eigenfühlens und des Eigenwissens, weil sie in der Form enthalten
sind, mit der er sich als irdischer Mensch umkleidet, erhält die seelische
Kraft, die sich im mineralischen Reiche offenbart, ein anderes Verhältnis
zu ihm.
Die geistig-seelischen Kräfte, die, wie von außen herantretend
aus höheren Regionen heraus, die mineralischen Formen beleben, verbinden
sich mit diesen Formen auf solche Weise, wie der paradiesische Mensch mit
der irdischen Form sich hätte vereinigen sollen. Es kann aber gesagt
werden, daß der Mensch durch seinen Fall seine geistig-seelische
Wirkung mit der des Mineralischen vertauscht hat, in Bezug auf die Form.
Die geistig-seelischen Kräfte des Menschen haben sich in die Form
versenkt, welche zur Entwicklung des vierten Schöpfungsraumes gehört
und als solche auch mineralischen Charakter trägt. Das geistig-seelische
Element, das von außen herantretend auf die mineralischen Formen einwirkt,
ist stärker geworden im Verhältnis zu den Kräften, die ihm
im Mineral eingeschlossen entgegenwirken, und dadurch hat sich das Wesen
des ganzen Mineralreiches als verdichtetes, festes und materielles Element
entwickeln können von dem Zeitpunkte an, da der Mensch auf Erden leben
muß, statt im Paradiese, als die Folge seines Falls.
Es ist dadurch ein neues Element zu den drei Typen von Entwicklungen
hinzugetreten, durch welches diese drei verfestigt und verdichtet werden
und das die drei wie in ein viertes Element zusammenfügt. Die Wirkungen
der Wärme, des Lichtes und der Beweglichkeit, die in umgekehrter Weise
ein Abbild geben der drei göttlichen Kräfte: Willen, Liebe, Weisheit,
werden in ein viertes Element vereinigt,
das ein Abbild des wahren menschlichen Elementes hätte
sein können, wenn der Mensch, als Erlöser und Diener Gottes vom
Paradiese aus jenes Element beherrscht hätte.
Durch den Fall des Menschen aber hat sich jenes Element gestalten können
zu dem Abbild von Lucifers Wirkung, da dieser in den Regionen seines Reiches
sich immerzu concentriert und das Anticentrum des väterlichen Willenscentrum
im vierten Schöpfungsraum ausbildete, von welchem aus er die Taten
Michaels bekämpft. Dann erst kann sich der vierte Schöpfungsraum
gänzlich aus der vierten Region heraussondern, wenn er immer mehr verdichtet
und verfestigt wird.
Die drei Kräfte Wärme, Licht, Beweglichkeit werden mit dem
neuen Element des Festen verbunden zu Feuer, Luft und Wasser; die Wesen,
die in der Kraft der Wärme, des Lichtes und des Beweglichen wirken,
kommen damit mehr unter die Gewalt Lucifers als vorher, da sie nicht so fest
mit dem vierten Schöpfungsraum verbunden und mehr im Umkreis tätig
waren. Sie werden durch Lucifers Kraft gebannt; verbunden mit dem Element
des Festen wirken sie nun an dem Aufbau neuer Formen in den Reichen der
Natur und am Bau der vierten Schöpfung — oder der Erde — selbst. Jedesmal,
wenn eine neue Form auf Erden entsteht, werden sie in gewisser Weise mit
dieser Form verbunden, durchdringen und durchsetzen sie; jedesmal, wenn eine
Form zerfällt, werden sie allmählich durch den Prozeß des
Vergehens wiederum befreit von der betreffenden Form, um in anderer Weise
ihre Arbeit weiterzuführen.
Die Erde als Ganzes durchdringen sie auf solche Weise mit ihrem Wesen,
daß das Element des Festen sich heraustrennt aus dem des Flüssigen
und daß diese beiden wiederum abgesondert werden von den Elementen
der Luft und des Feuers. So entstehen die vier irdischen Elemente, von welchen
jedes an sich da ist, die sich aber teilweise durchdringen bei ihrer Offenbarung.
Dies alles findet allmählich statt, nach dem Fall des Menschen, und
auch die Form, in welche er eingekerkert ist zwischen Geburt und Tod, wird
im Laufe der Zeit immer mehr so gestaltet, daß von den vier Elementen,
die sie aufbauen, ein jedes seine bestimmte Arbeit deutlicher ausgeprägt
erhält, wie abgetrennt von den andern, obwohl sie doch von einander
abhängig bleiben und sich gegenseitig durchdringen.
Mit dem Gegenbild des urväterlichen Willenselementes, das sich
im Typus des gefallenen Erdenmenschen ausdrückt, ist das Element des
Feuers insbesonders verbunden, welches an sich — als Wärme — auch ein
Gegenteil des Willenselementes darstellt, so wie dies in den hierarchischen
Wesen sich spiegelt.
Das Gegenbild des Prinzips des Mittlers, welches als das Element des
Eigenfühlens die Formen des Tierreiches belebt, entspricht dem Element
der Luft, als Abbild des Prinzips der Liebe, wie es von den hierarchischen
Wesen geoffenbart wird. Das Gegenbild der urmütterlichen Weisheit, das
als seelische Kraft die Pflanzenwelt belebt, ist mit dem Element des Wassers
oder des Flüssigen verbunden, welches das Abbild der Weisheit ist,
die in dem Wesen der Hierarchien ihren Ausdruck findet. Mit dem Gegenbild
des wahren menschlichen Elementes, das als seelisches Leben mit dem Mineralreich
zusammenhängt, ist das Element des Festen verbun den, welches sich als
Erden-Element offenbart und das — nach dem Fall des Menschen aus dem Paradiese
heraus — sich zum Abbild des menschlichen Wesens, als Erdenmensch, gestaltet
hat. Die vier Elemente sind bei diesem Vergleiche mit den vier Naturreichen
auf Erden in Bezug auf ihren inneren Typus betrachtet worden; in ihrer äußeren
Wirkung offenbaren sie sich in den verschiedenen Formen, die in den Naturreichen
aufgebaut werden.
In der menschlichen Form ist die Wirkung des festen Elementes zu deuten
in all dem, was sich an festen Substanzen im Körper ausbildet, insbesondere
die Knochen und Zähne. Alle flüssigen Substanzen sind mit dem
Element des Wassers zu verbinden; die gasförmigen Substanzen beziehen
sich auf das Luft-Element; die Wärme, die den ganzen Körper als
innerliche Temperatur durchsetzt, alle Organe durchdringt und vom Körper
selbst ausstrahlt, ist mit dem Feuer-Element verbunden.
So wie die Elemente in der Form als Ganzes wirken, so sind die geistig-seelischen
Gegenbilder der göttlichen Kräfte, welche die vier Naturreiche
beleben, in verschiedener Weise mit den einzelnen Bildungen oder Teilen
der Form verbunden. Das Gegenbild des väterlichen Willens, das sich
im irdischen Menschen als Eigenwille offenbart, als typische Wirkung von
Lucifer selbst, findet seinen Ausdruck im Blut des menschlichen Körpers.
Deswegen hat der Mensch, statt den Rhythmus des göttlichen Odems mitzuatmen
und das Leben Gottes in sich aufzunehmen durch Einatmung und Ausatmung im
Herzen Gottes — mit seinem Fall in seine irdische Form als Gegenbild des
göttlichen Odems und des göttlichen Lebens — den Atmungsprozeß
und den Blutumlauf bilden müssen, so wie auch, als Gegenbild des geistigen
Centrums seines Wesens, das physische Herz entstanden ist.
Das Prinzip des Eigenfühlens, welches das Tierreich belebt, ist
verbunden mit der Ausbildung des Systems der Muskeln im menschlichen Körper,
während jenes Element von Eigenwissen, welches die Pflanzenwelt belebt,
mit dem Drüsensystem des Körpers in Beziehung steht; alles, was
im Körper an fester Materie vorhanden ist, insbesondere das Knochensystem,
ist verbunden mit dem Element der Erde.
Wenn auch der Mensch gefallen und deshalb in einer irdischen Form eingekerkert
auf Erden (im vierten kosmischen Raume) leben muß, so hat er vor
jenen Wesen, die mit ihm in den Naturreichen leben, doch voraus, daß
in ihm jener geistige Kern noch ruht, der vom Himmel stammt und ihm nicht
vollständig verloren ging, sondern das innerste Centrum seines nun
unter die Herrschaft Lucifer geratenen Wesens bildet.
Dieser Kern bleibt ihm und ist die einzige Kraft, die ihm die Möglichkeit
gibt, sich als irdischer Mensch über seine Umwelt hinaus als Herr
und als höchstes Wesen unter solchen, die in irdischen Formen leben,
zu erheben. Dadurch auch kann sich die irdische Form, auf solche Weise organisch
ausbilden, daß sie sich zwar wie ein zerbrochenes, auseinandergespaltenes,
aber dennoch umgekehrtes Gegenbild des menschliches Urbildes darstellt und
nicht nur den durch Lucifer angelegten Typus des Eigenwillens trägt.
Wohl bleibt diese Form dem Tierreiche noch sehr nahe, aber durch die
Kraft seines inneren Centrums kann der Mensch sich nach seinem Fall insoweit
aufrichten, daß er, und damit seine irdische Form, statt der horizontalen
Richtung, welche die Tierformen beherrscht, eine vertikale gerade Richtung
behält. Bei dem irdischen Menschen ist deshalb auch der Blutkreislauf
anders gestaltet, als er sich in den Formen des Tierrreiches offenbart, weil
der irdische Mensch, als Gegenbild des wahren Menschen, in umgekehrter Weise
die geistigen Organe seines Urbildes in der irdischen Form ausgeprägt
hat, insbesondere das Herz und den Blutkreislauf.
Im Tierreiche hat der Blutkreislauf und das Herz eine andere Bedeutung
in Bezug auf den ganzen Körper; das System der Muskeln, verbunden mit
dem Prinzip des Eigenfühlens, tritt da mehr hervor als beim Menschen.
In der Pflanzenwelt hat das Blut keine Bedeutung im Vergleich mit der
menschlichen Form; als reiner Saft ist ein belebendes, flüssiges Element
vorhanden, das sich von der Erde aus, von der Wurzel der Pflanzenform hinauf,
bis zur Blüte erhebt. In der Pflanzenwelt ist das, was beim Menschen
und bei den Tieren als Drüsensystem, verbunden mit dem Element des
Eigenwissens, wirkt, in ähnlicher Weise tätig und hat die größte
Bedeutung für die Formen.
Im Mineralreich findet keine von diesen Wirkungen statt, die sich in
der menschlichen, tierischen und pflanzlichen Form offenbaren. Die seelischen
Prinzipien, welche mit Eigenwillen, Eigenfühlen, Eigenwissen verbunden
sind, haben zum Mineral keine solchen Beziehung, daß sie sich darin
offenbaren. So wie sich aber im Element des Festen die drei andern Elemente
Feuer, Luft und Wasser vereint haben, ohne sich darin zu offenbaren, so
sind in den, in der mineralischen Form eingeschlossenen Kräften die
drei seelischen Typen als Potentialität (Möglichkeit) vorhanden;
sie offenbaren sich aber nicht in ihrer typischen Gestalt nach außen,
sondern bleiben in der ruhigen Abgeschlossenheit der mineralischen Form,
in der sie sich vereinigt haben.
Der geistige Kern im irdischen Menschen, der ihm nach dem Fall bleibt,
ist wie ein Anknüpfungspunkt, durch den er eine solche Beziehung zu
dem Wesen des Erzengels Michael erhält, daß dieser in das Innere
des Menschen einwirken kann, trotzdem der Mensch ein Anhänger Lucifers
geworden ist, denn das, was der Mensch als geistiges Centrum in sich bewahrt
hat, bleibt unter dem Schütze Michaels. Dieser geistige Kern ist auch
wie ein Mittelpunkt für die Kräfte, welche die Wesen aus den wahren
Hierarchien dem Menschen zusenden. Sie wirken bildend ein auf die irdische
Form, und es wurde die menschliche Form mit ihrer Hilfe auf diese Weise
ausgebildet, daß sie das zerbrochene Abbild des menschlichen Urbildes
darstellt, statt eine tierische Gestalt zu zeigen.
Es ist auch dieser Kern, der fortdauert, wenn die vergängliche
Form zerfällt und der Mensch durch den Tod schreitet; denn dieser
Kern ist zwar gefallen in das Reich der Vergänglichkeit, indem er
in eine irdische Form eingekerkert worden ist, aber seiner Natur und seinem
Wesen nach gehört er dennoch dem Reiche der Ewigkeit an. Weil jener
geistige Kern des Menschen sich so schwach erwiesen hat, daß er durch
die irdische Form eingefangen werden konnte und von den Gesetzen und Eigenschaften,
welche zu dieser Form gehören, beherrscht wird, so hat er, wenn die
irdische Form zerfällt, nur wenig eigene Kraft und es ist ihm unmöglich,
sich so hoch hinaufzuschwingen, daß er, von dem Einfluß der
Erde befreit, sich zusammenfindet mit dem menschlichen Urbilde, das in
überkosmischen Regionen weilt.
Als in der Erdentwicklung die Stimme Gottes wiederum klang bis in die
Regionen der gefallenen Menschen: als Gottes Sohn hinunterstieg auf Erden,
um die Menschheit zu retten, als das Wort unter den Menschen lebte, wurde
der geistige Kern des irdischen Menschen so gestärkt, daß es
ihm zukünftig möglich wird, die Vereinigung mit seinem himmlischen
Urbilde zu erleben. Denn der Sohn Gottes bringt das Urbild des Menschen mit
sich herab und erhebt das zerbrochene Abbild, den irdischen Menschen, weil
er selbst als Erdenmensch eine irdische Form belebt; der irdische Mensch
wird damit zu etwas anderem, als er vorher war. Es findet in und durch den
Sohn Gottes die Vereinigung des himmlischen mit dem irdischen Menschen statt.
So wie aber der himmlische Mensch dem Sohn Gottes folgt durch die höheren
Regionen bis zur Erde und mit ihm verbunden bleibt, so soll der irdische
Mensch Ihm nachfolgen und seine Gedanken und Werke auf Ihn richten. Das,
was der Sohn Gottes als Mensch auf Erden durchlebt, soll dem Erdenmenschen
vorbildlich für alle Zeiten die Richtung andeuten, nach welcher er
das Einswerden mit dem himmlischen Menschen erreichen kann. Diese Vereinigung
wird im Herzen des Sohnes vollzogen, weil Er selbst der Weg ist, der den
gefallenen Menschen wiederum hinaufführt in die himmlischen Regionen.
Wenn die Erde im Ganzen betrachtet wird wie eine Form oder ein Körper,
in welchem Lucifer wie vom Centrum aus tätig ist, so zeigt das Wesen
dieser Form an sich eine Übereinstimmung mit den Bedingungen, die
für die einzelnen Formen gelten, die sich aus ihr heraus entwickelt
haben. Es wirken auch die vier Elemente an dem Aufbau und der Erhaltung
des ganzen Erdenkörpers, nachdem der Mensch die Sphäre des Paradieses
verlassen hat und die ganze Erde sich damit aus der Sonnenregion heraustrennte.
Es wurde bereits bemerkt, daß vor diesem Ereignis die Elemente anders
wirkten und das Element des Festen einen ganz anderen Charakter trug.
Es trennen sich die vier Elemente in ihrer Tätigkeit allmählich
mehr voneinander ab und ein jedes von ihnen erhält sein besonderes
Arbeitsfeld, obwohl sie sich gegenseitig durchdringen. Dasjenige, was vor
dem Fall des Menschen auf Erden da war als Wärme und später als
Feuer Element, tritt zunächst hervor bei der Bildung des vierten Schöpfungsraumes
wie eine Wiederholung dessen, was zur Entwicklung des ersten Schöpfungsraumes
gehört, der nur aus Wärmestoff bestand; es bildet der heutige
Planet Saturn davon noch einen Typus. Dieses Stadium der Entwicklung endigt,
wenn die Wirkung des Lichtes für den vierten Schöpfungsraum eintritt,
das später zum Luft-Element wird. Es entspricht dem einstmaligen zweiten
Schöpfungsraum, von dem als Typus sich der heutige Jupiter abtrennte.
Als das Element der Beweglichkeit auftritt, welches später zum Wasser-Element
wird, tritt damit für den vierten Schöpfungsraum dasjenige ein,
was der Ausbildung des dritten Schöpfungsraumes entspricht mit seiner
großen Zerspaltung, dessen entsprechender Typus sich in der Gesamtheit
der Asteroiden und dem Planeten Mars ausdrückt. Damit ist die Wiederholung
von früheren Ausbildungen als Stadien in der neuen Entwicklung vorbei,
und es steht nun der vierte Schöpfungsraum an sich da, der, als neues
Centrum mit seiner Region, den Typus der heutigen Sonne trägt. Das,
was nach dem Fall des Menschen und mit der Aussonderung des vierten Schöpfungsraumes
aus seiner Region — oder der Erde aus der Sonne — als Element des Festen
entsteht, ist zunächst in solcher Form da, daß es den Typus des
Festen als centralisierendes Prinzip trägt, in welchem die Wärme,
das Licht und die innere Beweglichkeit als Potentialitäten vorhanden
sind.
Als dieses Prinzip durch den Fall des Menschen zum Element der Erde
wird und damit an Stelle des geistigen Minerals das feste irdische Mineral-reich
entsteht, trennt sich, mit dem Anfang jenes Prozesses, die Erde aus der
Sonnenregion heraus und aus der Erde sondert sich der Mond ab.
Die inneren Planeten, d. h. die Planeten, welche ihre Bahnen haben zwischen
der Erde und der Sonne, deuten hin auf das, was als Zukünftiges gelten
muß; es kann gesagt werden, daß sie verbunden sind mit der
Wirkung von drei höheren Elementen, die den Fall des Menschen nicht
mitgemacht haben und sich nur in der Sonnenregion offenbaren.
Diese drei höheren Elemente stellen im Abbild die Kräfte dar,
die der himmlische Mensch in sich trägt als Widerspiegelung der drei
göttlichen Attribute. Sie können sich erst in der Zukunft offenbaren
und die Wirkung der vier Erden-Elemente vergeistigen, wenn der himmlische
Mensch sich wiederum vereinigen wird mit dem irdischen Menschen. Den Weg
dazu zeigte der Sohn Gottes selbst durch sein Leben, Wirken und Leiden auf
Erden.
Die vier irdischen Elemente sind auf solche Weise auf Erden tätig,
daß das Element der Erde sich in all dem offenbart, was an fester Materie
da ist; das Element des Wassers wirkt in allen flüssigen Substanzen
auf Erden, das Element der Luft zeigt sich in den gasförmigen Substanzen,
und das Element des Feuers ist überall da, wo durch Verbrennung Wärme
entsteht oder wo Wärme an sich vorhanden ist. Wenn die Erde als physischer
Körper betrachtet wird, so kann gesagt werden, daß die feste
Materie ihr Knochensystem ist, die flüssigen Substanzen ihr Blut,
daß in diesem materiellen Körper sich gasförmige Substanzen
befinden und daß die Wärme, welche innerhalb der Erde selber vorhanden
ist, die eigene innere Temperatur dieses Körpers bildet.
Die Wirkung der Elemente im Umkreis der Erde zeigt sich in ihrer Luft-
oder Dunsthülle. Wasser, Luft, Wärme sind auch da vorhanden, das
Element des Festen jedoch nicht. Diese drei Elemente durchdringen sich,
und sind mehr miteinander verbunden und voneinander abhängig, als dies
bei ihrer Tätigkeit in der Erde selber der Fall ist. Im Umkreis der
Erde wirkend, sind sie nicht so unmittelbar unter dem Einfluß Lucifers
als da, wo sie an der Erde selbst wirken; sie sind im Umkreis tätig
als Diener von makrokosmischen Wesen, von Wesen der wahren Hierarchien und
auch von solchen der luciferischen Scharen. Durch den Streit zwischen den
makrokosmischen Wesen entstehen verschiedene Strömungen in dem Erden-Um
kreis, welche die Bedingungen schaffen, nach denen die drei Elemente wirken
können. Durch die Art und Weise, wie diese Elemente sich dann verbinden
oder einander entgegenwirken, wird der Luftkreis der Erde in atmosphärischer
Hinsicht beeinflußt und es entstehen die verschiedenen Witterungen.
Diese Änderungen im Luftkreis der Erde sind aber auch abhängig
von den Einwirkungen der anderen Planeten, insbesondere von der Sonne und
vom Monde, da diese beiden Himmelskörper doch ursprünglich zum
vierten Schöpfungsraume gehörten und mit ihm gänzlich verbunden
waren.
»»»»»
Zustände des Lebens innerhalb und außerhalb
der irdischen Form.
Kapitel IX.
Als Lucifer sich nach dem Fall des Menschen, da die Erde sich von der
Sonne trennte, im Centrum der Erde concentrierte, von wo aus er, wie eingeschlossen
in die irdische Form, den Taten Michaels entgegenwirkt, blieb doch ein
Teil seines Wesens außerhalb der Erdenform in den höheren Regionen
seines Reiches erhalten. So wirkt Lucifer nicht nur innerhalb der Erdenform,
sondern in all jenen Formen, die als Typen der Entwicklung früherer
Schöpfungsräume ausgebildet wurden, ist er mit dem andern Teil
seines Wesens bis an die Grenze seines Reiches, d. i. die Region des Fixsternhimmels
tätig. Die Bahnen, in welchen sich die Planeten Saturn, Jupiter, die
Asteroiden und Mars bewegen, und gleichfalls diese Planeten selber sind für
Lucifers Taten erreichbar, weil sie sich in den Regionen des Kosmos befinden,
obwohl sich da auch andere Kräfte offenbaren, die seinen Taten entgegenwirken.
Die vierte Region, in welcher insbesondere der Erzengel Midiael Lucifer
bekämpft, ist auch für den letzteren ein Arbeitsfeld und solange
sich Sonne, Mond und Erde als ein Ganzes da entwickelten, wirkte Lucifer
vom Centrum dieses Gesamtraumes aus Michael entgegen. Als sich mit dem Fall
des Menschen dann die Erde und der Mond von der Sonne absondern, ist Lucifer
teilweise in der vierten Region tätig, wo er nach dem Gesetze des Dualismus
auch mit der Sonne verbunden bleibt, von wo aus er bis in den Umkreis der
Erde hinein wirken kann. So sind auch für ihn zugänglich jene drei
Planeten, die sich zwischen Sonne und Erde in ihren Bahnen bewegen als Zeichen
für das, was in der Zukunft erst sich offenbaren kann, wenn die Entwicklung
der Erde in der Zeit abgelaufen sein wird.
Bei Lucifer selbst ist zu unterscheiden ein irdisch gewordener Teil
seines Wesens und ein andrer, der sich im Makrokosmos und im Planeten-System
bis zum Fixsternhimmel offenbaren kann. Wenn die Erde mit den vier Naturreichen,
als Planet im ganzen System, als Mikrokosmos im Verhältnis zum Ganzen
gedacht wird, dann kann gesagt werden, daß das Wesen Lucifers sich
zerteilt hat in einen mikrokosmischen und einen makrokosmischen Lucifer,
weil der erste vom Centrum der Erde aus bis in die vierte Region hinein wirkt,
der zweite aber, der den Makrokosmos als sein Arbeitsfeld hat, bis in den
Umkreis der Erde selbst tätig ist.
Lucifer im mikrokosmischen Aspekt wirkt vom Centrum der Erde aus, direkt
ein auf alle Wesen, die in irdische Formen eingeschlossen ihr Leben auf
Erden führen. Insoweit jene Formen durch ihre besondere Natur mit Eigenschaften
verbunden sind, die schon zur seelischen Tätigkeit gehören, sind
diese auch unter Lucifers Gewalt, denn sie beziehen sich auf die irdische
Form.
Wenn der Mensch mit dem Tode sich allmählich aus der irdischen
Form heraustrennt und die Erde auf diese Weise verlassen kann, daß
er allmählich jene seelischen Kräfte, welche mit der irdischen
Form zusammenhängen, von sich abstreifen kann, kommt er unter Einflüsse,
die mit den makrokosmischen Wirkungen Lucifers zusammenhängen und
auch unter die Gewalt jener Wesen, die sowohl zu den wahren Hierarchien,
als auch zu den luciferischen Scharen gehören. Es hängt vom Leben
des Menschen ab, das er, umkleidet von der irdischen Form, auf Erden geführt
hat, welcher Art die Umstände sein werden, die er nach dem Tode vorfindet.
Je mehr er sich seelisch mit jenen Kräften verbunden hat, die zur
irdischen Form und zur äußeren Welt gehören, desto schwerer
wird es ihm beim Tode sein, sich mit seiner Seele von der irdischen Form
und der Erde selber zu trennen. Die * Erdenkräfte werden die Seele
herunterziehen und ihre Flügel lähmen, so daß sie sich
nicht erheben kann aus der Erdensphäre und wie ein flatternder Vogel
unmittelbar an der Erdoberfläche verweilen muß.
Die Seele kann sich aber auch so fest mit der irdischen Form verbunden
haben, daß sie gänzlich Lucifers Einfluß unterliegt und
alle Erinnerungen an andere Regionen wie die der Erde selber, verloren hat.
Dieses kann nur geschehen, wenn die Seele während ihres Erdenlebens zu
einem Diener Lucifers geworden ist, und die Kräfte, die von Michael kommen,
befinden, obwohl sich da auch andere Kräfte offenbaren, die seinen
Taten
entgegenwirken.
Die vierte Region, in welcher insbesondere der Erzengel Michael Lucifer
bekämpft, ist auch für den letzteren ein Arbeitsfeld und solange
sich Sonne,
Mond und Erde als ein Ganzes da entwickelten, wirkte Lucifer vom Centrum
dieses Gesamtraumes aus Michael entgegen. Als sich mit dem Fall des Menschen
dann die Erde und der Mond von der Sonne absondern, ist Lucifer teilweise
in der vierten Region tätig, wo er nach dem Gesetze des Dualismus
auch mit der Sonne verbunden bleibt, von wo aus er bis in den Umkreis der
Erde hinein wirken kann. So sind auch für ihn zugänglich jene
drei Planeten, die sich zwischen Sonne und Erde in ihren Bahnen bewegen
als Zeichen für das, was in der Zukunft erst sich offenbaren kann,
wenn die Entwicklung der Erde in der Zeit abgelaufen sein wird.
Bei Lucifer selbst ist zu unterscheiden ein irdisch gewordener Teil
seines Wesens und ein andrer, der sich im Makrokosmos und im Planeten-System
bis zum Fixsternhimmel offenbaren kann. Wenn die Erde mit den vier Naturreichen,
als Planet im ganzen System, als Mikrokosmos im Verhältnis zum Ganzen
gedacht wird, dann kann gesagt werden, daß das Wesen Lucifers sich
zerteilt hat in einen mikrokosmischen und einen makrokosmischen Lucifer,
weil der erste vom Centrum der Erde aus bis in die vierte Region hinein wirkt,
der zweite aber, der den Makrokosmos als sein Arbeitsfeld hat, bis in den
Umkreis der Erde selbst tätig ist.
Lucifer im mikrokosmischen Aspekt wirkt vom Centrum der Erde aus, direkt
ein auf alle Wesen, die in irdische Formen eingeschlossen ihr Leben auf
Erden führen. Insoweit jene Formen durch ihre besondere Natur mit Eigenschaften
verbunden sind, die schon zur seelischen Tätigkeit gehören, sind
diese auch unter Lucifers Gewalt, denn sie beziehen sich auf die irdische
Form.
Wenn der Mensch mit dem Tode sich allmählich aus der irdischen
Form heraustrennt und die Erde auf diese Weise verlassen kann, daß
er allmählich jene seelischen Kräfte, welche mit der irdischen
Form zusammenhängen, von sich abstreifen kann, kommt er unter Einflüsse,
die mit den makrokosmischen Wirkungen Lucifers zusammenhängen und
auch unter die Gewalt jener Wesen, die sowohl zu den wahren Hierarchien,
als auch zu den luciferischen Scharen gehören. Es hängt vom Leben
des Menschen ab, das er, umkleidet von der irdischen Form, auf Erden geführt
hat, welcher Art die Umstände sein werden, die er nach dem Tode vorfindet.
Je mehr er sich seelisch mit jenen Kräften verbunden hat, die zur
irdischen Form und zur äußeren Welt gehören, desto schwerer
wird es ihm beim Tode sein, sich mit seiner Seele von der irdischen Form
und der Erde selber zu trennen. Die Erdenkräfte werden die Seele herunterziehen
und ihre Flügel lähmen, so daß sie sich nicht erheben kann
aus der Erdensphäre und wie ein flatternder Vogel unmittelbar an der
Erdoberfläche verweilen muß.
Die Seele kann sich aber auch so fest mit der irdischen Form verbunden
haben, daß sie gänzlich Lucifers Einfluß unterliegt und
alle Erinnerungen an andere Regionen wie die der Erde selber, verloren hat.
Dieses kann nur geschehen, wenn die Seele während ihres Erdenlebens zu
einem Diener Lucifers geworden ist, und die Kräfte, die von Michael kommen,
immerfort abgelehnt hat. Wenn eine solche Seele dann die irdische Form
verlassen muß, zieht Lucifer sie zu sich heran und versetzt sie in
sein Gebiet hinein, wo er wirkt im Erdencentrum. Eine solche Seele soll nach
dem Tode den Weg mitmachen, den die irdische Form nehmen muß, welche
durch ihre Auflösung wiederum mit der Erde vereinigt wird. Die Seele
wird sich dann ebenso mit den seelischen Erdenkräften vereinigen; zwar
löst sie sich nicht auf, wie die irdische Form, aber sie kommt völlig
unter eine Herrschaft, die ihr jede Freiheit nimmt. Die Seele muß dann,
statt auf der Oberfläche der Erde, wo die guten Kräfte einwirken,
unter jener Oberfläche sein in dem Reich, wo Lucifer herrscht. Dieses
Reich wird gewöhnlich als der Abgrund (Infernum) bezeichnet und besteht
aus Regionen, die sich in verschiedener Entfernung vom Centrum selbst befinden
und damit mehr oder weniger von Lucifers Macht durchdrungen sind.
Weil sich nach dem Sündenfall die Zustände auf Erden immerfort
geändert haben, sowohl was die Erde selbst betrifft, als auch die
Wesen, welche als Nachkommen des ersten gefallenen Menschenpaares in irdischen
Formen lebten, so hat sich für diese Seelen der Weg, den sie nach dem
Tode betreten, gleichfalls geändert. Es werden noch immer durch das
Erdenleben selbst die Umstände bestimmt, in denen die Seele sich beim
Tode befinden wird, doch sind die Arten dieser Zustände nach dem Tode
anders geworden im Laufe der Zeiten.
Nachdem sich die Erde mit dem Fall des ersten Menschenpaares von der
Sonnenregion entfernt hat, ist sie immer mehr aus ihrer früheren Umgebung
herausgesondert worden und hat sich an sich gebildet. Durch das Element des
Festen wird das Reich der Mineralien immer mehr verfestigt, und die Formen
aller Naturreiche gestalten sich, jede nach ihrer besonderen Art, mit schärferen
Umrissen aus ihrer Umwelt heraus. So steht jede dieser Formen mehr auf sich,
abgetrennt von der Umgebung, und das seelische Leben, welches in sie eingekerkert
ist, wird dadurch immer mehr auf sich selbst angewiesen. Insbesondere ist
dies der Fall mit den menschlichen Formen, die den Typus des Eigenwillens
tragen, weil das Prinzip des Eigenfühlens und das des Eigenwissens
doch einen stärkeren seelischen Kontakt mit der Umwelt voraussetzt
als das des centralisierenden Willens.
Es haben sich die Prinzipien des Eigen-Fühlens, und insbesondere
das des Eigen-Wissens auch nicht so tief in die einzelnen Formen hineingelebt,
wie es der Mensch mit seinem Fall getan hat; diese ersteren sind ihm nur
gefolgt. Weil der Mensch mit seinem Fall in die Form, die den Typus des
Eigenwillens trägt — jedoch auch mit dem des Eigen-Fühlens und
EigenWissens verwandt ist — einen Teil seines Wesens hineinverlegt hat,
das ursprünglich zu dem himmlischen Menschen gehörte, hat er diese
Form so gestalten können, daß sie, als zerbochenes Abbild des
wahren menschlichen Urbildes, doch einen individuell-menschlichen Typus
für den Erdenmenschen darstellt. Eine jede der menschlichen Formen
ist dadurch in gewisser Weise individualisiert worden; es wohnt außer
dem die Formen des Erdenmenschen universell-belebenden Prinzip des
Eigen-Willens in ihr ein eigener geistiger Teil, der ursprünglich ebenbildlich
ist und als solches über Zeit und Raum hinaus erhalten bleibt, solange
nicht der Mensch selbst auch jenen Teil der Macht Lucifers übergibt
und sich damit für immer die Möglichkeit der Befreiung von den
Erden-Kräften nimmt.
Während also in jedem Erdenmenschen ein geistiger Kern eingefangen
ist, der frei wird, wenn die Form zerfällt und sich über den Tod
hinausretten kann, so gilt das nicht für die drei übrigen Naturreiche
der Erde, die nur ein universell-belebendes seelisches Prinzip haben und
bei welchen die einzelnen Formen nicht individualisiert sind durch einen in
ihnen lebenden geistigen Kern. Einen Tod, so wie dieser für den Menschen
eintritt, gibt es für die übrigen Naturreiche deshalb nicht; kein
geistiger Kern kommt frei und bleibt für sich bestehen, wenn die einzelne
Form zerfällt. Das universell-belebende seelische Prinzip zieht sich
aus der vergehenden Form zurück und belebt die neu entstandene Form.
Die irdischen Formen aus allen Naturreichen der Erde entstehen, bestehen und
vergehen; das universell-belebende Prinzip ergießt sich in die Formen
und fließt aus ihnen zurück, wie Ebbe und Flut am Meeresstrande.
Aus jeder Form jedoch, die dem Menschenreiche auf Erden angehört,
wird ein geistiger Kern frei, wenn der Tod für die Form eintritt.
Der Weg, den jener geistige Kern nach dem Tode betritt, das Kleid, welches
er um sich gewoben hat als seelisches Material, die Welt, in welche er sich
hineinversetzt sieht: das alles wird sich als das Resultat ergeben aus
dem, was er sich auf Erden errungen hat, während er mit einer irdischen
Form verbunden war.
Alles dies ist aber auch zugleich verbunden mit dem Entwicklungszustand,
in dem sich die ganze Erde befindet und durch welchen das Verhältnis
der Erde in Bezug auf ihre Umgebung bestimmt wird. Die Erde hat sich mit
der Bildung des irdischen Mineralreiches, welches nach dem Fall des Menschen
anfängt, immer mehr verfestigt und aus ihrer mehr geistig gebliebenen
Umgebung herausgesondert; dasselbe gilt von allen einzelnen Formen, die
sich auf der Erde ausbilden. Die Folge dieser Verfestigung der Formen ist,
daß das in den Formen eingeschlossene seelische Leben immer mehr von
der Form als Teil der Erde abhängig wird und sich dadurch unmittelbar
gebunden sieht an das, was auf dieser Erde, als der äußeren Welt,
seine Umgebung bildet.
Da die Entwicklung der Erde in der Zeit verläuft, so ist während
des ersten Zeitabschnittes, der direkt nach dem Fall des Menschen beginnt,
die ganze Erde dem paradiesischen Zustand noch am nächsten, weil sie
erst anfängt, sich herauszusondern. Die einzelnen Formen der verschiedenen
Naturreiche sind plastischer und dehnbarer, d. h. bildsamer als sie sich
später zeigen, und dadurch ist das in sie eingeschlossene Lebensprinzip
in näherer Beziehung geblieben mit den höheren Regionen.1)
1) Neuerdings erkennt auch die Naturwissenschaft wieder den kolloidalen
Zustand des Kosmos.
Die menschliche Form ist zwar wie der Kerker, in welchem der gefallene
Teil des himmlischen Menschen, der sich zu tief in sie eingelebt hat, eingefangen
ist, aber jener Teil fühlt sich in gewisser Weise dennoch mit der
paradiesischen Region verbunden. Die Erde selber, auf der er leben muß,
ist dem gefallenen Menschen
zunächst etwas Fremdes, und mit tiefer Wehmut fühlt der in
ihm lebende geistige Teil, daß das Paradies, aus welchem er sich durch
eigene Schuld vertrieben sieht, doch die wahre Heimat ist. So konnte der
Mensch während der ersten Zeit nach dem Sündenfall geistig hineinschauen
in die höheren Regionen, wo er einstmals lebte. Wie die Erde sich
dann immer mehr heraustrennte aus der Sonnenregion und sich mit der Ausbildung
des irdischen Mineralreiches nach und nach verfestigte, erlebten die irdischen
Formen dieses mit, und der Mensch sah sich immer von der paradiesischen
Region abgetrennt, während er auf Erden lebte. Selbst die Erinnerung
an diese Region ging dem irdischen Menschen mehr und mehr verloren, wie
auch die Schauung, das Erleben und Erkennen allmählich erlosch für
alles, was sich nicht unmittelbar auf die Erde selbst bezog.
Es tritt dann eine Zeit ein, wo der Mensch, in der irdischen Form lebend,
nur die geistig-seelischen Kräfte wahrnehmen kann, die auf Erden wirken;
zunächst schaute er noch die Wirkung der hierarchischen Wesen in dem
Umkreis der Erde, so wie sie die atmosphärischen Strömungen bewirken.
Er nahm die Wesen der Elemente wahr, die als Wärme, Licht und Beweglichkeit
im Luftkreis tätig sind und sich durch die Strömungen miteinander
verbinden oder sich einander entgegenstellen.
Alle Kräfte, die der Erde angehören und die Wesen der Elemente,
die tätig sind als Feuer, Luft, Wasser, Erde, offenbaren sich dem
Menschen in ihrer Wirkung an der Erde selbst, an den Formen der Naturreiche
und an seiner eigenen Form, welche alle durch die Wesen aufgebaut und zerstört
werden, je nachdem diese sich verbinden oder von einander trennen bei ihrer
Arbeit. So kann sich der Mensch sagen: „Vergänglicher als der Erdenmensch
sind die Witterungen im Luftkreis der Erde, vergänglicher aber als
die Erde selber ist die irdische Form in den Natur-Reichen und die, mit
welcher der Mensch umkleidet ist."
Es tritt dann später eine Zeit ein, in welcher sich die Erde gänzlich
als fester mineralischer Körper aus ihrer Umgebung abgesondert hat
und wo die Grenze zwischen dem Erdenkörper und seinem Luftkreis stärker
hervortritt. Die einzelnen Formen der 4 Naturreiche haben dann feste Umrisse
angenommen, die sie früher nicht hatten, sie tragen den Typus des
mineralischen Elementes an sich.
Es entschwindet dem Menschen, während er auf Erden lebt in der
irdischen Form, allmählich die Wahrnehmung aller geistig-seelischen
Kräfte, auch der, welche auf Erden in seiner Umwelt tätig sind;
dafür aber hat sich in seiner irdischen Form dasjenige eingeprägt,
was sich offenbart als zerbrochenes und auseinandergespaltenes Abbild der
Organe, die beim himmlischen Menschen in Urbild da sind. Dadurch hat der
Mensch Organe erhalten, welche, angepaßt an die ihn umringende Welt
auf Erden, sich auf diese Welt concentrieren. Sie machen ihm alles, was
sich an Formen und Gestaltungen aus der Erden-Materie gebildet hat, sichtbar
und wahrnehmbar; sie sind aufgebaut durch die Zusammenwirkung der Elemente,
die auch den irdischen Typus tragen als Erden-Feuer, Erden-Luft, Erden-Wasser
und Erden-Materie.
Im Luftkreis der Erde sieht der Mensch das, was sich, wenn auch aus
feinerer Materie gewoben, dennoch als zum Irdischen gehörig auf irgend
welche Art, in irgendwelcher Form offenbart. Zwar sind jene Formen plastischer,
dehnbarer und verwandelbarer als die, welche auf der Erde selber bestehen,
weil im Umkreis der Erde das Erdenelement nicht vorhanden ist — aber dennoch
ist die Offenbarung, die der Mensch wahrnimmt, immerhin auf eine sichtbare
stoffliche Form angewiesen. Die Elemente zeigen sich da in feinerer Art
als auf der Erde selbst; das irdische Feuer, das Wasser und die gasförmigen
Stoffe werden im Luftkreis als Wärme, Feuchtigkeit, Beweglichkeit
der Luft und als Licht empfunden.
Es hat der Mensch auch für die Wahrnehmungen dessen, was sich in
verschiedener Art zeigt, verschiedene Organe ausgebildet. Dasjenige aber,
was sich offenbart, gehört nicht zu den geistig-seelischen Lebens-Prinzipien
selbst, die hinter diesen Offenbarungen liegen; es bezieht sich immer auf
die Art und Form, die Resultat des Lebens-Prinzipes selber ist.
»»»»»
Zustande der
Seele nach dem Tode in den vorchristlichen Zeiten.1)
1 Es sei besonders nachdrücklich darauf aufmerksam gemacht, daß
die Ausführungen dieses Kapitels auf die esoterischen Verhältnisse
in den Zeiträumen vor der Menschwerdung Christi abheben. Über
die generellen Veränderungen, die Christus herbeiführte, wird
in späteren Kapiteln gesprochen werden.
Kapitel X.
Durch die wichtigen Änderungen, die vom Sündenfall an mit
der Erde und dem irdischen Menschen vorgehen, ist zu erwarten, daß
die Umstände, die der Mensch vorfindet, wenn er die irdische Form beim
Tode verläßt, gleichfalls wesentlich andere geworden sind. Auch
der Aufbau und die Verwesung der irdischen Form finden auf eine Weise statt,
die sich mit der Zeit ebenso verschiedenartig ausnimmt. Es hat sich aber durch
den Fall des Menschen etwas ergeben, was für die Bedingungen der menschlichen
Hierarchie im ganzen die weitestreichenden Folgen trägt. Wäre der
Mensch der Verführung Lucifers nicht verfallen, so wäre nicht ein
Teil seines Wesens eingekerkert worden in die irdische Form. Der Mensch
wäre ein ewiges Wesen geblieben, das sich zeitlich mit der Form verbunden
hätte, die durch Lucifer als Typus des Prinzips des Eigenwillens während
der Entwicklung der ersten Schöpfung, schon vorbereitet war. Diese Form
hätte dann der Mensch zum Träger des väterlichen Willens umgestalten
und sie, wie das wahre Abbild seines himmlischen Urbildes, zu den höheren
Sphären erheben können.
Im ersten Menschenpaar sind ursprünglich alle himmlischen Kräfte
vorhanden, die das Wesen der menschlichen Hierarchie ausmachen; sie selber
sind diese Hierarchie. Als aber durch den Fall das himmlische Urbild sich
von ihnen abtrennt, gehen auch die wahren Kräfte jener Hierarchie
dem Menschen verloren. Das Urbild des himmlischen Menschen bleibt an sich
in den höheren Regionen bestehen, es zerteilt sich nicht, sondern bleibt
in seiner Einheit da, so wie es ursprünglich war und immer sein wird,
weil es im Reiche der Ewigkeit lebt.
Es war also ursprünglich in das erste Menschenpaar die Kraft des
ganzen menschlichen Ur-Typus gelegt worden; diese Kraft war so stark, daß
sie den Ersatz bilden konnte für die himmlischen Kräfte, die durch
den Abfall der Engel, während der Entwicklung des dritten Schöpfungsraumes,
in ihr Gegenteil verwandelt wurden.
Indem sich aber das himmlische Urbild des Menschen vom irdisch gewordenen,
gefallenen Teil trennt, zerteilt sich die menschliche Hierarchie in einen
himmlischen und in einen irdischen Teil. Das menschliche Urbild enthält
die Hierarchie des himmlischen Menschen. Das zerbrochene Abbild trägt
in sich den Teil, der sich mit der Erden-Entwicklung verbunden hat.
Dies ist der geistige Kern, der in der Form des Erdenmenschen eingeschlossen
lebt und sich mit jenen Kräften umwoben hat, die zu dieser Form gehören.
Zunächst kann noch das erste Menschenpaar allein die Kräfte
in sich tragen, die sich aus dem irdisch gewordenen Teil der menschlichen
Hierarchie mit der Erde verbunden haben. Bald nach dem Fall aber ist das
nicht mehr möglich; durch die Gegenwirkung der luciferischen Kräfte,
die sowohl auf die Seele wie auf die Form wirken, tritt für die Form
die Notwendigkeit der Zersplitterung ein, sodaß statt des Typus des
Prinzips des Eigen-Willens, der als Einheit da ist, allmählich eine
Vielheit von Formen entsteht, die alle diesem Ur-Typus entsprechen. In
der Zeit, nacheinander, entstehen neue Formen, die sich von einander abtrennen
und sich so vermehren. Lucifer gebraucht dazu jene Kräfte, die er
vorher schon in die Form hineinverlegt hat; sie sind ihrer Natur nach niedriger
als das Wesen des Menschen; durch seinen Fall aber hat der Mensch sich
mit ihnen verbinden müssen. Die Bibel spricht daher davon, daß
das erste Menschenpaar nach seinem Fall sich mit Tierhäuten bedecken
sollte; tierisch und nicht menschlich ist die Wirkung jener Kräfte,
welche durch seelische Impulse die Vermehrung der irdischen Formen herbeiführt.
Der geistige Kern im Menschen hat die Kraft nicht, sein Wesen aufrecht
zu erhalten in den Wirbel von Kräften, die durch Lucifer in das Wesen
der Form, in die der Mensch eingekerkert ist, hineingewoben sind, und in
welcher das Prinzip des Eigen-Fühlens und des Eigen-Wissens innerlich
wirkt, so wie es in der Außenwelt in der tierischen und pflanzlichen
Natur tätig ist. Damit geht zusammen, daß der Geisteskern des Menschen,
der aus höheren Regionen stammt, jene Kräfte, die sich aus der
menschlichen Hierarchie mit der Erd-Entwicklung verbunden haben, und die
zunächst in ihm waren, nicht mehr völlig in sich tragen kann, nachdem
er eingekerkert worden ist in die irdische Form. Der Teil der göttlich-geistigen
Kräfte, der sich mit den Erden-Kräften verbunden hat, und sich
zunächst im Innern des ersten Menschenpaares einheitlich offenbarte,
zerteilt sich über eine Unzahl von Menschen, die aus den beiden ersten
Menschen entstehen im Laufe der Zeiten. Es enthält jeder dieser Menschen
als geistigen Kern ein inneres Centrum, das sich zwar mit der Welt Lucifers
verbunden hat, sodaß es mit Hüllen umkleidet ist, die jener Welt
entstammen, das jedoch an sich von göttlichem Ursprung ist und der Ewigkeit
angehört. Die geistigen Kräfte, welche den Fall des Menschen mitgemacht
und sich mit der Erd-Entwicklung verbunden haben, leben sich dann nicht mehr
in dem ersten Menschenpaar aus, sondern sie zerteilen sich über die
Vielheit von Formen, die allmählich entsteht. Im Gegensatz zum himmlischen
Urbild, das als Einheit bewahrt bleibt und alle himmlischen Kräfte der
menschlichen Hierarchie in sich trägt, wird das Abbild, das auf Erden
lebt, im Laufe der Zeit zersplittert in eine Vielheit.
Dieser Vielheit aber ist eine Grenze gestellt worden dadurch, daß
sich nur ein bestimmtes Maß von Kräften aus der menschlichen Hierarchie
mit der Erde verbunden hat. Weil mit jeder der Formen aber, welche der Mensch
bewohnt, ein gewisses Maß von diesen Kräften als geistiger Kern
verbunden sein muß, auf daß die Form den menschlichen Charakter
tragen kann, so können diese Kräfte nur so zerteilt werden, daß
eine bestimmte Anzahl von geistigen Kernen entsteht, die dann, auch wenn
sie mit dem Tode die irdische Form verlassen, an sich da sind, weil sie
ursprünglich dem Reiche der Ewigkeit angehören.
Sie überleben die Form, in die sie eingekerkert sind, sodaß
sie, wenn diese Form vergeht, über den Tod hinaus erhalten bleiben.
Wenn dieser geistige Kern des Menschen aber von der Form befreit wird, so
bleibt er dennoch verbunden mit den seelischen Kräften, welche zu der
Form gehören; wenn das grobe materielle Kleid ihm genommen wird, so ist
er noch umkleidet mit den subtileren Kräften, die zur Erd-Entwicklung
gehören. Auch diese müssen allmählich von ihm abfallen, bevor
er sich als rein geistiger Kern erleben und in die Sonnenregion hinaufsteigen
kann, wo er einstmals lebte, ehe ihn Lucifer verführt hatte.
Solange der Mensch, auf Erden lebend, noch hineinschauen kann in die
höheren Regionen, die er verlassen hat, so lange hat jener geistige
Kern, der in die irdische Form eingeschlossen ist, noch Nahrung aus der Sehnsucht
nach der Wiederkehr zum Paradiese. Je mehr aber die irdische Form sich mit
der Verfestigung der Erde gleichfalls verdichtet und der Mensch, während
er auf Erden lebt, statt der höheren Regionen zunächst die Wesen
und Kräfte wahrnimmt, die ganz zur Erd-Entwicklung gehören — sodann
jene, die nur auf Erden wirken, bis er schließlich nur noch Organe
hat, die ihn befähigen, die Formen seiner irdischen Umwelt wahrzunehmen,
welche durch die Wesen der 4 Elemente aufgebaut sind, desto fester wird der
geistige Kern mit der Erde verbunden, desto stärker ist auch die Wirkung
der zur Form und zur Erde gehörenden Kräfte. Es wird dem Menschen
dann immer schwieriger beim Tode, das Band zu lösen, das diesen geistigen
Kern mit der irdischen Form verbindet, und die zu ihr gehörigen Kräfte,
als das feinere Kleid, ebenso zu verlassen. Der Tod wird dem Menschen immer
schmerzvoller im Laufe der Zeiten. Wenn anfänglich noch an Befreiung
gedacht wurde, als der Erdenmensch nach den höheren Regionen sich sehnte,
so nahm das Interesse für die Erde selber in dem Maße zu, daß
der Mensch die Beziehung zum Geistigen verlor, bis zuletzt die Trennung
von der irdischen Form und vom Leben auf Erden als etwas Tragisches betrachtet
wird. Mit dieser Auffassung verbindet sich das noch schmerzvollere Erlebnis,
welches auftritt, wenn der geistige Kern auch die an die Erde gebundenen
Kräfte als das feinere Gewand ablegen muß. Dies ist der zweite
Tod, der von dem erdgebundenen Menschen schmerzlicher empfunden wird als
der erste Tod, weil die materielle Hülle nicht so fest mit dem geistigen
Kern selber verwoben ist wie die zarte Hülle, die aus seelischen Kräften
besteht.
Im allgemeinen ist also das Erlebnis des Todes für die Erden-Menschheit
im Laufe der Erd-Entwicklung schmerzvoller geworden. Weil aber der Mensch
ein individuelles Wesen ist durch den geistigen Kern, den er m sich trägt,
so verbindet sich ein jeder Mensch während seines Daseins auf Erden
auf eine bestimmte Weise mit den Kräften, die zu der materiellen und
der
seelischen Hülle gehören. Die Umstände, die der Mensch
dann vorfindet, wenn er durch den ersten und nachher durch den zweiten
Tod hindurchgeht, sind abhängig von der Art und Weise, wie er sich
als geistiger Kern zu seinen Hüllen gestellt hat, während er mit
diesen verbunden war. So entstehen verschiedene Zustände nach dem Tode,
die einen graduellen Unterschied zeigen in Bezug auf das schmerzvolle Empfinden
selber und die Umstände oder die Umgebung, in welche der Mensch sich
nach dem Tode hineinversetzt sieht.
Es ist schon erwähnt worden, wie der geistige Kern des Menschen
beim Tode der Macht Lucifers völlig verfallen kann, wenn der Mensch
während seines Lebens auf Erden sich immerfort den Einflüssen der
Wesen aus den wahren Hierarchien widersetzt hat und die geistige Wirkung Michaels
— durch die er den inneren geistigen Kern kraftvoll erhalten kann — nicht
in sich aufnehmen wollte. Schon während seines Lebens auf Erden ist
er dann ein Diener Lucifers geworden, indem er sich den seelischen Kräften,
die zur irdischen Form gehören, völlig ergab. Wenn er dann mit
dem Tode die irdische Form verlassen muß, so ist er in Bezug auf den
geistigen Kern gänzlich mit den Erdenkräften verbunden, und dieser
Kern ist dann so abgeschwächt worden, daß er sich nicht mehr von
den zu Lucifer gehörigen Prinzipien des Eigen-Willens, Eigen-Fühlens
und Eigen-Wissens trennen kann und ihnen Untertan sein muß. Vergessen
hat dann der geistige Kern des Menschen seine himmlische Heimat und seinen
göttlichen Ursprung. Weil er aber dennoch der Ewigkeit angehört,
trägt er diese Eigenschaft auf solche Weise in das Zeitliche hinein,
daß die seelischen Kräfte, welche zur vergänglichen irdischen
Form gehören und deswegen nach dem Tode auch nur zeitlich ihn umkleiden
sollen — um dann, gleich der materiellen Form, zu verfallen — durch ihr festes
Band mit dem geistigen Kern aufbewahrt bleiben. Dann besteht der zweite Tod
für ihn nicht mehr in dem Verlassen der seelischen Hülle, sondern
der geistige Kern selber wird getötet, soweit er göttliche Eigenschaften
enthält, die sich dann umkehren und die durch Lucifer ausgebildeten
seelischen Prinzipien so verstärken, daß sie bleibend ihm zugehörig
werden, wie seine eigene Natur. Dadurch wird der Mensch dann wie zum Abbild
Lucifers und kann nur bestehen in dem Centrum, wo Lucifer selber tätig
ist. Durch die starke Bindung an Lucifer wird er dann in die Erde selbst
hineingezogen, die Oberfläche der Erde kennt ihn nicht mehr. Dies ist
derjenige Zustand, welcher als Infernum oder Hölle bezeichnet wird.
Hat der Mensch sich hauptsächlich von einer der drei seelischen
Kräfte beherrschen lassen, zum Beispiel vom Prinzip des Eigen-Wissens.
sodaß der geistige Kern insbesondere unter die Macht dieses Prinzips
und alles damit Verwandten geraten ist, so wird sich der Mensch nach dem Tode
zwar unterhalb der Oberfläche der Erde befinden, aber doch in der Region,
die dem Centrum am fernsten liegt; das Prinzip des Eigen-Fühlens und
alles, was dazu gehört, bindet den Menschen an die mittlere Region innerhalb
der Erde; durch das Prinzip des Eigen-Willens wird er in das Centrum selbst
hineingezogen, da dieses direkt mit dem Herzen Lucifers, als antiväterlichem
Centrum, verbunden ist. So ist die Hölle zerteilt in drei Hauptregionen.
Für jene Menschen, welche sich während des Erdenlebens ihren
geistigen Kern erhalten haben, sind die Umstände, in die sie nach dem
Tode kommen, abhängig von dem Grade, bis zu welchem sie sich mit den
irdischen Formen und den dazu gehörigen seelischen Kräften verbunden
haben. Ein festes Band zwischen den zur Erd-Entwicklung gehörigen Kräften
und dem geistigen Kern macht die notwendige Trennung desto schmerzvoller;
insbesondere wird die Zeit, welche ablaufen muß zwischen dem ersten
Tod — oder der Ablegung der irdischen Hülle — und dem zweiten Tod
— oder dem Zerfall der seelischen Form — eine Periode des Leidens sein.
Es kommt dann noch hinzu, daß der geistige Kern immer eine Krafteinbuße
erleidet, wenn er sich zu eng verbunden hat mit dem, was zur Erde gehört,
weil ihm dadurch die Möglichkeit, sich in die höhere Region zu
erheben, genommen oder doch sehr erschwert wird, wenn der zweite Tod eingetreten
ist.
Der Tod ist demnach ein Heraussteigen des Menschen aus der irdischen
Form, in die er eingekerkert ist als Erden-Mensch. Würde für den
Erdenmenschen die Befreiung von der Form nicht eintreten, so würde er
solange darin eingekerkert bleiben, als die ganze Erd-Entwicklung dauert;
Lucifer würde diese Form erhalten, und der Mensch wäre in seinem
geistigen Kern gänzlich mit ihr zusammengewachsen. Es sind die Kräfte
Michaels, verbunden mit den Taten der wahren hierarchischen Wesen, welche
die Form durch den Tod zerstören, damit der geistige Kern des Menschen
nicht gänzlich mit der Erde selber vereinigt werde und nach der Periode
der Verbindung mit der irdischen Form eine Befreiung eintreten könne.
Die Zeit, die zwischen dem ersten und dem zweiten Tod verläuft,
ist dem Menschen umso qualvoller, je mehr er in seinem Erdenleben die seelische
Hülle materiell verstärkt und dadurch seinen geistigen Kern eingeengt
hat; sie dauert dann auch länger. Es wird dieser Zustand als der des
Fegefeuers bezeichnet, in welchem die Läuterung des Menschen vor sich
geht. Das Feuer ist das Element, das die Materie mit seiner Wirkung durchdringt
und in einen reineren Zustand bringt. Es wird auch der Mensch durch das
Fegefeuer gereinigt und erlöst von dem, was ihm an Erden-Kräften
anhaftet, auf daß der geistige Kern, befreit von aller irdischen Unreinheit,
an sich bestehen bleibe.
Weil eine engere Verbindung des geistigen Kerns im Menschen mit den
zur Erde gehörigen Kräften immer auf Kosten des ersteren geschieht,
so ist dann die seelische Hülle kraftvoller und dauerhafter geworden;
der geistige Kern selber ist aber abgeschwächt. Nach einem schmerzvollen
längeren Aufenthalt im Fegefeuer wird zwar endlich der geistige Kern
des Menschen beim Eintreten des zweiten Todes von der Hülle befreit,
doch fehlen ihm die Kräfte, sich in die höheren Regionen aufzuschwingen.
Die Sonnenregion, in welcher der Mensch vor dem Fall im Paradies lebte, ist
dem geistigen Kern nach dem Tode nur zugänglich, wenn er nicht durch
seine Verbindung mit den ihm feindlichen Erden-Kräften abgeschwächt
worden ist. Es bleibt der geistige Kern des Menschen nach dem zweiten Tode
in den Regionen, welche zwischen der Sonnen-Region und der Erde selber liegen,
wenn er nicht die nötigen aufwärts strebenden Kräfte behalten
hat.
In diesen Regionen, zwischen Erde und Sonnen-Region, liegen die Bahnen
der drei Planeten, die mit der Ausbildung von zukünftigen Entwicklungs-Zuständen
verbunden sind. Sie sind genannt worden als Venus, Mercur, Vulcan.1)
1) Vulcan heißt im esoterischen Sinne jenes Centrum, das der Sonnenregion
eigentlich schon angehört und als das Symbol des letzten, siebenten
Schöpfungsraumes der Zukunft betrachtet wird, dessen Vorbild es ist.
Die Namen der auf Vulcan folgenden Planeten, von der Sonne ab gerechnet,
sind im Laufe der Zeit miteinander verwechselt worden, sodaß derjenige
Planet, der in der heutigen Astronomie den Namen Venus trägt, in früheren
Zeiten, als die astrologische Bedeutung der planetarischen Centren im Kosmos
noch bekannt war, den Namen Mercur getragen hat; der heutige Mercur wurde
dazumal Venus genannt. So folgt in der Beschreibung von Dantes Paradies
auf die Sphäre des Mondes die des Mercurs, dann die der Venus, während
nach astronomischer Bezeichnung von der Erde aus zunächst der Mond,
dann der Planet Venus und dann Mercur genannt wird, der entsprechenden Entfernung
ihrer Bahnen gemäß. Es folgt in Wirklichkeit die Bahn des Planeten
Mercur (früher Venus genannt) auf die des Vulcan; die Bahn der heutigen
Venus (früher Mercur) liegt der Erde, um welche sich die Mond-Bahn
befindet, am nächsten.
Wenn der Mensch nach dem zweiten Tode die Sonnenregion nicht erreichen
kann, befindet er sich in jenen Zwischenregionen und bleibt der Erde näher
oder ferner, je nachdem die Kräfte des geistigen Kerns mehr oder weniger
abgeschwächt worden sind. So muß die Seele nach dem zweiten
Tod in der Nähe der Erde verweilen, in der Region, welche der Mond-Bahn
am nächsten gelegen ist, wenn sie ihre wahren geistigen Kräfte,
die sie aufwärts führen sollten aus der Erden-Sphäre heraus,
durch Verbindung mit den Kräften, die zur irdischen Form gehören,
abgeschwächt hat. Zwischen Erde und Mond verweilt der Mensch in solchem
Falle. Kann er sich weiter von der Erde trennen, so erreicht er die Region,
in welcher die Bahn der heutigen Venus (des früheren Mercur) sich befindet;
er befindet sich dann zwischen genanntem früheren Mercur und Erde.
Wenn die Region erreichbar ist, in welcher die Bahn des heutigen Mercur
(früher Venus) liegt, so lebt der Mensch nach dem zweiten Tode zwischen
Mercur und Erde.
Wenn der Mensch aufsteigen kann bis zur nächsten Region, so gelangt
er in die Region, in welcher, in der nächsten Nähe der Sonnen-Region,
die Bahn des Planeten V u 1 c a n gelegen ist. Es kann diese Region wie
ein Teil der Sonnenregion selbst betrachtet werden. Die Sonnenregion wird
dann geschaut als das verlorene Paradies, die eigentliche Heimat des wahren
Menschen. Ist dem geistigen Kern des Menschen soviel aufwärts strebende
Kraft erhalten geblieben, daß er sich in die Sonnenregion hinaufschwingen
kann, so erlebt er sich im Paradiese, in einem Zustand geistiger Glückseligkeit.
Mit der Verfestigung der Erde sind diese hinaufstrebenden Kräfte
dem Menschen immer mehr genommen worden, sodaß es mit der Zeit immer
weniger möglich wurde, sich nach dem zweiten Tode in die höheren
Regionen zu erheben. Der geistige Kern wurde auch immerzu schwächer,
nicht allein dadurch, daß er fester mit den Erden-Kräften verbunden
wurde, sondern auch, weil die wahren menschlichen Kräfte, welche sich
in die Erd-Entwicklung hineinbegeben haben, zuerst im ersten Menschenpaar
concentriert vorhanden waren, sich dann aber allmählich über
eine Anzahl Menschen verteilten. So entstand eine Vielheit von geistigen
Kernen und auch die Vermehrung der irdischen Formen.
Zwar ist erwähnt worden, wie dieser Vielheit eine Grenze gesetzt
ist, und jeder geistige Kern eine gewisse Potentialität an Kräften
in sich enthält; es ist dadurch aber jeder geistige Kern an sich weniger
kraftvoll, als er direkt nach dem Fall in den beiden ersten Menschen als
den Trägern aller Menschheitskräfte vorhanden war.
So wird das Hinaufstreben im Menschen immer schwächer; immer mehr
fesseln ihn die Erdenkräfte. Der Mensch behält auch nach dem zweiten
Tode, als geistiger Kern, eine Neigung, die ihn veranlaßt, hinunterzustreben
zur Erde. Statt der früheren Sehnsucht nach dem Paradiese, ergreift
ihn dann eine Sehnsucht nach der Erde; der Mensch sehnt sich zurück
zur Erde.
Jene Seelen, welche durch Lucifers Gewalt in die Regionen der Hölle
hineingezogen sind, können diese Sehnsucht nicht befriedigen; sie
sind gebunden innerhalb der Erde. Die Seelen, die sich im Zustand des Fegefeuers
befinden, zwischen dem ersten und dem zweiten Tod, müssen warten,
bis der letztere eingetreten ist; wenn aber der geistige Kern frei kommt,
dann wird es abhängig von den aufwärts strebenden Kräften,
ob ihre Neigung sie zu den höheren Regionen weist oder ob die Sehnsucht
nach der Erde sie erfaßt und in ihrem Banne festhält, ein Vorgang,
der sich in den verschiedenen Reincarnations- oder Wiederverkörperungslehren
widerspiegelt und der für die vorchristliche Menschheit eine wesentlich
andere Bedeutung hatte als für die Zeiten nach dem Erlösungstode
Jesu Christi.
Von den Menschen, welche sich in den höheren Regionen befinden,
bis in die vierte Region — oder die Sonnen-Region — hinein, in welcher sich
die Erde als vierter Schöpfungsraum, verbunden mit der Sonne, befand
vor dem Fall, lassen sich zunächst einzelne dazu verleiten, die Erdenregion
nicht zu verlassen; andere fühlen sich hineingezogen in die zwischen
Sonnen-Re gion und die Erde selber befindlichen Regionen und verbinden
sich mit dem Centrum der betreffenden Region. Sie nehmen dann das Kleid
an, welches aus der Materie gewoben ist, die zu diesem Centrum gehört,
und beginnen in einen der Planetensphären zwischen der Sonnenregion
und der Erde zu leben. Weil auch da Lucifer tätig ist, wenn auch auf
andre Weise als auf Erden, so bleiben sie dem Einfluß Lucifers ausgesetzt;
je näher aber der Planet, auf dem sie leben, der Sonnenregion ist,
desto weniger wird der geistige Kern des Menschen durch die betreffende
Form, mit der er sich umkleidet hat, in seiner Tätigkeit gehemmt; er
kann sich dann freier entfalten. Die Kräfte aber, welche zu der Welt
gehören, in der er lebt, und die ihm wie mit einer Hülle umgeben,
sind auch weniger intensiv.
Wenn der geistige Kern des Menschen sich nach dem zweiten Tode bis in
die Sonnenregion hinaufschwingen kann, so wird er sich im Paradiese erleben,
so wie es vor dem Fall des Menschen war. Es ist aber ein gewaltiger Unterschied
zwischen den Umständen, in welchen der Mensch vor dem Fall gewesen
ist, und denjenigen, die er nachher vorfindet, wenn er auch ins Paradies
hinaufsteigen kann. Der Mensch war vor dem Fall mit dem göttlichen
Urbild verbunden als wahrer himmlischer Mensch. Das menschliche Urbild aber
hat sich in die höheren Regionen zurückgezogen. Als geistiges
Wesen, lebend in dem Herzen des Vaters und der Himmelsrose, offenbart es
sich im Aspect des wahren menschlichen Urbildes, bis in die Region des Fixsternhimmels
hinein.
Von dieser Region ist die Sonnenregion, als vierte Region, nur ein Abbild;
der gefallene Mensch kann zwar mit seinem ewigen-geistigen Kern in diese
hinaufsteigen, er kann sich aber nicht mit seinem wahren Urbild vereinigen.
Nur im fernen Horizont kann der Reflex jenes wahren Urbildes ihm in Abbild
erscheinen. So wie der Mensch das Paradies verlassen hat durch die Pforte,
welche sich im Zeidien der Zwillinge — zwischen den beiden verbotenen Bäumen
— befindet, so tritt er wiederum durch dieses Zeichen in die Sonnenregion
ein. Weil einmal der Mensch die zweifachen Kräfte des Zeichens der
Zwillinge in sich aufgenommen hat, nachdem das erste Mensdienpaar durch dieses
Zeidien das Paradies verlassen mußte, kann er zwar als geistiger Kern
wiederum in die Sonnenregion aufsteigen, nachdem er den zweiten Tod erlebt
hat ; er wird aber die Veranlagung zu dieser Zweiheit in sich behalten.
Diese Zweiheit wird sich auch im Paradiese offenbaren und durch sie
wird der Weg bestimmt, welchen der geistige Kern in der Zukunft gehen wird.
Es machen sich im Menschen zweierlei Kräfte geltend, denn einerseits
gehört er seinem geistigen Kern gemäß den höheren
Regionen an, andererseits hat er sich mit der Erdentwicklung verbunden.
Die Folge davon ist, daß der Mensch, nachdem er einige Zeit in der
Sonnenregion verweilte, sich vor einen Wendepunkt gestellt sieht, wo sich
ihm zwei Wege öffnen. Es hängt dann von den geistigen Kräften
ab, die der Mensch, als geistiger Kern, sich trotz der Verbindung mit der
Erde erhalten hat, welchen Weg er nehmen kann.
Lucifer ist in seinem makrokosmischen Aspect in den höheren Regionen
seines Reiches tätig. So wirkt er auch in der Sonnenregion. Nach dem
Fall des Menschen hat seine Kraft gerade in dieser Region zugenommen. Als
der Mensch durch die Pforte der Zwillinge das Paradies verlassen mußte,
war Lucifer die Möglichkeit gegeben, desto kraftvoller da hineinzudringen.
Die Sonnenregion zerfällt dadurch in einen Teil, in welchem Michael
gänzlich vorherrscht und in einem anderen in welchem Lucifer sich offenbaren
kann. Vom Zeichen der Zwillinge bis zum Zeichen des Scorp i o n s ist der
Mensch, der in die Sonnenregion hinaufsteigt, noch unter dem Einfluß
Lucifers. Hat er aber die Prüfung bestanden, die ihn erwartet, wenn
er das Zeichen der Waage durchschreitet, so steigt er aufwärts in den
Teil der Sonnenregion, wo Michael herrscht.
Durch die Sonnenregion schreitet der Mensch, ausgehend von dem Zeichen
der Zwillinge, weiter bis an jenen Punkt, wo das Zeichen der Waage sich befindet.
Dieses Zeichen ist gelegen zwischen dem Sternbild der Jungfrau und dem des
Scorpions oder Adlers. Hat der Mensch sich während seines Erdenlebens
bemüht, die wahren Kräfte in sich aufzunehmen, welche aus den
drei Himmelszeichen strömen: des Stieres, des Widders und der Fische,
die gegenüber den Zeichen des Adlers, der Waage und der Jungfrau stehen,
so hat er in gewisser Weise als Erdenmensch seine Aufgabe erfüllt.
Mit dem Austritt aus dem Paradiese ist es doch die Aufgabe der Menschheit
geworden, die drei Zeichen, welche dem der Zwillinge folgen, statt im Paradiese
auf der Erde zu durchwandern und sich unter diesen schwereren Umständen
die betreffenden Kräfte anzueignen, die er sich sonst im Paradiese selbst
auf andere Weise hätte erobern können. In diesem Fall wird der
geistige Kern des Menschen weiter hinaufstreben; gereinigt durch die Kräfte,
die ihm aus dem Zeichen der Jungfrau zuströmen, erhält er die Gerechtigkeit,
die als Eigenschaft der Waage ihm die Möglichkeit gibt, mit der aufwärtsstrebenden
Kraft des Adlers sich hinaufzuschwingen zu dem Weiterschreiten durch die
Sonnenregion, bis er zu der Pforte gelangt, wo er unter dem Zeichen des Wassermanns
die erste Ahnung bekommt von dem, was ihm wie das Spiegelbild des wahren
menschlichen Urbildes erscheint.
Der Erzengel Michael hütet diese Pforte, die hinausführt zu
den drei höheren Regionen bis an die des Fixsternhimmels. Auch dann
stehen dem Menschen zwei Wege offen; jedoch mit dem Unterschied, daß
er in dem ersten Fall, als er das Zeichen der Waage durchschreitet, durch
das Maß seiner inneren Kräfte gebunden ist, notwendigerweise
einen bestimmten Weg zu gehen, während er bei der Begegnung mit Michaels
in gewisser Weise wählen kann. Wenn der Mensch Michael begegnet, kommt
er dadurch unter seinen Schutz; er wird ein Diener des Erzengels. Er kann
die Pforte der Sonnenregion durchschreiten, um die höheren Regionen
zu durchwandern, welche sich zunächst, im Vergleich mit der Sonnenregion,
in Finsternis zeigen. Der Anblick aber, den er vom strahlenden Urbilde erlebt
hat, leuchtet ihm vor, und es wird sein einziges Bestreben werden, diesem
Urbild näher zu kommen, um sich endlich damit zu vereinigen. Dieses
kann nur da geschehen, wo die Macht Lucifers endet; auf dem Wege dorthin
wird er Lucifer in den drei höheren Regionen des Kosmos bekämpfen,
da er sich in die Dienste Michaels gestellt hat.
Die andere Möglichkeit ist diese, daß der Mensch, wenn er
dem Erzengel Michael begegnet, sich in dessen Scharen einreiht und, nachdem
er den Anblick des Urbildes erlebt hat, als Diener Michaels die Sonnenregion
nicht verläßt, um in die höheren Regionen hinaufzusteigen,
sondern zurückschreitet, um von der vierten Region aus in die Erdentwicklung
einzuwirken und auf solche Weise Lucifers Taten zu bekämpfen. In diesem
Falle kann der Mensch sich sogar in die Regionen hineinbegeben, die sich
zwischen der Sonnenregion und der Erde befinden, um da in irgend welcher
Weise den Taten Michaels zu dienen.
Wenn der geistige Kern des Menschen so stark ist, daß er sich
bis an die Pforte des Paradieses, die unter dem Zeichen des Wassermanns
ist und durch Michael behütet wird, hinaufschwingen kann, so geht durch
die Schauung des großen Erzengels von Angesicht zu Angesicht eine solche
Verwandlung mit dem Menschen vor, daß er von diesem Augenblicke an
als Diener Michaels dem mächtigen Erzengel folgt. Kehrt der Mensch dann
in die niederen Regionen zurück durch die andere Pforte, welche unter
dem Zeichen der Zwillinge liegt, so ist es, um Lucifer zu bekämpfen,
nicht ihm zu dienen, wie er einstmals tat.
Anders ist es mit dem Menschen, der sich zwar hineinbegeben hat in die
Sonnenregion, aber bei dem Entscheidungspunkte den andern Weg nehmen muß.
Weil er sich die guten Kräfte aus den drei Zeichen des Stieres, des
Widders und der Fische während seines Erdenlebens nicht genügend
angeeignet hat, wird die andere Seite seiner zwiespältigen Natur sich
geltend machen. Die Erdenkräfte werden noch Gewalt über ihn haben,
sodaß er sich — wenn er den Entscheidungspunkt im Zeichen der Waage
erreicht — nicht völlig verbinden kann mit den höheren Kräften
der drei Zeichen: Jungfrau, Waage und Adler. Die himmlische Reinheit wird
ihm nicht in solchem Maße eigen sein, daß er durch die Kraft der
Gerechtigkeit die Adlerflügel erhalten kann zum weiteren Aufstieg. Es
wird die Waage sich nach der einen Seite zu leicht, nach der anderen Seite
zu schwer ergeben und durch diese Schwere wird er, statt Adlerflügel
zu erhalten, wiederum mit jenen Kräften verbunden werden, die ihn notwendigerweise
zurückführen zu der Erde selber; denn auch die Kräfte des Scorpions
werden ihn verhindern, ein Leben im Geiste zu führen, ihn zwingen, die
Sonnenregion zu verlassen und in die Erdgebundenheit zurückzukehren.
So wiederholt er notwendigerweise den Fall des ersten Menschenpaares.
Es stehen dem Menschen also drei Wege offen, wenn er die irdische Form
verlassen hat, und diese werden bestimmt durch die Art und Weise, wie der
geistige Kern sich zu der irdischen Form und den Kräften, die mit ihr
verbunden sind, während des Erdenlebens verhalten hat. Es kann der Mensch
als Diener Lucifers in die Hölle hinabfahren, oder es kann für
kürzere oder längere Zeit die Läuterung im Fegefeuer eintreten,
nach welcher der geistige Kern sich dann mehr oder weniger weit von der Erde
entfernt, sodaß er sich entweder in den Raum hinaufschwingt, welcher
zwischen der Erde und der Sonnenregion liegt — oder in die vierte Region selber
hineintritt. Endlich kann in dieser Region der geistige Kern sich hinaufschwingen
bis zum Anblick des Reflexes des himmlischen Urbildes, das erst in der Region
des Fixsternhimmels sichtbar wird, wenn er durch das Zeichen der Waage weiter
aufwärts schreitet — oder es können ihn die Erdenkräfte erneut
anziehen, sodaß er den Fall aus dem Paradiese heraus wiederholt.
»»»»»
Die Führer der Menschheit.
Initation
Kapitel XI.
Im Laufe der Zeit finden sich Menschen, welche die Kräfte ihres
geistigen Kernes behalten, auch wenn sie mit den irdischen Formen umkleidet
sind. Sie kommen in der Sonnenregion zur Anschauung des großen Erzengels
und werden seine Diener. Durch die Pforte im Zeichen des Wassermanns in
die höheren Regionen aufsteigend, suchen einzelne sich ihrem Urbild
zu nähern und bekämpfen Lucifer in seinem makrokosmischen Aspect
andere schreiten durch die Pforte, welche im Zeichen der Zwillinge liegt,
in die niederen Regionen hinunter. Sie wirken dann von der Sonnenregion aus
in die Erdentwicklung hinein oder von da aus, wo sich die Bahnen der Planeten
zwischen der Sonnenregion und der Erde befinden; sie streiten gegen Lucifer
in seinem mikrokosmischen Aspekt, so wie er in der Erde selber tätig
ist.
Jene Menschen, welche mit den Scharen Michaels vereinigt sind, haben
sich dadurch über die Daseinsebene der Erdenmenschheit erhoben; sie
werden zu Führern der andern Menschen, denn sie versuchen, die Menschheit
auf den Weg zu leiten, dem sie gefolgt sind. Gerade weil sie selber die
Gefahren kennen, die durch die Kraft Lucifers für die Menschheit bestehen,
sind sie insbesondere dazu vorbereitet, andere vor diesen Gefahren zu behüten.
Sie vermögen sich auch auf der Erde zu manifestieren; geschieht dies,
so nur deswegen, weil sie solches als ein Mittel betrachten, um die Menschen
leichter zu führen, nicht aber, weil sie durch die Erdenkräfte
angezogen werden.
So entstehen unter den Menschen, welche Diener Michaels geworden sind,
zweierlei Typen: solche, die beim Anblick des Abbildes des himmlischen Menschen
die Vereinigung mit dem menschlichen Urbilde suchen und auf diesem Wege Lucifer
bekämpfen (sie wirken dabei nur dann auf den Menschen ein, wenn dieser
als geistiger Kern in der Sonnenregion sich befindet) — und solche, welche
beim Anblick des Abbildes des himmlischen Menschen zurückkehren, um
von der Sonnenregion oder von einer niedrigeren Region aus den Streit mit
Lucifer aufzunehmen, damit die durch ihn ausgebildeten Zerrbilder umgeformt
werden in Abbilder des wahren menschlichen Prinzips.
Diese beiden Typen offenbaren sich als der des Priesters und der des
Königs. Der erste strebt den himmlischen Regionen zu und
sucht Verbindung mit dem Höchsten, indem er das Irdische meidet; für
ihn besteht der Mensch als geistiger Kern, er spricht zum Paradiesischen
im Menschen. Der zweite sucht auf Erden selber die Menschheit zum wahren
Ziele zu führen. (In den christlichen Zeiten zeigen sich die beiden
Typen auf eine unverfälschte Weise im betenden Mönch, der sich
von der Welt abtrennt, und im streitenden Ritter, der in die Welt hinauszieht).
Als ein dritter Typus haben sich noch andere Wesen als Führer der
Menschheit in die Erdentwicklung hineinbegeben. Es sind die Wesen, die mit
den verschiedenen makrokosmischen Centren verbunden sind, die, als Wiederholung
von früheren Entwicklungen und auch als Zeichen für zukünftige
Entwicklungen, sich in den Planeten offenbaren. Einzelne Wesen der wahren
Hierarchien, die eigentlich zu den verschiedenen Planeten gehören, haben
sich auf solche Weise mit der Erdentwicklung verbunden, daß sie, durch
Vermittlung des Menschen selber, darauf indirekt einwirken. Sie können
sich nicht direkt mit einer irdischen Form auf die Weise umkleiden, wie
der Mensch das vermag, weil die irdische Form zwar ein umgekehrtes und zerbrochenes
Abbild, dennoch ein Ausdruck des ureigentlich menschlichen Prinzips ist.
Es ist für solche Wesen aber möglich, sich mit den feineren Kräften
zu verbinden, die zu den irdischen Formen gehören, jedoch nur in dem
Fall, daß der geistige Kern des Menschen diese Kräfte durch
seine Herrschaft über sie so umgebildet hat, daß sie kein Hemmnis
mehr sind.
Jene Wesen aus den wahren Hierarchien, welche schon mit einem der besagten
Planeten verbunden waren und sich dadurch in gewisser Weise aus den Hierarchien
heraus, die über das ganze Reich Lucifers tätig sind, ausgesondert
haben, können sich dann verbinden mit einem Menschen, der, nicht mehr
durch die Kräfte des Eigenwillens, Eigenfühlens und Eigenwissens
gehemmt, seinen geistigen Kern mit der irdischen Form umkleidet hat. Vermöge
dieser Verbindung werden durch diese Wesen aus den höheren Regionen
die wahren unverdorbenen Kräfte, welche die Wesen der wahren Hierarchien
sich erhalten haben, als Abbild der drei göttlichen Attribute in den
Menschen hineinversenkt. Aber nur eine von diesen drei Eigenschaften kann
der Mensch jeweils erhalten, weil eine jede der Hierarchien nur eine bestimmte
Eigenschaft in sich trägt. Auf diese Weise kann ein Wesen aus der
Hierarchie der Engel, der Erzengel oder der Fürstentümer sich
mit einem solchen gereinigten Menschen verbinden und in ihn die Kräfte
der Liebe, der Weisheit oder der Stärke hineinversenken. Dann wirkt
ein solches Wesen durch Vermittlung eines Menschen in die Erdentwicklung
ein und verbindet bestimmte Kräfte aus den wahren Hierarchien mit den
Erdenkräften, wodurch das Heil der Menschheit gefördert wird.
Dieser dritte Typus offenbart sich in dem des Propheten. Wenn sich der Priester
den himmlischen Mächten widmet, der König sich dem irdischen Wirken
zuwendet, so steht der Prophet zwischen beiden. In ihm verbinden sich Himmel
und Erde; in die Erdensphäre tönt die Stimme eines himmlischen
Wesens hinein, das sich durch ihn kundgibt.
Diese drei Typen werden die Führer der Menschheit, die noch unter
der Macht der Erdenkräfte steht. Diejenigen, die zum Typus des Priesters
gehören und den Aufstieg in die höheren Regionen suchen, können
in diesen Regionen tätig sein und Lucifer bekämpfen. Einzelne
erheben sich bis zur Grenze des dualistischen Kosmos in die Region des Fixsternhimmels;
weiter können sie nicht hinaufsteigen. Da erblicken sie das menschliche
Urbild, wie von Angesicht zu Angesicht, und schauen Michaels wahre Gestalt
in voller Erhabenheit, Lichtfülle und Macht. Auch die Taten der Wesen
aus den wahren Hierarchien und die Gegenwirkung der Diener Lucifers werden
ihnen offenbart. Doch zeigt sich dabei, daß die Erde und die mit
ihr verbundene Menschheit der eigentliche Mittelpunkt des gewaltigen Streites
ist, der sich, während dieser Entwicklungszeit des vierten Schöpfungsraumes,
zwischen Michael und Lucifer abspielt.
Hinunterschauend auf die verschiedenen Regionen im Reiche Lucifers bis
zur Erde selber, die das Centrum seiner Tätigkeit bildet, steigen viele
von denjenigen, die sich bis zu der Region des Fixsternhimmels erhoben
haben, unter Führung des großen Erzengels wiederum hinunter
in die Region der Erde, damit sie ihre himmlischen Kräfte zur Befreiung
der Menschheit anwenden können. Sie werden dann der Erdenmenschheit
zu Führern im Geiste; im Priester schauen sie den Menschen, während
er auf Erden lebt, in seinem himmlischen Aspect, als den geistigen Kern,
der ursprünglich der Ewigkeit angehört. Von dem Fall des Menschen
durch Lucifers Verführung künden sie, von der Vergänglichkeit
der irdischen Form, von der Gefahr des Sich-Hingebens an die Kräfte,
welche zur stofflichen Form gehören, vom Leiden des zweiten Todes
und endlich von der Möglichkeit des Todes für den ewigen Kern
des Menschen, wenn er zum Diener Lucifers wird und dadurch in die Hölle
gelangt; das alles führen sie vor die Seele des Menschen. Für
sie besteht nur der geistige Kern als einzig wichtiges Element, und ihre
Lehre hat als Grundprinzip die Überwindung und Abtötung — schon
während der Mensch auf Erden lebt — desjenigen, was dieser geistige
Kern durch den einstmaligen Fall aus dem Paradiese angenommen hat als jene
irdische Form und seelischen Kräfte, die ihn an die Erde fesseln.
In der Lehre Buddhas ist diese Gesinnung in ihrem vorchristlichen Aspect
enthalten, und er selber, der Königssohn Gautama, gibt in seinem Leben
das Beispiel dazu, als er seinen Palast verläßt, zum Bettelmönch
wird und endlich die Erleuchtung erhält unter dem Boddhibaum (d. i.
Lebensbaum), durch welche ihm die göttliche Weisheit zu Teil wird.
In der darauffolgenden Predigt von Benares offenbart er der Menschheit die
Notwendigkeit, sich zu befreien vom Durst nach Dasein, hinaufzustreben über
Leid- und Freudegefühl, damit sich der Mensch erlöse aus dem immer-beweglichen
Rad der Wiedergeburt und frei werde von den irdischen Fesseln, sodaß
er in das Nirwana eintreten könne. Das Nirwana wird betrachtet wie
ein Zustand, in welchem sich der Mensch vereinigt mit einer über ihn
erhabenen Einheit, sodaß er in diese aufgeht. Die Auffassung des
Nirwana zeigt eine Übereinstimmung mit dem Zustand, in welchem sich
der erste Mensch befunden hat vor dem Fall, als er noch im Paradiese lebte
und als einziger Mensch, die ganze Menschheit umfassend, mit seinem Urbilde
verbunden war.
Selbstverständlich ist es, daß in jener Zeit, wo der Sohn
Gottes noch nicht auf Erden gelebt hat, wo also die zweite Schöpfung
der Erde noch nicht vor sich gegangen ist, der Mensch bei seiner Befreiung
aus den irdischen Fesseln den Weg zurücksuchte, den er seit dem Fall
gegangen ist. Vor sich sieht er den Weg, der immer tiefer abwärts führt,
der Erde zu; rückwärts schauen und den Weg zurücksuchen
ist das einzige, was ihm bleibt. So wird ihm der paradiesische Zustand,
wie dieser vor dem Fall war, zum Ideal und zum Ziel seines Strebens.
Dies ist der Grundzug, der sich in der alt-indischen Weisheit zeigt,
die in Gautama Buddha in den späteren Zeiten (600 v. Chr.) ihren Nachklang
hat. Zurückschauen zum ersten Menschen vor seinem Fall, als er in
der Sonnenregion, im Paradiese, lebte, verbunden mit dem himmlischen Element:
das lehrte der vorchristliche Führer des priesterlichen Typus die
gefallene Menschheit. Der nachchristliche Priester führt die Menschheit
nicht den Weg zurück zum verlorenen Paradiese, zum ersten Menschen
vor seinem Fall, als Ideal; er kann die Menschheit auf ein höheres
Ideal weisen, ja das höchste: Gottes Sohn Christus selber, der sich
der Menschheit hingegeben hat mit dem zweiten Schöpfungsakt. Deshalb
wird dann auch vom geistigen Kern des Menschen anders gesprochen, weil dadurch,
daß das Wort Gottes auf Erden lebte, das wahre Urbild des Menschlichen
sich dem irdischen Menschen genähert hat, sodaß der geistige
Kern in jedem einzelnen Menschen eine größere Bedeutung erlangt.
Die Möglichkeit der Vereinigung mit dem Urbilde tritt dann für
jeden geistigen Kern ein, und die Notwendigkeit des Aufgehens der einzelnen
Individualität in ein Ganzes oder in eine Gesamtheit, so wie es in der
vorchristlichen Zeit gelehrt wurde als der Zustand des Nirwana, ist aufgehoben.
Es entsteht mit dieser Umgestaltung eine größere Strenge
in der Lehre, die sich auf den Zustand nach dem Tode bezieht. Sollte in
den vorchristlichen Zeiten darauf hingedeutet werden, daß der Mensch
sich befreie von all dem, was ihn an die Erde fesselt, so muß in nachchristlichen
Zeiten diese Lehre verschärft werden. Nicht nur alles, was die Menschheit
seit dem Sündenfall als die Natur des alten Adam an die Erde bindet,
soll sie ablegen, sondern auch alles, was ihr nach dem Zeitpunkt des zweiten
Schöpfungsaktes vor dem alten noch geblieben ist und sich seitdem angehäuft
hat.
Dadurch auch, daß der geistige Kern nach der zweiten Schöpfung
mehr Kraft und Bedeutung erhalten hat und für jeden geistigen Kern
die Möglichkeit sich ergibt, individuell sich mit dem menschlichen
Urbilde zu vereinigen, sind die Folgen desto einschneidender und schlimmer,
wenn der geistige Kern sich trotzdem den Kräften seiner Hüllen
und damit den Kräften Lucifers hingibt.
Es zeigt deshalb die Lehre des priesterlichen Führers der vorchrist-
lichen Zeit kaum Andeutungen von Fegefeuer und Höllenstrafe, wie
solche vom Zeitpunkte der zweiten Schöpfung an in der priesterlichen
Lehre des Christentums zu finden sind. Wenn aber von der priesterlichen
Lehre gesprochen wird, die nach dem Zeitpunkt der zweiten Schöpfung
auftritt, so muß in Betracht gezogen werden,
daß die drei Typen des priesterlichen
und des königlichen Menschen und des Propheten sich i n und durch
Jesus Christus vereint haben, als der Gottessohn, das mensch-
gewordene Wort, unter den Menschen wohnte. Es kann deshalb von diesem
Moment an im eigentlichen Sinne nur die Rede sein von dem prie sterlichen,
königlichen und prophetischen Elemente in der Lehre des Christentums,
die als die ewige Wahrheit, die der Sohn Gottes auf Erden gebracht hat,
dasteht.
In den vorchristlichen Zeiten war es für das Bewußtsein der
Menschen das Schmerzvolle, gebunden zu sein an die Erde, abgetrennt vom wahren
geistigen Leben, und gemäß den alten Lehren den einstmaligen Fall
durch Wiederverkörperung wiederholen zu müssen. Die christliche
Lehre enthält als Zustand des größten Leidens: die Vorstellung
der Abtrennung des Menschen von seinem himmlischen Urbild, welche dann
eintritt, wenn der Mensch, während er auf Erden lebt, wo er das Wesen
des Gottes-Sohnes in sich aufnehmen kann, sich von diesem abgewendet hat
und sich mit seinen Hüllen — und dadurch mit Lucifer — verbindet.
Auf der Erde ist seit der zweiten Schöpfung dem Menschen die Möglichkeit
gegeben, sich mit den himmlischen Kräften zu vereinigen; nach dem
Tode aber ist sein Zustand abhängig davon, ob er dieses während
seines Erdenlebens getan hat, denn nach dem Tode ist ihm die Möglichkeit
dazu genommen. Mit dem Fegefeuer und der Hölle sind Zustände
bezeichnet, die eine zeitliche und eine dauernde Trennung des geistigen
Kerns im Menschen von den himmlischen Kräften andeuten. Im Fegefeuer
dauert die Trennung durch die Kraft der seelischen Hülle bis zu dem
Momente, wo der zweite Tod eintritt. Hat sich der geistige Kern während
des Erdenlebens gänzlich verbunden mit dieser Hülle, so ist dadurch
die Verbindung mit den himmlischen Kräften ausgeschlossen; dieser
Zustand wird als die Hölle bezeichnet.
So ist nach der zweiten Schöpfung das Leben auf Erden nicht mehr
als der schmerzvollste Zustand zu bezeichnen, denn die Erde ist so geändert
worden, daß der Mensch, auf ihr lebend, sich als ein neuer Mensch
mit den himmlischen Kräften verbunden fühlen kann; denn nicht
nur die Erde, sondern die ganze Erdenmenschheit hat sich durch das Leben
des Gottes-Sohnes auf Erden erneuert.
Im Gegensatz zum priesterlichen Element, das als ein Grundzug der alt-indischen
Weisheit gelten kann und als solcher die Lehre des Gautama Buddha durchdringt,
offenbart sich der Typus des königlichen Prinzipes vornehmlich in
der Lehre, welche die Weisheit des alten Persertums enthält. In ihr
tritt die Anbetung des geistigen Wesens der Sonne hervor, wie ein Hinweis
auf das, was der Mensch einstmals als Paradies gekannt hat, als er in der
Sonnenregion lebte, wo Erde, Mond und Sonne noch vereint waren. In dieser
Lehre aber ist ein Wissen enthalten von den Kräften, die dem Sonnenlicht
und der Sonnenwärme entgegenwirken, als Finsternis und Kälte. Dieser
Streit zwischen Ormuzd und Ahriman (Angromainyus), Licht und Finsternis,
gibt ein Bild des Streites Michaels, so wie der große Erzengel von
der Sonnenregion aus die Taten Lucifers bekämpft, der vom Centrum der
Erde heraus im mikrokosmischen Aspect ihm entgegenwirkt. Ebenso wird hingedeutet
auf die dualistischen Kräfte, die in der Sonne selber tätig sind.
In der Lehre des alten Persertums ist die Sehnsucht nach dem Zustand
des „Nirwana" nicht enthalten; es
besteht vielmehr die Neigung, die Erde selber umzubilden
zu dem, was sie ursprünglich hätte sein sollen, wenn sie mit
der Sonne vereint geblieben wäre. So wie alle, die als Diener Michaels
aus der Sonnenregion heraus zur Erde wiederkehren, um durch ihre Taten die
Erde selber zu verwandeln, den königlichen Typus des heldischen Streiters
darstellen unter den Führern der Menschheit, so lehrt das alte Persertum
den Menschen, zur Sonne hinaufzustreben mit dem Innersten seines Wesens,
um dann zurückzukehren auf die Erde und tatkräftig zu streiten
gegen jene finsteren Kräfte, die sich dem geistigen Wesen der Sonne
entgegenstellen. Die Priester im alten Persertum sind zu gleicher Zeit Könige,
und die Weisheit, welche sie als Kenntnis von dem Wesen der Sonne und den
himmlischen Kräften des Makrokosmos haben, wurde durch sie in Taten
umgesetzt bei allem, was sie auf Erden leisteten. Diese Anwendung von Kräften
aus dem Makrokosmos auf irdische Tätigkeit ist die Grundlage dessen,
was sich später in dem alten Ägyptertum und bei den Chaldäern
als Magie und Astrologie entwickelt hat.
Der Sternendienst der Chaldäer bildet in ihrer geistigen Auffassung
ein religiöses System, in welchem das priesterliche Element sich mit
dem königlichen verbunden hat. Im alten Ägyptertum wird die Sternweisheit
in eine konkretere Form gebracht und dadurch mehr den irdischen Verhältnissen
angepaßt. Während der Chaldäer sich versenkt in die geistigen
Wirkungen, die sich zwischen den Gestirnen und Planeten, Sonne, Mond und
Erde hervortun wie eine makrokosmische Sprache, und den ganzen Sternhimmel
betrachtet als die Form und den Ausdruck eines mächtigen makrokosmischen
Wesens, hat sich der Ägypter mehr mit der äußeren Offenbarung
der Gestirne selber beschäftigt. Auch hat er die Raumverhältnisse
der verschiedenen Sterne untereinander in Betracht gezogen und sie in Beziehung
zur Erde gebracht. Dasselbe hat sich bei der Anwendung von Kräften
aus dem Makrokosmos auf die Erdenverhältnisse gezeigt Es ist die Magie,
welche durch die Chaldäer geübt worden ist, doch in einer mehr
geistigen Art als die, welche von den Ägyptern betrieben wurde, weil
die erstere mehr mit dem religiösen, priesterlichen Element verbunden
blieb, während die letztere sich mehr mit den irdischen Verhältnissen
beschäftigte. Die Magie der Ägypter hat sich mit dem königlichen
Element verbunden und ist damit mehr in Taten verwirklicht worden. Dadurch
aber war sie einer größeren Gefahr ausgesetzt. Ist die Anwendung
von makrokosmischen Kräften auf die Erdenverhältnisse im allgemeinen
Sinne schon gefährlich — weil sowohl im Makrokosmos wie in der Erde
selber Lucifer tätig ist — so steigert sich die Gefahr in dem Maße,
als die Kräfte mit der Erde selber fester verbunden werden und sich
auf sie beziehen. Es kann dadurch eine Anziehung entstehen zwischen Lucifer
als makrokosmischem Wesen und Lucifer in seinem mikrokosmischen Aspect, wodurch
diejenigen, die sich damit einlassen, völlig unter seine Macht geraten.
Dieses ist auch der Fall gewesen mit der Magie des alten Ägyptertums,
welche ursprünglich das Ziel hatte, die Kräfte aus den wahren Hierarchien
und Michaels, des großen Erzengels, in die Erdensphäre hineinzubringen.
Später aber verfiel diese Magie zu einem Mittel, durch das die Diener
Lucifers und Lucifer selbst im makrokosmischen Aspect sich fester verbinden
konnten mit dem im Centrum der Erde wirkenden Gegenpol.
Die Bemühung, Kräfte aus dem Makrokosmos heraus in die Erdentwicklung
hineinzubringen, damit jene fördernd wirken, kann nur dann heilsam
sein, wenn diejenigen, die sie ausüben, ihren Willen völlig dem
göttlichen Willen hinopfern und wie ein Behälter und Vollstrecker
des göttlichen Willens sind. Sie wirken dann wie ein Centrum, das,
dem väterlichen Willen gemäß, seine Kräfte in einen
bestimmten Umkreis ausstrahlt, den sie vorher gleichwie eine Peripherie
um sich herumgezogen haben. Klar und hell soll auch diese Peripherie sein,
da sie wie ein reiner Spiegel die in sie eingestrahlten Kräfte aufbewahren
und in bildhafter Form zurückstrahlen soll, gleichsam ein Abbild der
reinen Lichtjungfrau darstellend. Durch die Zusammenwirkung entstehen Wesen,
die dann auf reine Weise, dem göttlichen Willen gemäß, tätig
sein können und die Erdentwicklung fördern, weil der Wille Gottes
durch sie wirkt. Sie sind die Abbilder von den Wesen der wahren Hierarchien.
Wenn derjenige, der Magie ausübt, statt des Centrums des urväterlichen
Willens das luciferische Element des Eigenwillens in sich centralisiert,
so wird die von ihm gezogene Peripherie gleichfalls das luciferische Element
der Unreinheit, der Weibheit, in sich tragen statt des Wesens der reinen
Lichtjungfrau, und seine ausgestrahlten Kräfte werden nicht klar gespiegelt
werden. Dadurch entstehen Wesen, die als Abkömmlinge Lucifers übereinstimmen
mit dem Wesen aus den luciferischen Hierarchien, die Zerstörung und
Streit in die Erdentwicklung hineintragen.
Wenn durch Ausübung falscher Magie solch ein anti-göttliches
Willenscentrum geformt wird, so ist derjenige, der dieses Centrum darstellt,
wie ein Abbild von Lucifer selbst, so wie dieser vom Centrum der Erde aus
wirkt. Seine Peripherie, die den Aspect der Weibheit (oder Sexualität:
Sexualmagie!) trägt, zeigt sich wie das Bild Lucifers in seiner makrokosmischen
Gestalt; es wird dann vom Makrokosmos aus in die Erde als Bilder und Wesen
dasjenige zurückgestrahlt, was Lucifer vom Erdcentrum aus in diese
makrokosmische Peripherie hineingestrahlt hat. — Insbesondere ist die Sphäre
des Mondes diejenige Peripherie, die in Bildern und Wesen die luciferischen
Erdenkräfte zurückspiegelt. Sie kann es nur teilweise tun, weil
Michael sie beherrscht, da er den luciferischen Drachen überwunden hat.
Auch die Sphäre des Planeten Venus enthält in sich den weiblichen
Aspect Lucifers. Als Gegenbild von dem, was sie einstmals werden soll in
der Zukunft, was sich aber heute noch nicht offenbart, ist sie ein makrokosmischer
Spiegel, von welchem die Kräfte des luciferischen Willenscentrums
als Bilder und Wesen zurückgestrahlt werden. Es sind die feineren,
subtileren Kräfte, welche in ihr gespiegelt werden; die Venussphäre
bildet nicht die Peripherie des luciferischen Centrums der Erde, sondern
in ihr spiegeln sich die Kräfte, welche Lucifer vom Centrum der Sonnenregion
aus in sie hineinstrahlt. Es spiegeln sich in ihr die durch Lucifer entstellten,
verdorbenen und zerbrochenen Kräfte aus der Sonnenregion, in der er
durch den Fall des Menschen kraftvoller eindringen kann. So entsteht ein
umgekehrtes Bild des Paradieses und so ist die Venussphäre erfüllt
mit Bildern und Wesen, die ein luciferisches Schein-Paradies bilden, in welchem
alles sich nur relativ und teilweise offenbaren und erleben kann. So wie
die alten wahren Magier zum Ziel hatten, sich selbst und dadurch auch die
Erde dem Wesen der reinen Lichtjungfrau näher zu bringen und ihrer Weisheit
teilhaft zu werden — so verbindet jeder, der verkehrte (schwarze) Magie übt,
sich selbst mit dem irdischen Lucifer und seinem makrokosmischen Gegenpole.
Dies war der Fall in der Magie des späteren Ägyptertums; sie wurde
mit dem luciferischen Element vermischt, indem sie mehr und mehr den Eigenwillen
zum Ausgangspunkt nahm statt des göttlichen Willens.
Die Priester, die als Führer der Menschheit im alten Indien sich
die Aufgabe gestellt hatten, den Weg zu zeigen, der zurückführt
in die höheren Regionen, um die Menschen dadurch zu erheben, fanden
Einzelne unter diesen Menschen, die mehr wie die andern dazu berufen schienen,
auf jenem Weg zu folgen. Die Priester nahmen diese Einzelnen dann in ihre
besondere Obhut und belehrten sie. Es wurden ihnen dann bestimmte Prüfungen
auferlegt und wenn sie diese bestanden, konnten sie über geistige Tatsachen
unterrichtet werden, die nur den Priestern bekannt waren. Es waren dies
die Mysterien, in welchen Unterricht gegeben wurde bis an den Punkt, wo
die sogenannte Einweihung folgen konnte. Mit dieser Einweihung wurde ein
Zustand hervorgerufen, in welchem der Mensch unter Führung des Priesters
als geistiger Kern seine irdische Hülle verlassen konnte und auch in
gewisser Weise befreit wurde von der seelischen Hülle, die der Erde
angehört. Die letztere sollte immer schon vorher so umgewandelt sein,
daß sie völlig frei geworden war von dem Einfluß Lucifers;
daher ging der Prozeß der Läuterung immer der Einweihung voran.
Es erlebte dann der geistige Kern des Menschen das, was er sonst nach einem
reinen Leben, nachdem der zweite Tod eingetreten wäre, erleben würde.
Er stieg unmittelbar in die höheren Regionen hinein und schaute die
geistigen Wesen der Hierarchien, so wie diese dem göttlichen Willen
gemäß tätig sind; auch die ihnen entgegenwirkenden Diener
Lucifers erblickte er. Das Reich des Kosmos mit den verschiedenen Regionen
und die Schöpfungsräume, die sich da als die Planeten zeigen, wurde
für ihn sichtbar bis an die zwölf Gestirne des Tierkreises 1),
1) Richtig muß es Tyrkreis d. h. Gotteskreis heißen.die
ihm ihr Wesen offenbarten.
Kehrte ein solcher Mensch wiederum in seine irdischen Hüllen zurück,
dann hatte er die Weisheit erhalten, die dem Priester eigen war; dann konnte
er als Eingeweihter selber ein Führer der Menschheit werden.
Im alten Persertum führten auch die Priester-Könige die Menschheit
im allgemeinen, und einzelne Menschen insbesondere, zu den höheren
Zielen. Die letzteren wurden ebenso in der Mysterienschule vorbereitet durch
besondere Lehren, Prüfungen und Läuterungen, bis sie die Einweihung
durchmachen konnten.
Der geistige Kern des Menschen wurde
dann ebenfalls von seinen Hüllen befreit und stieg
hinein in die höheren Regionen. Es war insbesondere die Sonnenregion
und das geistige Wesen der Sonne selbst, mit welchem sich der Mensch dann
beschäftigte. Wohl lernte er die Wesen der wahren Hierarchien kennen
und Lucifers Diener; die Sonne jedoch war der Mittelpunkt, um den sich
alle Weisheit der persischen Einweihung bewegte. Das Wesen von Licht und
Wärme, im Gegensatz zu Finsternis und Kälte, wurde solchen eingeweihten
Menschen offenbart, wie es im ganzen Kosmos seinen größten Gegensatz
bildet als Ormuzd und Ahriman. Er erlebte in der Sonnenregion die Zerteilung
in die untere Hälfte, in der Lucifer wirkt, und in die obere, wo Michael
tätig ist. Als Eingeweihter kehrte der Mensch, der solches erlebte,
in seine leibliche Hülle zurück, er hatte sich den Rang des Priester-Königs
erobert und konnte nicht nur lehren, sondern durch die errungene Weisheit
die makrokosmischen Licht-und Wärmekräfte der Sonne in ihrer geistigen
Art mit der Erde verbinden.
Schon für den persischen Eingeweihten war es nicht so leicht, in
die höheren Regionen hinaufzusteigen, wie für den des alten Indiens.
Auch war es schwieriger, den geistigen Kern von der seelischen Hülle
zu befreien und dann die irdische Form zu verlassen. Weil sich die Erde
und damit die irdische Form des Menschen nach seinem Fall immer mehr verfestigt
und aus der kosmischen Umwelt herausgesondert hat, wurde der geistige Kern
des Menschen mehr und mehr eingefangen in die Form, aus der Umwelt herausgetrennt
und auf die Erde selber angewiesen. Dadurch ist die Trennung zwischen dem
geistigen Kern und seinen Hüllen immer schwieriger geworden.
Konnten die Chaldäer- Eingeweihten (bei denen das priesterliche
Element, verbunden mit dem königlichen, dieses letztere überwog)
sich noch in die höheren Regionen des Kosmos hinaufschwingen, sodaß
sie die geistigen Wesen erlebten, die als Hierarchien dem Willen Gottes gemäß
wirken, und jene, die als Lucifers Diener im Makrokosmos tätig sind,
und diese mit Gestirnen und Planeten verbinden, so war es bei den ägyptischen
Eingeweihten, wie bei den persischen, insbesondere die Sonnenregion, in
die sie sich hineinversetzt erlebten, wenn sie von ihren Hüllen befreit
waren. Auch für sie war die Sonne das Centrum der Erlebnisse, die sie
erfuhren, aber wieder in einem anderen Aspecte.
Der persische Eingeweihte erlebte die Sonne so, daß sie ihm vorkam
wie ein Lichtkörper, hinter dem sich das Wesen des großen Sonnengeistes
verbirgt als derjenige, der den ganzen Kosmos mit seinem Leben durchstrahlt.
Es ist in dieser Anschauung eine Übereinstimmung mit dem, was sich
einstmals in der zweiten Region des Kosmos ausbildete als die zweite Hülle,
die dem Wesen des Gottes-Sohnes in umgekehrter Weise spiegelt. Auch die
zweifache Wirkung von Licht und Finsternis dieses zweiten Schöpfungsraumes
erlebte der persische Eingeweihte als Ormuzd und Ahriman.
Mit der ägyptischen Einweihung erhält die Sonne einen Aspect,
der ein Bild zeigt von dem, was sich offenbarte, als der dritte Schöpfungsraum
einstmals in der dritten Region ausgebildet wurde und die Spaltung in zwei
Teile mit ihm vor sich ging. Das zweifache Prinzip von Centrum und Peripherie
zeigt sich in den Kräften des Osiris und der Isis, die, zuerst
vereint, sich trennen müssen durch die Wirkung der feindlichen Kräfte:
Typhon. Isis, suchend nach ihrem ihr genommenen Gemahl Osiris, ist ein
Sinnbild für die Trennung zwischen dem Centrum und der sich um dasselbe
bewegenden Peripherie. Die ganze Tragik dessen, was einstmals mit dem dritten
Schöpfungsraum vor sich ging, ist in der Auffasung in idealisierter
Form hineingelegt. Als einzige Hoffnung bleibt die Geburt des Horos, des
Sohnes der Isis, wie eine Hindeutung auf die Zukunft, in der, mit der Entwicklung
des vierten Schöpfungsraumes, der Mensch, als göttliches Geschöpf,
den Fall der Engel wiedergutmachen sollte.
Die Magie *)
1) Die Magie im Sinne der großen Ars Artium,
Ars Regia oder Theurgia.
der Ägypter beschäftigte sich insbesondere damit, die Kräfte
aus dem Makrokosmos herunterzuführen und mit dem zu verbinden, was
seiner Form von Offenbarung nach zur Erde selber gehörte. So wurden
Krankheiten, mit denen der irdische Körper behaftet war, durch eine
ma gische Beziehung zu Planeten und Gestirnen geheilt. Auch die Kräfte,
die sich in den Elementen befinden,
wurden durch Magie dem Willen des Menschen Untertan
gemacht. Aus einer Magie, die ursprünglich
in Harmonie mit dem göttlichen Willensprinzip
tätig war, entstand allmählich eine
andere, welche durch den Menschen so angewendet wurde, daß
sie seinem Eigenwillen gemäß wirksam und damit dem Dienste Lucifers
geweiht war. Die Folge dieser Verkehrung offenbart sich dann in dem Untergang
dessen, was die Menschheit zum Heil führen soll, und in der zunehmenden
Macht, die Lucifer über die Menschheit gewinnt.
Der Mensch hat damit vieles von dem
verloren, was als aufwärtsstrebende Kräfte dem
geistigen Kern angehört; statt dessen sind die luciferischen Kräfte
des Eigenwillens, Eigenfühlens und Eigenwissens
in seiner seelischen Hülle verstärkt worden. Dadurch wurde die
Möglichkeit des Hinaufschreitens in die höheren
Regionen nach dem Tode für die große Mehrzahl der Menschen ausgeschlossen,
und viele wurden zu Dienern Lucifers, der sie dann in die unterirdischen
Regionen hineinzog. Dieser zeitliche Sieg Lucifers endete aber durch die
Kraft des großen Erzengels, der ihm entgegenwirkte. Mit seinem göttlichen
Schwerte teilte Michael das entzwei, was sich als Folge dieser Ereignisse
entwickelt hatte. Es entstanden dadurch zwei Strömungen, wovon jede
eine entgegengesetzte Richtung nahm und sich dann in der Zeit ausbildete,
die der des Ägyptertums folgt.
In der einen Richtung wird das aufgenommen, was an geistigen Kräften
im alten Ägyptertum vorhanden war. Es finden sich in dieser Richtung
Menschen zusammen, die durch die Kräfte Lucifers am wenigsten verführt
worden sind und Michael am nächsten stehen, indem sie nach dem Geistigen
streben. In dem Wesen des großen Erzengels selber werden sie zu einer
geistigen Einheit; aus ihr entwickelt sich dann später das Hebräische
Volk. Die andere Richtung entfernt sich immer mehr von den höheren
Regionen und strebt der Erde zu. Dort offenbart sich die Kraft des Formprin
zipes, die dualistischer Natur ist, weil Lucifers Wirkung sich dort geltend
macht, denn aus dem Teil der Sonnenregion, in welchem er wirken kann, nimmt
er das Licht und verbindet es mit dem, was sich auf Erden als Formen ausbildet.
Die Formen erhalten auch eine luciferische Schönheit, die das umgekehrte
Bild der wahren geistigen Schönheit darstellt. Das Prinzip des Eigenwillens,
Eigenfühlens und Eigenwissens wird in eine Form gebracht, die, vereint
mit dem Wesen der Schönheit, sich in der Kunst offenbart.
In der Plastik des Griechentums kommt dann auch das in Bild gebrachte
und mit Schönheit verbundene Prinzip des Eigenwillens zum Ausdruck,
sowie in der griechischen Mythologie das Prinzip des Eigenfühlens,
in der griechischen Philosophie das Prinzip des Eigenwissens (neben wahrem
Fühlen und wahrem Wissen). Diese drei Prinzipien verbinden sich zu einer
höheren Form in den Dichtungen der alten Griechen, sowohl bezüglich
der Form des Rhythmus als dem Inhalt nach. Es liegt in diesem Inhalt verborgen
ein inneres Wissen von dem Verluste der aufwärtsstrebenden Kräfte
des geistigen Kernes im Menschen, wie ein schwacher Nachklang von dem, was
das erste Menschenpaar hat fühlen müssen, als es sich auf die Erde
angewiesen sah und das Paradies ihm verschlossen war.
In den ersten Zeiten des Griechentums war dieses Gefühl am stärksten
vorhanden, wie das Voraussehen einer kommenden Zeit, in welcher die Menschheit
sich mit allen inneren Kräften immer mehr auf die Erde selber concentriert
und sich wie eins fühlt mit der irdischen Form. Der irdische und vergängliche
Leib des Menschen wurde immer mehr der Mittelpunkt seiner Willensantriebe,
Gefühle und Gedanken, und so wird dann die Kunst immer mehr im Dienste
dieser bewegenden Kräfte angewendet. Sogar die griechischen Götter
und Halbgötter werden in einer irdischen Form dargestellt, welche zwar
idealisiert ist, doch alle Zeichen des Sündenfalls an sich trägt.
Die Kräfte, die im alten Ägyptertum noch, als von den himmlischen
Gestirnen und den Planeten kommend, als makrokosmische Kräfte betrachtet
wurden, erhalten im Griechentum zwar ihre Namen, jedoch werden sie in der
Mythologie als halbgöttliche Wesen in einer menschlichen Form dargestellt,
ausgerüstet mit allen irdisch-menschlichen Eigenschaften.
Während die Entwicklung des Griechentums unter der Zusammenwirkung
der Kräfte Lucifers in seinem makrokosmischen und irdischen Aspect sich
vollzog, offenbarte sich im Römertum insbesondere die mikrokosmische
Seite der Wirkung Lucifers. Statt des imaginativen seelischen Elementes
der Phantasie, die sich der irdischen Welt der Formen anpaßte und
diese Formen in leuchtender Schönheit darstellen konnte, hat sich bei
den Römern das praktische Element ausgebildet, das sich mehr beschäftigt
mit dem, was der Erde selber angehört; dasselbe bildet die Form für
die Verhältnisse, unter welchen die Lebensumstände auf Erden verlaufen
sollen. Im Römertum entwickelt sich hauptsächlich das, was sich
auf das gemeinschaftliche Leben des Menschen bezieht, als das Wesen des
Staates, des Rechtes und des Krieges. Das Prinzip des Eigenwillens, Eigenfühlens
und Eigenwissens offenbarte sich gleichfalls als eine Kraft, die sich mit
den irdischen Verhältnissen und dem praktischen Leben beschäftigte.
Die Menschen, welche damals in die höheren Regionen hinaufstreben
konnten, waren nur gering an Zahl. Wenn aber Einzelne dazukamen, so konnten
sie die Götter, die in der Mythologie dargestellt wurden, in ihrem
wahren Wesen erleben; auch lernten sie das Wesen der wahren Hierarchie
und die entgegenwirkenden luciferischen Diener kennen. Es war aber für
sie alles wie mit einem Schleier überdeckt, durch den sie kaum hindurchzuschauen
vermochten. Der griechische Eingeweihte erlebte den tragischen Zustand
der Menschheit, ihre lichtlose Zukunft; er konnte nur die Hoffnung bauen
auf das, was die Apollokräfte der Sonnenregion zu versprechen schienen
von einer rettenden Kraft, die aus jenen himmlischen Regionen kommen mußte,
die dem Menschen verschlossen waren, so als griffe die Hand Gottes selbst
in die Erdentwicklung ein. Sophokles als Dichter, Plato als Philosoph sprechen
jene Hoffnung auf das Kommen einer neuen geistigen Offenbarung in besonders
ergreifenden Worten aus.
Wenn der damalige Eingeweihte auch diese Hoffnung in sich erlebte, so
wußte er doch, daß die Erfüllung nicht hervorgehen könnte
aus einem Volke, das auf solche Weise mit den abwärts gerichteten
und zur Erde hinstrebenden Kräften verbunden war, wie die Griechen
und die Römer. Für ihn bestand nur die Empfindung der Erwartung,
der Hoffnung auf ein Schicksal, das die Menschheit vor dem geistigen Tode
retten würde. Dieses aber wußte er, könnte nicht durch seine
eigenen Götter geschehen; nur der Gott, für den diese Götter
nur Geschöpfe sind, hat die Macht, die Auferweckung der Menschheit
aus dem geistigen Tode zu vollbringen.
«««««
Vorbereitung zur zweiten Schöpfung
Das Hebräische Volk
Kapitel XII.
Jene Strömung, die damals die geistigen Kräfte des alten Ägyptertums
in sich aufgenommen und, im Gegensatz zum Griechentum, die aufwärtsstrebenden
Werdekräfte behalten hat, wird unter der direkten Führung des
großen Erzengels Michael das Mittel, durch das die Menschheit und
damit die ganze Erde neue, geistige Lebenskräfte erhalten kann. Es
ist der Engel Gottes, Angelus Domini, Malek-Jahwe. Diejenigen aus der Menschheit,
welche durch die Kräfte Lucifers am wenigsten verführt worden
sind, werden in dem Wesen des großen Erzengels wie in einer geistigen
Einheit verbunden; aus dieser entwickelt sich das hebräische Volk,
das durch Gott auserkoren und berufen wird, die Rettung der Welt herbeizuführen.
Zwischen der ersten Schöpfung — die durch den Fall des Menschen
sich in ihr Gegenbild verwandelt und dadurch zum geistigen Tod verurteilt
ist — und der zweiten Schöpfung, die stattfindet, als der Gottes-Sohn,
das Wort selbst, sich unter die gefallene Menschheit auf Erden begibt und
die Ewigkeitskräfte des wahren himmlischen Urbildes in die Menschheit
hineinbringt, sodaß diese Ewigkeitskräfte sich mit dem geistigen
Kern im irdischen Menschen wiederum verbinden können, steht dieses Volk
Gottes wie ein einziger Punkt, in welchem Tod und Leben, oder Vergangenheit
und Zukunft, sich verbinden zur Gegenwart. Ausgeatmet ist das, was an Möglichkeit
für geistiges Leben auf Erden da war als eine Erbschaft, ein Rest
noch von dem, was die Menschheit und die Erde vor dem Fall in reicherem
Maße besaßen. Da tritt als der Moment der Spannung der Zustand
ein, zwischen Aus- und Einatmung, in dem die Hoffnung auf die Möglichkeit
des Wieder-Einatmens verborgen liegt und damit der Glaube an die Möglichkeit
des Weiterlebens.
Einstmals, als der Mensch als himmlisches Wesen noch den Rhythmus des
göttlichen Odems in sich mitfühlte — als er noch im Herzen des
Vaters lebte — da war der Moment der höchsten Spannung derjenige,
in welchem er Gottes Antlitz unverschleiert schaute. Das Volk Gottes, das
wie ein Symbol dieses Momentes in dem kritischen Punkte steht, wie die
Folge der Vergangenheit und die Hoffnung für die Zukunft, ist auch
dasjenige, welchem sich Gott unmittelbar offenbart. Es treten deshalb in
diesem Volke die großen Propheten auf, für die Gottes Stimme
hörbar und sein Angesicht wahrnehmbar ist. Durch Michael, den großen
Erzengel, wirkt Gott selbst in dieses Volk ein, führt es und bestraft
es, schützt es und zerstört es, wenn es Seinen Willen nicht beachtet.
Dieses Volk sollte ganz im Glauben leben an den einen Gott und in der
Hoffnung auf das, was durch Vermittlung der Propheten verheißen wurde.
Das Symbol der himmlischen Gerechtigkeit, die Waage, auf welcher an der
einen Seite das strafende Schwert Michaels, an der anderen Seite das Herz
Gottes ruht, ist diesem Volk gegeben, das selbst an dem Punkt des Gleichgewichtes
stehend, den Schwerpunkt der Entwicklung nach der Seite hinüberführen
soll, wo das Herz Gottes, wie ein ewiges Opfer, sich für die Menschheit
hingibt. Durch das Schwert der Gerechtigkeit getrieben schreitet jenes
Volk in eine Zukunft hinein, in der das Herz Gottes sich in seiner Mitte
offenbart.
Mit dem Auftreten dieses Volkes ist ein ganz besonderer Zustand für
die Menschheit eingetreten, wie die Vorbereitung zu der zweiten Schöpfung.
Es berichtet das Alte Testament, wie der erste Ahnherr dieses Volkes, Abraham,
die Gebote seines Gottes entgegennimmt und gehorcht, sodaß all das,
was sich auf die Werdung und die Lenkung dieses Volkes bezieht, wie durch
Gott selber angeordnet wird. So wie Gott einstmals im Paradiese zum ersten
Menschen Adam sprach, als dieser noch auf Gottes Stimme hörte und
die Gebote durch Vermittlung des Erzengels Michael empfing, so tritt nun
der Augenblick ein, wo ein menschliches Wesen, und zwar ein gefallener Erdenmensch,
sich zu dem Zustand erheben kann, daß die Stimme Gottes ihn unmittelbar
erreicht und er die Gebote Gottes durch Vermittlung des Engels Gottes entgegennimmt.
Nicht wie der erste Mensch aber stellt sich dieser Erdenmensch dem Willen
Gottes entgegen und läßt sich durch Lucifer verführen,
sondern er bestrebt sich, dem großen Erzengel zu dienen und die göttlichen
Befehle zu befolgen; denn der Mensch hat erfahren, welche bittere Früchte
sein Fall ihm gebracht hat.
Wie einstmals Michael dem Menschen den Weg zeigen mußte, der aus
dem Paradies zur Erde hinunterführt, als er sich von Gott entfernte
durch seinen Fall und ihm die Worte zuklangen: „Im Schweiße deines Angesichtes
sollst du dein Brot essen", so erneuert Gott den alten Bund mit der Menschheit
und löst den Sinn dieser Worte aus mit der Opferung des Brotes und des
Weines, die Melchisedech, der Priester des allerhöchsten Gottes, als
Mittler und Abgesandter dem Abraham bringt. Der Priester des Allerhöchsten
bringt nicht nur Brot und Wein als ein Opfer dar; er erklärt dem Abraham
die Bedeutung dieses Opfers wie als Hinweis auf die Zukunft, in der die größte
himmlische Opferung dargebracht werden soll durch das menschgewordene Wort
Gottes selbst, das Seinen Leib und Sein Blut als geistige und ewige Nahrung
der Menschheit geben wird. So wird Abraham durch den Priester des Allerhöchsten
Gottes eingeweiht in das Geheimnis der Zukunft als in das höchste Geheimnis;
auch empfängt er die Einweihung in das, was Geheimnis der Vergangenheit
ist und dadurch lernt er die Tiefe des menschlichen Falles seit der ersten
Schöpfung ermessen.
Nach diesen Erlebnissen wird dem Abraham der Standpunkt offenbart, auf
welchen er durch Gott gestellt worden ist; er erlebt sich in dem Moment des
Erhobenseins, stehend in dem Augenblick der Gegenwart, der zwischen Vergangenheit
und Zukunft liegt. In diesem Zustand schaut er das Antlitz Gottes durch
Vermittlung der Einweihung, welche ihm Melchisedech gegeben hat. Von da
an versteht Abraham, wie er das Vertrauen, den Glauben und den Gehorsam
zu Gott erhalten und bewahren soll, da die Ereignisse der Zukunft sich nach
seinen Taten gestalten müssen. So kann er die Ergebenheit zu seinem
Gott soweit durchführen, daß er nicht zurückschreckt, als
ihm befohlen wird, seinen einzigen Sohn Isaak, als ein Opfer Gottes, zu
töten. Das Alte Testament erzählt, wie Abraham von Gott für
seine Ergebenheit belohnt wird.
Von der weiteren Führung des hebräischen Volkes wird im Alten
Testament berichtet. Insbesondere tritt diese Führung zu Tage, als die
Israeliten nach ihrem langen Aufenthalt in Ägypten ausziehen durch die
Wüste unter Führung des Moses, des ersten und wahren Propheten
Gottes, der die Gesetzestafeln von Gott selbst auf dem Berge Sinai erhält.
Es ist, als hätte das Volk Gottes die besten Geisteskräfte
aus Ägypten mitgenommen, um auf diesen weiterbauend seine Entwicklung
zu fördern. Die äußeren Sitten und Gewohnheiten soll es ablegen,
weil es eigene, ihm und seine Sendung angepaßte Gesetze erhält.
Das Volk selbst verfällt freilich immer wieder den alten Gewohnheiten
der es umringenden heidnischen Völker als: Anbetung der Heidengötter,
insbesondere des Baal und der Astarte als Sonnengott und Mondgöttin
und auch der Götter der Planeten und Gestirne. Dadurch wird die Offenbarung
des einen, wahren Gottes in diesem Volke geschwächt, der Bund zwischen
dem Volk und seinem Gott wirkt weniger kraftvoll, und die Folge davon
ist, daß das hebräische Volk öfters durch die feindlichen
Heidenvölker im Kampfe geschlagen wird und endlich für längere
Zeit in heidnische Gefangenschaft gerät in Babylon, dem Weltcentrum
der Götzendienste. Dieser Götzendienst war wie ein Rest aus den
früheren Zeiten, als die Menschen, die zur Einweihung gelangten, sich
in die verschiedenen kosmischen Regionen erheben konnten und die Taten der
Wesen aus den wahren Hierarchien und der ihnen entgegenwirkenden luciferischen
Diener schauten. Der Mensch erlebte dann eine Vielheit von geistigen Wesen,
die er Götter nannte und anbetete. Es war ihm damals unmöglich,
sich in Beziehung zu fühlen zu dem einen Gott, der sich des hebräischen
Volkes annahm und es vermittelst des Erzengels Michael führte; die
erste Botschaft Gottes geschah durch Vermittlung Melchisedechs, als Abraham
das Opfer des Brotes und des Weines und damit die Einweihung von dem Priester
des Allerhöchsten Gottes entgegennahm. So bedeutete Götzendienst
für das Volk Gottes einen Rückfall in überwundene Kultformen,
weil es ja für ein größeres Ziel erzogen wurde.
Daß die Israeliten auch die Anbetung von Tieren den anderen Völkern
nachahmten, zeigt sich in der Geschichte der Anbetung des goldenen Kalbes,
während Moses auf dem Sinai die Gesetzestafeln von Gott erhält.
Gerade diese Anbetung eines Kalbes deutet hin auf eine Übereinstimmung
mit dem ägyptischen magischen Apis- oder Stierdienst. In den Gesetzen
für das Volk Gottes aber werden Opferungen vorgeschrieben gerade solcher
Tiere, welche bei den anderen Völkern vergöttlicht und angebetet
werden, wie insbesondere des Stieres, an den der ägyptische Apisdienst
anknüpft, und des Lammes oder des Widders, der Beziehung hat zu den
griechischen Sagen von Jason mit dem goldenen Vließ und den Argonauten,
obwohl auch das Lamm als Symbol dient für das wahre Lamm Gottes, das
das Ziel aller Opferung ist und das Ende aller blutigen Opfer darstellt.
Im Gegensatz zum Kultus mit männlichen und weiblichen Göttern
bei den anderen Völkern wird beim Volk Gottes das weibliche Element
dem männlichen nicht gleichgestellt. Der allerhöchste einzige
Gott der Hebräer zeigt sich im positiven Aspecte der Kraft und des
feurigen Zornes, wie eine Offenbarung des väterlichen Centrums selbst.
Das urmütterliche Element und die damit zusammenhängende negative,
spiegelnde Kraft offenbaren sich in keiner solchen Weise, denn das wahre
Wesen der reinen Lichtjungfrau konnte sich damals nur in den höheren
Regionen der Himmelsrose offenbaren; in dem Reiche Lucifers war statt dessen
die zerbrochene Spiegelung entstanden als das weibliche Element. Dieses
war unter dem Einfluß Lucifers geblieben bis zu dem Zeitpunkte, da
die Kräfte der reinen Lichtjungfrau sich mit der Erdentwicklung verbinden
können, indem sie sich in eine Erdenform, die den äußeren
Typus der Weiblichkeit an sich trägt, hineinversenken. Dieses geschieht,
als die heilige Jungfrau, die Mutter Gottes, auf Erden lebt. Sie ist der
reine Spiegel Gottes, in und durch sie strahlt das wahre Wesen der himmlischen
Jungfrau in die Menschheit ein. Durch die Jungfräulichkeit Marias
wird die Weibheit Evas erlöst, das weibliche Element kann wiederum
zum Wesen der reinen Lichtjungfrau werden und sich aus dem Dienste Lucifers
befreien.
Lucifer wirkt ins männliche Element ein, insoweit es sich mit dem
weiblichen verbindet und es in seinen Dienst stellt, so wie es Lucifer selbst
während der Entwicklung des dritten Schöpfungsraumes getan hat
im makrokosmischen Sinne; das weibliche Element ist dadurch sein Spiegel geworden
und bleibt es, bis die Jungfrau die Schlange zertritt und den Mond, das Symbol
der weiblichen Peripherie, unter den Füßen hat. Durch die Evangelien
ist die Erlösung des weiblichen Elementes aus dem Dienste Lucifers in
der Persönlichkeit der Maria Magdalena in konkretem Sinne geschildert,
die als bekehrte Sünderin zur Dienerin der Jungfrau Maria wird und unter
denen ist, die dem Gottmenschen in Treue und Liebe als seine Jünger
anhängen. —
Wird der ganzen Menschheit mit der zweiten Schöpfung, dadurch daß
das Wort Gottes sich verkörpert, die Erlösung vom Falle gebracht,
so erhält die Menschheit insbesondere da, wo das weibliche Element
in ihr wirkt, wiederum die ursprüngliche Reinheit durch die Lichtjungfrau.
Erst dann kann der Mensch das Wesen des Gottes-Sohnes wie in klarer Reinheit
des inneren Lichtes widerspiegeln. Es wird deshalb für alle Zeiten,
von dem Moment der zweiten Schöpfung an, die wichtige Bedingung für
diejenigen, die ein reiner Seelenspiegel Gottes sein wollen, in welchem
sich das Wort Gottes als der Gottmensch Christus offenbart, der Reinheit
der Lichtjungfrau nachzustreben.
Mit der zweiten Schöpfung, als das menschgewordene Wort sich verkörpert,
wird auch die Kraft des urväterlichen Centrums in der auferstandenen
ersten Schöpfung offenbarer. Die ganze Erdentwicklung erhält
dann ein neues Centrum, und der geistige Kern im Menschen wird so gestärkt,
daß er zu einem wahren Abbild des göttlichen Centrums werden
kann. Das verdorbene seelische Element, welches der Mensch durch seinen
Fall in Eigenwillen und Eigenwissen als seelische Hülle tragen muß,
wenn er die irdische Hülle annimmt, wird durch die klare Reinheit der
Lichtjungfrau, als auch sie ihre Kräfte in die Erdentwicklung und in
das Innere des Menschen hineinbringt, so umgestaltet, daß die verdorbenen
seelischen Kräfte sich in ein seelisches Element verwandeln, das die
reine Spiegelung des geistigen Centrums bewirkt. Dadurch kann der Mensch
seit der zweiten Schöpfung in seinem inneren Wesen ein Abbild der Himmelsrose
darstellen, obwohl er äußerlich als Mensch auf Erden lebt. Durch
Vermittlung der Jungfrau Maria und des Gottmenschen Jesus Christus hat sich
die Himmelsrose hinuntergesenkt auf die Erde und sich der Menschheit kundgetan.
Das urväterliche Centrum, der Mittler Christus, und das Wesen der Lichtjungfrau
haben sich offenbart, denn in dem Sohn lebt auch der Vater, mit dem Er eins
ist. Seitdem ist im Innersten des Menschen ihre leise Stimme wahrnehmbar
für diejenigen, die sich abwenden von den lockenden und betäubenden
Tönen, die aus der Welt Lucifers dringen und stattdessen auf das Wort
Gottes lauschen, das in ihren Herzen lebt.
Das Volk der alten Inder und später die Anhänger der Lehre
Buddhas strebten darnach, sich in die Sonnenregion zu erheben und aufzugehen
in dem Leben dieser Region, die, als Abbild der Region des Fixsternhimmels,
dem zerbrochenen Wesen des urmütterlichen Elementes entspricht. Sie
stellten sich als höchstes Ziel, aufzugehen in das Wesen, das als Peripherie
der reine Spiegel des urväterlichen Centrums ist.
Die Völker, welche nach den alten Indern und vor den Hebräern
lebten: die Perser, Chaldäer und Ägypter, haben sich in Bezug auf
ihr Streben zur geistigen Vollkommenheit darauf verlegt, die göttliche
Weisheit, die sie durch das Erleben der höheren Regionen erlangen konnten,
in den Dienst der irdischen Entwicklung zu stellen. Im Gegensatz zu den alten
Indern und den späteren Hebräern strebten sie nicht darnach, die
urväterlichen Kräfte als Peripherie zu spiegeln, sondern sie stellten
sich selbst wie ein Abbild des Centrums dar und suchten ihre Peripherie
dadurch zu bilden, daß sie entweder in kleinerer oder größerer
Entfernung vom Centrum einen bestimmten Umkreis um sich herum zogen. Dieser
dient dann zum Spiegel, in den die Kräfte, die sie aussandten, aufgefangen
und zurückgestrahlt wurden. Gewöhnlich wurde der Umkreis im Kosmos
zwischen den Gestirnen gezogen und die zwölffache Zerteilung des Kreises
angenommen, als Abbild des Fixsternhimmels. Weil diese zwölffache
Zerteilung da war, konnten die zurückgestrahlten Kräfte sich nur
wie in einem zerbrochenen Spiegel stückweise offenbaren. Es wurde immer
einer von den zwölf Teilen wie zu einem Brennpunkt, durch welchen die
Widerspiegelung geschah, sodaß derjenige, der das Centrum darstellen
wollte, immer nur die Weisheitskräfte aus einem der zwölf Gestirne
erhalten konnte. Um die Weisheitskräfte, die von allen zwölf Gestirnen
ausstrahlten, zu erhalten, war es dann notwendig, daß sich zwölf
verschiedene Individualitäten zum Centrum stellten, die in Wesen und
Veranlagung zwölffach verschieden von einander waren, sodaß sie
als zwölf Centren ganz verschieden magisch tätig sein konnten;
jeder bildete dabei auf besondere Weise seinen Umkreis und enthielt einen
Teil der Sternenweisheit. Wie allmählich diese Art Magie unter den Einfluß
Lucifers geriet, ist vorher schon erwähnt worden. Auch das hebräische
Volk ist immer wieder von Lucifer versucht worden, den Sternendienst und
die damit verbundene Magie der umwohnenden Völker zu betreiben, anstatt
sich als der reine Spiegel des einen Gottes zu erhalten, der in ihrer Mitte
wohnte.
Das hebräische Volk sollte wie die Peripherie sein, in der sich
der einzige Gott als väterliches Centrum offenbarte. In Glaube und Hingabe
sollte dieses Volk die Kräfte, die als Gebote aus dem väterlichen
Willenscentrum in sie eingestrahlt wurden, in Reinheit widerspiegeln und
in Taten verwirklichen. So offenbarte sich diesem Volke das Wesen Gottes
zuerst in seiner urväterlichen Kraft durch Vermittlung der Propheten,
insbesondere des Moses. Dann tritt später eine Zeit ein, wo das Wesen
der Lichtjungfrau sich verbindet mit der Jungfrau Maria, wie über einer
menschlichen Form schwebend. Als das Wort sich dann verkörpert und der
Sohn Gottes durch Vermittlung der Jungfrau Maria in menschlicher Natur erscheint,
ist sie wie der Spiegel und die Peripherie des sich auf Erden offenbarenden
göttliche Centrums des Wortes, das in sich die Kräfte des urväterlichen
Centrums und auch die Kräfte der urmütterlichen Peripherie trägt.
Es zeigt sich, wie das Wesen der Himmelrose sich allmählich mehr
mit der Erde verbindet dadurch, daß es sich immer mehr in das hebräische
Volk hineinlebt. Zunächst offenbart sich die Kraft des urväterlichen
Centrums durch Vermittlung des Erzengels Michael dem Volke, dann auch durch
die Propheten. Diese aber tragen in sich Wesen aus den Hierarchien der
Engel. Erzengel oder Fürstentümer. So offenbart sich Gott, wenn
Er mit ihnen redet, nicht direkt, sondern durch Vermittlung jener Wesen
aus den höheren Hierarchien redet Gott mit den Propheten.
Als das Wesen der Lichtjungfrau seine Kräfte in die Menschheit
hineinbringt, geschieht das mehr in unmittelbarer Weise, indem diese Kräfte
sich mit einer Jungfrau, die das Wesen eines Engels in sich trägt,
seelisch verbinden und ihre irdische Form umschweben. Mit der Verkörperung
Christi wird die irdische Form gänzlich durchdrungen und umgeben vom
Wesen des Gottes-Sohnes und von Anfang an durch seine Kräfte aufgebaut.
Das Wesen der jungfräulichen Mutter ist die Peripherie, der Spiegel,
in welchem sich das neue Centrum im physischen Sinne bildet, so wie es als
geistiges Centrum sich in dem seelischen Spiegel der Lichtjungfrau zurückgestrahlt
sieht. So hat die Jungfrau Maria dem Gottes-Sohn gegenüber die Aufgabe
übernommen, welche bisher die Hebräer als ganzes Volk ihrem Gotte,
in seinem Aspecte des urväterlichen Centrums, gegenüber hatten.
Auf sie ist übertragen worden all das, was vorher die Mission des Volkes
Gottes war, als Vorbereitung zur Fleischwerdung des Wortes. In dem Momente,
da ihr der Wille Gottes offenbart wird durch den Erzengel Gabriel und sie
sich diesem Willen hinneigt, nimmt sie den Auftrag des ganzen hebmischen
Volkes auf sich. Dadurch nimmt sie die Stellung ein, die vorher dem Gottesvolke
gehörte, denn, indem die Mission dieses Volkes auf sie übergeht,
wird sie in die Gegenwart gerückt, während jenes Volk, in Bezug
auf seine Aufgabe, in die Vergangenheit zurücktritt. Alles, was das
ganze Volk Gottes bis dahin geleistet hat, nicht ohne auf mannigfaltige Weise
den Versuchungen Lucifers zu verfallen, wird durch die eine Jungfrau in Vollkommenheit
vollendet. An sie kann Lucifer in keiner Weise herantreten, denn ihre Schützerin
ist das Wesen der reinen Himmelsjungfrau selbst und vor ihrem Licht muß
alle Finsternis weichen. In diesem Lichte wird Lucifers wahres Bildnis offenbar
und obwohl er weiß, daß jene, die Gottesmutter werden und für
alle Zeiten Jungfrau sein soll, ihm seine Dienerin Eva entreißen und
die weibliche Schlange samt den Mondkräften zertreten wird, so kann
er, durch das Licht der Reinheit geblendet, seine Kräfte ihr gegenüber
nicht anwenden.
Da tritt wiederum in der Erdentwicklung ein Zeitpunkt ein, währenddessen
der weitere Verlauf der Umstände sich an ein einziges menschliches
Wesen knüpft, das, als Ergebnis der Vergangenheit in der Gegenwart
stehend, die Zukunft aus sich hervorgehen läßt. Wie einstmals
Abraham sich erlebt hat, stehend in dem Moment der Erhobenheit, welcher
wie die Gegenwart zwischen Vergangenheit und Zuk u n f t liegt, als er das
Antlitz Gottes unverschleiert schaut und ihm Melchisedech, der Priester
des Allerhöchsten Gottes, das Geheimnis der Vergangenheit und der Zukunft,
des Falles und der Erlösung der Menschheit offenbart — so sieht sich
Maria, die Jungfrau, gleichsam in den Moment der Erhobenheit gestellt, als
durch die Botschaft des Erzengels Gabriel die Mission der Vorbereitung zur
Fleischwerdung des Wortes auf sie übertragen wird. Auch sie schaut
das Antlitz Gottes unverschleiert und wird erleuchtet über Vergangenheit
und Zukunft, als einstmaligen Fall und kommende Erlösung der Menschheit;
auch sie nimmt, wie Abraham, den Willen Gottes als Führung an. Der
Erzengel Gabriel ist der Botschafter, welcher gesandt wird zur Jungfrau,
mit der sich das Wesen der Lichtjungfrau verbunden hat. Er ist derjenige,
der den Taten Lucifers entgegenwirkte während der Entwicklung des dritten
makrokosmischen Schöpfungsraumes, als der Sturz der Engel stattfand
und, als Gegenbild der reinen Himmelsjungfrau, die weibliche Schlange — der
Spiegel Lucifers — entstand. Durch Gabriels Wirkung sind aus dieser Entwicklung
trotz des Sturzes der Engel dennoch reine jungfräuliche Kräfte
erhalten geblieben; so ist e r der Schützer jener Kräfte, die mit
dem Wesen der Lichtjungfrau verbunden sind und wird der Bote, der den Willen
Gottes der Jungfrau überbringt.
Die Jungfrau Maria ist die Mittlerin, durch welche die zweite Schöpfung
ihren Anfang nimmt. Aus ihr geht der Gottes-Sohn Christus als der Menschensohn
hervor, als der zweite Adam, der das Urbild des himmlischen Menschen in
sich tragt und der geistige Vorfahre der wahren Menschheit ist, gleichwie
der erste Adam, durch seinen Fall, als der Vorfahre des Erdenmenschen dasteht.
Dadurch, daß der Gottes-Sohn Christus als der Menschensohn Jesus der
Sohn der Jungfrau wird, ist auf umgekehrter Weise das wiederholt worden,
was vor dem Fall des Menschen geschah, als Eva aus der Seite, wie aus dem
Herzen des ersten Menschen Adam hervorging.
Damals ist es das Weib Eva gewesen (in welchem das seelische Element
über das geistige herrscht), das den seelischen Spiegel Lucifer zuwandte,
sich zuerst von ihm verführen ließ und wider den Willen Gottes
handelte. Bei der zweiten Schöpfung ist es die Jungfrau Maria, die,
umstrahlt vom Wesen der Lichtjungfrau (in dem seelischen Weisheit-Element,
das sich mit ihr verbunden hat), den Willen Gottes in Reinheit widerspiegelt,
als der Bote Gabriel zu ihr gesandt wird. Und so wie durch ihren Fall Eva
das Mittel wird, durch welches die Verführung Lucifers auch Adam überwältigt,
sodaß sie die Schuld trägt am Falle der Menschheit, so wird Maria
als der reine Spiegel des göttlichen Willens die Mittlerin, durch welche
die Erlösung der Menschheit eintreten kann, da der zweite Adam, der
Menschensohn Jesus, aus ihrem Herzen hervorgeht.
Gleichwie Eva dasteht im Paradiese, beim Anfang des Falls, am Ausgangspunkt
des Weges, der abwärts führt zur Erde, als die Mutter der Erdenmenschheit,
so deutet die Jungfrau Maria, die Mutter Gottes, als die Trägerin
des Bildes der himmlischen Jungfrau — jedoch auf der Erde stehend — den
Anfang des Weges an, der von der Erde ausgehend die gefallene Menschheit
wieder aufwärts führen wird zu den himmlischen Regionen. Durch
Vermittlung Evas zerbricht die ursprüngliche Einheit des Menschen,
sodaß die Trennung des himmlischen vom irdisch-gewordenen Teil auftritt.
Maria ist die Mittlerin, durch welche das himmlische Urbild des Menschen
sich wiederum mit der Erdenmenschheit verbindet — als das menschgewordene
Wort sich verkörpert und Gottes-Sohn hinuntersteigt auf Erden.
Ende des ersten Teils.
«««««
Die
zweite Schöpfung Trinitas
Kapitel I.
Die göttliche Dreifaltigkeit, die in ihrem Wesen eine Einheit ist,
hat sich, wie im Abbild, zunächst als die himmlische Triade, die ebenso
eine Einheit bildet in der Himmelsrose, offenbart. Die Triade zeigt sich
in dem urväterlichen Willens- oder Kraftcentrum, der urmütterlichen
Peripherie oder dem Weisheitsprinzip und dem Mittler Christus, der das
Wesen der Liebe ist und die urväterliche Kraft mit der urmütterlichen
Weisheit in Liebe zur Einheit bringt.
Das Herz der Himmelsrose ist das urväterliche Centrum, von welchem
das göttliche Leben und der Wille Gottes ausstrahlen; die Peripherie
ist der Spiegel, der die Kräfte des Centrums durchleuchtet mit dem Weisheitselement
und sie dann zurückstrahlt. Der Urvater ist der Mittelpunkt der ersten
Offenbarung und das Abbild, in welchem das Gesicht des Vaters aus der Trinität
vorzugsweise gespiegelt worden ist. Der Urvater offenbart sich in der Peripherie,
die als Weisheitsspiegel ein Abbild des Antlitzes des Heiligen Geistes
ist. Es ist das Antlitz des Vaters in Vereinigung mit dem des Heiligen Geistes
der ersten Offenbarung, die als Spiegelung der Trinität entsteht, unmittelbar
zugewandt worden.
Auf diese erste Offenbarung — die Himmelsrose — folgt die Ausbildung
der niederen Regionen, als Lucifer die himmlischen Regionen verläßt
und ein Reich für sich formt. Alles, was durch seine Wirkung entsteht,
zeigt das Wesen der himmlischen Triade in umgekehrter Weise wie in einem
zerbrochenen Abbild. Sein Reich besteht aus einem Gegenbild der Himmelsrose,
die den Regionen der Ewigkeit angehört. Dadurch, daß die Ewigkeit
zerbrochen ist in das zeitliche Element von Vergangenheit, Gegenwart und
Zukunft, kann sich nichts zu gleicher Zeit völlig offenbaren, sondern
alles erscheint nacheinander, dem Gesetze der Zeit gemäß. Es wird
das Gegenbild der Himmelsrose durch dieses Gesetz so zerbrochen, das sich
ihre Einheit in eine Vielheit verändert, die nur nach einander in der
Zeit ein Dasein führen kann.
Als endlich Lucifer sich bemüht, in der vierten Region seines Reiches
das Anti-Centrum der himmlischen Rose zu bilden, und den Fall des Menschen
bewirkt, ist dadurch der Mensch aus den Händen Gottes und Seines Dieners
Michael in die Hände Lucifers geraten. Von diesem Centrum sendet er
seine Kräfte aus und als die Peripherie seines Centrums strahlt der
Teil seines Wesens die Kräfte zurück, welcher durch alle Regionen
bis an den Fixsternhimmel wirken kann im makrokosmischen Aspecte. Die luciferischen
Hierarchien wirken zwischen diesem Centrum und seiner Peripherie; der irdisch
gewordene Mensch ist mit diesem Centrum verbunden worden,
so wie er als himmlischer Mensch im Herzen des Ur-Vaters lebt. So hätte
Lucifer für die Zeit, in welcher der vierte Schöpfungsraum besteht,
ein Gegenbild formen können von der Himmelsrose selbst, wenn nicht
auch in diesem Reiche die Diener Gottes immer tätig gewesen wären.
Sie können, von dem Herzen des Urvaters ausgehend, dieses kosmische
Reich betreten; das Reich der Himmelsrose aber ist Lucifer unerreichbar,
und dadurch sind die Diener Gottes doch am Ende stärker als er.
Bis zu der Zeit, da die zweite Schöpfung stattfindet, ist es beständig
das Ziel Lucifers, das Gegenbild der Himmelsrose zu gestalten, und immerzu
wird er darin zurückgehalten durch die Kräfte des Erzengels Michael,
der mit seinen Taten umbildend und zerstörend einwirkt, je nachdem
es die Notwendigkeit verlangt.
Immer noch ist die erste Schöpfung in Bezug auf die Erde und den
ersten Menschen wie abgeleitet und ausgehend von der Himmelsrose zu betrachten,
wenn sie auch in den dualistischen Regionen des Kosmos verläuft und
deshalb der Gegenwirkung Lucifers ausgesetzt ist. So ist auch bei der ersten
Schöpfung, die ihren Ursprung in dem urväterlichen Centrum der
Himmelsrose hat, das Angesicht des Vaters in der Trinität noch immer
der Himmelsrose zugewandt in Vereinigung mit dem des Heiligen Geistes, der
sein Abbild hat in dem Weisheitsspiegel der urmütterlichen Peripherie
oder der Lichtjungfrau.
Die zweite Schöpfung tritt ein als Folge einer Änderung, die
sich in der Trinität selber so darstellt, daß das Antlitz des
Sohnes, in Vereinigung mit dem des Heiligen Geistes, statt des Angesichtes
des Vaters, sich der Himmelsrose zuwendet.
Was dieser Umwendung zugrunde liegt ist nicht zu erfassen; es kann nur
geahnt werden, wie der Sohn, von unendlicher Liebe erfüllt, vereint
mit dem Heiligen Geiste, sich der absterbenden Schöpfung zuwendet und
sich nach ihr hinneigt. Christus, der Mittler, tritt durch diese Wendung so
hervor, daß Er, der bisher die urväterliche Kraft mit der urmütterlichen
Weisheit in Liebe vereinte, nun selber zum strahlenden Centrum wird. Dieses
Centrum erhält seine Kräfte zurückgestrahlt, nachdem sie
mit dem Wesen der Lichtjungfrau durchleuchtet worden sind. Verbunden mit
dem urväterlichen Centrum, mit dem Er eine Einheit bildet, und dennoch
an sich seiend, wird der Gottes-Sohn Christus das neue Centrum, welches dadurch,
daß das Angesicht des Sohnes sich der Himmelsrose zugewandt hat, die
Einstrahlung der Trinität in ihrer ganzen Fülle, Kraft und Gewalt
in sich erhält.
Während die größte Machtfülle bisher vom urväterlichen
Centrum in lebendig-schaffender Kraft ausströmte — weil das Angesicht
des Vaters in der Trinität der Himmelsrose zugewandt war und das urväterliche
Prinzip als Abbild sich in seiner schaffenden Kraft offenbarte, so erhält
nun Christus die Fülle der Macht, die er dann in die Peripherie hineinstrahlt.
Es sind aber nicht die schaffenden Willenskräfte des urväterlichen
Prinzips, die er ausströmt; sein Wesen ist die Liebe. Die ganze Schöpfung,
zunächst die Himmelsrose, nimmt dadurch einen anderen Aspect
an. Die bisher tätige schaffende Kraft wird beherrscht durch die
Kraft der Liebe, die, statt Neues zu schaffen, das Geschaffene mit ihrem
Wesen durchlebt und durchtönt. Es ist der göttliche Wille in die
göttliche Liebe übergegangen, und durch das Wort wird der Wille
und die Weisheit Gottes offenbart.
«««««
Die
Offenbarung des Sohnes.
Kapitel II.
Als nach Lucifers Fall die himmlischen Chöre, die lebendigen Blätter
der Himmelsrose, in die Regionen des dualistischen Reiches hineinwirken,
damit auch da der göttliche Wille durchgeführt werde, ist schon
Christus als Erlöser dort tätig. Sein Leben tönt als das
Wort, die lebendige Stimme Gottes, in jede Region dieses Reiches hinein,
insbesondere da, wo Er sich mit dem besonderen Centrum verbindet, das in
einer jeden Region ausgebildet wird. Es ist beschrieben worden Wie das Wort,
als Stimme Gottes, während der Ausbildung des ersten Schöpfungsraumes
sich unter die Fürstentümer begibt, die durch Lucifer dazu verführt
wurden, sich zu tief in die Formen hineinzuversenken, die durch ihn im ersten
Schöpfungsraum entstanden sind. Da tritt Christus als der Erlöser
auf, der die Verführten zurückführt, sie wie die Stimme Gottes
mahnend, sie erinnernd an das, was als Gottes Wille dem Willen Lucifers entgegengestellt
ist.
Auch während der zweite Schöpfungsraum ausgebildet wird in
der zweiten Region, tönt das Wort in der Mitte der verführten Erzengel,
und als der dritte Schöpfungsraum sich entwickelt hat und die Engel
stürzen, ist auch da der Mittler Christus mit den Verirrten; als die
Stimme Gottes ruft Er sie zurück in die himmlischen Regionen.
Es hat das Wort durch alle Hierarchien geklungen, die, dem Willen des
Urvaters gemäß, im Kosmos tätig sein sollten, als der Mittler
während der Ausbildung des dritten Schöpfungsraumes den gefallenen
Engeln die Erlösung gebracht hat. Die Hierarchien, die, als Abbild
der urväterlichen himmlischen Chöre (welche die lebendigen Blätter
der Himmelsrose darstellen), tätig sind, gehören dem Wesen Christi
an; sie sind mit Seinem Leben durchdrungen worden als Er in ihrer Mitte
weilte und können die „Christlichen Chöre" (Christi Legiones)
genannt werden, im Gegensatz zu den ihnen entgegengestellten luciferischen
Dienern.
Es steigt der Gottes-Sohn hinab und durchdringt die hierarchischen Wesen,
die dadurch Anteil nehmen an seinem Wesen; sie sind wie das Echo des Wortes,
wie die Saiten der makrokosmischen Harfe, auf welcher das Wort Gottes ertönt.
Als der vierte Schöpfungsraum ausgebildet wird und die erste Schöpfung,
welche durch die urväterlichen Kräfte geschah, mit dem Fall des
Menschen gleichsam auch ihren Fall erlebt — nimmt die Macht Lucifers immer
mehr zu und er kann seinen Willen immer weiter durchführen, weil er
in den Menschen selber seine Stütze findet.
Es ist die urväterliche Willenskraft, die die erste Vorbereitung
zur zweiten Schöpfung vornimmt; das hebräische Volk wird durch
den Willen des einen Gottes geführt und erzogen, der dem Volke, vermittelst
des großen Erzengels Michael und der Propheten, zustrahlt. Doch ist
das Wesen des Mittlers schon bemerkbar; es zeigt sich insbesondere in der
Gnade und in der Verzeihung, die Gott dem abirrenden Volke immer wieder
gewährt, sobald es Reue zeigt. So offenbaren sich in dieser Zeit der
Vorbereitung die beiden Prinzipien, als die urväterliche Willenskraft,
mit der Liebe des Mittlers abwechselnd. Auch da zeigt sich das Symbol der
Waage, auf welcher auf der einen Seite das Schwert der urväterlichen
Gerechtigkeit, au! der anderen Seite das opferbereite Herz des Mittlers
liegt.
Als sich das Angesicht des Sohnes aus der Trinität der Himmelsrose
zuwendet, erhält der Mittler Christus die ganze Fülle von Macht
und Gewalt der Trinität in sich gespiegelt, weil die drei Personen der
Trinität eine Einheit sind. Der Mittler wird dann inniger noch verbunden
mit dem Angesicht des Sohnes. Es ist so, als stiege der Sohn und mit Ihm
die beiden anderen Personen der Trinität herab zur Eins-Werdung mit
dem Mittler Christus und würden dadurch unmittelbar in der Himmelsrose
anwesend, gleichwie sie es bisher im Abbild waren. Die Himmelsrose wird unmittelbar
durchsetzt von dem Wesen der Trinität, ihr Wesen wird dadurch verewigt;
vom himmlischen Abbild der Trinität ist sie zum göttlichen Urbild
geworden. Das urväterliche Willenscentrum vereinigt sich mit dem Angesicht
des Vaters, gleichwie die urmütterliche Peripherie — als Lichtjungfrau
und Weisheitsprinzip — mit dem Wesen des Heiligen Geistes unmittelbar verbunden
wird.
Der Sohn, der sich mit dem Mittler Christus vereinigt und sein eigenes
Wesen zu dem Christi gemacht hat, verbindet sich insbesondere mit dem Wesen
des Heiligen Geistes, indem Er sich der Lichtjungfrau zuwendet. Sie spiegelt
Sein wahres Wesen auf solche Weise zurück, daß die Spiegelung
wie das Urbild des Sohnes dasteht. Dieses Urbild ist das seelische Kleid,
ohne welches der Abstieg in die niederen Regionen nicht möglich ist.
Es steigt der Mittler Christus hinunter durch die drei himmlischen Sphären.
Das Empyreum erhält neues Leben, der Kristallhimmel neue Bewegung,
als das lebendige Wort, der Sohn, sie durchschreitet. Als Er die Region
des Fixsternhimmels betreten hat, ist es der Ostpunkt — die Himmelsrichtung,
die unter dem Schutz des großen Erzengels Michael steht — in die
der Sohn insbesondere seine Kräfte ergießen kann. Denn Michael
steht dem Wesen Christi am nächsten; er ist der Streiter, der dem Sohn
den Weg bahnte, indem er, gleichwie der Vorläufer und der treue Kämpfer,
mit den Kräften der göttlichen Triade Lucifer entgegenwirkte,
bis der Sohn selber kam, um diesen Kampf weiter zu führen.
So wie Michael, der
große Erzengel, die östliche
Himmelsrichtung hütet und seine Kräfte durch die Constellation
des Wassermanns in den Kosmos hineinströmen läßt, als Vorläufer
Christi, so folgt ihm der Sohn und strahlt sein Leben in den Kosmos hinein
an dem östlichen Punkte, welcher zwischen der Constellation der Fische
und der des Widders
gelegen ist. Nicht nur die wahren menschlichen Kräfte aus der Constellation
des Wassermanns fließen dann in die niederen Regionen ein, sondern
die Kräfte der Gnade und der reinen vollkommenen Opferungstrahlen durch
die Constellationen der Fische und des Widders oder Lammes mit dem lebendigen
Worte, Christus, in das Reich Lucifers hinein.
Die geistige Sonne, das wahre Centrum des ewigen lebendigen Gottes,
steigt am Ostpunkte auf und verkündet den ersten Tag, mit dem das
Reich der Liebe, Gnade und Erlösung seinen Anfang nimmt, denn durch
diese Sonne, leuchtend, klingend und lebendig, strahlt das Wesen der Trinität
unmittelbar in die niederen Regionen hinein.
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Das
Hinabsteigen Christi durch die Reihen der Hierarchien bis auf
die Erde
Kapitel III.
Wenn der Gottes-Sohn Christus durch die verschiedenen Regionen des Kosmos
sein Leben bis in die dritte Region ergießt, indem Er, als die Stimme
Gottes, sich den verführten Engeln offenbart und in ihrer Mitte lebt,
so zeigt Er nicht unmittelbar die Größe und Gewalt seines Wesens,
sondern Er umhüllt sich mit dem Kleide, welches den verschiedenen
Regionen angemessen ist. Nachdem den verführten Engeln die Möglichkeit
der Erlösung gebracht ist, hat Christus die verschiedenen Reihen der
Hierarchien durchschritten, welche als Abbild der himmlischen Chöre,
der lebendigen Blätter der Himmelsrose, im Kosmos tätig sind.
So wie er während der Ausbildung des ersten Schöpfungsraumes unter
den Fürstentümern lebte, mit der Gestalt umkleidet, die damals
die der Fürstentümer war, so auch umhüllt Er sich im zweiten
Schöpfungsraume mit der damaligen Form der Erzengel, und im dritten
Schöpfungsraume erscheint Er in der Gestalt, die den Engelwesen eigen
ist. Jedesmal, wenn Er aus den himmlischen Regionen den Kosmos betritt,
schreitet er durch die Reihen der Hierarchien, die dem väterlichen
Willen gemäß dort tätig sind und als die Christlichen Chöre
bezeichnet wurden. Es geht der Gottes-Sohn durch die Reihen der Seraphim
bis zu den Fürstentümern, als der erste Schöpfungsraum ausgebildet
wurde, und als der zweite da ist, verläßt Er wiederum die himmlischen
Regionen und durchschreitet die Reihen der Seraphim bis zu den Erzengeln.
So auch steigt Er hinunter durch die Reihen aller hierarchischen Wesen bis
zu den Engeln, während der dritte Schöpfungsraum sich entwickelte.
Jedesmal, wenn Christus die Reihen der verschiedenen Hierarchien durchschreitet,
nimmt er jeweils jene Gestalt an,
die den betreffenden Wesen entspricht. So offenbart Er sich
in den Reihen der Seraphim in seraphischer Gestalt; zwischen den Cherubim
in der Gestalt eines Cherubs. Es wissen die hierarchischen Wesen, daß
das Wort unter ihnen tönt; weil die Stimme Gottes sich in der Gestalt
offenbart, die sie kennen als Ausdruck ihres eigenen Wesens, können
die verschiedenen Reihen der Hierarchien dadurch das Wort in entsprechender
Weise verstehen.
Wenn aber der Gottes-Sohn den Rückweg betritt, nachdem er die Erlösungsbotschaft
gebracht hat und wiederum durch ihre Reihen aufwärts fährt zu
den himmlischen Regionen, dann erst verstehen sie nicht nur das Wort in
ihrer eigenen Sprache, sondern sie erkennen das Wesen des Wortes in seinem
umfassenden Sein. Denn unverhüllt steigt der Erlöser wiederum
hinauf zur himmlischen Heimat, und dadurch erhalten die Hierarchien den
Anblick seines Wesens und erkennen Ihn als das lebendige Wort, Christus,
als ihren Führer.
Seitdem das Angesicht des Sohnes in der Trinität sich der Himmelsrose
zugewandt hat und dadurch der Mittler mit dem Sohne Eins wird, ruht auf
Ihm die ganze Macht und Gewalt der Trinität. Nun ist Sein Wesen so
strahlend und gewaltig, daß es sich in den niederen Regionen nur offenbaren
kann, wenn es beim Durchschreiten der hierarchischen Reihen mehr als zuvor
verhüllt wird.
Selbst die Christlichen Chöre würden es nicht ertragen können,
den Sohn unverschleiert in seinem wahren Urbild zu schauen. Erst nachdem
die Hierarchien wie von oben herab dem zugeschaut haben, was auf Erden sich
ereignete, während der Sohn in einer irdischen Natur und Gestalt als
Mensch lebte, als sie das Mysterium auf Golgatha in gewisser Weise miterlitten
und das Wunder der Auferstehung miterlebt haben, können die Legionen
Christi die Kraft erhalten, die wahre Anschauung des Sohnes zu ertragen.
So steigt der Sohn, seinem wahren Wesen nach unerkannt von den Hierarchien,
durch ihre Reihen hinunter bis zur Erde; so fährt er wiederum zum Himmel,
anerkannt und angebetet in seiner Herrlichkeit, durch die Reihen der Legionen
Christi zurückkehrend zu dem Vater, von dem er ausgegangen ist.
Der Sohn, der mit dem Vater Eins ist und sein Angesicht der Himmelsrose
zugewandt hat, steigt durch die Reihen der Seraphim abwärts in die niederen
Regionen. Seine Gestalt ist wie die eines Seraphs, das Wort ertönt der
Sprache der Seraphim gemäß innerhalb ihrer Reihen. So geht der
Sohn weiter durch die verschiedenen Chöre bis zu den Engeln. Überall
ist Er wie der Einfachste, der Demütigste unter den verschiedenen Wesen,
und daran erkennen die Hierarchien, daß es das Wort, die Stimme Gottes
ist, die in ihrer Mitte klingt und zu jeder der verschiedenen Reihen in
der für sie verständlichen Sprache
redet. Christus, das lebendige
Wort, die Stimme Gottes, wird durch jede der Reihen von hierarchischen
Wesen auf die Weise anerkannt, daß deren Führer Ihm dient, Ihn
begleitet bis an die Grenze ihrer bestimmten Region und Ihn in der darauffolgenden
Region den Wesen daselbst ankündigt.
Als das lebendige Wort, der Sohn Christus, das Reich der Engel durchwandert
hat und in das folgende Reich eintreten will, da kündigt der Führer
der Engel, Gabriel, den menschgewordenen Sohn im Menschenreiche an. Das
reinste, erhabenste Wesen, das, unter den Menschen lebend, dem Engelreiche
am nächsten kommt, bildet den Übergang beim Hinüberschreiten
des Wortes von dem Engelreiche in das der Menschen. So geschieht die Verkündigung
des Engels Gabriel an die Jungfrau Maria.
Das Hinuntersteigen Christi durch die hierarchischen Reihen bis zum
Menschenreich ist gleichwie eine Melodie mit neun Accorden; es ist die
Stimme Gottes, die auf neunfache Weise ertönt. Als der Mensch hinunterstürzte
durch seinen Fall, da klang es wie eine Klage, wie ein Totengesang, denn
vergessen und in Disharmonie verwandelt wurde damit die ursprüngliche
Melodie, die in den himmlischen Regionen immerzu klingt.
Beim Hinabstieg des göttlichen Wortes selbst klingt die Stimme
Gottes auch bis in die niederste Region hinein; es trägt der Sohn
die vergessenen Töne in sich und bringt sie der gefallenen Erdenmenschheit
wieder. Wiederum sind es die Engelchöre, die den Gottes-Sohn begleiten,
als Er zum erstenmal das Reich der Menschen betritt, als Er, wie der Einfachste
unter den Menschen, in der Höhle zu Bethlehem geboren wird. Sie offenbaren
sich den einfältigen Hirten, damit diese dem neugeborenen Gottes-Sohn
Huldigung bringen, da Er auf Erden angekommen ist als das Jesus-Kind.
Die Stunde Seines Erscheinens auf Erden ist die der Mitternacht, die
Zeit, in welcher die größte Finsternis herrscht, wo alle Lebenskräfte
auf Erden ihre größte Schwäche erleben; zugleich aber der
Augenblick, wo der Aufstieg zum Licht wiederum beginnt und neue Kräfte
ihren Anfang nehmen. Es ist der Zeitpunkt, der örtlich Beziehung hat
zu der nördlichen Himmelsrichtung. Wie einstmals Lucifer zwischen
der Constellation der Zwillinge und der des Krebses aus der Region des
Fixsternhimmels herausgefallen ist in die niederen Regionen, so soll der
Erlöser die Erde an der Stelle betreten, die mit der nördlichen
Himmelsrichtung verbunden ist und die in der Zeit die Stunde der Mitternacht
darstellt. Der Gottes-Sohn, als das Kind Jesus, wird in die Krippe gelegt.
Mit der Krippe ist auf die Constellation des Krebses hingedeutet, welche
auch mit dem gleichen Namen bezeichnet wird.
Von der Region des Fixsternhimmels aus betritt der Gottes-Sohn, Christus,
die kosmischen Regionen in östlicher Himmelsrichtung an dem Punkt,
der zwischen der Constellation der Fische und der des Widders oder des Lammes
liegt. Das Wesen der Gnade und der Opferung ist mit diesen Constellationen
verbunden; und diese Kräfte bringt Christus in die niederen Regionen
hinein.
Die beiden Constellationen der Jungfrau und der Waage, die denen der
F i s c he und des Widders gegenüberstehen, werden die Vermittler, durch
die Christus sich auf Erden offenbart. Es ist die Jungfrau die Mittlerin
für die Verkörperung des Wortes; es ist das Gottes-Volk, stehend
in dem Moment des Erhobenseins, das Symbol der W a a g e. Die mit beiden
Constellationen verbundenen Kräfte der Reinheit und der Gerechtigkeit
werden dadurch in die Erdentwicklung hineingebracht.
Das Reich, wo Lucifer wirkt, betritt Christus von der Region des Fixsternhimmels
aus in der östlichen Himmelsrichtung; die Erde aber betritt er an
dem Nordpunkt. Vom Osten nach dem Norden gehend durchschreitet der Gottes-Sohn
die Constellationen des Fixsternhimmels, von der Constellation der Fische
an, durch die des Widders, des Stieres, der Zwillinge, bis an die des Krebses.
Durch die verschiedenen Regionen steigt er hinunter bis in die vierte Region,
die, als das Paradies, ein Abbild der Region des Fixsternhimmels mit den
zwölf Zeichen des Tierkreises darstellt, in welchen sich die Kräfte
der zwölf himmlischen Constellationen spiegeln. So betritt Er die Erde
an dem Nordpunkte im Zeichen des Krebses.
Auf die Jungfrau ist die Mission des Gottes-Volkes übergegangen,
als sie die Botschaft des Erzengels Gabriel annahm und sich dem Willen
Gottes fügte. Sie ist die direkte Mittlerin, durch welche das Wort
sich verkörpert Es sind die Kräfte der Reinheit, die sich insbesondere
offenbaren, als das Kind Jesus durch die Jungfrau geboren ist. Das himmlische
Symbol der Reinheit erscheint im Aufgangspunkt, während das Kind Jesus
in der Krippe liegt; in der Stunde der Mitternacht steht das Zeichen der
himmlischen Jungfrau in der Morgenröte, am Ostpunkte, wo der neue Tag
anfängt.
Der Mensch, der durch das Zeichen der Zwillinge die vierte Region, oder
das Paradies, verlassen hat, nachdem Lucifer ihn verführte, soll jene
Kräfte, welche mit den Zeichen des Stiers, des Widders und der Fische
verbunden sind, sich nunmehr, statt im Paradiese, auf Erden aneignen. Für
ihn führt der Weg durch jene Zeichen bis zu dem des Wassermanns aufwärts
in der Richtung von dem Nordpunkte nach dem Osten. Dies ist der Erdenweg,
derjenige, der dem Erdentag angemessen ist. Er ist mikrokosmisch, weil
er sich bezieht auf die Bewegung der Erde selbst; von der Erde aus gesehen
gehen die Sonne und Gestirne täglich auf und unter. Christus nimmt
den Weg der Sterne; er schreitet vom Ausgangspunkte im Osten durch die Regionen
in der Richtung nach dem Norden hin; es ist der Weg, der auf das Erdenjahr
Beziehung hat; er ist makrokosmisch, denn dieses (das Erdenjahr) wird durch
die Bewegung der Erde um die Sonne bestimmt. Es nimmt die Sonne, von der
Erde aus gesehen, dann ihren jährlichen Gang durch die zwölf zodiakalen
Gestirne. Er durchschreitet die Constellationen, von welchen sich der Mensch
auf Erden mühsam die Kräfte aneignen soll. Es kommt Christus dem
Menschen auf seinem Wege entgegen und bringt gerade die den Menschen fehlenden
Kräfte aus diesen Constellationen auf die Erde.
Der himmlische Weg, den Christus nimmt, ehe Er auf Erden erscheint,
geht von Osten aus dem Norden zu. Wenn aber Christus auf Erden erschienen
ist als das Kind Jesus, dann geht auch Er den Erdenweg vom Norden bis zum
Osten. Während Er im Zeichen des Krebses oder der Krippe geboren wird,
ist es das Zeichen des Widders, in dem die Opferung des Lammes Gottes geschieht.
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Der
Gottt-Mensch Christus, auf Erden lebend
Kapitel IV.
Wie die himmlische Lichtjungfrau dem Gottes-Sohn das seelische Kleid
webt, mit welchem Er durch die verschiedenen Regionen hinuntersteigt, so
ist die Jungfrau Maria die Vermittlerin, durch die der Gottes-Sohn das irdische
Gewand erhält. Da sich das Wesen der himmlischen Lichtjungfrau mit
der irdischen Jungfrau Maria verbunden hat, können auch die Kräfte
des Heiligen Geistes sie durchleuchten, weil diese Kräfte mit dem
Weisheitsprinzip — oder der Lichtjungfrau — inniger verbunden wurden, als
das Angesicht des Sohnes in der Trinität sich mit dem Mittler Christus
vereinigt hatte. Es ist das Wesen des Heiligen Geistes, das die Jungfrau
Maria erfüllt und sie zur Gottes-Mutter macht; zum erstenmale offenbart
sich sein Wesen unmittelbar in die Erdensphäre hinein.
Dem Wesen des Heiligen Geistes und dem Wesen des Sohnes — verbunden
mit der himmlischen Lichtjungfrau, dem Weisheitsprinzip, als der Jungfrau
Maria und dem Kinde Jesus, dem Erlöser — bringen die drei morgenländischen
Könige ihren Tribut, als sie, von fernen Landen hergekommen, der jungfräulichen
Mutter und dem göttlichen Kinde Huldigung und Anbetung erweisen. So
opfern sie ihre Gaben, Weihrauch, Gold und Myrrhe, als Symbol der besten
Kräfte, die sie bisher gepflegt haben, als die Weisheit, die Liebe und
die Stärke; denn sie wissen, daß das Beste, was sie geben können,
nur ein Abbild ist von dem, was mit der Geburt Christi auf Erden in seinem
wahren Wesen offenbart wird. Denn die Weisheit, die Liebe und die Stärke,
welche die drei Könige oder Magier kennen, sind verbunden mit dem Wesen
des urväterlichen Centrums, der urmütterlichen Peripherie und des
Mittlers als des Botschafters zwischen beiden, gleichwie diese göttliche
Triade sich in der Himmelsrose offenbart hat, ehe sich das Angesicht des
Sohnes aus der Trinität der Himmelsrose zuwandte und sie vom Abbild
zum Urbild machte. Die Weisheit der drei Magier bezog sich nur auf das Abbild
des Heiligen Geistes, ihre Liebe auf den Mittler, ihre Stärke nur auf
das Abbild des Vaters aus der Trinität; so knieten sie und beteten die
höheren Kräfte an, welche nun direkt einwirken auf Erden.
Das, was den drei Königen durch den sie führenden Stern offenbart
wurde, war dem König der Finsternis verborgen geblieben. Wohl war
es Lucifer bekannt, daß eine ungemeine Wirkung in den kosmischen
Regionen vor sich ging und eine ungekannte Macht sich seinen Taten auf
Erden entgegenstellte, doch war ihm nicht entdeckt worden, wo sich jene
Kraft insbesondere mit der Erde verbunden hatte, welches Wesen diese Kräfte
in sich concentrierte. Es war ihm nur ungefähr Zeit und Ort bekannt,
da diese Kraft auf Erden tätig sein konnte. Daher wurde durch Lucifer
der Kindermord veranlaßt, den er seinem Diener, dem König Herodes
im Lande Judäa, inspirierte.
Um dieser Gefahr zu entgehen, wird das Kind Jesus durch die Jungfrau
Maria in das Land Ägypten gebracht. Wie einstmals Moses das Gottes-Volk
aus diesem Land herausführte und das Beste an geistigen und materiellen
Gaben mit sich nahm, was dem Volke der Ägypter eigen war, so kehrt
Christus und seine jungfräuliche Mutter zu diesem Volke zurück.
Wie eine Gabe des Gottes-Volkes, wie die Erfüllung seiner Mission,
die anfing mit dem Auszug aus Ägypten, lebt der Sohn und die Jungfrau
eine kurze Zeit in dem Lande Ägypten. — An die Stelle der Isis und
des Kindes Horus tritt die Jungfrau mit dem Gottes-Sohn, wie die Lösung
jener großen Tragik, welche, als Hinweis auf den früheren Fall
der Engel im dritten Schöpfungsraum, in der Osiris-Isis-Horus-Legende
dargestellt wird.
Gleichwie sich das Wesen des Heiligen Geistes zum erstenmal unmittelbar
der Jungfrau Maria kundgibt bei der Verkündigung durch den Erzengel
Gabriel, so offenbart sich der Sohn unmittelbar durch den Knaben Jesus, als
er im zwölften Jahre seines Lebens in dem Tempel zu den Priestern und
Schriftgelehrten redet. Jene übernatürliche Erklärung der Heiligen
Schriften, jene göttliche Wahrheit, durch Ihn weisheitsvoll ausgesprochen,
ist das Wesen des Sohnes, das Wort selbst, das zu den Priestern redet. Wenn
auch die gelehrten Priester dem Knaben nicht die Anbetung und Opferung bringen,
wie es die drei weisen Könige einstmals dem Kinde taten, so bleibt doch
der Knabe auch für sie eine Veranlassung zu Ehrfurcht und heiligem Staunen,
denn auch sie wissen, daß zum erstenmale solche Weisheit, solch göttliche
Wahrheit, ausgesprochen wird, und daß alles frühere Wissen und
Erkennen der göttlichen Wahrheiten nur ein Abbild darstellt von dem,
was durch den zwölfjährigen Knaben gegeben wird.
Zwei Angesichte der Trinität haben sich unmittelbar geoffenbart:
das Angesicht des Heiligen Geistes und das des Sohnes. Das Angesicht des
Vaters offenbart sich dann, als der Knabe Jesus zum Menschen Jesus herangereift
ist und im dreißigsten Lebensjahre die Taufe durch Johannes den Täufer
empfängt.
Als letzter aus der Reihe der Propheten des GottesVolkes — jener unmittelbaren
Diener Gottes, durch welche Er zum Volke sprach — steht Johannes der Täufer
da, von vielen verehrt, von einzelnen angesehen als der wiedererschienene
Prophet Elias.
Als das verkörperte Wort, der Sohn, in der Gestalt des Menschen
Jesus zu dem letzten der Propheten tritt, da spricht durch den Johannes der
Gott, der das hebräische Volk zu seiner Mission geführt hat, und
Johannes erkennt den Sohn als die Erfüllung dessen, was durch die Propheten
und durch ihn selbst, den letzten der Propheten, nur vorbereitet werden
konnte. Er, als letzter der Propheten, gibt das Zeugnis seines Wissens,
als er spricht: „Dieser war es, von dem ich gesagt habe: „Nach mir wird kommen,
der vor mir gewesen; denn Er war eher denn ich" (Joh. 1, 15) und als er,
Jesum schauend, sagt: „Siehe das Gottes-Lamm, welches der Welt Sünde
trägt" (Joh. 1, 29).
Gleichwie die drei Könige und die Priester Ihn anerkannt haben,
so auch neigt sich der letzte der Propheten vor dem Sohn; auch er weiß,
daß nun ein neues Reich anbricht für die Erde, daß das Himmelreich
auf die Erde gekommen ist.
Der letzte der Propheten ist der Vorläufer Christi auf Erden. Gleichwie
der große Erzengel Michael der Vorläufer des Sohnes im Himmel
ist, indem er das Reich des Sohnes dadurch vorbereitet, daß er seine
Kräfte in die Erdentwicklung einstrahlen läßt und immerzu
Lucifer bekämpft, so ist der Vorläufer Christi auf Erden ein irdisches
Abbild des großen Erzengels, in welchem das Wesen Michaels gespiegelt
wird. Es ist Johannes der Täufer der wahre Mensch, derjenige, der den
Typus des wahren Menschen in sich trägt, so wie dieser sich darstellt
ohne Lucifers Einfluß in dem Wesen des großen Erzengels Michael.
Als solcher ist Johannes der Täufer mit den Kräften der Constellation
des Wassermanns verbunden; er selber ist der Mann, der das Wasser der Reinigung
der Menschheit spendet durch die heilige Taufe mit dem Jordanwasser, das,
durch seine Kraft gesegnet, den Sinn der Menschen ändern kann.
Der besondere Tod des Johannes des Täufers zeigt, wie Lucifer auf
der Erde selber wirkt. Durch die List der weiblichen Schlange, die mit ihren
Kräften die Sinne des Königs Herodes bestrickt hat, wird die
Enthauptung des Propheten bewirkt. Salome mit ihrem Tanz ist das Mittel,
welches Lucifer dient, um seine Rache zu vollführen an dem, der in
sich das Wesen spiegelt seines großen Gegners Michael, durch den
im makrokosmischen Aspecte die weibliche Schlange überwunden worden
ist.
Als das Wort in der Gestalt des Menschen Jesus zu Johannes dem Täufer
tritt, um die Taufe an sich geschehen zu lassen, da spricht der Gott des
hebräischen Volkes in dem letzten der Propheten, als dieser das Wesen
des Sohnes erkennt. Bei Vollziehung der Taufe tritt der Moment ein, wo zum
erstenmale das Angesicht des Vaters aus der Trinität unmittelbar offenbart
wird; da öffnen sich die Himmel, der Heilige Geist läßt
sich hernieder auf den Sohn in der Gestalt der weißen Taube, und die
Stimme des Vaters selbst wird vernommen, so wie Er spricht zu seinem Sohne.
Die heilige Trinität in Ihrer Einheit offenbart sich in diesem Momente
zum erstenmale auf Erden; von da an ist der Sohn derjenige, auf welchem die
Kräfte der Trinität einheitlich ruhen. Das Angesicht des Sohnes
der Erde zugewandt, gleichwie es in den himmlischen Regionen der Fall ist,
schreitet der Gott-Mensch Jesus auf Erden weiter. Es beginnt nach der Johannes-Taufe,
als auch das Angesicht des Vaters auf Ihm geruht hat, Seine öffentliche
Lehre, durch welche Ihn die Menschheit erkennen lernen soll, gleichwie die
Könige, die Priester und die Propheten, als die früheren Führer
der Menschheit, es ehedem taten. Denn, wie die drei Typen — der des Priesters,
des Königs und des Propheten — sich in dem Gott-Menschen zur Einheit
zusammenschließen, will der Sohn die ganze Erdenmenschheit in sich
aufnehmen, damit sie einheitlich erlöst werde aus den Fesseln Lucifers.
Dem König der Finsternis war es nicht verborgen geblieben, daß
der Mensch Jesus eine Kraft in sich trug, die überall und immerzu
das Reich der Finsternis bedrohte und Lucifer selbst entgegenwirkte. Lucifer
fühlte in Ihm das Wesen des Mittlers, das ihm wohl bekannt geworden
war, da es in den verschiedenen Regionen unter den
verführten Fürstentümern, Erzengeln und Engeln
schon gewirkt hatte und nun auch im vierten Schöpfungsraum unter den
verführten Menschen lebte. So konnte Lucifer von dem Wesen des Mittlers
etwas erfassen, wenngleich auch nur in zerbrochener Weise. Das Wesen der
Trinität, das sich mit dem Mittler direkt verbunden hatte, als das Angesicht
des Sohnes aus der Trinität sich der Himmelsrose zuwandte, war für
Lucifer gänzlich unverständlich geblieben. Höchstens konnte
Lucifer sich so zurückerinnern in der Zeit, daß in ihm eine Gedankenform
auftauchte, die dem Wesen der Himmelsrose entsprach in ihrem dreifachen Aspect,
welches nur ein Abbild der Trinität darstellte, so wie Lucifer die Himmelsrose
vor seinem Fall gekannt hatte.
Weil Christus in das Reich eingetreten war, worin Lucifer herrschte,
indem Er sich als Mensch Jesus mit einer irdischen Form umkleidet hatte,
konnte auch Lucifer zu Ihm treten und Ihm zureden. Als dann nach der Taufe
die volle Kraft der göttlichen Trinität sich auf den Gottessohn
Christus herniedergesenkt hatte — als der Gott-Mensch sich in die Wüste
in Einsamkeit begibt, und diese Kraft sich in Ihm völlig entfaltet zur
weiteren
Offenbarung auf Erden — da tritt an Ihn der Widersacher, Lucifer, heran
und redet Ihm zu. Die dreifache Kraft, welche er in dem Gott-Menschen fühlt,
will Lucifer in seinen Dienst gestellt sehen. So bittet er denn Christus,
aus dem, was nach dem Fall des Menschen sich zum festen Reiche der Mineralien
verdichtet hat — aus den Steinen — jene Nahrung herzustellen, durch
welche die Bedürfnisse der irdischen Menschenform befriedigt werden:
das Brot. Nicht aber um die irdische Form zu ernähren und zu pflegen,
ist der Gottes-Sohn auf Erden gekommen, sondern um dem geistigen
Menschen himmlische Nahrung zu bringen; und so antwortet Er: „Nicht von
Brot allein lebt der Mensch, sondern von einem jeglichen Wort, das aus
dem Mund Gottes kommt."
Zum zweitenmale tritt der Widersacher heran und bittet den Gott-Menschen,
sich von der Zinne des Tempels der Heiligen Stadt hinunterzustürzen,
damit sich die Wahrheit zeige von dem, was geschrieben steht: „Die Engel
sollen ihn tragen." Einstmals stürzte sich Lucifer selber von der Höhe
der himmlischen Regionen hinunter in die Finsternis; so bittet er den Gott-Menschen,
seinen Fall nachzuahmen, so wie es der Mensch getan hatte. Das drittemal
zeigt Lucifer dem Gottmenschen sein ganzes Reich, nicht nur die Erde, sondern
alle Regionen, die dazu gehören, und will das ganze Reich Ihm geben,
wenn der Gott-Mensch sich vor Lucifer neigen und ihn anbeten will. Christus
aber verweist auf den wahren Gott, und so muß Lucifer zurücktreten.
Von da an beginnt Christus seine Lehren der Menschheit zu geben und
ihre Krankheiten mit seiner göttlichen Kraft zu heilen. Aus den
einfachsten unter den Menschen erwählt er sich seine zwölf Jünger,
die gleichsam eine Peripherie bilden, in die Er als Centrum Sein Wesen ergießen
kann. Rein und einfältig sind die Zwölf, welche Ihn umringen,
und ein jeder von ihnen strahlt die Lehre und die göttliche Kraft des
verkörperten Wortes auf eine bestimmte Weise zurück. Die Zwölfe
sind der reine seelische und menschliche Spiegel, in dem sich das Wesen
des Gott-Menschen abbildet. Dadurch erhalten diese Zwölf in sich die
göttliche Kraft Christi und können auch sie lehren und heilen.
Immer klarer und kraftvoller läßt der Gott-Mensch Sein Wesen
in den reinen seelischen und menschlichen Spiegel hineinstrahlen und die
Zwölfe, die das seelische Weisheitsprinzip in sich tragen, werden dadurch
immer empfänglicher für das Wesen des Heiligen Geistes, das mit
diesem Prinzip verbunden ist.
Sowie zunächst die Zwölfe der Spiegel sind, in dem das Wesen
des Gott-Menschen sich unmittelbar offenbaren kann, so will Christus seine
Kräfte in die ganze Menschheit einstrahlen, auf daß auch sie das
reine Abbild Seines Wesens in sich erhalte und es dann mittels ihrer eigenen
Seelenkräfte zurückstrahlen könne. Jenes zerbrochene seelische
Element, das durch Lucifer hervorgerufen wurde als das Gegenbild des väterlichen
Willensprinzips im Eigenwillen, als das Gegenbild der Liebe des Sohnes im
Eigenfühlen und als das Gegenbild der Weisheit der Lichtjungfrau im
Eigenwissen, wird durch die dreifache göttliche Kraft, die in dem Gott-Menschen
lebt, zum Vorbild zurückgeführt überall da, wo die Menschheit
das Wesen Christi in sich aufnehmen will.
Das Wesen Christi in sich aufnehmen kann die Menschheit nur durch Glauben,
denn wenn sie glaubt, so stellt sie sich, gleich einem reinen Seelenspiegel,
in welchem Er sein Wesen offenbaren kann, dem Gott-Menschen gegenüber.
Dann werden auch Seine Kräfte, gleichwie im Abbild, zurückgestrahlt.
Es werden alle Krankheiten, welche in der irdischen und in der seelischen
Hülle des Menschen auftreten weil in ihnen Lucifer wirkt, dann geheilt.
Der erste Tod, der der irdischen Form, wird durch die Kraft des Gott-Menschen
sichtbar besiegt, da die Toten durch Ihn auferweckt werden, gleichwie Er
auch der Menschheit für den zweiten Tod Heilung bringt. Denn der geistige
Kern im Menschen wird mit Seinen Kräften erfüllt und bildet den
Anknüpfungpunkt zwischen dem Erdenmenschen und dem Urbild des himlischen
Menschen. Durchstrahlt mit den dreifachen Kräften des Gott-Menschen,
auf dem das Wesen der Trinität ruht, wird das Bündnis zwischen
Erden-Mensch und himmlischem Urbilde möglich; doch kann sich dieses
nur durch die Vermittlung Christi vollziehen im Herzen des Sohnes, denn Er
ist der Weg, die Wahrheit und das Leben; durch Ihn nur kann der Mensch zu
Gott kommen.
Es wandelt Christus während dreiunddreißig Jahren auf der
Erde umher und die dreifaltige Kraft Gottes strahlt durch den Sohn in die
Menschheit ein, bis die Zeit erfüllt ist, da der Gott-Mensch alle Sünden
der Welt auf sich genommen Bat, welche von der Menschheit allmählich
abgeleitet und ihr entzogen werden und nun in ihrer ganzen Größe,
Last und Schuld auf Ihm allein ruhen. Dann ist die Zeit gekommen, wo Christus
nicht nur im geistigen, sondern auch im physischen Sinne sich der Menschheit
opfert als das Lamm Gottes, das die Sünden der Welt trägt.
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Kapitel V.
Der Opferung des Lammes Gottes für die Menschheit geht voran das
Abendmahl, das Christus mit den Zwölfen als Ostermahl hält. Da
opfert Er sich den zwölf Aposteln, indem Er durch die Verwandlung
von Brot und Wein sie an Seinem Leibe und an Seinem Blute teilnehmen läßt.
Durch die Fußwaschung wird ihnen die Reinigung gegeben, durch die
sie inniger mit dem Gottes-Sohn verbunden werden. Denn die Fußsohlen
— jene Teile des menschlichen Körpers, die ihn insbesondere mit der
Oberfläche der Erde verbinden und die fast fortwährend dem Centrum
der Erde, oder dem Herzen Lucifers zugewandt bleiben, — werden dann durch
die milde Hand Christi vom irdischen Staub gereinigt, als Er sich in Demut
so im Dienste seiner Jünger betätigt. Gleichwie der Leib und das
Blut Christi als unvergleichliches Vermächtnis an die ganze Menschheit
die Jünger bleibend durchdringt von dem Augenblick an, da sie Ihn in
sich aufnahmen, so auch bleibt die reinigende Hand Christi wie eine Kraft,
die sich zwischen ihren Fußsohlen und der Erdoberfläche schützend
bewegt, wenn sie über die Erde schreiten.
Kein schmerzvolles Opfer ist diese Gabe Christi an seine Jünger,
denn sie wird in Liebe gegeben und mit Liebe empfangen. Doch wird auch
da der Kreis der Zwölfe zerbrochen durch die Gewalt Lucifers, indem
er einen von den Zwölfen an sich reißt. Denn seitdem Lucifer aus
den himmlischen Regionen herunterstürzte, hat er die Macht behalten,
in jede Peripherie so einzuwirken, daß eine Spaltung in ihr auftreten
kann. Es war der Judas das geeignete Werkzeug, dessen Lucifer sich hierzu
bedienen konnte. Wäre es aber nicht der Wille des Gottes-Sohnes gewesen,
daß es also geschehen solle, so wäre Lucifers Macht nicht dazu
imstande gewesen, jenen zwölffachem Umkreis zu zerbrechen. Weil Christus
gekommen war um sich der Menschheit zu opfern und die Zeit der Opferung seines
physischen Leibes heranrückte, so sollte Er aus dem kleinen Kreis seiner
Jünger heraustreten und die ganze Menschheit zu seiner Peripherie machen,
aufdaß in ihr das Wesen seines Opfers sich widerspiegeln könne
und das Abbild davon in ihr aufbewahrt bleibe, solange die Erde besteht.
Als der Menschensohn Sich Seinen Jüngern geopfert hatte, indem
Er ihnen Seinen Leib zur Speise und Sein Blut zum Tranke hingab, nahte der
Moment zur Vorbereitung der Opferung für die Menschheit. Diese Opferung
sollte zunächst für jenes Volk geschehen, in dessen Mitte sich
das Wort verkörperte; das Volk, welches durch den einen Gott vermittelst
der Propheten geführt, die Mission hatte, die Verkörperung des Gottes-Sohnes
vorzubereiten, sollte auch die Opferung des Leibes und des Blutes Christi
anschauen und das Wesen jenes Opfers widerspiegeln. Gleichwie das Opfer von
den Jüngern in Liebe empfangen war, so sollte auch das Volk, zu dem
der Mensch Jesus gehörte, Christi Opfer in Liebe entgegennehmen. Das
Volk der Hebräer hatte aber schon gezeigt, daß es nicht einheitlich
war in Bezug auf das Verständnis für das Wesen und die Lehren
Christi. Insbe sondere waren es jene, welche falsche Priester des Volkes
darstellten, als das Gegenbild des wahren priesterlichen Typus, die sich
als Gegner aufwarfen und schließlich die wahren Diener Lucifers wurden.
Nicht aus dem Volke der Hebräer sollten diejenigen sein, die sich
bei der Opferung Christi betätigten. In dem Volk der Hebräer, zunächst
aber nicht durch dieses Volk sollte das Opfer geschehen. Als das Volk aber
selbst das Opfer verlangte und sich dabei betätigte, hat sich die Hand
Gottes schwer auf dasselbe gelegt. Jenes Volk, das vorher das auserkorene
Volk Gottes gewesen ist, welchem Gott immer bereitwillig Verzeihung schenkte,
wenn es sich nach vielerlei Sünden bekehren wollte, hat dann den Fluch
Gottes auf sich geladen. Wie Staub vom Winde auseinander gejagt, wandert
es seit dieser Zeit auf Erden, ohne Heimat, ruhelos wie Ahasver ; denn das
Zeichen Kains, des Brudermörders, trägt es auf der Stirne, bis
die Hand Gottes dieses abwischen wird.
So mußte denn die Opferung des Leibes und des Blutes Christi eine
schmerzvolle sein, weil sie wohl in Liebe gegeben, aber nicht mit Liebe
empfangen werden konnte. Verständnislosigkeit des Volkes machte es
zu willigen Dienern Lucifers, und es wurde mit Gewalt genommen, was als
Gabe sollte gegeben sein. Dadurch wurde diese freiwillige Gabe des Leibes
und des Blutes Christi zu einem gewaltsamen Mord des hebräischen Volkes.
Wäre durch die Römer, welche Heiden waren, dieser Mord geschehen,
ohne Zutun der Hebräer, so wäre das Opfer Christi gleichwie eine
Gabe den Hebräern zugekommen; die Hebräer aber taten das, was
sie früher schon zu Moses Zeiten getan hatten: sie verbanden sich mit
den Heiden und widersetzten sich so dem Willen des wahren Gottes, der sie
führte und schützte. So auch überlieferten die Hebräer
den Menschensohn, der aus ihrem eigenen Volke stammte, den Römern.
Als Christus seinen Leib und sein Blut den Jüngern bei dem Abendmahl
hingereicht hatte, rückte die Zeit der großen Opferung für
die Menschheit immer näher. Der Gottmensch begab sich nach Gethsemane
auf den öl-berg, zur Vorbereitung für das Opfer. Gleichwie Christus
Brot und Wein nahm, diese durch sein Wesen verwandelte in Seinen Leib und
Sein Blut und den Jüngern reichte, so auch sollte nun der Menschensohn
Seinen eigenen Leib und Sein Blut wie das Brot brechen, wie den Wein fließen
lassen und es dann der Menschheit reichen. Dazu war notwendig, daß
der Gottes-Sohn sich aus dem Menschen Jesus so zurückzog, daß
der Körper Jesu für ihn gleichwie ein äußerer Gegenstand
wurde, wie das Brot beim Abendmahl, welches durch die Hand Christi gebrochen
und ausgeteilt worden war. In der Höhle zu Gethsemane wurde jener
furchtbare Streit, der durch diese Trennung entstand, durchgekämpft,
denn es blieb der Mensch Jesus dann zurück, von der Kraft des Gottes-Sohnes
verlassen, auf sich tragend alles Leid und alle Sünden der Erde, die
sich seit dem Fall des Menschen aus dem Paradiese angehäuft hatten.
Gleichwie in dem ersten Menschen Adam die Erbsünde ihren Anfang
genommen hat, so auch konnte diese Ursünde nur durch einen einzigen
Menschen getilgt werden. Dieser Eine, der die Gewalt und Wucht der Sünde
für die ganze Menschheit auslösen wollte, hatte dies dadurch in
seiner Macht, weil er selber frei von allen Sünden war.
Der Gottes-Sohn zog sich mehr in das Wesen der göttlichen Trinität
zurück und wandte sein Antlitz gewissermaßen von dem Menschen
Jesus ab. Da trat der Moment ein, wo der Widersacher in den mannigfaltigsten
Gestalten und auf die verschiedenartigste Weise an den Menschen Jesus herantreten
konnte. Da Jesus, als Mensch, in freiwilliger Knechtgestalt die Form des
irdischen Menschen trug, so wie diese durch Lucifers Einfluß einstmals
entstellt wurde, konnte Lucifer dem Menschen Jesus fühlen lassen, wie
in jedem Glied der menschlichen Form, auf verschiedene Art, seine Kräfte
wirken. Auch die seelischen Kräfte, die zur irdischen Form Beziehung
haben und als Eigenwille, Eigenfühlen und Eigenwissen dem göttlichen
Willen, der göttlichen Liebe und Weisheit durch Lucifer entgegengestellt
sind, wurden durch den Widersacher wie ebensoviele Waffen ausgenützt,
um den Menschen Jesus zu bekämpfen, als er sich zum Sühnopfer der
Menschheit geben wollte. Nicht nur die verdorbenen seelischen Kräfte,
die zur irdischen Menschenform gehören, sondern alle Sünden, welche,
durch sie veranlaßt, von der Menschheit begangen waren seit dem Sündenfall,
sollten durch die Kraft des Menschen Jesus ausgelöst und umgewandelt
werden in die dreifache Geistes-Kraft, die der Mensch, als Abbild Gottes,
in sich tragen kann.
Über sich das Wesen der göttlichen Trinität, unter sich
und u m sich herum alle Schrecken und Sünden der Welt mit Lucifer als
ihrem Urheber, wurde der größte Kampf auf Erden gestritten, durch
göttliche Liebe veranlaßt, in göttlicher Weisheit geführt,
und mit göttlichem Willen unternommen. Daß der Mensch Jesus in
diesem Kampfe Sieger geblieben ist, wird insbesondere hervorgehoben mit den
Worten: „Vater, nicht mein Wille, sondern Dein Wille geschehe". Damit ist
das Prinzip des Eigenwillens, das sich im Menschenreich speziell auslebt
— gleichwie im Tierreich das Eigenfühlen, im Pflanzenreich das Eigenwissen
— zerbrochen und in das göttliche Willensprinzip verwandelt worden.
Im Menschenreich ändern sich dann gleichfalls, als Folge davon, die beiden
schwächer wirkenden Prinzipien des Eigenfühlens und des Eigenwissens.
Da wo die Kraft Lucifers in der menschlichen Form insbesondere stark wirkt:
im Blute, wird das Blut durch den Kampf des Menschen Jesus für die irdische
Menschheit so verwandelt, daß es zu einem reinen Saft wird, in dem,
statt Lucifer, das Wesen des Heiligen Geistes wirkt.
Einstmals konnte Lucifer die menschliche Form zerbrechen und in ihr
das Blut verdichten zum Gegenbild dessen, was im himmlischen Urbild des
wahren Menschen der lebendige Odem und das Leben Gottes ist, das vom Herzen
des Vaters — als Urcentrum der Himmelsrose — ausgehend und in Ihn wiederkehrend
durch den himmlischen Menschen miterlebt wird. Derjenige, der den Fall des
Menschen wieder gutmacht, an dem Er selber keinen Anteil hat, sollte die vollkommene
Verwandlung des leiblichen Blutes in die ursprüngliche geistige Lebenskraft
als Mensch vollbringen. Daher hat auf Gethsemane der Erlöser der Menschheit
bei Seinem Kampfe für die Auslösung der Sünden der Welt, Sein
Blut ausschwitzen müssen, gleichwie es später, zu wahrer Lebenskraft
verwandelt, am Kreuze fließen sollte.
Von einem aus den Zwölfen dem Volke der Hebräer, welches durch
die Priester aufgehetzt worden war, überliefert, wird der Gott-Mensch
Jesus Christus zur Opferung hingeführt. Gebrochen wie das Brot wird
der Leib des Erlösers; sein Blut fließt wie der Wein, den Jüngern
beim Ostermahl hingereicht. Gehöhnt, gemartert und geschlagen wie
der Elendeste unter allen Menschen auf Erden, läßt sich der
König der Himmel demütig zum Kreuzestod führen, damit die
Menschheit nicht dem geistigen Tode entgegenschreite. Zur selben Zeit, als
sich auf Erden inmitten der Griechen ein Kultus entwickelte mit alldem, was
die irdische vergängliche Form des Menschen betrifft — samt den durch
Kunst in Form gebrachten seelischen Kräften, die zu dem irdischen
Körper des Menschen gehören als Eigenwillen, Eigenfühlen
und Eigenwissen — wird durch den Gott-Menschen der Leib und das Blut wie
Brot gebrochen und wie Wein gespendet.
Im Gegensatz zum Kultus der irdisch-menschlichen Form und aller seelischen
Kräfte, die damit verbunden und deshalb von Lucifer verdorben sind,
hat der Gott-Mensch sich den Körper geißeln und zerreißen
lassen und so die Zeichen des Elendes und der Vergänglichkeit der Form,
auch in Bezug auf ihren äußeren Anblick, der Menschheit vorgehalten.
Verspottet und gehöhnt, in Blöße und Elend dastehend, aller
irdischen Schönheit beraubt, in himmlischer wahrer Schönheit
strahlend, bildet er das ewige Ideal und zeigt den Weg, welchen der irdische
Mensch zu gehen hat, wenn er das ewige Leben erlangen will. Dem Willen
des Vaters gleichwie dem des Sohnes gemäß betritt der Mensch
Jesus den Leidensweg, der auf Gethsemane seinen Anfang nimmt.
Als Jesus vor den Römer Pilatus geführt wird, auf daß
die Anklage gegen ihn gerechtfertigt werde, zeigt sich in dem Stillschweigen
Jesu gegenüber Seinem Richter, daß das, was in der römischen
Kultur als Recht entwickelt worden ist, vor ihm nicht gelten kann. Er schweigt
und läßt auch hier den Willen des Vaters geschehen. So wird er
hingeführt zur Geißelung und dann auf das Drängen des hebräischen
Volkes, das durch seine Priester aufgehetzt worden war, zur Kreuzigung.
Dem Willen des Volkes gemäß, wird Barabbas freigegeben; es haben
die Hebräer sich damit vom Gott-Menschen abgewandt und sich dem Typus
des Barabbas-Menschen zugekehrt, da sie ihn selber erwählt haben.
So wird die „Via Dolorosa" zum Calvarien-Berg betreten und das nicht
verstandene Opfer, aus göttlicher Liebe gebracht, mit Hohn, Spott und
Grausamkeit entgegengenommen von jenen, die diese Opferung mit Liebe und
Ehrfurcht widerspiegeln sollten in ihren Seelen. Doch auch aus dem Volke,
das den Gott-Menschen kreuzigte, sind einige Getreuen hervorgegangen (die
Jünger nicht mitgerechnet) die sein Wesen in ihre Seelen aufnahmen und
dann später von ihm Zeugnis gaben.
Der Mensch, der als Jungfrau Maria die erste Verkündigung der Botschaft
aus dem Engelreiche entgegennahm und, verbunden mit dem Wesen der Lichtjungfrau,
als Gottes-Mutter den Gottmenschen auf seinem Gang auf Erden mit innersten
Seelenkräften überallhin begleitete, war auch ein Sprößling
des hebräischen Volkes. Die Widerspiegelung des Wesens des Gottes-Sohnes
in dem Wesen der Lichtjungfrau und die Spiegelung des Gott-Menschen in
der Seele der jungfräulichen Gottes-Mutter einten sich auf Erden in
ein Mit-Erleben Marias eines jeden Leides, jeden Kampfes, auch jeder Glorie
Jesu in der Seele. Auch sie duldet den Kampf in Gethsemane seelisch mit, auch
für sie ist die „Via Dolorosa" eine seelische und physische Tatsache,
und so steht sie unter dem Kreuze und in ihrer Seele spiegeln sich. alle
Leiden Jesu, wie im Abbild. Die göttliche Liebe, die das Opfer veranlaßt
und den glorreichen Sieg über den Tod für die Menschheit errungen
hat, findet auch in der Seele Marias ihren Nachklang, denn sie nimmt an der
Opferung teil, da in ihrer Seele dieses Opfer mitdargebracht wird.
So war die „Via Dolorosa" zum Calvarienberg der letzte Gang auf Erden
für Ihn, der als Einfachster, Demütigster unter den Menschen
wandelte. Still, schweigsam war Er Seines Weges gegangen, während
Er auf Erden lebte; Seine heiligen Fußsohlen berührten die Erde,
und jeder Seiner Schritte war wie ein Segen. Seine jungfräuliche Mutter
kannte Ihn; die Menschen aber wußten von nichts, bis zur Zeit, da
Er zu ihnen sprach von dem Reiche der Himmel, von ihrer Heimat, die auch
Seine Heimat war; bis Er ihre Leiden heilte und ihre Sünden auf sich
nahm.
Die himmlischen Wesen, auch die Engel, hatten Ihn anerkannt als den
Gottes-Sohn; nur die Menschen hatten so gänzlich ihre wahre Herkunft
vergessen, daß sie nicht den erhabenen himmlischen Wanderer erkannten,
der als Bote Gottes zu ihnen kam. Die hierarchischen Reihen hatten Ihn bei
Seinem Durchgang durch ihre Regionen eingeholt und hingebungsvoll begleitet
bis an die Grenze der nächstniedrigen Region. So hatte Gabriel, als
Bote aus dem Engelreiche, den Gottes-Sohn angekündigt im Menschenreich.
Hier aber wurde dieser zunächst nur von einzelnen erkannt und durch
Unwissenheit und Bosheit von der Menge aus ihrer Region vertrieben mit dem
Kreuzestod. Es begleitete Ihn auch da diejenige, die der höheren Region,
der Engel, am nächsten war, diejenige, die ihn auch hineingetragen
hatte in das Reich der Menschen. So stand, begleitet von einigen der Besten
unter den Menschen, die Mutter Jesu am Kreuze und lebte seelisch Sein Hinübertreten
aus dem Menschenreiche in das Jenseits des Todes mit.
Der Leib Jesu war wie das Brot geopfert worden, und mit dem Leiden,
welches an diesem Leibe geschah, wurde durch den Gottmenschen den verschiedenen
Gliedern des irdischen Menschenleibes eine andere Bedeutung gegeben, als
sie vorher hatten, da sie unmittelbar unter Lucifers Gewalt waren. Das durch
den Fall zerbrochene und auseinandergerissene Zerrbild der ursprünglichen
Form des paradiesischen Menschen erhielt durch das, was der Gott-Mensch
freiwillig an Seiner irdischen Form durch die Geißelung, Dornenkrönung
und den Kreuzestod erlitt, den ursprünglichen Typus wiederum eingeprägt.
Gleichsam ein Abbild des paradiesischen Menschen wurde in die irdische
Form hineingebracht, wie der Typus des wahren lebendigen Menschen, der
den schon dahinsterbenden Menschentypus für die Zukunft ersetzen soll.
Die blutige Geißelung des Leibes, die blutige Dornenkrönung
des Kopfes weisen hin auf die notwendige Auslösung dessen, was Lucifer
innerlich und äußerlich an der irdischen Menschenform verdorben
hat, und was die Erdenmenschheit dann, vermittelst jener Form, an Sünden
auf sich geladen hat. Christus wollte die irdische Menschenform nicht nur
erlösen und befreien von dem unmittelbaren Einfluß Lucifers, sondern
Er wollte die erlöste Form aus dem Reiche des Vergänglichen in
das Reich der Ewigkeit hinüberführen. An jener irdischen Form,
die Er selber trug, wollte der Gott-Mensch zunächst das vollbringen,
was sich dann weiter für die ganze Menschheit ergeben sollte.
Im dualistischen Kosmos, wo die Zeit herrscht, kann das, was sich offenbart,
nur in der Zeit nacheinander erscheinen. In der Region des Fixsternhimmels,
in der das Zeitliche zwar anfängt sich geltend zu machen, in der es
aber noch nicht herrscht, ist die Zwölfzahl die Grundzahl, weil die
Offenbarung noch im Raume nebeneinander d. h. gleichzeitig geschieht. In
der ersten kosmischen Region wird dadurch, daß sich alles in der Zeit
nach einander offenbart, statt im Raume nebeneinander und gleichzeitig, die
Zahl Zwölf in zerbrochener Weise gespiegelt. Sie zerteilt sich so, daß
die Zahl Sieben dann die Grundzahl aller Offenbarung wird, wobei sich dann
ein Fünffaches ausschließt, welches zwar da ist wie im Raume,
daß sich aber nicht in Einheit mit den Sieben offenbaren kann, weil
das Gesetz der Zeit es von der Sieben zahl abtrennt.
Die irdische Form des Menschen ist auch nach dieser Siebenzahl aufgebaut
worden und zwar auf solche Weise, daß der irdische Leib die vier
Kräfte der Elemente in sich trägt und die seelischen Kräfte,
die zur irdischen Hülle Beziehung haben; denn die seelische Hülle
des Menschen besteht aus den drei Kräften des Eigenwillens, Eigenfühlens
und Eigenwissens. Verbunden mit der irdischen Form ist die Wahrnehmung von
all dem, was sich außerhalb dieser Form als Umwelt im Raume befindet.
Diese Wahrnehmung geschieht vermittels der Tätigkeit der fünf
Sinnesorgane, welche halb physisch, halb seelisch in ihrer Wirkung, innerhalb
des menschlichen Körpers vorsichgeht, indem sich der Mensch mit seiner
Umwelt in Verbindung setzt. So besteht im Reiche des Zeitlichen ein siebenfaches
Geoffenbartes, welches sich vermittelst einer fünffachen inneren Tätigkeit
in Verbindung stellt mit der räumlich abgetrennten Umwelt, die aber
gleichzeitig da ist.
Wie alles durch Lucifers Wirkung auf umgekehrte Weise entsteht, so ist
auch hier das Verhältnis zwischen Raum und Zeit in umgekehrter Weise
offenbar, indem der Mensch und seine von ihm im Raume abgetrennte Umwelt
in Bezug auf das Zeitliche übereinstimmen und verbunden sind bei der
Wirkung der fünf Sinnesorgane. Vermöge dieser Tätigkeit der
Sinne konnte Lucifer seine Wirkungen auf den Menschen ausüben. Der geistige
Kern des Menschen, lebend in der irdischen Hülle, ist auf diese Weise
insbesondere dazu verführt worden, sich abhängig zu machen von
seinen irdischen und seelischen Hüllen dadurch, daß er sich zu
eng mit beiden verbunden hat. Der Mensch vergaß dann, daß diese
Beziehung des irdischen Menschen mit seiner Umwelt vermittels der irdischen
Sinne im Zeitlichen stattfindet, sodaß sie nicht bleibend sein kann,
trotzdem in gewisser Weise das Siebenfache vermittels des Fünffachen
scheinbar eine räumliche Einheit darstellt.
Der gekreuzigte Gott-Mensch will die irdische Menschenform, nachdem
Er sie erlöst hat aus der unmittelbaren Wirkung Lucifers, hinüberführen
in das Reich der Ewigkeit. Das, was sich als siebenfach darstellt im Reiche
des Zeitlichen, sollte ein Fünffaches zugefügt erhalten, das
sich im Reiche des Vergänglichen nicht offenbart und das aus dem Reiche
der Vergänglichkeit hinausführt. Die fünffache Tätigkeit
der Sinne, welche die irdische Form mit ihrer Umwelt verbindet und den
geistigen Kern gefangen hält, sollte durch eine andere fünffache
Kraft überwunden werden, die den Menschen, statt ihn zu binden an
die Welt Lucifers, freimachen und hinaufheben kann in das Reich der Ewigkeit.
Diese fünffache Kraft strömte, wie ein neues befreiendes Element,
der Menschheit zu, als das Blut des Gott-Menschen aus den fünffachen
Kreuzeswunden floß. Auf fünffache Weise strömten der Erdenmenschheit
Ewigkeitskräfte zu, die von dem Momente an verbunden werden können
mit den siebenfachen Kräften der zeitlichen Hüllen, die in dem
Reiche der Zeit entstehen, da sind und vergehen. Dadurch, daß der
Gott-Mensch seinen irdischen Leib auf solche Weise verleugnete, daß
er ihn Gewalt erleiden ließ und dann dem Tode übergab, konnte
er die wahren Gotteskräfte, die zum ursprünglichen Menschen gehört
hatten, ehe er das Paradies verließ, wiederum mit der irdischen Menschenform
verbinden. Nur durch Opferung und Abtötung der Kräfte, welche
unter Lucifers Gewalt stehen, werden die göttlichen Kräfte erkämpft.
Daher hat der Gott-Mensch auf Gethsemane im einsamen Seelenkampf für
die Erdenmenschheit die Möglichkeit errungen, die durch Lucifer verdorbenen
Kräfte des Eigenwillens, Eigenfühle n s und Eigenwissens umzuwandeln
in die dreifache Kraft des göttlichen Willens, der göttlichen Liebe
und der göttlichen Weisheit.
Jene luciferischen Wirkungen, die in der irdischen Form ihren Ausdruck
finden, sollen am physischen Leibe selber erlöst werden. So verleugnet
der Gott-Mensch seinen irdischen Leib und läßt an ihm all das
geschehen, was in klarem Widerspruch steht zu dessen Pflege und Erhaltung.
Es wird dann die irdische Form für die Menschheit verbunden mit den himmlischen
Kräften, die ursprünglich zum Menschen im Paradiese gehörten,
und von ihnen durchdrungen. Alles das, was der Gott-Mensch geistig-seelisch
auf Gethsemane erlitten hat, kehrt zur Menschheit wieder als erleuchtende,
geistige und seelische Gnadenkraft; alles, was der Gott-Mensch an seinem
physischen Leib ertragen hat an Schmerzen, Leid und Kummer von der Gefangennahme
bis zum Kreuzestod, wird der Menschheit in Bezug auf ihre irdische Form zum
Heile, da die Form dadurch die Möglichkeit der Vergeistigung erhalten
hat und verewigt werden kann, wenn all das, was zur Wirkung Lucifers gehört,
an ihr getötet worden ist.
Hätte einstmals der Mensch im Paradiese auch von dem zweiten der
verbotenen Bäume genommen, wie er es beim ersten Baum getan hat, so
würde seine irdische Form, so wie sie durch Lucifer zum Zerrbild geworden
war, auf Erden die Ewigkeitskräfte auf diese Weise erhalten haben,
daß sie sich, während des langen Verlaufs der Erdentwicklung,
stets erhalten hätte.
Der Gott-Mensch verbindet die Ewigkeitskräfte mit der irdischen
Form auf solche Weise, daß diese Form, befreit von den Wirkungen Lucifers
und geläutert von aller irdischen Materie, bei ihrem Austritt aus
dem Reich des Zeitlichen eintreten kann in das Reich der wahren Ewigkeit.
Sterbend im Reiche Lucifers, wird sie im Reiche Gottes auferweckt.
Nach der Kreuzigung Christi hat der irdische Menschenleib zwar äußerlich
dieselbe Form behalten, jedoch ist in ihm hineinversenkt worden das wahre
menschliche Urbild wie ein unsichtbares geistiges Gebilde. Der geistige
Kern des Menschen, lebend in der irdischen und seelischen Hülle, ist
dann verbunden mit dem unsichtbaren Urbilde und dadurch der Macht der Hüllen
weniger ausgesetzt. Er wird sich aber dieses Urbildes nur bewußt,
wenn er dem großen Beispiel des Gott-Menschen folgen und sich den
himmlischen Kräften hingeben will auf Kosten derjenigen Kräfte,
die zu seinen Hüllen gehören. Der irdische Mensch in ihm soll
geopfert und getötet werden; er soll das seelische Gethsemane erleben,
damit er auch den zweiten Tod auf Erden selber durchmacht. Dann erst erlebt
der geistige Kern des Menschen die Vereinigung mit dem Urbilde, durch die
er mit den himmlischen Regionen verbunden wird.
Im ersten Teil dieses Buches ist die Form beschrieben worden, welche
der Mensch im Paradiese trug: wie drei leuchtende Kreise als Abbild der himmlischen
Triade, verbunden mit dem Antlitz, das ein Abbild Michaels darstellt und
mit den vier ursprünglichen Zerspaltungslinien, durch welche die vier
Himmelsrichtungen entstanden sind, die das große Himmelskreuz formen.
Das mit der Dornenkrone bedeckte Haupt Christi, die Wunden seines Leibes,
der auf den Kreuzeslinien ruht und, nach den vier Himmelsrichtungen deutend,
von der Erde erhoben wird, zeigen, um welchen Preis die Kräfte und die
Form des menschlichen Urbildes der Erdenmenschheit, in irdischen Formen lebend,
wiedergegeben worden sind. Mit jedem Tropfen Seines Blutes hat Er die Menschheit
aus der Macht Lucifers befreit; die Menschen aber, welche dieses Opfer miterlebten,
wußten nichts von der himmlischen Gabe, die von jenem Momente an der
Menschheit bleiben sollte bis an das Ende der Erdentage.
«««««
Die Erlösung
durch das Opfer Christi.
Kapitel VI.
Der Menschheit, als der Krone der Schöpfung auf Erden, wurde das
Opfer Christi gebracht, aber auch für die ganze Erde hat dieses Opfer
hohe Bedeutung. Der ganze Erdenkörper wurde auf gewaltige Weise durch
den leiblichen Tod des Erlösers beeinflußt. Gleichwie in innerlicher
Erschütterung bewegte sich der Erdenkörper und tat sich auf;
zerrissen und zerspalten wurden die Stellen, welche nähere Beziehung
hatten zu dem Orte der Kreuzigung; die Oberfläche änderte ihr
Gesicht und erschien in einer neuen Form. Derjenige, der als Fürst
der Finsternis im Innersten der Erde thront, erfuhr zum erstenmale die
Macht und die Gewalt des Gottes-Sohnes, der das Wesen der Trinität
in sich vereinte, bei Seiner Befreiung aus dem irdischen Menschenleibe.
Durch den Kreuzestod strahlen die Kräfte Seines Wesens nun hinaus nach
den vier Himmelsrichtungen, von der Erde, als kosmischem Centrum, durch
alle Regionen dieses Reiches, bis in die Region des Fixsternhimmels hinein.
Gleichwie in den höheren Regionen einstmals die Zerspaltungslinien
aufgetreten waren durch den Fall Lucifers, so wurde dann das Reich, wo Lucifer
wirkt, selbst mit der Kraft und Gewalt des Gottes-Sohnes zerspalten und
durchdrungen. In Furcht und Zorn erbebte der Erdenkörper als das durch
Lucifer belebte Centrum im Kosmos, und durch alle Regionen tönte der
Widerhall jener Furcht. So wurde das Licht der Sonne getrübt, der Himmel
verfinsterte sich, überall herrschte Angst und Schrecken, als der Menschensohn
am Kreuze starb.
An dem Orte auf der Oberfläche der Erde gekreuzigt, welcher in
unmittelbarer Beziehung steht zu dem Centrum der Erde, strahlt Christus
einerseits die Kräfte Seines Wesens durch alle Regionen des kosmischen
Reiches hinaus und andrerseits tritt Er, gleichwie individualisiert in dem
menschlichen Urbilde, in jene drei Regionen ein, welche unterhalb der Erdoberfläche
sind. Da tritt Er Lucifer im Innersten seines Reiches entgegen, erlösend
jene Seelen, welche da hineingezogen wurden, jedoch für Rettung zugänglich
sind.
Bis in die letzte Region, in das Herz Lucifers, geht Christus hinein,
erlösend und befreiend, wo Er kann, die Seelen, welche Ihn in diesen
höllischen Regionen als den Erlöser erkennen. Die Kraft Lucifers
wird dadurch gebrochen; im Herzen tief verwundet muß er sein Herzblut
fließen lassen.
Von dem Momente an kann Lucifer zwar immer noch die menschlichen Seelen
mit seiner Gewalt ergreifen und nach dem Tode in die unterirdischen Regionen
hineinziehen, wenn sich dieselben während der Zeit, die sie auf Erden
lebten, gänzlich in seinen Dienst gestellt haben. Doch kann die Seele
gegen ihren Willen nicht mehr festgehalten werden, denn die Tore der Hölle
sind zerbrochen durch den Gang Christi und neben den Weg, der zur Hölle
hineinführt, ist für die Seele ein neuer Weg gelegt worden, der
sie wiederum hinaufführen kann. Eine unmittelbare Verbindung, gleich
einer Stufenleiter, ist durch den Erlöser hergestellt worden zwischen
den niederen und den höheren Regionen. Dieser Weg, durch das Fegefeuer
gehend, wird die Seele dann allmählich wiederum hinaufführen
zur Erlösung.
Die Wunde, dem Herzen Lucifers geschlagen durch die Macht und Gewalt
des Gottes-Sohnes, ist gleichwie ein neues Centrum im Erdencentrum selber.
Ein furchtbares Leiden ist damit Lucifer zugefügt, wie der Anfang einer
immer weiter wirkenden Kraft, die wie ein feindliches Element seinem Wesen
entgegengestellt ist. Das Wort Gottes ist ihm gleichwie ein feuriges Schwert
in das Herz gedrungen, als Es in den drei Regionen der Hölle ertönte
und diese mit Seinem Wesen durchlebte. Wie eine schmerzvolle Hindeutung
ruft Es die Erinnerung wach an das, was einstmals war, als Lucifer, das
erste Geschöpf Gottes, noch in den himmlischen Regionen lebte.
Der gekreuzigte Gott-Mensch ist für Lucifer gleichwie ein Vorwurf;
die Linien des Kreuzes zeigen ihm, was er durch seinen Fall zerbrochen
hat, was dann für ihn verloren ging, und wie durch Christus nunmehr
seine Macht als Fürst dieser Welt durchbrochen worden ist, vom innersten
Centrum aus bis zur äußersten Peripherie. So ist das Zeichen
des Kreuzes und das Kruzifix, von jeher und von jener Zeit an, besonders
für Lucifer und seine Diener ein Memento an den Fall Lucifers und seine
Verwundung durch die Macht und das Opfer Christi.
Das Wort Gottes sollte nicht nur von der auf Erden lebenden Menschheit
vernommen werden, sondern auch von denjenigen, die durch den Tod zwar als
Menschen das Erdenleben verlassen hatten, aber statt hinaufzusteigen in die
höheren Regionen, noch tiefer hinuntergesunken sind. So stieg das Wort
hinunter in die Erde bis zum Mittelpunkte und tönte durch die Sphären
der Gefallenen, welche da lebten. Nach der Kreuzigung verweilte Christus
einen Tag in jeder der drei Regionen der Hölle. Dann erst wurde Er
in Lichtform wiederum sichtbar für die, welche Ihm anhingen, während
Er auf Erden unter den Menschen in menschlicher Gestalt gelebt hatte. Die,
welche unter den Erdenmenschen gleichwie eine neue geistig-see-lisch-auferweckte
Menschheit bildeten, in der das Wort lebendig geworden war, konnten Zeugen
sein der Auferstehung Christi, des Sieges des Gott-Menschen über den
Tod.
Die Evangelien verkünden, wie am dritten Tag nach dem Kreuzestod
Jesu das Grab leer gefunden wurde. Das Matthäus-Evangelium beschreibt
(Kap. 28, 1—8), wie ein großes Erdbeben geschah und der Engel des
Herrn vom Himmel herabkam, den Stein von der Türe des Grabes hinwegwälzte
und mit denjenigen redete, die gekommen waren, den Herrn zu suchen.
Dieser Engel des Herrn war derselbe, der als der Bote Gottes das he-bräische
Volk durch die Wüste geführt hat und durch Moses geschaut wurde;
es ist Michael, der, nachdem der Gott-Mensch den Tod besiegt hat, vom Himmel
unmittelbar zur Erde hinuntersteigt und sein Reich nunmehr auf Erden gründen
kann. So steht im Matthäus-Evangelium, wie der Engel des Herrn den
Stein von der Türe des Grabes wälzte und sich darauf setzte. Nach
diesem spricht er zu den Menschen, die gekommen waren, weil sie, geistig-seelisch
durch das Wort erleuchtet, von der Auferstehung wußten. Zum erstenmale
kann der große Erzengel Michael, als Diener Christi, einen Platz
auf Erden einnehmen und zu den Menschen reden, da sein Herr ihm den Weg
bahnte zur Erde, gleichwie er es seinem Herrn vorher tat, indem er von
der Sonnenregion aus seine Kraft in die Erdentwicklung einfließen
ließ und die Taten Lucifers von da aus bekämpfte. Und wiederum
erbebt die Erde gleichwie beim Kreuzestod Jesu, wenn auch in geringerem
Maße; das Centrum von Lucifers Reich erbebt in Furcht und Zorn, da
Lucifer seinen Gegner Michael nunmehr auf Erden selber weiß.
Von dem Augenblick an, da der Gott-Mensch den Weg gegangen war durch
die drei Regionen der Hölle und Lucifer durch die Gewalt des Wortes,
gleichwie mit einem feurigen Schwerte, die Herzwunde geschlagen wurde, ist
dem großen Erzengel die Macht gegeben, bis in das Herz Lucifers einzudringen
und im Centrum der Erde die Kraft der Trinität, die von nun an dort als
neues Centrum tätig ist, zu hüten und zu schützen gegen die
sie umgebenden luciferischen Kräfte.
Gleichwie ein göttlicher Kern inmitten der absterbenden Umgebung,
die ihn wie ein feindliches Element bekämpfen und ersticken will, ruht
im Erdcentrum die Kraft der Trinität, im Wesen des Gott-Menschen concentriert
und durch Michael geschützt.
Der auferstandene Gott-Mensch Christus offenbarte sich der von ihm geistig
auferweckten Menschheit, indem Er sie durch Sein sichtbares Erscheinen
und Wandeln in ihrer Mitte von der Wirklichkeit Seines Sieges über
den Tod überzeugte. So war Er in dem unmittelbaren Umkreis der Erde,
wie an ihrer Oberfläche, tätig, denn nicht nur erleuchtete Er immer
mehr die Seelen, die sich zu Ihm bekannten und als Menschen auf Erden lebten,
sondern Seine Kraft ergoß sich auch in die Sphären, welche die
Erde direkt umgeben. Die Seelen, die schon den ersten Tod durchschritten
hatten und vermittels ihrer seelischen Hülle an die Erde gebunden blieben,
in deren unmittelbaren Umgebung sie des zweiten Todes harrten, wurden durch
die Kraft Christi in Bezug auf ihren geistigen Kern so gestärkt und
durchleuchtet, daß sie sich von der bedrängenden Hülle befreien
konnten und den zweiten Tod wie ihre Erlösung durchmachten.
Als das Wort Gottes in dem Reiche der Lebendigen und Toten tönt
und der Gottes-Sohn überall das Lösungswort gesprochen hatte, betrat
Er den Weg, welcher Ihn durch die Reihen der Hierarchien wiederum zum Vater
zurückführte. Gleichwie Er vom Vater gekommen war, ging Er wiederum
zum Vater zurück. Die Erleuchteten, Auferweckten unter den Menschen,
Seine Getreuen, sahen Ihn in den Himmel auffahren.
Es ging das Wort — als der Gott-Mensch — durch die hierarchischen Reihen
hinauf bis zum Throne des Vaters und bildete die Brücke, welche vom
Mittelpunkte der Erde aus hinaufführt bis zu dem Vater. Der Sohn, der
seinen Ausgangspunkt aus der Trinität genommen hatte, kehrte wiederum
in die Trinität zurück als der Sohn, der zugleich der Gott-Mensch
Christus ist und die Trinität als Einheit in sich hat.
Es ist die Brücke zwischen Abgrund und Himmel gebildet worden,
sodaß die tiefstgefallene Menschenseele vermöge dieser Leiter
zurückkehren kann in die himmlischen Regionen, wenn sie es wahrhaftig
will. Der Gott-Mensch hat den Weg gebahnt, das Wort Gottes tönte hinunter
und klang wiederum hinauf und bildete auf seinem Weg eine lebendige leuchtende
Stufenleiter, auf welcher die himmlischen Wesen auf- und niedergehen. Denn
nicht nur für die Menschen war der Aufstieg zum Vater möglich
geworden — es war auch nach dem Durchgang des Wortes für die hierarchischen
Wesen, welche als Christi Legionen im Kosmos tätig sind, leichter geworden,
hinaufzusteigen bis zum Throne Gottes und dann wiederum herabzusteigen
zu den Menschen.
Auf das Wort Gottes, welches durch alle hierarchischen Reihen klang,
konnte jede der Hierarchien antworten mit ihrem eigenen Ton. Als dann das
Wort Gottes — nachdem Es als Christus in dem Menschenreiche gelebt hatte
— mit neuer Herrlichkeit und Glorie, wie im Gott-Menschen concentriert, Seinen
Rückweg nahm, da offenbarte sich die Allmacht der Trinität in
dem Wesen des Gott-Menschen einheitlich durch alle Hierarchien hindurch,
bis es sich mit der Himmelsrose vereinte, die vom Abbilde zum Urbild in der
Trinität geworden war.
Das Wesen des Sohnes, der als Angesicht der Trinität mit Ihr eine
Einheit bildet, hat gleich wie ein Stern Seine Bahn beschrieben durch das
ganze Universum hindurch, und diese Bahn ist das Reich, in welchem Er von
da an immer anwesend bleibt. Es sprach das lebendige Wort,
der Sohn Gottes, zur Erdenmenschheit: „Ich bin bei Euch bis an das Ende der
Welt".
So wie Er im Himmel zur Rechten des Vaters sitzt, so ist Er auch mit
Seinen Legionen bei der Erde und bei der Menschheit; bis in das Herz Lucifers
er streckt sich seine Macht. • *
*
Nachdem der Gott-Mensch Christus zum Himmel hinaufgefahren war, hat
er, gleich einem Boten, den Tröster zu den Seinigen gesandt, von dem
Er vor der Kreuzigung zu den Zwölfen gesprochen hatte. Als die Jünger
und die, welche zu den Erleuchteten unter den Menschen gehörten, am Pfingstfeste
zusammen waren, da senkte sich der Heilige Geist — als der von Christus versprochene
Geist der Wahrheit — auf die Anwesenden hernieder und goß sein Wesen
über sie aus.
Von dieser Zeit an beginnt die eigentliche Tätigkeit der Jünger,
die durch Taufen, Heilen und Predigen die Zahl der Bekenner Christi vermehren,
sodaß sich dann die ersten christlichen Gemeinden formen. So finden
sich die zusammen, welche als Diener Christi auf der Erde in der Weise
wirken, wie die Legionen Christi in den höheren Regionen, mit denen
sie dadurch verbunden werden. Ausgehend von den Jüngern Christi, denen
Er mit eigener Hand beim letzten Ostermahle das Brot und den Wein reichte,
von Ihm verwandelt in Seinen Leib und Sein Blut, wodurch sie Seines eigenen
Wesens teilhaft wurden, entsteht die erste christliche Gemeinde, welche
durch das Wesen des Sohnes und durch die Kraft des Heiligen Geistes immer
mehr zunimmt.
Während sich Christus unter Seinen Jüngern auf Erden befand,
formten die Zwölfe gleichsam den seelischen Spiegel, in dem das Wesen
des Gott-Menschen sich einheitlich abbildete. Ein jeder von ihnen aber trug
in sich ein Abbild des Wesens Christi, das seiner Seele angepaßt war.
Es waren unter den Zwölfen vornehmlich zwei, die das Wesen des Gott-Menschen
rein und kraftvoll in sich spiegelten und in die Christus deshalb seine Kräfte
in vollkommenerer Weise ergießen konnte als in die andern. Zwischen
diese beiden, Petrus und Johannes, hatte sich Christus gesetzt beim letzten
Abendmahl.
In der Seele Petri spiegelt sich das Wesen des Gottes-Sohnes auf solche
Weise, daß Christus von der dreifachen Kraft der Trinität, die
in Ihm einheitlich ist, d i e Kraft insbesondere mit der Seele Petri verbinden
kann, welche vom Angesicht des Vaters ausgeht. So erhält Petrus das
Bild des Vaters aus der Trinität, verbunden mit dem des Sohnes, in seinem
Innersten am stärksten eingeprägt. Er ist der Fels, auf den Christus
bauen wird, der sichere Grundstein und damit der Ausgangspunkt für das,
was sich weiter entfalten sollte.
In der Seele des Johannes wird der Gottessohn so abgebildet, daß
Christus das Wesen des Heiligen Geistes aus der Trinität auf besondere
Weise mit diesem Abbild verbinden kann. Johannes hat das Bild des Sohnes,
vereint mit dem des Heiligen Geistes aus der Trinität, in seinem Innersten
am stärksten ausgeprägt. So hat auch Johannes eine besondere Beziehung
zur Gottes-Mutter, da sie das Wesen der Lichtjungfrau in sich spiegelt,
die mit dem Heiligen Geist verbunden ist; noch vom Kreuze herab besiegelt
Christus jenes Band und verstärkt es für die Zukunft indem er
seiner Mutter sagt: „Siehe, das ist Dein Sohn" und zu dem Jünger: „Sieh,
das ist Deine Mutter".
Es geht von Petrus, wie von einem lebendigen Centrum, alle Tätigkeit
aus, welche sich bezieht auf die Organisation und die Ausbreitung der verschiedenen
Gemeinden Christi; wie auch jene Arbeit, die in diesen stattfindet und
in der er durch den Heiligen Geist geführt wird. Daher kann Petrus
betrachtet werden wie der erste Hohepriester der Kirche, die durch seine
Vermittlung, als eines Jüngers und Dieners Christi, entstanden ist.
Johannes ist verbunden mit einer mehr innerlichen Linie der Tätigkeit:
seine hauptsächliche Arbeit ist nicht nur das Organisieren der Gemeinde.
Durch die Kraft des Heiligen Geistes stiftet zwar auch er Gemeinden, predigt
auch er; sein eigentliches Hauptwerk aber ist das Schreiben des Johannes-Evangeliums
und der Apokalypse; da spricht durch ihn der Heilige Geist in voller Gewalt,
verbunden mit dem Wesen des Sohnes. Gleichwie Petrus als erster Kirchenvater
betrachtet werden kann, so kann Johannes als erster Seher und Mystiker
der Kirche angesehen werden, als erster unter denen, die das innere Leben
der Kirche darstellen und von dem Herrn geliebt sind.
• * *
Die erste christliche Gemeinde, die sich allmählich zur Kirche
des Sohnes entwickelt hat und als solche, vermittels der Zwölfe und
insbesondere des Jüngers Petrus, vom Gottes-Sohn ausgeht, nimmt ihren
Anfang bei dem letzten Ostermahle, als Christus den Jüngern Seinen
Leib und Sein Blut darreichte. Das Opfer auf Golgatha knüpft sich unmittelbar
daran als die Fortsetzung der Opferung, den Zwölfen beim Abendmahle
gebracht; die Opferung des Gott-Menschen am Kreuze ergoß ihre Wirkungen
über die ganze Menschheit und sollte zunächst für jenes
Volk geschehen, welchem der Gott-Mensch Jesus Christus als Mensch angehörte.
Das Blut Christi, von der Stirne des Erlösers und aus den vier
Kreuzigungswunden nach den vier Himmelsrichtungen fließend, gleichwie
die vier Lebensströme im Paradiese, führte der Menschheit und
der Erde himmlische Lebenskräfte zu und brachte die Erlösung,
zunächst für jene unter den Menschen, welche in irgendwelcher
Weise mit dem Gott-Menschen verbunden gewesen waren, während Er auf
Erden lebte. So erlöste Er damit diejenigen, die Ihn in ihrer Seele
anerkannt hatten und auch die, welche zu dem Volke der Hebräer gehörten
und in irgendwelcher Weise Beziehung zu Ihm hatten. Durch das unwissende
Volk der Hebräer war der Ruf zur Kreuzigung erhoben worden und das
Opfer, das freiwillig gebracht werden sollte, wurde auf grausame Weise gefordert;
dadurch konnte dieses Volk das Opfer nicht in richtiger Weise seelisch entgegennehmen.
Das Opfer Christi aber war sowohl den Zwölfen, wie den Seinigen im
weiteren Kreise, durch den Gott-Menschen selber, gleichwie persönlich,
überreicht worden, damit es in der Zukunft von den Seinigen auf andere
übergehen könne, die dann auch der Erlösung teilhaftig würden.
So hat alles, was mit diesem Opfer zusammenhängt, eine unmittelbare
Beziehung zum Gottes-Sohn, zum Gott-Menschen Jesus Christus, der die Macht
der Trinität in Sich vereint.
• * •
Außer den vier durch die Kreuzigung entstandenen Wunden des Gott-Menschen,
der nach dem Willen der Hebräer mit beiden Händen und Füßen
an das Kreuz genagelt war, trug der Leib Christi noch die fünfte Wunde
an der rechten Seite, welche Ihm erst nach dem Tode beigebracht wurde durch
den Lanzenstich des Römers Longinus. Diese letzte Verwundung Christi
hat nicht nur Beziehung zur Kreuzigung und zum Volke der Hebräer,
welches die Kreuzigung verlangte, sondern noch eine andere tiefe Bedeutung.
Durch den römischen Soldaten verursacht, nachdem sich das Mysterium
des Todes Christi in der Mitte seines Volkes abgespielt hat, steht die letzte
leibliche Verwundung an sich da und ist nicht unmittelbar verbunden mit den
himmlischen Lebenskräften, die, wie das Abbild der vier Ströme
des Paradieses, vermittels der Kreuzeslinien nach den vier Himmelsrichtungen
sich ergossen, während der Erlöser, ehe der Tod eingetreten war,
noch am Kreuze hing.
Gleichwie die Kreuzigungswunden die Erlösung brachten für
alle, die auf irgendwelche Weise mit dem Gott-Menschen selber verbunden
waren, sei es, daß sie Ihn seelisch anerkannten, oder, daß sie
zu demselben Volke gehörten wie Er, so wurde mit der Wunde, welche
durch den Lanzenstich des Römers entstand, ein neuer Strom des geistigen
Lebens mit der Erde und der ganzen Menschheit vereint. Denn durch diese
Wunde ergoß sich das Blut und das Wasser aus dem Herzen Christi,
und damit wurde die Erlösung herbeigeführt für alle, die
zwar nicht direkt mit dem Gott-Menschen Jesus durch seelisches Verständnis,
oder auf andere Art, verbunden waren, aber dennoch als Menschen zum Gott-Menschen
Beziehung hatten und zu Ihm gehörten. Nicht nur für das Volk der
Hebräer, sondern für die ganze Menschheit und die ganze Erde war
damit die Erlösung gegeben.
Die Seitenwunde Christi, durch den Soldaten als Angehörigen des
römischen Volkes verursacht, brachte insbesondere auch die Erlösung
für die Heidenvölker. Die Götzendienste und die magischen
Kulte jener Völker, welche schon zu der Zeit, als Moses das hebräische
Volk durch die Wüste führte, vor dem Einen Gott als verwerflich
befunden waren, wurden gleichsam mit dem Wasser aus der Herzwunde Christi
gereinigt und mit seinem Blut erlöst. Die alte Weisheit, die Magia,
in den vorchristlichen Zeiten der Schatz der Menschheit, welcher ihr, gleich
wie eine Erbschaft, noch geblieben war aus all dem, was sie mit ihrem Fall
verloren hatte, welche aber immerzu geringer wurde und dem Volke der Hebräer
ferne bleiben sollte, weil es das Neue vorzubereiten berufen war, wurde durch
das Wasser der Herz-wunde Christi gereinigt und erhoben. Weil das Blut Christi
zum wahren geistigen Lebensprinzip verwandelt worden war in den lebendigen
Odem, das Leben Gottes, das als Heiliger Geist aus der Trinität Vater
und Sohn verbindet, so konnte diese alte Weisheit, die Magia, sich verwandeln
in das, was ihr eigentliches Urbild ist: in das Licht des Heiligen Geistes.
Gleichwie vom Gottes-Sohn die neue Linie ausgeht, die beim letzten Abendmahle
ihren Anfang nimmt, als Christus eigenhändig den Jüngern die
Opferung Seines Leibes und Seines Blutes vermittels des Brotes und des
Weines übergibt, so findet die Reinigung, Erneuerung und Verwandlung
einer schon bestehenden Linie statt durch die Kraft des Wassers und des
Blutes aus dem Herzen Christi, nachdem er auf Golgatha das Opfer gebracht
hat und der Tod eingetreten war.
Aus der ersten Linie entwickelt sich durch Petrus und die andern Jünger
die erste christliche Gemeinde und die Kirche des Sohnes, welches
für die ganze Menschheit gegeben worden ist. Die zweite Linie ist
nicht so direkt verbunden mit dem Gottes-Sohn in dem Aspecte des Gott -Menschen,
so wie Er, lebend unter den Menschen auf Erden, war. Sie nimmt ihren Ausgangspunkt
da, wo der Gottes-Sohn als Mensch den Kreuzestod schon erlitten hat und
die Worte: „Es ist volbracht" schon ausgesprochen sind. Die Herrlichkeit
und die Gewalt des Gottes-Sohnes im übermenschlichen Aspecte, vereint
mit dem Vater und mit dem Heiligen Geist — das Leben und der Odem Gottes
— spricht sich in dieser Linie aus. Das Wesen des Heiligen Geistes in seinem
höchsten Aspecte ist mit dieser zweiten Linie verbunden; sie kann daher
nicht unmittelbar der ganzen Menschheit offenbar werden.
Beim Anfang und Ursprung der zweiten Linie sind diejenigen anwesend,
die, mit dem Heiligen Geiste verbunden, diesen in sich erleben können
in seinem höchsten, innersten Sein; so stehen unter dem Kreuze: die Mutter
Gottes und der Jünger Johannes; sie sind wie Hüter jener neuen
Linie, die unter ihren Augen den Anfang nimmt. Das Herzblut Jesu wird aufbewahrt
in einem Gefäß, das von dem Momente an durch den lebendigen und
hochheiligen Inhalt die erste Reliquie ist, das Centrum und der Ausgangspunkt
von all dem, was mit dieser zweiten Linie verbunden ist.
Dieses Gefäß wird als dasselbe bezeichnet, aus welchem Christus
beim letzten Abendmahle den Zwölfen das Brot und den Wein gereicht
hat nach der Verwandlung in Seinen Leib und Sein Blut. Die innere Verbindung
der beiden Linien ist dadurch angedeutet, daß sie — zwar in der Zeit
verschieden — dennoch das gleiche heilige Gefäß, zum Ausgangspunkt
haben. Dieses Gefäß mit dem Blute Christi, das den Odem und das
Leben Gottes, als den Heiligen Geist, enthält, ist das Symbol des Herzens
Christi. Es war zuerst unter jenen Menschen, die durch ihre seelischen Eigenschaften
mit dem Herzen Christi vereint sein konnten und die Kraft hatten, es zu
hüten und zu pflegen als das kostbarste Gut.
Es wird in den Evangelien eine Persönlichkeit erwähnt, die,
obwohl mit den hebräischen Priestern verbunden, dennoch ein wahrer
Jünger Christi war: Joseph von Arimathia. Anknüpfend an das alte
Weisheitsgut der hebräischen Priester, war er zum Diener Christi geworden.
In seiner Seele wurde die alte Weisheit erleuchtet und verwandelt durch
den Heiligen Geist. Deshalb wurde er zum Hüter des heiligen Graal.
Gleichwie er den Leib Christi wie ein kostbares Gut schützte und
hütete, da er diesen von dem Römer Pilatus übernahm und
in seine Grabstätte legen ließ, so wird Josef von Arimathia
später der Hüter des lebendigen Herzens Christi, und sein Name
bleibt mit dem heiligen Gefäß verbunden. An dieses Gefäß,
als Symbol des Herzens Christi, knüpfen sich zunächst die Namen
der Persönlichkeiten, welche auf die innigste Weise mit dem Gott-Menschen
zusammenhängen: die Mutter Gottes, durch deren Vermittlung Er in Menschengestalt
das Menschenreich auf Erden betrat, der Jünger Johannes, den der Herr
lieb hatte, und derjenige, der dem irdischen Leib Christi die letzte Ehre
erwiesen hat, indem er die Grabstätte bereitete: Joseph von Arimathia.
So hat Christus ein vierfaches Opfer gebracht:
die Opferung für die Zwölfe;
das Opfer am Kreuze für die Seinigen und das Volk, das die Mission
hatte, die Möglichkeit seiner Geburt auf Erden vorzubereiten;
die Opferung Seines Herzblutes am Kreuze, für die ganze Erdenmenschheit
und die ganze Erde dargebracht, gleichwie ein geistiges und leibliches
Opfer, nachdem Er durch den Tod gegangen war; und das Opfer des Hinunterfahrens
in die drei Regionen der Hölle. Hieran schloß sich sein Aufenthalt
auf Erden oder im Umkreis der Erde nach der Auferstehung bis zur Himmelfahrt,
aufdaß die Seelen, welche nach dem Tode mit der Erde verbunden blieben,
auch an der Erlösung teilnehmen konnten.
Der Gottes-Sohn brachte die Erlösung von allen Sünden und
Schwächen der Menschheit, die sich seit dem Fall immerzu an die erste
Sünde angereiht hatten, bis zur Zeit, da Er als Gott-Mensch unter
den Menschen lebte und den Tod erlitt.
Seitdem Christus mit der Himmelfahrt die Seinigen in der sichtbaren
Form verlassen hat und zu dem Vater zurückkehrte, ist Er trotzdem
mit der Erde und der Menschheit — sei es auch in unsichtbarer Form — verbunden
geblieben. Dadurch kann jeder Mensch das Wesen Christi in seiner Seele
erleben und diese zum reinen Spiegel Gottes machen, in welchem sich die
göttliche Trinität, vermittels des Sohnes, abbildet. Es muß
der Mensch dann den Seelenspiegel so wenden, daß er sich der Welt
Lucifers abkehrt und mit voller Andacht, Hingabe und Geisteskraft sich auf
das Wesen Gottes concentriert. Damit wird von der Seele auf umgekehrte Weise
dasselbe getan, was einstmals durch die Verführung Lucifers der Mensch
im Paradiese tat, als er sich vom Wesen Gottes abwandte und sein Interesse
an der äußeren Welt den Anfang nahm, wodurch die Seele zum Spiegel
Lucifers wurde.
Gleichwie die ganze Menschheit durch ihre Erlösung ihr Gleichgewicht
zurückerhielt, sodaß sie selbst die Wahl treffen kann, nach
welcher Seite sie den Schwerpunkt legen will — nach der linken Seite, der
düsteren vorchristlichen Zeit — oder nach der rechten Seite, wo das
Licht und die Liebe des Gottes-Sohnes sich mit ihr vereinigt, so ist jeder
einzelne Mensch in d i e Waage gestellt worden, weil Christus für die
ganze Menschheit und für jeden einzelnen sich opferte, und ein jeder
hat, seitdem Christus auf Erden lebte, nunmehr die Wahl, schon als Erdenmensch
sich seelisch mit dem Wesen Christi zu vereinigen oder ein Seelenspiegel
Lucifers zu sein.
Weil Lucifer, trotzdem er verwundet wurde, noch immerzu tätig ist
und seine Werke, durch die er die Menschheit und den einzelnen Menschen verführen
möchte, von mannigfaltiger Art sind, so schwankt die Waage, auf welcher
sich die Menschheit befindet, im Laufe der Zeit bald nach der linken, bald
nach der rechten Seite.
Diese Schwankungen sind von zweierlei Art; es ist entweder die Menschheit
selber, die in Bezug auf ihr inneres seelisches Leben die rechte Seite
verläßt, oder es sind die äußeren Umstände,
die zeigen, daß Lucifer mit seinen Scharen das Gleichgewicht zerstört
und sich bemüht, die linke Seite herunterzubringen. Denn so oft der
Schwerpunkt auf die rechte Seite der Waage gelegt ist, wird von Lucifer
versucht, ein Gegengewicht zur linken Seite aufzustellen. Dieses Gegengewicht
ist immer der Gegensatz
zu dem, was zur Rechten gegeben worden ist, damit die wahre geistige
Kraft durch die Wirkung Lucifers neutralisiert werde.
Schon in den ersten nachchristlichen Zeiten zeigt sich die Gegenwirkung
Lucifers in den äußeren Umständen, welche als die Christenverfolgungen,
insbesondere bei den Römern, auftreten und das Werk der Apostel mit
Zerstörung bedrohen. Daß diese Schwankungen aber nur von äußerer
Art sind, zeigt sich an der inneren Stärke und seelischen Kraft, mit
welchen die Jünger und Nachfolger Christi den Martertod erleiden für
ihren Glauben.
Seelische Schwankungen offenbaren sich erst in späteren Zeiten,
als viele den Glauben verlieren, sich von der christlichen Gemeinde
lossagen und sich zu einem anderen Glauben bekennen. Die christlichen Gemeinden
selber zeigen dieses Schwanken, als sie sich, im Gegensatz zu den Worten
des Erlösers: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt", als Hauptziel
stellen, ein irdisches Reich zu stiften.
Die Kraft des Gottes-Sohnes bleibt jedoch am Ende immer siegreich und
wird nur im zeitlichen Aspecte scheinbar in den Hintergrund gebracht, sie
ist dennoch da und offenbart sich wiederum, wenn die Möglichkeit kommt;
denn diese Kraft ist e w i g, während Lucifer nur in der Zeit wirken
kann und seine Wirkung deshalb stets durch das Gesetz der Zeit unterbrochen
wird.
Die erste Linie, die, vom letzten Abendmahle ausgehend, die Arbeit der
Apostel als Diener und Vermittler Christi und derjenigen zeigt, die ihre
Nachfolger sind, trägt einen öffentlichen Charakter, weil sie für
die ganze Menschheit zeugt und für alle Zeiten das Bündnis mit dem
Gottes-Sohn, vermittels der Apostel und ihrer Nachfolger, darstellt, durch
das Empfangen der heiligen Taufe und die Teilnahme an dem Eucharistischen
Mysterium.
Von der zweiten Linie, die als Centrum das heilige Gefäß
als Symbol des Herzen Christi hat, ist weniger offenbart worden. Es wird
erwähnt, wie Joseph von Arimathia ein Gefäß, den Kelch
mit dem heiligen Blute Christi, mitten unter heidnische Völker trägt
und diese mit der Kraft und Gewalt des Heiligen Geistes in Beziehung bringt,
aufdaß sie statt der heidnischen
Magie und Götteranbetung das Wesen des Heiligen Geistes, verbunden
mit dem Gottes-Sohn und dem Vater, erkennen und annehmen. Das Herzblut Christi,
das die Erlösung der ganzen Erdenmenschheit und insbesondere der heidnischen
Völker herbeiführte, sollte in die Länder jener Völker
getragen werden, die, ferne von dem Orte lebend, in dem der Gott-Mensch
sich geopfert hatte, von der Tat des Opfers und der Möglichkeit der
Erlösung keine Kenntnis hatten. Gleichwie ein lebendiger Bote ging
dieses heilige Gefäß, als Symbol des Herzens
Christi, zu den Völkern Europas, auch Indiens, und die Spuren jenes
Ganges werden hier und dort noch gefunden in den Legenden vom heiligen Graal.
Auch mit dieser Linie sind Schwankungen verbunden, die durch das Gegengewicht
Lucifers das Gleichgewicht der Waage stören. Insbesondere ist die
Kraft des Herzblutes Christi eine Macht, für die Lucifer den Gegensatz
unmittelbar bilden kann, weil auch er eine Herzwunde trägt. So stellte
er sein Herzblut dem des Gottes-Sohnes entgegen und versuchte die Kraft
des heiligen Graal durch die des Anti-Graal zu vernichten.
In Gegensatz zur Kraft des Heiligen Geistes stellte Lucifer die Kraft
der falschen Magie. Statt des Abbildes des Heiligen Geistes — des Weisheitselementes,
der wahren Sapientia, der reinen himmlischen Lichtjungfrau, der Schützerin
des heiligen Gefäßes — führte Lucifer das unreine weibliche
Prinzip herbei, das Abbild und die Vermittlerin der falschen Magie, die
weibliche Schlange, die ihm — seit dem Fall der Engel im dritten Schöpfungsraum
— als Spiegel seines Wesens dient. Sie ist der Gegensatz der Lichtjungfrau,
und als solcher die Dienerin des Herzens Lucifers; sein Herzblut enthält,
statt des Lebens und des lebendigen Odems Gottes, Verwesungskräfte,
Verderbnis und geistigen Tod.
In Richard Wagners Werk „Parsifal" wird ein Bild von Lucifers Taten
gegeben in dem Wirken Klingsors. Die weibliche Schlange, das unreine weibliche
Element, verbunden mit dem Wesen der luciferischen Magie, wird in Kundry
verkörpert. Amfortas und Parsifal zeigen die beiden Seiten der Waage;
Amfortas wird durch Kundrys, der Dienerin Klingsors, Einfluß nach
der linken Seite hinuntergezogen, als Überwinder Kundrys, wirft die
Waage nach der rechten Seite hin, sodaß durch ihn auch der verwundete
Amfortas geheilt und Kundry erlöst wird. Diese Erlösung Kundrys
ist zugleich ihr Tod, und Parsifal, als Erlöser, führt notwendigerweise
ihren Tod herbei, gleichwie Michael die weibliche Schlange im makrokosmischen
Aspect der Gewalt Lucifers entzog, sie dadurch erlöste und ihr zugleich
den Kopf zertrat.
«««««
Kapitel VII.
Die Herzwunde, welche Lucifer trägt, seitdem Christus in Menschengestalt
auf Erden gelebt und den Tod überwunden hat, nimmt Lucifer einen Teil
seiner Kraft, mit welcher er immerzu dem Willen Gottes entgegenwirkt, um
sein eigenes Reich zu verstärken. In Bezug auf das, was Lucifer geworden
ist, seitdem er die himmlischen Regionen verlassen hat, wird damit seine
Macht gebrochen. Michael, der große Gegner Lucifers, ist zum Hüter
dieses neuen Centrums bestellt worden und dadurch mit Lucifer in unmittelbarere
Verbindung getreten. Da Lucifer in Michael sein eigentliches Urbild sehen
muß, als das, was er hätte sein können und sein sollen, wenn
er nicht durch seinen Fall sich in den Abgrund gestürzt und in das Gegenbild
Michaels verwandelt hätte, so ist es beständig seine Absicht, Michael,
als den lebendigen Vorwurf, zu bekämpfen und zu vernichten.
Als der Gott-Mensch sich unter die Erdenmenschheit begibt, welche, nach
dem Fall aus dem Paradiese, unter Lucifers Gewalt geraten ist, so muß
Er zunächst dieser Menschheit, insoweit sie das Wesen Lucifers in
sich abbildet, die Herzwunde schlagen.
In der Gestalt des Menschen Jesus hält Er der Menschheit das Bild
vor von dem, was sie eigentlich hätte sein sollen und sein können,
wenn sie sich nicht durch Lucifer hätte verführen lassen. Wie
der lebendige Vorwurf steht der Mensch Jesus da, indem er zeigt, was der
Mensch seinem Urbilde nach innerlich ist. Der Unterschied zwischen diesem
Bilde und dem, was aus dem verdorbenen Abbilde geworden ist, was der Mensch
sich selber nennen muß, bewirkt die schmerzvolle Verwundung im Innersten
seines Wesens. Als mit Lucifer verbundenem Menschen wird ihm die Herzwunde
geschlagen; dadurch aber, daß ihm das himmlische Urbild entgegentritt,
wird eine innere Verbindung möglich zwischen dem himmlischen Urbild
und dem irdischen Abbild des Menschen. Es findet der Gott-Mensch den Eingang
in das Herz eines jeden Menschen, denn in der Herzwunde wird Christus ein
Platz bereitet.
Es ist also nicht nur von dem Herzen Lucifers aus der Weg gelegt worden,
der aus den Regionen der Hölle zu den höheren Regionen zurückführen
kann, sondern im Herzen eines jeden Menschen befindet sich das neue Centrum,
das durch den Mittler Christus ein wahres Abbild der Trinität sein
kann.
So wie Christus die Menschheit innerlich verwundete in Bezug auf ihre
verdorbene Natur, welche als die irdische Form und die seelische Hülle
des Eigenwillens, Eigenfühlens und Eigenwissens — das umgekehrte Prinzip
des göttlichen Willens, der göttlichen Liebe und der göttlichen
Weisheit — den geistigen Kern des Menschen umgibt, und damit diesen geistigen
Kern mit dem Wesen der Trinität verbunden hat, so erhält Christus
äußerlich dieselbe Wunde an der irdischen Hülle mit der
Kreuzigung und erlebt sie seelisch in Gethsemane. Denn dadurch nur konnte
Er die Erlösung bringen, daß er jene Wunden, welche die Menschheit
innerlich erhalten mußte als Bedingung der Erlösung, auf sich
nahm und für sie tragen wollte. Denn so wie Er die luciferische Natur
der Menschheit zerbrach, sollte auch das zerbrochen werden, was Er, der Gott-Mensch,
als menschliche Hülle angenommen hatte, da Er Mensch unter den Menschen
war. Das menschliche A bb i 1 d wurde gekreuzigt, damit das menschliche
Urbild auferstehe.
In der Gestalt dieses menschlichen Urbildes fährt Christus hinunter
in die drei Regionen der Hölle. So wie Christus, während Er auf
Erden ist, das himmlische Urbild der Menschheit mit dem irdischen Abbild
vereinigt, indem er die Kräfte des Urbildes in die Erden-Menschheit
einströmen läßt, so nähert sich Michael, als Christus
die drei Regionen der Hölle durchschreitet, dem Herzen Lucifers als
himmlisches Urbild dessen, was Lucifer ohne seinen Fall hätte sein können.
Die Seiten- oder Herzwunde, welche Christus nach dem Kreuzestode an Seiner
irdischen Hülle am Kreuze trug, ist das Zeichen der Erlösung für
die ganze Menschheit und der Erde selber.
Das Blut Christi, welches, gehütet durch Joseph von Arimathia,
in dem durch seinen Inhalt geheiligten Kelch den Heidenvölkern gebracht
wird, ist das äußere Symbol dessen, was in dem Herzen eines jeden
Menschen, sowie im Centrum der Erde als heiliges Gefäß vorhanden
ist, seitdem Christus das Leben und den Odem Gottes, gleichwie sein eigenes
Wesen dort hineingelegt hat.
Weil dieses Heiligtum so einen direkten Gegensatz zu seiner Umgebung
bildet, da es in die von Lucifer beeinflußten Menschenherzen und als
äußerliches Symbolum inmitten der Heidenvölker gestellt ist,
die insbesondere von Lucifer beherrscht werden, kann der Weg zu diesem heiligen
Gefäß nur durch Kampf und vielerlei Streit führen. Wäre
es nicht so, daß der mächtige Michael der Hüter jener göttlichen
Kräfte ist, welche durch Christus in das Centrum der Erde hineingelegt
wurden, und daß der getreue Joseph von Arimathia, als Hüter des
heiligen Graal, unmittelbar unter dem Schutz des großen Erzengels Michael
stünde, so hätte Lucifer den Sieg errungen und das im Centrum
seines Reiches aufgestellte Gefäß mit dem heiligen Inhalt in seine
Gewalt gezogen.
Da es Lucifer nicht gelingen konnte, das wahre Symbol des Herzens Christi
zu zerstören, hat er diesem wahren Symbol ein anderes gegenübergestellt,
welches das Symbol seines eigenen Herzens ist und, als solches, entgegengesetzte
Kräfte enthält. Es ist damit die Quelle gegeben für den
Dualismus, der sich überall zeigt, wo noch irgendwelche Hinweise in
Bezug auf die Geschichte des heiligen Gefäßes vorhanden sind.
Die meisten der Legenden vom heiligen Graal tragen die Spuren der Taten
Lucifers und seiner Diener, als die verführerische, halb mystische,
halb ästhetische Zauberei, welche mit dem heiligen Gefäß
verbunden wird. In der Legende von Merlin und in der romantischen Färbung,
welche insbesondere durch die Troubadoure des zwölften Jahrhunderts
die Graal-Legenden erhalten haben, offenbart sich das. Denn ein größerer
Gegensatz als zwischen der Stimmung jener Legenden und dem Wesen des wahren
Gefäßes, d. h. des Abendmahlkelches mit dem Herzblute (sanguis
realis) Christi, welches, als Symbol des Herzens Christi, unmittelbar das
Bild des Erlösers am Kreuze hervorruft, ist wohl nicht zu denken.
Was an Legenden über den heiligen Graal vorhanden ist, wird gewöhnlich
in drei Teile eingeteilt. Der erste Teil ist der Roman vom Graal; in diesem
wird erwähnt die wunderbare Reise des Joseph von Arimathia mit dem
heiligen Gefäß über das Meer bis Großbritannien, nachdem
er im Oriente vermittelst des Heiligtums das Christentum verbreitet und den
religiösen Orden des „Viereckigen Tisches" gestiftet hat für die
mystische Kommunion des heiligen Graal. Nach manigfaltigem Streit und vielerlei
Überwindungen geht die heilige Reliquie auf der Insel selbst verloren.
Die Hüter oder Priester vom heiligen Graal zeichnen sich aus durch
Strenge und Reinheit; sie sind Asketen, und die Bedingung zur Schauung des
Graal ist Jungfräulichkeit. Auf Joseph folgt sein Neffe Alain als Hüter
des Graal.
Im zweiten Teil der Legenden vom Graal, im „Roman von Merlin", wird
der Runde Tisch als ein Orden von Rittern beschrieben, den der König
Uther-Pendragon, auf Rat Merlins des „Zauberers", in England errichtet,
um die verlorenen Reliquien wieder zu finden. König Uther, und nach
ihm sein Sohn König Arthur, haben zwölf Paar Ritter, die den Versuch
machen, die Reliquien zu finden. Sie lassen sich aber durch ihre Freude
an Turnieren und Abenteuern davon abbringen. Nur Parceval wird König
vom Graal in einzelnen Legenden, während andere Galahad als solchen
nennen, nachdem sich der Betreffende durch viele Kämpfe und Prüfungen
dazu würdig zeigte. Dieser Weg zum Graal wird in dem dritten Teil der
Graal-Legenden beschrieben.
Während der erste Teil der Legenden vom Graal sich mit der Geschichte
Josephs von Arimathia beschäftigt und einen durchaus religiösen
Charakter trägt, ist der zweite Teil — der Roman Merlin — von einem
anderen Geist durchdrungen. Die Geschichte von Joseph von Arimathia bis
zur Zeit, da die heilige Reliquie verborgen wird, knüpft direkt an
den Kreuzestod Christi und das heilige Blut des Erlösers an. Lucifers
Wirkung offenbart sich da, wo, nach vielerlei Kämpfen und Überwindungen,
dennoch das heilige Gefäß vor den Blicken der Menschheit verborgen
werden muß, weil die Menschen nicht rein genug sind, um es in ihrer
Mitte zu behalten.
Im zweiten Teil der Legenden, dem „Roman von Merlin", ist die Wirkung
Lucifers schon deutlicher zu sehen in dem Geist, der da auftritt. Auch
sind es nicht mehr Priester, sondern Streiter, Ritter, die an der Tafelrunde
teilnehmen. Der religiöse Orden des „Viereckigen Tisches" für
den mystischen Dienst des heiligen Gefäßes, welchen Joseph von
Arimathia als Erinnerung an das heilige Abendmahl im Orient stiftete, hat
schon dem „Runden Tisch", der „Tafelrunde" am Hofe des Königs Platz
gemacht, welcher statt von Priestern von den weltlichen Rittern besetzt wird.
Das heilige Gefäß befindet sich nicht in ihrer Mitte.
Merlin der Zauberer, geboren aus der Verbindung einer reinen Jungfrau
mit Lucifer, trägt eine Doppel-Natur in sich, indem er die Macht der
Zauberei und Magie mit dem Streben zum Guten vereint. Diese dualistische
Natur ist seinem ganzen Wirken eingeprägt. Das Suchen nach dem heiligen
Graal, angefangen mit der Einstellung der „Tafelrunde", endet mit Rittertum
und Frauendienst, mit Kampf und Abenteuer. Am Hofe des Königs Arthur
erscheinen die Ritter mit ihren Damen und führen ein Leben des weltlichen
Genusses. Es wird von König Arthur einerseits erwähnt, wie er
viele Länder durchreist, viele Heiden zum Christentum bekehrt; anderseits
aber wird sein Hof allmählich zum Centrum aller weltlichen Vergnügen.
Merlin hat seine dualistische Natur seinem Werke eingeprägt und er
— der Zauberer, dem alles bekannt war, der Vergangenheit, Gegenwart und
Zukunft wußte — läßt sich von einer Fee „Viviana" einkerkern
mittels magischer Formeln, welche er sie selbst gelehrt hat.
In Tennysons Werk „Die Idyllen des Königs" (The Idylls of the King)
wird die Persönlichkeit des Königs Arthur (oder Artus) als vollkommen
bezeichnet. Merlin wird geschildert als derjenige, der den König erzieht
und ihm dann Gelegenheit gibt, seine Aufgabe zu erfüllen. Von Merlin
erhält König Artus sein wunderbares Schloß und sein Schwert
„Excalibur" und die ersten Anweisungen zur Errichtung der Tafelrunde. Dann
aber ist und bleibt der König der Held, um den herum sich alle weiteren
Erereignisse abspielen, bis er endlich, verraten und verlassen von der
Königin Ginevra und dem mächtigen Ritter Lancelot, umgeben von
einem aus Rittern und Damen bestehenden Hofe, für den das weltliche
Vergnügen Hauptsache ist, verwundet durch seine Feinde, verschwinden
muß, so wie der heilige Graal selbst den Menschenblicken entrissen
worden war.
In Tennysons Schilderung des heiligen Graal ist es nicht Perceval, der
als König des Graal gekrönt wird. Der heilige Graal wird da im
geistigen Aspecte beschrieben wie eine himmlische Vision, zuerst durch eine
heilige Nonne, die Schwester Percevals, geschaut. Perceval geht zwar aus,
den heiligen Graal zu suchen; er schaut ihn auch, doch ist er nur Zuschauer
des Ereignisses, als Galahad, erleuchtet vom heiligen Graal, den Weg hineinfindet
in die himmlische Stadt, welche die Heimat des Graal ist und woselbst er zum
König gekrönt wird. Perceval kehrt dann zurück an den Hof
des Königs Artus und verbringt den Rest seines Lebens in einem Kloster.
Im dritten Teil der Graal-Legenden, „das Wiederfinden des Graal", ist
Parsifal der Held, der den Sieg erlangt und König des Graal wird.
Parsifal wird aber auf verschiedene Weise charaktrisiert. In einzelnen
der Legenden stellt er das Ideal von Reinheit, Mut und Kraft dar und kommt
dem Typus der Priester des Graal nahe, welcher von Joseph, Alain und Galahad
dargestellt ist.
Chrestien de Troyes im 12. Jahrhundert beschreibt Perceval, seiner Zeit
gemäß, als Ritter und Helden von mannigfaltigen Abenteuern mit
Rittern und Damen und läßt ihn die Ehe schließen mit seiner
Geliebten Blanche-Fleur. Die Bedingung der Jungfräulichkeit zur Erwerbung
des heiligen Graal wird von dem Troubadour Chrestien des Troyes nicht anerkannt.
In Richard Wagners Meisterwerk ist das Bild Parsifals ungetrübt
durch irdische Leidenschaft wiedergegeben. Innere Reinheit und Torheit in
Bezug auf irdische Erkenntnis sind die hervorragendsten Eigenschaften seines
Wesens. Wie anknüpfend an das letzte Abendmahl — an das heilige Gefäß,
das den Zwölfen von Christus selber dargereicht wurde, und an das
Opfer Christi, der Menschheit auf Golgatha gebracht — klingen die Worte
bei der Enthüllung des heiligen Graal: „Nehmet hin Mein Blut, nehmt
hin Meinen Leib, aufdaß ihr Mein gedenket". Doch ist auch da der
heilige Graal nur als ein schwaches Abbild geschildert von dem, was er
einstmals war in den ersten Zeiten nach Christus.
Parsifal ist der letzte König des heiligen Graal, welcher öffentlich
erwähnt wird. Lohengrin, der Schwanenritter, ist nicht König
des Graal genannt; er steht in Beziehung zu den Helden der Kreuzzüge,
wie zu Gottfried von Bouillon. Das heilige Gefäß mit seinem
Inhalt, dem nach dem Kreuzestod darin aufgefangenen Herzblut Christi, steht
in direkter Verbindung mit dem heiligen Grabe des Erlösers. Als das
heilige Gefäß verschwunden war, weil es niemanden gab, der es
zu hüten und zu pflegen wußte, da wurden die Herzen derer, die
vom heiligen Graal wußten, nach dem Grabe Christi hingezogen. Die
Kreuzzüge nach dem heiligen Land fingen an. Die Kreuzritter aber, die
im Anfang an ihren drei Gelübden: der Keuschheit, der Armut und des
Gehorsams, treulich festhielten und dadurch würdig waren, die Überwindung
der Heiden zu vollbringen, ließen sich allmählich zur Übertretung
dieser Gelübde verführen. Dadurch wurde die geistige Kraft, der
sie den Sieg verdankten, von ihnen genommen, weil sie sich der Befreiung
des heiligen Grabes unwürdig gezeigt hatten.
Vom heiligen Gefäß selber ist nichts mehr bekannt, weil die
heilige Reliquie verborgen wurde, als die Menschheit sich unwürdig gezeigt
hat, sie zu schauen. Wenn die heilige Reliquie auch unsichtbar wurde, so
ist sie dennoch da und ihre Wirkung bleibt. Derjenige, der die Bedingung des
heiligen Graal erfüllen kann, wird den Weg zu ihm finden. Wenn in der
Zukunft sich die Menschheit als würdig erweist, dann kann der heilige
Graal wieder offenbar werden; — sie soll das Wesen Christi im Herzen tragen,
dann wird das heilige Gefäß mit dem Blut des Erlösers, als
Symbol des Herzens Christi, ihr wieder gegeben werden.1)
1) Die beste wissenschaftliche Bearbeitung des gesamten Materials der
Gralsage gibt das Werk von Prof. W. Golther: „Parzival und der Gral". Ein
mystische Betrachtung desselben Themas im Sinne der Weisheit gibt die Schrift
„Der Tempel des heiligen Graal als Dichtung und Wahrheit" von Dr. L. Kobilinski-Ellis.
Gleichwie Lucifer dem heiligen Symbol des Herzens Christi, als dem neuen
Centrum der Kräfte Christi auf Erden, ein Anti-Centrum gegenüberstellt,
so ist es auch sein Bestreben, das zu zerstören, was die Kräfte
des neuen Centrums zurückstrahlt und die Peripherie formt. Diese Peripherie,
welche zugleich einen Schutz bildet zwischen dem Centrum und der äußeren
Umgebung, wird dargestellt von zwölf Dienern, die — gleichwie ein
Abbild der zwölf Jünger Christi — den reinen seelischen Spiegel
bilden können, welcher die vom Centrum ausstrahlenden Kräfte
in sich aufnimmt und in reinem, leuchtendem Abbilde widerspiegelt.
Wie die zwölffache Peripherie, von den Jüngern Christi geformt,
einstmals zerbrochen wurde durch den Verrat des Judas, so lag auch hier
die Gefahr vor, daß dem Abbild dieser zwölffachen Peripherie
Ähnliches widerfahren würde. Es ist unter den Zwölfen, die
das heilige Gefäß umringen, immer einer, der mehr als die anderen
der Gefahr unterliegt, dem Einfluß Lucifers zu verfallen, durch den
Platz, den er unter den Zwölfen einnimmt. Er soll deshalb mit besonderen
Kräften ausgerüstet sein, damit er nicht nur das heilige Gefäß
als Centrum, sondern auch die Peripherie vor der Einwirkung Lucifers bewahren
könne.
Die zwölffache Peripherie ist ein Abbild der zwölf Gestirne
aus der Region des Fixsternhimmels, und jeder von den zwölf Hütern
des heiligen Gefäßes steht mit den Kräften aus eines diesen
Gestirnen in unmittelbarer Verbindung.
Weil sich das Symbol des Herzens Christi auf der Erde und im Centrum
vom Reiche Lucifers befindet, sollen auch die sieben Centren, die sich als
die sieben Planeten in den verschiedenen Regionen des Kosmos unterhalb der
Region des Fixsternhimmels befinden, durch sieben Diener dargestellt werden.
Diese sind unmittelbar mit den Planeten verbunden, da sie die Kräfte
in sich spiegeln, welche durch die christlichen Hierarchien und die Erzengel,
als Hüter jener Planeten, Lucifer und seinen Scharen entgegenwirken.
Als zweite Peripherie, innerhalb der ersten, ist sie siebenfach, da
sie die kosmischen Regionen, wo die Zeit herrscht, abbildet. Die, welche
zu ihr gehören, haben auch die Aufgabe einer größeren Tätigkeit
in Bezug auf die äußere Welt, als die Zwölfe. Sie sind mehr
mit der materiellen Welt verbunden, während die Zwölfe die Grenze
darstellen zwischen dem Kosmos und den himmlischen Regionen.
So stellen die Hüter des heiligen Gefäßes ein Abbild
dar des makrokosmischen Umkreises der Erde, indem sie das Gefäß,
als Symbol des Herzens Christi, in ihre Mitte stellen, gleichwie das Abbild
des neuen irdischen Centrums, in welches die Macht der Trinität vermittels
des Gottmenschen einwirkt. Auf Erden steht das heilige Gefäß,
den Anknüpfungspunkt bildend zwischen Himmel und Erde. Die Sieben und
die Zwölf umringen es, als Symbol der sieben Planeten und der zwölf
Gestirne des Fixsternhimmels. Unmittelbar über diesen offenbart sich
das Wesen der Lichtjungfrau, als der hohen Schützerin des heiligen
Graal.
Mit dem göttlichen Blute Christi verbindet sich dann die Macht
der göttlichen Trinität. Sichtbar offenbart sich den Hütern
des Gefäßes der Weg, welchen Christus als Verbindung zwischen
dem neuen Centrum auf Erden und der göttlichen Trinität hergestellt
hat. Der Inhalt des heiligen Gefäßes leuchtet wie lebendig; ein
Strahl des himmlischen Lichtes, wie von oben herab fallend, verbindet sich
mit dem leuchtenden Inhalt. Die weiße Taube (Columba miraculosa), das
Symbol des Heiligen Geistes, wird inmitten des Lichtes offenbar und Christus,
vereinigt mit dem Wesen des Vaters, erscheint den Zwölfen, die als Peripherie
den seelischen Spiegel bilden, in welchem sein Abbild sich einprägt.
So sind die Vorgänge in den Mysterien des heiligen Graal; sie sollten
die alten heidnischen Mysterien ersetzen, die sich auf den Makrokosmos,
die Gestirne und Planeten, bezogen und in denen die Wesen, die damit verbunden
waren, angebetet wurden als höchste göttliche Prinzipien. Das
Centrum, von dem diese heidnischen Mysterien ausgingen, war das Wesen der
Erde, so wie es war, ehe Christus Seine Kräfte da hineinbrachte. In
manchen heidnischen Mysterien wurde daher ebenso ein Gefäß aufgestellt,
welches aber ein Symbol des Herzens Lucifers war. Daher wurde es manchmal
mit Menschenblut gefüllt und zu magischen Zwecken gebraucht. Dieses
luciferische Gefäß durch das christliche zu ersetzen und die
Ceremonien, welche sich auf Sternendienst bezogen, zu centralisieren in
das heilige Gefäß, gleichwie in einen neuen Mittelpunkt, aufdaß
der Sternendienst in den Dienst Christi gestellt wurde, — das gehört
zu den Aufgaben der Mysterien des heiligen Graal.
Die Ursache, weshalb gerade das heilige Symbol des Herzens Christi allmählich
zum Mittelpunkt einer Unmenge chaotischer Legenden und Erzählungen
geworden ist, welche mehrfach die wahre Bedeutung dieses Heiligtums entweihen
und einen direkten Gegensatz zu diesem bilden, ist wohl darin gelegen, daß
die Menschheit allmählich anfing, dem heiligen Gefäß an
sich einen höheren Wert zu geben als seinem hochheiligen Inhalt selber.
Die sichtbare Form des Heiligtums wurde über die geistige Kraft gestellt,
welche in ihr enthalten war. Statt sich geistig zu dem Standpunkt zu erheben,
auf dem das wahre Verständnis für das Symbol des Herzens Christi
in der menschlichen Seele auftreten kann, hat die Menschheit versucht, jenes
heilige Symbol nach dem Maß ihres eigenen Verständnisses zu erklären.
Sie hat es dadurch herabgezogen bis zu dem Punkte, wo es ein Centrum sein
konnte für verschiedene Taten, Wünsche und Geschehnisse, die
meistens einen mehr oder weniger weltlichen Charakter trugen.
So kann gesagt werden, daß das heilige Gefäß, welches
in die Welt Lucifers getragen worden ist, von der Menschheit mit den Augen
betrachtet wurde, die gewissermaßen zur Welt Lucifers selber gehören.
Als Folge davon kann der Mensch das wahre Wesen des heiligen Graal weder
schauen noch verstehen, weil er lernen muß, dazu das geistige Auge zu
verwenden. Darum ist das heilige Gefäß mit phantastischen Gebilden
umringt worden, welche auch aus der Welt Lucifers genommen sind. Sie formen
einen Gegensatz zu dem wahren Inhalt des Gefäßes, ähnlich
dem der luciferischen Umgebung gegenüber dem heiligen Symbol des Herzens
Christi. Nur demjenigen wird daher das wahre Mysterium des heiligen Graal
offenbar, der gelernt hat mit dem geistigen Blick zu schauen und die Welt
Lucifers in ihrem wahren Wesen zu erkennen.
Gleichwie der Mensch nach dem Sündenfall hinunterstieg in die Welt,
wo Lucifer herrscht — auf die Erde — und die Gestalt seines wahren Urbildes
zerspalten und zerbrochen wurde, so ist auch das heilige Symbol des Herzens
Gottes da, wo es nicht in seiner wahren Gestalt, seiner göttlichen
Natur nach, aufgefaßt wurde, von der Menschheit in die niederen Regionen
des Verstandes hinuntergezogen worden; dadurch zeigt es, statt der ursprünglichen
Gestaltung, ein zerbrochenes und verderbtes Abbild der Bedeutung seines
wahren Wesens.
Es ist beschrieben worden, wie sich beim Menschen nach dem Sündenfall
das physische Herz, als das Abbild
des wahren geistigen Centrums seines Wesens, gebildet
hat. Weiter projiziert sich dieses Centrum im oberen Teil des Menschen,
welcher unter Michaels Einfluß steht, in das Gehirn; in dem unteren
Teil des Menschen, der Lucifers Wirkung mehr ausgesetzt ist, entstehen
die Organe, in welchen sich die Tätigkeit des Gehirns vom oberen Teil
des Menschen spiegelt. So muß in dem zerbrochenen Abbilde des menschlichen
Urbildes das Herz als Hauptcentrum betrachtet werden, während die
zwei anderen Centren eine Projektion bilden und die Wirkung des Hauptcentrums
auf zweierlei Weise veräußerlicht wird.
Im wahren menschlichen Urbilde aber bleibt das einheitliche Centrum
bestehen und ist die Zerspaltung, die als Ergebnis des Falls auf Erden
nur für die niederen Regionen der Offenbarung besteht, nicht vorhanden.
Vom heiligen Symbol des Herzens Gottes kann dasselbe gesagt werden.
Im wahren geistigen Aspecte ist es da als das eine wahre Symbol des lebendigen
Herzens Christi. Sobald aber die Menschheit vom heiligen Gefäß
unterrichtet wird und sich nicht zum geistigen Verständnis und zur mystischen
Schauung der Reliquie aufschwingt, zieht sie die Gestalt des heiligen Gefäßes
in ihre niedere Vorstellungswelt hinein. Dadurch entsteht ein irdisches
Abbild der wahren Gestalt und dieses entwickelt sich zum zerbrochenen Zerrbilde.
Es zerteilt sich dieses Zerrbild weiter und, wie beim menschlichen Abbilde,
entstehen aus dem einen wahren Centrum Projek tionen, durch welche die Wirkungen
des Hauptcentrums auf zweierlei Weise veräußerlicht wird.
Aus dieser Zerspaltung der einstmalig einheitlichen Betrachtung des
heiligen Graal in drei Hauptlinien gehen die Verschiedenheiten und chaotischen
Auffassungen hervor, die sich alle um das heilige Gefäß gruppieren.
Das Verständnis dieser drei Centren: des wahren Mittelpunktes und
der zwei Projektionen, auch hier nach oben und nach unten, gibt der Ariadne-Faden
durch das Labyrinth der Sagen, Legenden und Dichtungen verschiedenster
Art, welche das heilige Gefäß umgeben. Als Symbol des lebendigen
Herzens Christi ist der heilige Graal zunächst beschrieben worden in
den Legenden, welche — unmittelbar anknüpfend an das Mysterium von Golgatha
und den Abendmahlkelch, in dem das Herzblut des Erlösers aufbewahrt
wurde — sich auf Joseph von Arimathia beziehen. Die in dem Werk von Robert
de Borron erwähnte Legende, daß Jesus selbst Joseph im Gefängnis
erscheint und ihm verkündigt, was weiter mit dem heiligen Gefäß
geschehen soll — die Aufgabe, die heilige Reliquie inmitten der Heidenvölker
zu tragen, aufdaß auch sie dadurch die Kraft des Christentums erfahren
mögen — und weiter die Mahnung, daß nur drei verschiedene Menschen
nacheinander Priester des heiligen Graal sein durften — als Abbild der
Trinität Gottes —, dies alles zeigt hin auf die ursprüngliche und
centrale Auffassung des heiligen Gefäßes, als des wahren ewigen
Symbols des lebendigen Herzens Christi, unmittelbar verbunden mit dem auferstandenen
Gott-Menschen Jesus Christus, der dem ersten Priester und Hüter dieses
Heiligtums seinen Willen kundgibt. Von diesem heiligen Graal wird in keinen
der späteren Graallegenden mehr gesprochen.
Von diesem heiligen Gefäß wird erwähnt, daß es
von Engeln gepflegt und gehütet wurde in den himmlischen Regionen in
jenen Zeiten, da die Menschen auf Erden noch nicht durch die Taufe gereinigt
und gewürdigt waren, es zu übernehmen.
Ehe der Gottmensch auf Erden lebte, als Er, auf Seinem Weg zur Erde,
die Chöre der Hierarchien durchwanderte, waren es die Engel, deren himmlische
Regionen dem Menschenreich am nächsten liegen, die das innerste Wesen
des Gottes-Sohnes, das Herz Gottes, in ihrer Mitte hatten, ehe es sich für
die Erde offenbarte. Als sich dann unter den Erdenmenschen solche fanden,
die durch die heilige Taufe Anteil am Gottes-Sohn erlangt hatten, war das
wahre Wesen Christi — das Herz Gottes — inmitten dieser Menschen anwesend.
So konnten die, welche ihr eigenes innerstes Wesen mit dem des Gottmenschen
verbanden, wie es Joseph von Arimathia tat, das Symbol des lebendigen Herzens
Christi, den heiligen Graal, hüten und pflegen.
Wie der heilige Graal unter heidnische Völker getragen wird, wie
er aber hernach verschwinden muß vor den Blicken der Menschen, weil
diese sich als unwürdig erweisen, die heilige Reliquie in ihrer Mitte
zu behalten, das alles wird noch weiter in den Legenden beschrieben, die
sich auf Joseph von Arimathia beziehen. Damit ist all das, was auf das
heilige Gefäß deutet als Symbol des Herzens Gottes, beendet.
In keiner der mannigfaltigen Auffassungen über die Bedeutung des heiligen
Graal ist weiter noch die Rede von dem Gefäß als einer christlichen
Reliquie, durch welche die Kraft und das Leben
Christi in den heidnischen
Völkern wirkt als das
lebendige Herz Christi. Der heilige Graal, gedacht als das wahre ewige
Centrum göttlicher Kraft, welches inmitten der Menschheit geblieben
ist, seitdem der Gott-Mensch auf Erden lebte, knüpft sich als solches
unmittelbar an das letzte Abendmahl, das durch den Erlöser mit seinen
Aposteln gehalten wurde; ebenso nehmen von hier aus die Taten der Apostel
ihren Ausgangspunkt. Der Abendmahlkelch, in welchem das erste Opfer der
Eucharistie von Jesus selbst gebracht wurde, wird als derselbe Kelch betrachtet,
in dem Joseph von Arimathia das Herzblut Christi aufbewahrt hat. Das wahre
innere Verständnis des heiligen Graal bringt ihn zusammen mit dem geheiligten
Kelch der ersten christlichen Gemeinde, wie auch die Aufgabe Josephs von
Arimathia und die der Apostel dasselbe Ziel hat: die Verkündigung des
Christentums und die Bekehrung der Heiden. Wo das wahre geistige Verständnis
der heiligen Reliquie auftritt, da wird die Einheit zwischen Abendmahlskelch
und dem heiligen Graal sich offenbaren, gleichwie die Einheit des Strebens
den Worten Christi gemäß das Evangelium allen Völkern zu
verkündigen.
Anders ist es, wenn die esoterische Hauptlinie verlassen wird und die
beiden anderen Centren sich geltend machen, welche die Veräußerlichung
der Kräfte des ursprünglichen Centrums darstellen. Diese beiden
Centren sind wie zwei Pole, durch welche die Kräfte des wahren Centrums
sich in zerbrochener Weise offenbaren. Sowie beim Menschen die Zerspaltung
des Herz-Centrums nach oben in das Centrum des Gehirns, nach unten in das
der Pudenda auftritt, so entstehen aus der Hauptlinie des heiligen Graal,
welche als die des Herzens bezeichnet worden ist, zwei Linien, von welchen
die eine verglichen werden kann mit einer Projizierung der Hauptlinie nach
oben, während als Gegenpol eine andere nach unten auftritt.
Nachdem der heilige Graal für die Blicke der Menschen verborgen
ist, erscheint später im Laufe der Zeiten eine Offenbarung des heiligen
Gefäßes, welches dann nicht mehr als ein Symbol des Herzens
Gottes aufgefaßt werden kann, mit dem, was sich im Menschen als die
höchste, geistige Tätigkeit des Gedanken-Schaffens ausnimmt:
Gedanken, welche sich nicht auf die Welt Lucifers beziehen, sondern unmittelbar
aufwärtsstreben und sich in die himmlischen Regionen erheben. Mit solcher
Gedankenkraft, die sich zur göttlichen Weisheit hinbewegt, ist jene
Erscheinung des heiligen Graal verbunden; sie offenbart sich der Menschheit
wieder als Veräußerlichung der göttlichen Kraft des eigentlichen
Centrums, des Herzens Christi, nachdem das wahre Symbol aufgehört
hat sichtbar da zu sein.
Nicht wie das Symbol des Herzens Christi sollte jene zweite Offenbarung
des heiligen Graal von drei auserlesenen Priestern durch die Welt getragen
werden, sondern an einem festen Ort auf Erden sollte der heilige Graal stehen
und geschützt werden vor der Außenwelt durch diejenigen, die ihn
hüten konnten. So wird dann von der Burg des heiligen Graal gesprochen,
von jener Burg, die, gleichwie ein Adlernest auf hohem Felsen ragend, nur
umringt ist von den Himmelswolken und umgeben von einer überirdischen
Stille. Sowie im Kopf des Menschen, erhoben über alle anderen Teile
seines Organismus, in geheimnisvoller Stille die Erschaffung solcher Gedanken
vor sich geht, welche, ohne Anregung von äußeren Sinneseindrücken,
sich nur auf die himmlische Weisheit richten, so ragt die Graal burg empor
über ihre irdische Umgebung, auf hohen Felsen gebaut, abgetrennt von
der äußeren Welt und ungestört von Eindrücken aus derselben.
In dieser Burg wurde das heilige Gefäß bewahrt, welches das
Blut Christi enthält. Ist mit dem centralen Symbol des heiligen Graal,
als Herz Gottes, jene Kraft zu verbinden, die von dem urväterlichen
Centrum ausstrahlt und seine eigene Peripherie bildet, so hat die zweite Offenbarung
des heiligen Graal Beziehung zu jenen urmütterlichen Kräften, die
als Peripherie das Wesen der himmlischen Lichtjungfrau offenbaren. Daher
kann auch das erste Symbol als wahres Centrum überallhin getragen
werden und in eine verschiedene Umgebung, wie in eine Peripherie, seine
centralen Kräften ausgießen als das Herz Christi. Das zweite
Symbol aber soll selbst centralisiert werden; es soll als seine Umgebung
ein festes Centrum haben, in dem es tätig ist und durch welches es
auch geschützt wird gegen weitere Expansion und der damit verbundenen
Gefahr der Zerspaltung.
So wird der heilige Graal, als Symbol der geistig-schaffenden Gedankenkraft,
in der Graalburg aufbewahrt. Wie Michael der Hüter des heiligen Graal
ist, seitdem Christus sich auf Golgatha der Menschheit opferte, so ist
Michael wiederum Hüter der zweiten Offenbarung des heiligen Graal,
welche verbunden ist mit der Kraft des geistigen Gedanken-Schaffens im
Menschen. Im Menschen wirkt diese Kraft vermittels des edelsten Teiles
im Gehirn im oberen Teil des Organismus, der insbesondere unter Michaels
Einfluß steht, im Gegensatz zum unteren Teil, in dem Lucifer stärker
wirkt. Es ist das Wesen der himmlischen Lichtjungfrau, vereint mit der Kraft
des Heiligen Geistes, welches zur zweiten Offenbarung des heiligen Graal
Beziehung hat, und ihre Kräfte verbinden sich mit denjenigen des großen
Erzengels Michael, des Hüters des heiligen Gefäßes.
Die erste Offenbarung des heiligen Graal als des Herzens Christi vermittelt
das ewige Leben, die Auferstehung in Christus. Der Gottes-Sohn, vereint
mit dem Vater, strahlt vermittels jenes Centrums göttliche Liebe und
geistiges Leben in den Kreis derjenigen ein, zu denen es hingetragen wird.
Mit der zweiten Offenbarung des heiligen Graal ist die Kraft des Lichtes
verbunden; sie ist durchleuchtet mit der göttlichen Weisheit, dem Wesen
der Lichtjungfrau, und strahlt durch die göttliche Liebe des Sohnes.
Mit ihr vereinigt ist die Kraft des Heiligen Geistes, die sich in der Gestalt
der weißen Taube offenbart. Aus himmlischen Regionen senkt sich die
Taube herunter auf das heilige Gefäß, wie einstmals bei der Jordan-Taufe
auf das Haupt des Gott-Menschen Jesus Christus, gleichsam die Verbindung
zwischen Himmel und Erde darstellend.
Der heilige Graal, als Symbol der göttlichen Weisheit, durchleuchtet
mit dem Wesen der himmlischen Lichtjungfrau, hat eine unmittelbare Beziehung
zur lichtvollen Peripherie der Himmelsrose und zu den drei himmlischen
Regionen des Empyreums, des Kristall-Himmels und des Fixstern-Himmels,
letztere mit der zwölffachen Einteilung. Daher müssen die, welche
als Hüter und Pfleger des heiligen Gefäßes in der Graalburg
verweilen, ein Abbild der zwölf himmlischen Constellationen darstellen,
sodaß zwölf Hüter da sind, von welchen ein jeder die besonderen
Kräfte aus einem der zwölf Gestirne
in sich spiegelt. Vereinigt sind
sie ein Abbild des Lichtes der Weisheit, in
welchem sich das Wesen der himmlischen Lichtjungfrau offenbart, indem jeder
für sich das Abbild des großen Hüters des heiligen Gefäßes
darstellt, sodaß das Wesen Michaels sich in ihm spiegelt. Reinheit,
Standhaftigkeit oder Treue und die völlige Hingabe aller Kräfte
in opferfähiger Entsagung, das waren die ersten drei Bedingungen, welche
die zwölf Hüter des heiligen Graal zu erfüllen hatten, da
sie die Kraft der himmlischen Lichtjungfrau und den Starkmut Michaels in
sich spiegeln sollten.
Es ist weiter oben erwähnt worden, daß noch eine zweite Peripherie
da war, welche in siebenfacher Zerteilung ein Abbild der sieben Centren
darstellte, die als Planeten im Kosmos gebildet wurden durch die Wirkung
Lucifers und die entgegenwirkenden Taten der Diener Gottes. Das heilige
Gefäß nicht so unmittelbar umgebend, hatten die, welche einen
Teil dieser siebenfachen Peripherie ausmachten, die Aufgabe, die Wirkung
der göttlichen Boten in sich zu spiegeln, so wie diese Lucifer bekämpfen.
Gleichsam das Abbild jener göttlichen Boten darstellend, sollten diese
sieben Diener des heiligen Graal, gleich Boten, von Zeit zu Zeit in die Welt
hinausziehen mit dem Ziele, für irgend welchen bestimmten Zweck die
Taten Lucifers auf besondere Art zu bekämpfen. Jeder dieser sieben Boten
ist verbunden mit dem Wesen eines der großen Erzengel, die auf einem
der im Kosmos gebildeten Centren oder Planeten den großen Widersacher
bekämpfen. Hatte ein solcher Bote, mit den Kräften des betreffenden
Erzengels bewaffnet, seinen Zweck erfüllt, dann kehrte er in die Graalburg
zurücks wo er teilnahm an jenen Mysterien des heiligen Graal, die ihm
Kraft verliehen, neue Taten zu vollbringen.
Diese Mysterien waren der mystische, ceremonielle Dienst des heiligen
Graal. Die Zwölf und die Sieben, als Abbild der zwölf Gestirne
und der sieben Planeten, bildeten hierbei den kosmischen Umkreis, in den
das heilige Gefäß als leuchtendes Centrum gestellt war. Dieses
zeigt eine gewisse Übereinstimmung mit den vorchristlichen Mysterien,
insbesondere mit den chaldäischen und ägyptischen. Auch da wurde
durch den Priester ein Abbild der zwölf Gestirne und der sieben Planeten
dargestellt, doch wurde in diesen Mysterien die Anbetung der kosmischen
Kräfte und magischer Sternendienst gepflogen.
Die magischen Priester letztgenannter Mysterien stellten gemeinsam die
Peripherie dar, und jeder von ihnen war Träger der Kräfte aus einem
der zwölf Gestirne oder von einem der sieben Planeten; auch da wurde
ein Centrum angenommen, in dem die kosmischen Kräfte der Gestirne sich
vereinigten und das wiederum als Mittelpunkt Kräfte in die Peripherie
hineinstrahlte. Doch konnte jener Mittelpunkt nur ein Centrum von magischen
Kräften sein; das heilige Gefäß, welches das reale Blut
des Erlösers enthält, war in den vorchristlichen Mysterien noch
nicht vorhanden. Auch jene Mysterien bezogen sich weniger auf die Region des
Fixsternhimmels und die urmütterliche Peripherie als auf die Weltseele,
die Magna Mater.
Es konnte sich das Wesen der himmlischen Lichtjungfrau damals nicht
auf solche Weise offenbaren, wie dies in
den christlichen Mysterien des heiligen Graal geschah. Erst mit der zweiten
Schöpfung vereinte sich das Wesen des Heiligen Geistes mit dem der Lichtjungfrau,
als sich das Angesicht des Sohnes aus der Trinität der Schöpfung
zugewandt hatte; dann erst, als Folge davon, lebt der Gottes-Sohn als Mensch
auf Erden und erhält das Wesen der Lichtjungfrau ihr Abbild auf Erden
in der jungfräulichen Mutter des Gott-Menschen.
So enthalten die ägyptischen Mysterien den Kultus der Wesen, an
deren Stelle in den christlichen Mysterien des heiligen Graal, der Vater,
der Sohn und der Heilige Geist treten. Die ägyptische Isis, welche in
Verbindung mit O s i r i s, ihrem durch Typhon zerstückelten Gemahl,
die Tragik darstellt, die nach dem Fall der Engel mit dem dritten Schöpfungsraum
entstand, dadurch, daß die Peripherie sich von dem Centrum getrennt
hatte, enthält, im höchsten Aspecte aufgefaßt, den Hinweis
auf die himmlische Lichtjungfrau, die leuchtende wahre Peripherie. O s
i r i s hat Bezug auf das urväterliche Centrum, das wie eine Quelle
des geistigen Lebens dasteht. H o r o s, der Sohn der Isis, deutet auf eine
Vorherfühlung des Kommens des Gottes-Sohnes Christi als Menschen-Sohn
auf Erden.1)
1) Es bestand ein großer Unterschied zwischen dem ursprünglichen,
viel mehr mystischen und dem späteren eher magischen Charakter der
alten ägyptischen Weisheit.
Weil sich die Kräfte der göttlichen Trinität erst mit
der Erde verbunden haben vermittelst des Gott-Menschen Christus, so sind
die drei Personen der ägyptischen Mysterien aufzufassen in Verbindung
mit dem Wesen des urväterlichen Centrums, der urmütterlichen Peripherie
und des Mittlers, noch als Bote zwischen diesen beiden Prinzipien, so wie
es bei der ersten Schöpfung war, ehe sich die Kräfte der Trinität
in dem Gott-Menschen Christus vereinten und durch Ihn unmittelbar
mit der Erde verbunden
wurden.
♦ * *
Sowie in den vorchristlichen Mysterien, die sich auf Magie und Sternendienst
bezogen und in jener Zeit gebräuchlich waren, da die Taten Lucifers
sich kraftvoll offenbarten, lag auch für die christlichen Mysterien
des heiligen Graal die Gefahr nahe, daß Lucifer sich auch dort einmischen
würde. In den ägyptischen Mysterien hatte in späteren Zeiten
das Prinzip des Eigenwillens bei der Ausübung der Magie die Überhand
gewonnen. Statt sich als die Diener Gottes zu betrachten, die, dem göttlichen
Willen gemäß, die Kräfte der Weisheit in Verbindung bringen
sollten mit den irdischen Verhältnissen, war die Mehrzahl der ägyptischen
Magier dazu gekommen, sich die Ausbreitung ihrer Macht zum Ziele zu setzen
und mit dieser Macht zu herrschen über andere. Dadurch konnte damals
Lucifer seine Kraft erst recht geltend machen und den Niedergang der wahren
Mysterien herbeiführen.
In den Graal-Mysterien war, an Stelle des magischen Centrums, zwar das
göttliche Centrum des heiligen Gefäßes mit dem realen Blute
des Erlösers gestellt worden, als Anknüpfungspunkt für die
Offenbarung des Heiligen Geistes, statt der früheren Ausübung der
Magie; doch war es insbesondere Lucifers Ziel, zu diesen christlichen Mysterien
dasselbe Verhältnis zu gewinnen, wie er es einstmals den ägyptischen
Mysterien der späteren Zeiten des Unterganges gegenüber hatte.
Es waren die Mysterien des heiligen Graal von Anfang an fortwährend und
auf das heftigste den Angriffen Lucifers ausgesetzt. Die Graalsburg war für
Lucifer wie die immer lebendige irdische Offenbarung der Wunde, welche ihm
durch den Opfertod Christi im Herzen zugefügt war.
Es war dem Widersacher schon gelungen, die Menschheit soweit zu beeinflussen,
daß sie sich als unwürdig erwies, das heilige Gefäß
als Symbol des lebendigen Herzens Christi zu schauen, sodaß es für
die Blicke der Menge unsichtbar wurde. Die zweite Offenbarung des heiligen
Gefäßes, als Symbol der höchsten Weisheitskraft unmittelbar
verbunden mit dem Wesen der Lichtjungfrau, war seiner Gegenwirkung nicht
weniger ausgesetzt. Seitdem mit dem Fall Lucifers die vier Zerspaltungs-Linien
entstanden waren, ist ihm die Macht geblieben, in jede Peripherie so einzuwirken,
daß eine Art Zerspaltung auftreten kann. Bei jedem zwölffachen
Umkreis ist diese Möglichkeit da und wirkt sich auch meistens aus.
Selbst unter den Aposteln Christi gab es einen, der in jenem zwölffachen
Kreis die Stelle einnahm, wo der Widersacher einwirken konnte. So war es
auch mit den Mysterien des heiligen Graal; es kam die Zeit, wo auch der
Einfluß Lucifers in jener zwölffachen Peripherie auftrat. Die
wahren Mysterien des heiligen Graal wurden entweiht, die Kraft des heiligen
Gefäßes gebrochen; kein Anknüpfungspunkt konnte es mehr
sein zwischen den himmlischen Regionen und der Erde; die Taube stieg nicht
mehr herab aus geistigen Höhen. Es mußte der heilige Graal mit
denen, die den wahren Mysterien treu geblieben waren, wiederum für
die Blicke der Menschheit verschwinden. Verborgen auch wurde der Menschheit
von dem Momente an die Kunde des heiligen Gefäßes und der Mysterien,
die sich auf dasselbe beziehen.
In dieser Zeit trat unter jenen Menschen, welche diesen Verlust im Innersten
ihrer Seele empfinden konnten, das Bedürfnis auf, sich hinzubegeben
an den Ort auf Erden, der die Heimat des heiligen Symbols war. Die Kreuzzüge
nach dem Heiligen Land, nach dem Grabe des Erlösers, fingen an. Es
wurde dann das Grab Christi die wertvolle Reliquie, die aus den Händen
der Heidenvölker genommen werden sollte. Diese Auffassung gab die Veranlassung
zu den Kreuzzügen.
Das Schaffen geistiger Gedanken im Menschen kann durch Interesse an
der Welt der Sinne zur Tätigkeit des weltlichen Denkens herabsinken,
sodaß der Mensch, durch Lucifer verführt, seine Gedankenkraft
mit der äußeren Welt ausschließlich verbindet. Das Symbol
des höchsten Weisheitselementes, als Spiegelung des Heiligen Geistes,
herabzuziehen auf das Niveau weltlicher Weisheit, die Kraft des Symbols
des heiligen Gefäßes für seine Welt zu gewinnen, das war
das Ziel Lucifers. Aufs neue trat die Wiederholung ein dessen, was vorgegangen
war, als er den ersten Menschen im Paradiese verführte. Die Gewinnung
größerer Offenbarungskraft, Ausbreitung und Erweiterung der Tätigkeit,
verstärkte Anpassungs-Möglichkeit der himmlischen Weisheits-Kräfte
an die irdischen Verhältnisse, das war es, was Lucifer den Hütern
und Dienern des heiligen Graal schilderte, als die Resultate einer näheren
Beziehung der Mysterien zu den irdischen Verhältnissen.
Die siebenfache Peripherie, welche mehr Beziehung hat zu der äußeren
Welt als die zwölffache, da sie das Abbild der sieben Planeten darstellt,
konnte durch die Sinnenwelt leichter dazu verführt werden, sich zu
tief in sie einzuleben. Die sieben Boten, welche von Zeit zu Zeit, ihrer
Aufgabe gemäß, die Graalburg verließen und in die Welt
hinauszogen, konnten durch Verführung jener Welt eher an sie gekettet
werden, da sie in dem Gebiet von Lucifer selbst tätig waren. Sie waren
Träger der Kräfte der großen Erzengel, die den Taten Lucifers
entgegenwirken; zugleich aber stellten sie das Abbild eines der Centren
dar, in welchem sich der Streit zwischen einem der Erzengel und Lucifer
abspielte. Es hätte Lucifer innerlich auf diese sieben Boten wirken,
und sie gänzlich in seine Macht erhalten können, wenn es ihm gelungen
wäre, seine Kräfte in ihnen dermaßen zu stärken, daß
die Kraft des Erzengels dadurch überwunden würde. Dieses aber
war Lucifer nicht möglich; dennoch wußte er es soweit zu bringen,
daß in diesen sieben Boten eine dualistische Natur auftrat, sodaß
sie nicht nur von dem Wesen eines der Erzengel beeinflußt wurden, sondern
auch das Wesen Lucifers in ihnen wirkte.
Diese sieben Boten weilten in der Welt, da sie sich an diese gekettet
hatten, als die Burg des heiligen Graal mit denen, welche treu geblieben,
für die Blicke der Menschheit verschwand. Je nachdem sich jeder einzelne
der sieben Boten in höherem oder geringerem Maße von Lucifer
verführen ließ, war die Erinnerung und Sehnsucht an das verlorene
Geistesgut in ihnen wachgeblieben oder erloschen. Diese von Lucifer verführten
und seinem Einfluß ausgesetzten sieben Boten stellen den Typus der
in der Welt umherirrenden Ritter dar, die nach dem für sie verloren
gegangenen heiligen Graal suchen. Dieses Suchen ist veranlaßt durch
eine Erinnerung an frühere Zeiten und entstammt jenen Kräften der
Seele, die dem Wesen des Erzengels dienen wollen; zu gleicher Zeit aber sind
es Abenteuer, Frauendienst und Kampfeslust, die sich in der Seele regen,
wenn die Kräfte Lucifers wirken. Dem Gottesboten, dem großen Erzengel
dienend, sucht ein solcher zerbrochener Bote des ihm verschwundenen Graal:
Religion; als Diener Lucifers aber sucht er die Abenteuer des weltlichen
Rittertums.
In den mittelalterlichen Legenden der „Tafelrunde", die sich um den
heiligen Graal bewegen, zeigt sich dieses dualistische Element immer in
denjenigen, die auf die Suche nach dem Graal ausgehen. Die mannigfaltigsten
Verführungen aus der Sinnenwelt treten ihnen dann entgegen, welche
sie nur teilweise überwinden; insbesondre ist die weibliche Schlange
das immer kraftvolle Mittel zur Verführung im Dienste Lucifers.
Sowie in diesen Legenden ein Bild gegeben wird von dem Typus des gefallenen
einstmaligen Boten des heiligen Graal — durch Lucifer verführt und
seelisch gekettet an die Sinnenwelt, wie einstmals die ersten Menschen an
die Erde — so ist in jenen Legenden auch ein Hinweis zu finden auf das,
was aus der zwölffachen Peripherie der Hüter und Pfleger des heiligen
Gefäßes geworden ist, nachdem es Lucifer gelungen war, in diese
Peripherie hineinzuwirken. Dadurch, daß ein Teil der zwölffachen
Peripherie der Hüter, statt sich nur als den Spiegel des heiligen Gefäßes
zu betrachten, allmählich dazu kam, auf die Worte Lucifers zu hören,
angefangen bei dem Punkte, an welchem seine Stimme zunächst in diesen
Um kreis hineinklingen konnte, kehrte sich der seelische Spiegel teilweise
von dem geistigen Centrum ab und wandte sich der Welt Lucifers zu. Dasselbe
geschah, was einstmals mit den ersten Menschen, zunächst mit Eva, dann
mit Adam vor sich ging, als ihre Seelen sich vom Geistigen abwandten, nachdem
sie durch die Schlange verführt worden waren.
Von den zwölf Hütern des heiligen Graal ließen sich
indessen nicht alle durch Lucifer beeinflussen; die meisten blieben dem
hohen Ziele ihrer Mission getreu. Es waren aber einzelne, welche meinten,
daß eine nähere Beziehung zur äußeren Welt am Ende
bessere Ergebnisse für die Erdenmenschheit bringen würde. Durch
diese Verschiedenheit in dem einstmals einheitlichen Kreis zerbrach die
Peripherie und trennt sich in zwei Teile, von welcher jeder einer anderen
Richtung zustrebte. Diejenigen, die den wahren Mysterien des heiligen Graal
getreu blieben, mußten für die Blicke der Menschheit verschwinden,
sodaß diese letztere von dem wahren Mysterium und dem heiligen Graal
selbst, als Symbol des himmlischen Weisheits-Elementes — der Lichtjungfrau
— nichts mehr erfahren konnte. Die andren aber, die nähere Beziehung
zur äußeren Welt erstrebten, hatten in sich wie einen Abglanz
der wahren Mysterien behalten, wie auch ein Abbild der Graalburg und des
wahren Gefäßes. Mit diesem Wissen traten sie dann in die Welt
hinaus, sodaß in weiteren Kreisen auf Erden eine Offenbarung des Symbols
des Graal stattfand.
Von diesem Graal ist in den mittelalterlichen Legenden die Rede, wenn
von dem kranken Graal-König Amfortas erzählt wird, der verwundet
war, wie einzelne Legenden berichten, durch die Lanze, mit welcher dem
Erlöser auf Golgatha einstmals die Herzwunde zugefügt wurde.
Mit den Wunden aber, die der Gott-Mensch an Seinem Leibe trug, und mit Seinem
Tod am Kreuze erlitt Lucifer die innere Wunde; die Lanze, durch welche die
leibliche Verwundung des Erlösers bewirkt wurde, hat eine direkte
Beziehung zur Verwundung Lucifers im geistig-seelischen Aspecte. Amfortas,
der kranke König desjenigen Graal, der mit den Kräften Lucifers
verbunden wurde, ist, nach jenen Legenden, durch die Lanze verwundet und
gelähmt worden, welche indirekt die Kräfte Lucifers gelähmt
hat durch das auf Golgatha geflossene Herzblut des Erlösers.
Titurel, als erster Graal-König, nach ihm Frimutel, dann Amfortas,
wie sie in den Legenden beschrieben werden, deuten auf das allmähliche
Hinschwinden der geistigen Kräfte, die mit dieser Offenbarung des heiligen
Graal verbunden waren. Der weltliche durch Lucifer bewirkte Einfluß
zeigt sich überall in den Beschreibungen, die sich auf die Burg des
Amfortas beziehen, in welcher sich der Graal befindet. Wie einstmals die wahre
Graalburg, ist auch sie „Montsalvat" genannt, doch schon die Tatsache, daß
von dem Geschlecht der Graal-K ö n i g e die Rede ist, bezeichnet die
weltliche Richtung, der gefolgt wurde. Beschreibungen von goldenen und silbernen
Geräten mit kostbaren Edelsteinen, welche sich in der Umgebung des Graal
befinden, des weiteren ein ganzer Hof von Jungfrauen und Knappen, die den
Graal begleiten, dies alles gibt ein deutliches Bild von der Art und Weise,
wie das irdische Element das himmlische verdrängt hat. Noch deutlicher
offenbart sich dieses in der in den Legenden geschilderten Tatsache, daß
der Graal von einer Jungfrau getragen und von 24 Jungfrauen
begleitet wird. Die zwölf würdigen ernsten Hüter und
Pfleger des wahren Graal, die das heilige Gefäß wie eine Peripherie
umgaben in den wahren esoterischen Mysterien, sind hier ersetzt worden
durch die 24 Jungfrauen in reichen Kleidern, von welchen eine das Abbild
der Lichtjungfrau darstellen möchte, da das Gefäß durch
sie getragen wird. Diese Jungfrauen, zu zwei und zwei gehend, bilden eine
Darstellung der Kräfte aus den zwölf Gestirnen, von denen Lucifer
das Gegenbild formte, sodaß im ganzen zwölf dualistische Kräfte
entstanden, die auch mit der Zahl 24 angedeutet sein können.
Alles, was in den mittelalterlichen Legenden vom Graal erzählt
wird, gibt den Hinweis auf die Tatsache, daß die wahren Mysterien
des heiligen Gefäßes der Menschheit wiederum verborgen wurden
und daß sich an Stelle derselben ein weltlicher Graal-Kultus offenbarte.
Statt der Mysterien des heiligen Graal, durch welche die Hüter und
die Diener des Gefäßes geistige Stärkung und Nahrung erhielten,
wird in den Graallegenden eine offene Mahlzeit beschrieben in einer kostbaren,
ästhetischen Umgebung, gehalten in der Anwesenheit von Jungfrauen,
Knappen und Rittern. Auch ist von der Form und Kostbarkeit des Gefäßes
mehr die Rede, als von seinem Inhalt. Dieser Graal spendet weltliche Gabe
überall, wo er hingetragen wird; weltlicher, irdischer Segen
ist mit ihm verbunden.
Der wahre heilige Graal, als Symbol des Herzens Christi, oder als Symbol
des höchsten Weisheits-Elements, des Wesens der himmlischen Lichtjungfrau
wird denjenigen, die ihn hüten und ihm dienen, die Fülle geistiger
Gabe schenken; es wird jedoch von jedem Hüter und Diener dieses heiligen
Graal hinsichtlich seines göttlichen Inhalts völlige Hingabe
und Verzicht auf alle weltlichen Gaben verlangt. Denn dies nur steht im
Einklang mit den Worten Christi: „Wenn jemand mir nachfolgen will, der
verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach" (Luc.
9, 23).
Es geben die Graal-Legenden auch ein Bild der Wirkung Lucifers, wo diese
an sich, ohne irgend welche Beziehung zum wahren Graal, auftritt. Die Taten
Klingsors auf „Chastelmarveil", auch „Chastelmortel" genannt, offenbaren
in unverhüllter Weise die Kraft Lucifers. Was von Klingsor durch schwarze
Magie, Zauberei und andere böse Kräfte hervorgerufen wird, hat
seinen Ausgangspunkt in dem, was einstmals als der Gegenpol des wahren Graal
gewirkt hat. Sowie der wahre Graal das Symbol des geistigen Gedanken-Schaffens
im Menschen, des himmlischen Weisheits-Elementes der Lichtjungfrau ist,
so steht das, was sich als Gegenpol offenbart, in Beziehung zu den Kräften,
die sich im Menschen in den Sexualorganen ausleben und mit dem Wesen luciferischer
Magie, der schwarzen Magie und der weiblichen Schlange verbunden sind.
So ist in den Graal-Legenden die Burg des Amfortas und die des Klingsor
beschrieben; eine dritte Schilderung ist dem Hof des Königs Artus
gewidmet. Das Suchen nach dem heiligen Graal durch die Ritter der Tafelrunde,
verbunden mit der Jagd nach weltlichen Abenteuern, tritt da erst recht
hervor. Gibt die Beschreibung der Burg des Graal-Königs einen Hinweis
auf das, was durch die Verführung Lucifers aus einzelnen der einstmaligen
Hüter des Graal wurde, welche der zwölffachen Peripherie angehört
hatten, so zeigt sich in dem Typus der Ritter am Hofe des Königs Artus
die dualistische Natur der durch Lucifers Einfluß gefallenen, einstmaligen
Diener und Boten des heiligen Graal, welche die siebenfache Peripherie darstellten.
Der Hof des Königs Artus hat keine unmittelbare Beziehung zum Graal;
die Ritter der Tafelrunde ziehen hinaus in die Welt, den Graal zu suchen,
weil dieser sich nicht in ihrer Mitte befindet. König Artus selbst
ist über jenes dualistische Element erhaben; in ihm hat die Kraft Michaels
den luciferischen Drachen besiegt; daher erhält er das Wunderschwert,
das eine Kraft besitzt, mit der er alle Gegner überwinden kann. Mit
seinem Hofe aber ist es anders; anfangend mit der Königin Ginevra,
die sich dem Ritter Lancelot hingibt, macht sich das dualistische Element
auf solche Weise geltend, daß die Kräfte Lucifers endlich die
Überhand gewinnen. Das Suchen nach dem Graal hört auf; das weltliche
Treiben wird immer stärker, bis alles auseinander fällt und der
König selber, verwundet und einsam, verschwindet.
Die Graal-Legenden stimmen alle überein in der Tatsache, daß
der kranke Graal-König Amfortas nur geheilt werden kann durch die Kräfte
Parsifals, des reinen Toren. Erzogen im Walde, fern von allen Menschen,
ohne Wissen von der Welt Lucifers, rein im Herzen und dem Dienst Gottes
ergeben, kann nur Parsifal dem Graal-König Heilung bringen, weil dieser
verwundet und gelähmt ist durch die Verbindung mit den in der Welt
wirkenden Kräften Lucifers. Denn gerade, weil Parsifal das Treiben
der äußeren Welt fremd blieb, konnte sich in ihm die Kraft Michaels
ungetrübt durch die luciferische Gegenwirkung entfalten. So stellte
Parsifal ein Abbild Michaels dar, wie einstmals ein jeder der Zwölfe
in den Mysterien des heiligen Graal.
So wirkt die Kraft Parsifals, des reinen Toren, wie eine Gegenmacht
zu Lucifers Einfluß auf den Graal. Wenn auch in vielen der Legenden
Parsifal dennoch behaftet wird mit der dualistischen Natur des irrenden
Ritters, sodaß er nicht nur als Retter des Graal dargestellt, sondern
auch in viele ritterliche Abenteuer verstrickt, in einzelnen Legenden auch
zur Ehe gebracht wird, so gibt es auch noch andere Überlieferungen,
in welchen er im wahren Lichte geschildert wird als der unschuldige reine
Tor, unverdorben durch die Welt und deshalb im Stande, durch das Element
der Reinheit, durch göttliche Ergebenheit und geistige Kraft, die Wirkung
Michaels dem luciferischen Einfluß entgegenzustellen, dadurch Amfortas
zu heilen und die Verbindung des Graal mit dem himmlischen Weisheitselement
wiederherzustellen, so wie das einstmals war unter dem ersten König
Titurel. 1)
1) Es besteht noch eine Reihe von halb legendarisdien Überlieferungen
mit politischer Färbung, die alle Aspecte der Graalweisheit widerspiegeln.
Manche davon sind mit den Geheimnissen des Heiligen Römischen Reiches
und mit der sogenannten „eisernen Krone" Karls des Großen verbunden.
Die Sagen erzählen, wie in dieser Krone, dem Labarum des Mittelalters,
ein eiserner Nagel vom Kreuze Christi eingeschmiedet war.
Der Name Hohenstaufen, vom Worte „Stauf" (Kelch) abgeleitet, also „der
hohe Kelch" deutet auf den heiligen Kelch, den heiligen Graal hin. Die Stimmung,
die aus dem „Parsifal" R. Wagners, des großen Bayreuther Meisters,
spricht, ist in ihrem Ernst und ihrer Würde eine wahre Erquickung nach
dem weltlichen, abenteuerlichen, fast sinnlichen Ton, der im allgemeinen
in den mittelalterlichen Legenden des Graal hervortritt, insoweit diese sich
auf Parsifal beziehen. Die Legenden, die von Joseph von Arimathia erzählen,
wie z. B. jene Robert de Borrons, haben einen mehr ernsten Ton, doch siegte
mit der Renaissance-Kultur die äußere Version der Graalsage bis
auf den großen Umschwung, der durch R. Wagners Meisterwerk hervorgerufen
wurde.
In R. Wagners „Parsifal" wird die Burg des kranken Königs Amfortas
beschrieben, auch Parsifals Anblick des Graals. Die Tatsachen führen
zwar zurück auf die mittelalterlichen Legenden, dennoch ist die Gesinnung
und die Auffassung dieser Tatsachen wie eine Erinnerung an das, was einstmals
die wahren Mysterien des heiligen Graal waren, als sich der Einfluß
Lucifers noch nicht eingemischt hatte. Auch ist in Wagners „Parsifal" der
Graal nicht umringt von dem weltlichen Gefolge der 24 Jungfrauen. Die Abenteuer
Parsifals sind so dargestellt, daß sie mehr den Charakter von Prüfungen
tragen, in welchen Parsifal seine Kräfte zeigen soll. Klingsors Zaubergarten,
Kundrys Wahn und die übrigen Begegnungen, die dem Sucher nach dem
Graal entgegentreten, stellen alle nur Hemmnisse dar, die überwunden
werden müssen, ehe Parsifal die Heilung des kranken Königs und
die Rettung des Graal vollbringen kann. Das Vergnügen der Ritter an
Kampf und Abenteuer, die Selbstverständlichkeit, mit welcher der Graal
von weltlichem Reichtum, von Pracht und Sinnlichkeit umringt wird — nach
den Beschreibungen der meisten mittelalterlichen Legenden — hat bei R.
Wagner einer ernsten, würdigen Gesinnung Platz gemacht, die übereinstimmt
mit einem richtigen Verständnis des wahren Gefäßes und
seines hochheiligen Inhalts. So wird symbolisch esoterische Weisheit in
Form der Ars sacra gegeben.
Wenn auch die wahren Mysterien des heiligen Graal dem Anblick der Menschen
entzogen werden mußten in den Zeiten des Mittelalters, so gab es
trotzdem immer wahre Sucher nach dem heiligen Graal inmitten der Menschheit.
Nicht wie die Ritter irrten diese Menschen umher, das Suchen nach dem Graal
mit weltlichen Abenteuern vereinigend. In Einfalt und göttlicher Ergebenheit
suchten diese Menschen das Symbol des Herzens Christi, des höchsten
Weisheits-Elementes, als des Wesens der Lichtjungfrau, das der äußeren
Welt verborgen war, in ihrem innersten Wesen zu finden. Als Einsiedler und
Mönche lebten sie, abgetrennt von dem Treiben der Welt, wie Asketen
und Heilige, in denen das innere Licht Gottes aufleuchten und sich offenbaren
konnte. Das Symbol des Herzens Christi wurde in den Herzen solcher Menschen
lebendig, das Wesen der Lichtjungfrau offenbarte sich in ihnen. Die dreifachen
Gotteskräfte, welche durch den Gott-Menschen in das Herz eines jeden
Menschen hineingelegt worden sind durch das Opfer Christi, wurden in ihnen
auferweckt.
Es stehen diese Menschen da, inmitten des weltlichen Treibens wie das
ewig-menschliche Ideal, als wahre Nachfolger Christi, ein Beispiel und
eine Mahnung für die, welche sich nicht bis zu ihrem Standpunkt erheben
können. Es zeigt sich dieses Ideal gerade im Mittelalter wohl am stärksten
in dem Wesen des heiligen Franziskus von Assisi. Es wird in seinen Lebens
beschreibungen erzählt, wie er als Jüngling sich hingezogen fühlte
zum Leben des weltlichen Rittertums, sein Gefallen an reicher Kleidung,
seine Freude an ritterlichem Kampf und Festlichkeiten im Kreise seiner Freunde.
Als dann die Stimme Christi vom Kreuze herab zu ihm gesprochen und er das
Leben weltlicher Freude eingetauscht hat gegen das strenge Leben des Bettelmönchs,
hat er das weltliche Rittertum in ein geistiges verwandelt. Ein Sucher nach
dem heiligen Graal in sich ist er geworden; zum heiligen Gefäß
wird er selber, denn die weiße Taube, das Symbol des Heiligen Geistes,
läßt sich auf ihn hernieder. In seiner Seele lebt das Wesen der
Lichtjungfrau, in seinem Herzen lebt Christus. Das Blut des Erlösers,
als der hochheilige Inhalt des Gefäßes, gibt sich an ihm kund,
als er die Stigmata an den Händen und Füßen und auch die
Herzwunde Christi an seinem Leibe erhält.
«««««
Die heilige Kirche Christi
Kapitel VIII
Unmittelbar von dem Gottmenschen Jesus Christus ausgehend, so wie Er
als Mensch unter den Menschen lebte, nimmt die erste Linie des göttlichen
Planes der Erlösung ihren Ausgangspunkt beim letzten Ostermahl, als
Christus den Zwölfen eigenhändig Seinen Leib und Sein Blut darreichte.
Wie von Hand zu Hand wird dieses eucharistische Opfer Christi weitergegeben;
innig und unmittelbar ist die Beziehung zum Gott-Menschen, welche durch
die erste Linie entsteht. Die Apostel wiederum spenden ihrerseits das Opfer
als den Leib und das Blut Christi weiter an diejenigen, die den Gottes-Sohn
in Christus anerkennen und an Ihm teilhaben wollen.
Als sich im Laufe der Zeiten die christlichen Gemeinden formen und das
Christentum immer mehr zunimmt, wird die Kette, welche vom heiligen Abendmahl
Christi mit den Zwölfen ausgeht, zwar länger, dennoch bleibt sie
ungebrochen in ihrer Einheit bestehen. Das Opfer Christi, von Hand zu Hand
weiter gereicht, bleibt in seiner ursprünglichen Kraft erhalten. Dasselbe
ist der Fall mit der Taufe; sie geht wie die übrigen Sakramente ebenso
in der Überlieferung weiter als die Fortsetzung dessen, was Christus
seine Jünger lehrte.
Inmitten der Menschheit und für die Menschheit auf Erden wirkt
diese erste Linie. Ihr Ziel ist deshalb nicht, bis in das Centrum der Erde
und der Hölle einzudringen, um da mit Lucifer zu kämpfen; statt
dessen will sie in das Herz eines jeden Menschen eindringen und die göttlichen
Kräfte, durch das Opfer Christi am Kreuze dort hineingebracht, stärken
und beleben, aufdaß die Wirkung Lucifers im Menschenherzen abgeschwächt
und endlich überwunden werde. Sie will die Kraft der Hölle dadurch
brechen, daß sie die Menschenherzen während des Lebens auf der
Erde der Gewalt Lucifers entzieht.
Während die zweite Linie, die vom heiligen Graal mit dem Herzblute
Christi ausgeht, ein Abbild darstellt des neuen Centrums im Kosmos, umringt
von den sieben Centren, den Planeten, und den zwölf Constellationen
aus der Region des Fixsternhimmels — wie das große makrokosmische Gefäß,
in welches die Kraft der göttlichen Trinität hineinstrahlt —
so hat die erste, vom heiligen Abendmahl ausgehende Linie keine solche
Verbindung mit den Planeten und Gestirnen.
Statt von dem Centrum der Erde, geht die erste Linie von dem aus, was
als neues Centrum in die Menschheit und in das Herz eines jeden Menschen
durch Christus selber gelegt worden ist, und verbindet dieses unmittelbar
mit dem Wesen der göttlichen Trinität, vermittelst des gleichen
Weges, den der Gottmensch nahm, als Er bei der Himmelfahrt durch die Reihen
der
christlichen Hierarchien wiederum hinaufstieg zum Vater. Diejenigen,
welche wahre Nachfolger Christi werden innerhalb der christlichen Gemeinden,
verbinden sich auf diesem Wege unmittelbar mit dem Erlöser. Nachfolger
Christi zu werden, den schmerzvollen Tod zu erleiden, so wie Er ihn
erlitten hat, hernach zu Ihm zu gelangen und sich mit Ihm zu vereinigen:
das war auch das Ziel, welches den Märtyrern ihre große Kraft
gab, insbesondere in
den ersten christlichen Zeiten.
Die christlichen Gemeinden finden sich im Laufe der Zeiten zur christlichen
Kirche zusammen. In ihr wird die hierarchische Ordnung eingeführt,
gleichwie ein Abbild der himmlischen Hierarchien. Jene, welche das Lebensmark
der Kirche Christi auf Erden sind: die Heiligen, die aus ihr hervorgehen,
steigen den direkten Weg aufwärts durch die Reihen der Hierarchien
Christi und leben inmitten der Chöre von Engeln, Erzengeln, Cherubim
und Seraphim; sie vereinigen sich mit dem Wesen Christi schon während
sie noch als Menschen auf Erden sind. Unter den vielen, welche dieses erreicht
haben, sind besonders bemerkenswert der heilige Dominikus und der heilige
Franziskus, da der erste die Weisheit eines Cherubs, der letzte die Liebe
eines Seraphs in seinem Wesen trug. Der heilige Franziskus, dem der gekreuzigte
Heiland in der Gestalt eines Seraphs erscheint auf dem Berge La Verna, erhält
unmittelbar nach dieser Vision die Stigmata als Zeichen seiner Einswerdung
mit Christus.
Wenn auch aus der großen Menge der Menschheit verhältnismäßig
wenige schon während des Erdenlebens den Weg, der durch die Reihen
der Hierarchien führt, so weit aufwärts gehen können, daß
sie zur Einswerdung mit Christus gelangen — so haben diejenigen, die sich
zur Kirche Christi hingezogen fühlen, doch das innere Bestreben, dem
Gottmenschen — der für die Menschheit lebte und starb auf Erden —
als dem höchsten Ideal nachzufolgen. Durch die sieben heiligen Sakramente
der Kirche werden die Kräfte, die der Mensch auf diesem Wege braucht,
in ihm gestärkt, denn diese Sakramente sind die Fortsetzung und zugleich
Erneuerung dessen, was die Apostel von Christus selbst empfangen haben,
während Er auf Erden mit ihnen war.
Gleichwie die Mutter Gottes einstmals unter dem Kreuze stand auf Golgatha,
leidend mit ihrem Sohne und anbetend den Gottes-Sohn, den Gekreuzigten,
so lebt und wirkt die heilige Kirche Christi, stehend unter dem Kreuze,
das ihr Kraft und Schutz verleiht, voller Andacht und Erinnerung an das Opfer
Christi. In dem Kirchenjahr wird der Verlauf des Lebens des Gott-Menschen
auf Erden jährlich gefeiert. Die Kirche selbst ist der Ausdruck und
die Folge dieses Lebens; und jeden Tag, gleichwie die Sonne aufgeht und täglich
der Erde ihre belebende Kraft spendet, wird die Opferung des Leibes und
des Blutes Christi in der Eucharistie durch die heilige Messe wiederholt;
es ist die geistige Gnadenquelle, die immerfort der Menschheit zufließt
in der Fortsetzung und Erneuerung des einstmalig gebrachten Opfers beim
letzten Abendmahle und auf Gogatha.
Während die Bruderschaft des heiligen Graal die Jungfrau Maria,
als die Schützerin des Heiligen Gefäßes, insbesondere im
makrokosmischen Aspecte verehrt als die himmlische Lichtjungfrau, die vom
Heiligen Geiste erleuchtete Trägerin des Weisheits-Prinzipes, erkennt
die Kirche Christi sie auch in dem Aspecte der jungfräulichen Mutter
Gottes an, die, als Mensch auf Erden lebend, das Leiden ihres Sohnes, des
Gottmenschen, miterlitten hat. Die Kirche Christi erkennt das Wesen des Gott-Menschen,
so wie Er unter den Menschen lebte und starb, insbesondere an; dasselbe
gilt von der Gottes-Mutter. So wird die Jungfrau Maria als die Muttes Gottes
betrachtet und nach ihrem Tode zugleich als die Himmelskönigin, die
himmlische Lichtjungfrau, angesehen, welche, über alle Hierarchien erhoben,
ihren Platz an der Seite des ewigen Gottmenschen einnimmt.
Weil Lucifer in alles, was sich auf der Erde offenbart, seine Wirkung
hineinmengt, so machte er auch seinen Einfluß in der Kirche Christi
geltend, gleichwie er es in der Bruderschaft des heiligen Graal tat. Die
letztere aber war der Gewalt Lucifers in viel größerem Maße
ausgesetzt als die erstere, weil sie, mit dem Herzen Lucifers selber verbunden,
darin kämpfend tätig war. Gleichwie die Kirche Christi Lucifer
bekämpft, da wo er in der Menschheit und in dem Herzen jedes einzelnen
Menschen wirkt, so streitet die Bruderschaft des heiligen Graal mit Lucifer
selbst, der vom Centrum der Erde aus tätig ist. Diejenigen aus der
Kirche Christi, die den Weg aufwärts gehen, welcher durch die Reihen
der Hierarchien zur Einswerdung mit Christus führt, haben zu kämpfen
gegen die luciferischen Kräfte in ihrem eigenen Wesen und gegen die
luciferischen Hierarchien, die den Legionen Christi entgegenwirken. Die,
welche aus der Bruderschaft des heiligen Graal als Hüter des heiligen
Gefäßes gestellt sind, müssen bei ihrem seelischen Aufstieg
Lucifer nicht nur im Centrum des Erdenplaneten bekämpfen, sondern auch
noch auf andere Weise. Da ein jeder dieser Hüter das Symbol eines bestimmten
Planeten oder einer bestimmten Constellation des Fixsternhimmels darstellt,
so ist ein jeder Hüter dazu berufen, Lucifer in dem Aspecte zu bekämpfen,
den er in dem betreffenden Centrum hat. Die Kräfte, die verbunden sind
mit dem betreffenden Planeten oder der Constellation, strömen den Hütern
zu; sie aber sollen die von Lucifer herrührenden Wirkungen zurückstoßen
und solche Kräfte, die Lucifer in diesen makrokosmischen Centren entgegenwirken,
in ihre Seele aufnehmen und widerspiegeln. Diese göttlichen Kräfte
aus den Planeten und Gestirnen, durch die Taten der großen Erzengel
und der Legionen Christi der Erde zuströmend,
sollen die Hüter des heiligen Gefäßes in ihre Seelen
aufnehmen und bewahren, sodaß sie einen Anknüpfungspunkt für
diese Kräfte auf Erden bilden.
In Bezug auf diese verschiedenen Centren, gleichsam in den Organen seines
makrokosmischen Leibes, muß Lucifer von den Hütern des heiligen
Graal bekämpft werden; dadurch ist dieser Kampf concreter und heftiger
als jener, der gegen die luciferischen Hierarchien und die Kräfte
Lucifers im Menschenherzen geführt wird. Auch setzt dieser erstere
voraus, daß die luciferischen Kräfte in den Herzen derjenigen,
die als Hüter des heiligen Graal bestellt werden, schon überwunden
sind; denn unmöglich wäre es, Lucifer im makrokosmischen Sinne
zu bekämpfen, wenn er noch im Mikrokosmos anwesend ist. Daß diese
schwere Bedingung nicht erfüllt wurde, zeigt sich in der Tatsache,
daß der heilige Graal den Blicken der Menschheit sich entzog. Er
kann deshalb nur in Verborgenheit wirken, bis sich Menschen finden, die
seiner würdig sind. Die Kirche Christi hingegen, die der Menschheit
und den einzelnen Menschen den Weg aufwärts zeigt vom eigenen Herzen
aus und unmittelbar verbunden ist mit Christus, auch im Aspecte des Gott-Menschen,
so wie Er auf Erden lebte und starb, konnte der Menschheit offenbar bleiben.
Die Bruderschaft des heiligen Graal nimmt ihren Ausgangspunkt auf Golgatha
nach dem Kreuzestod Christi und erkennt Christus mehr im Aspecte des Gottes-Sohnes;
weil aber die Menschen nicht reif waren, den Gottes-Sohn zu verstehen, mußte
der heilige Graal den Blicken der Menschheit entschwinden.
So wie Lucifer den Legionen Christi seine hierarchischen Diener gegenübergestellt
hat, konnte er auch da einwirken, wo, als Abbild der himmlischen Hierarchien,
die hierarchische Ordnung in der Kirche bestand. Zerbrechen konnte er diese
nicht, doch konnte er in die Herzen der Menschen, die als Vertreter himmlischer
Wesen da waren, einzudringen versuchen. Auch konnte Lucifer viele von den
Menschen, die sich schon vorgenommen hatten, Nachfolger Christi zu werden,
dazu verführen, sich statt dessen in seine Gewalt zu begeben.
Ausgehend von dem Gott-Menschen, wirkend inmitten der Menschheit, ist
die Kirche Christi für die ganze Menschheit gegeben. Von Christus
und den Zwölfen ausgehend, sollte sie sich im Verlauf der Zeiten über
die Erde verbreiten. Daher lehrt sie, daß sie, welche keinen Anteil
an dem Gott-Menschen haben und diesen nicht in sich aufnahmen, während
sie auf Erden lebten, aus den Händen Lucifers nicht gerettet sein können.
Jene große Arbeit des Predigens zur Bekehrung, welche, von den
Aposteln angefangen, immerzu fortgesetzt worden ist durch viele Jahrhunderte
hindurch und sich erstreckt bis in die entferntesten Gegenden der Erde, findet
ihren Ursprung in dieser Lehre.
Als jedoch im Verlaufe der Zeiten viele Menschen sich von der hl. Kirche
Christi abtrennnten und auch neue Gemeinden begründeten, in welchen
Auffassungen gepredigt wurden, die von jenen der ursprünglichen Kirche
abwichen, da wurde der Eifer der Bekehrung in manchen, die zur Kirche Christi
gehörten, so groß, daß sie keine Mittel scheuten, die Menschen
zurückzubringen. So mischte sich in den ursprünglich heiligen
Eifer für das Wohl der Menschheit der Einfluß Lucifers hinein
und verwandelte jenen Eifer vielfach in Fanatismus und Feindschaft gegenüber
jenen, die eine andere Auffassung vertraten.
Die Kirche Christi, die das neue Centrum, das der Gott-Mensch in die
Menschheit und in das Herz eines jeden Menschen hineingelegt hat, pflegen
und hüten soll, hat die Aufgabe, die Menschheit dem Gottes-Sohn und
der Trinität näher zu bringen. Gleichwie die Menschheit selbst
an die Erde gebunden, erheben die kirchlichen Gebäude ihre Stimmen,
schallt das Läuten ihrer Glocken zum Himmel empor und strecken sie gleichsam
die Hände zum Himmel hinauf, Gnade erflehend. Auf Erden stehend und
hinaufschauend zum Himmel, ist die Kirche Christi das Symbol des Erdenmenschen
selber. Sie erinnert den Menschen daran, daß er, durch seinen Fall
an die Erde gebunden, dennoch hinaufschauen soll und durch die Kraft des Glaubens
der Gnade Gottes teilhaft werden kann.
Wenn der Mensch durch den Tod geht, begleitet ihn des Glaubens Kraft
bis zu einer gewissen Grenze und kann die Kirche Christi ihm noch Hilfe geben.
Während der Zeit, welche vergeht zwischen dem ersten und dem zweiten
Tod, wenn der Mensch durch das Fegefeuer hindurchgeht, kann durch die Kraft
des Gebetes die Kirche Christi seinen Zustand zum Guten beeinflussen.
Der Mensch, welcher sich während seines Erdenlebens den Kräften
Lucifers so hingegeben hat, daß er sein Diener geworden ist und dadurch
nach dem Tode in die Regionen der Hölle hineinversetzt wird, kann
durch die Kraft der hl. Kirche Christi allein nicht aus diesen Regionen
befreit werden. Die Möglichkeit der Befreiung aus dem Herzen Lucifers
läge wohl in der Allmacht Gottes, doch hat die Kirche Christi, für
die Menschheit auf Erden gegründet, nicht die Mission, in die Regionen
der Hölle einzuwirken. Sie kann den Menschen, während er auf
Erden lebt, nur auf die Gefahren der Hölle hinweisen, ihn warnen und
schützen davor, indem sie das göttliche Centrum im Menschenherzen
stärkt.
«««««
Zustand der Seele nach dem Tode in der christlichen
Zeit
Kapitel IX.
Seitdem der Gott-Mensch auf Erden unter den Menschen lebte und starb,
den Tod überwunden hat und wiederum zum Himmel aufgefahren ist zum
Vater, ist der Weg, den der Mensch nach dem Tode durchzumachen hat, in solcher
Weise geändert worden, daß der Mensch, nachdem er den zweiten
Tod bestanden hat, nunmehr in die drei höheren kosmischen Regionen
aufwärts steigen kann. Dadurch kann der Mensch nicht nur die Sonnenregion
erreichen, in der er das Abbild des himmlischen Paradieses erblickt, welches
der Region des Fixsternhimmels angehört, sondern er kann sich geistig
aufschwingen bis in die Region des Fixsternhimmels selbst.
Nach dem ersten Tod, wenn der geistige Mensch noch mit der seelischen
Hülle umringt ist, soll er alles ablegen, was ihn noch als Erdenmensch
an die Erde heftet. Je nachdem, wie eng der Mensch, als geistiges und gotteben-bildliches
Wesen, sich mit der subtileren Erdenhülle verbunden hat, wird sein
Zustand zwischen dem leiblichen oder ersten Tode und der Ablegung der subtileren
Hülle beim zweiten Tode schmerzvoller und von längerer Dauer sein.
Das geistige Bewußtsein des Menschen ist, nachdem Christus auf
Erden lebte, intensiver und umfassender geworden als es vorher war, da der
Mensch durch die Verbindung mit den himmlischen Kräften des Urbildes
vom geistigen Kern zum geistigen Wesen wurde. Die Zustände nach dem
Tode lebte er dadurch bewußter und intensiver durch. So kann er auch
seinen Aufstieg in die höheren Regionen bewußt durchleben. Hat
er sich aber zu stark mit seiner feineren seelischen Hülle verbunden,
dann ist der Zustand zwischen dem ersten und dem zweiten Tod ein schmerzvoller,
weil er auch mit erhöhtem Bewußtsein durchlebt wird.
Während der Zeit zwischen dem ersten und dem zweiten Tod lebt der
Mensch sein irdisches Leben seelisch wiederum durch, mit dem Momente, da
es mit dem Tode abgeschnitten wurde anfangend, bis an den Zeitpunkt seiner
irdischen Geburt. Gleichsam rückwärts durchlebt er seelisch jenen
Erdenweg, den er in der irdischen Hülle auf der Erde selber durchmachte.
Damit der Mensch auch das in seinem wahren Wert schätzen lernt, was er
sich auf Erden durch sein Denken, Fühlen und Wollen angeeignet hat, erlebt
er dieses Denken, Fühlen und Wollen mit den Ergebnissen, die damit verknüpft
sind, in seine unmittelbare Umgebung projiziert, als die aus der Außenwelt
an ihn herantretenden Wirkungen. Während der Mensch sein Erdenleben
so zurückerlebt bis zur ersten Kindheit, durchschreitet er verschiedene
Perioden, die wie Zeiten-Sphären in Beziehung stehen zu den makrokosmischen
Centren, welche die Erde umgeben.
Von der Erde ausgehend, durchlebt er diese Perioden seines Lebens zurück
bis an den Kreis der äußersten Planetensphären (Saturn)
wie das Spiegelbild der großen Zeiten-Sphären in seinem eigentlichen
Erdenleben.
Wenn so das Leben zurückerlebt worden ist und keine weiteren Beziehungen
zur Erde selber die Seele gebunden halten, dann kann der Augenblick des
zweiten Todes eintreten, in dem der Mensch die seelische Erdenhülle
ablegt und nunmehr als geistiges Wesen den unmittelbaren Umkreis der Erde
verläßt. Hinaufstrebend durch die Mond-Sphäre, Merkur-Sphäre
und Venus-Sphäre zur Sonnenregion, wird der Mensch die Pforte des Paradieses
in dieser vierten Region durch das Zeichen der Zwillinge wiederum betreten.
Von hier kann er die Sonnenregion weiter durchschreiten bis an das Zeichen
des Wassermanns, wo Michael ihm den Durchgang in die drei höheren Regionen
freiläßt.
Die Sonnenregion, die der Mensch durch das Zeichen der Zwillinge betritt
und bis an das Zeichen des Wassermanns durchschreitet, kann — seitdem Christus
sich mit der Erde verbunden hat — vom Menschen auf solche Weise durchgangen
werden, daß er jene Zeichen durchläuft, die zu den Kräften
Beziehung haben, die er sich nach dem Sündenfall auf der Erde während
der vor-christlichen Zeiten aneignen sollte. Durch das Wesen Christi
hat die Kraft der Sonnenregion sich im geistigen Sinne mit der Erde
vereinigt, sowie einstmals vor dem Sündenfall Sonne und Erde vereint
waren. Daher kann der Mensch, der einstmals die Sonnenregion im Zeichen
der Zwillinge verlassen hat und nach seinem Fall die Kräfte der drei
folgenden Zeichen: des Stieres, des Widders und der Fische, welche er nicht
in der Sonnenregion durchschritten hat, sich auf Erden mühsam aneignen
sollte, nun auch diese Zeichen nach seinem Tode in der Sonnenregion selber
durchgehen.
Vom Ostpunkt ausgehend, kam Christus der Gottes-Sohn in jene kosmischen
Regionen, wo Lucifer wirkt, und durch die Gestirne der Fische, des Widders
und des Stieres gehend betrat er im Zeichen des Krebses die Erde, indem er
die Kräfte jener Constellationen auf die Erde brachte. So kann der Mensch
in den christlichen Zeiten die Sonnenregion auch vom Zeichen der Zwillinge
an durch die Zeichen des Stieres, des Widders und der Fische durchschreiten
bis an das Zeichen des Wassermanns, statt den Weg zu gehen, der früher
durch die Zeichen Krebs, Löwe, Jungfrau, Waage, Adler, Schütze,
Steinbock bis zu dem des Wassermanns führte. Wenn so der Mensch das
Zeichen des Widders durchgeht, dann wird im gegenüberliegenden Zeichen
der Waage gewogen, inwieweit in ihm als geistiges Wesen die Sehnsucht nach
dem himmlischen Urbilde das Interesse an der verlassenen Erde überragt,
und darnach wird das Bewußtsein und Verständnis für die höheren
Regionen bestimmt. Die Regionen des Mars, des Jupiter und des Saturn liegen
für ihn offen, wenn er die Sonnenregion verlassen hat.
Durchschreiten kann der Mensch als geistiges Wesen diese höheren
Regionen, nachdem durch Christus das menschliche Urbild mit dem irdischen
Abbild verbunden worden ist. Das, was in den vor-christlichen Zeiten als
geistiger Kern des Menschen nach dem Durchgang durch den zweiten Tod frei
wurde, ist, seitdem der Gott-Mensch auf Erden lebte, durch seine Vereinigung
mit den Kräften des menschlichen Urbildes zu einem geistigen Wesen
geworden und kann vermittelst jener Kräfte bis in die Region des Fixsternhimmels
aufwärtssteigen, in welcher sich das wahre Urbild offenbart.
Es hängt aber von dem Erdenleben des Menschen ab, wieweit er den
Aufstieg zur Region des Fixsternhimmels bewußt durchmachen kann.
Hat sich der Mensch, während er auf Erden war, zusehr verbunden mit
der irdischen oder mit der seelischen Hülle, welche zur Erde gehört,
dann ist dadurch sein wahres geistiges Wesen innerlich geschwächt
worden. Durch sein Interesse für die Erde, die er nunmehr verlassen
hat, ist die wahre Sehnsucht zum himmlischen Urbilde in ihm getrübt,
und so wird er zwar den Aufstieg machen, aber nicht das wahre Interesse
an den höheren Regionen in sich erwecken können, das ihm das bewußte
Verständnis für diese geben kann. Doch wird er sie durchschreiten
und durch die Region des Fixsternhimmels, welche er bei der Constellation
der Zwillinge betritt, bis an den Punkt gelangen, der, unter der Constellation
des Wassermanns gelegen, von dem großen Erzengel Michael geschützt
wird, der sich in dieser Region erst in seiner wahren Gestalt offenbart.
Hat sich der Mensch schon während seines Erdenlebens nach der Vereinigung
mit dem himmlischen Urbilde gesehnt, sodaß er als Folge davon nach
dem Tode bewußt bis in die Region des Fixsternhimmels aufsteigt, so
wird er in der Constellation des Wassermanns das himmlische Urbild der Menschheit
erschauen und erleben. Michael wird sich zeigen in seiner wahren Gestalt
und, diese durchdringend und umgebend, aus unendlichen Höhen herunterstrahlend,
wird das Wesen des Gottes-Sohnes, Christus, sich offenbaren. Hineinschauend
in das Empyreum erhält der Mensch den Eindruck vom Wesen der Himmelsrose,
in der die göttliche Trinität unmittelbar anwesend ist.
Das geistige Wesen des Menschen erblickt die himmlischen Reiche, die
einstmals seine Heimat waren und es in der Zukunft wieder sein können
bezw. sein sollen. Bestrahlt vom Lichte der himmlischen Weisheit, erschaut
das geistige Wesen des Menschen seine eigene Finsternis, welche besteht aus
all dem, was ihn noch ferne hält vom himmlischen Ideal. Das Wesen Christi,
als des Sohnes Gottes, ist ihm wie ein Versprechen dessen, was durch die
Gnade Gottes zu erlangen ist, wenn die mühsame Pilgerfahrt zur geistigen
Vollkommenheit, die den Menschen zu Gott zurückführt, beendet
sein wird; wenn er sich durch die Gnade des Vaters und die Liebe des Sohnes
geistig mit Christus vereint erleben wird, eins mit Gott selbst im Sohne.
Schuldbewußt fühlt sich da der Mensch, denn ihm ist offenbart,
daß der Sohn Gottes seinetwegen auf die Erde hinunterstieg, damit
die Rettung der Menschheit und eines jeden einzelnen Menschen ermöglicht
würde. Es fühlt der Mensch, daß er zur Tilgung seiner Schuld
den Spuren des Heilandes zu folgen und aus freiem Willen den Weg zu gehen
hat, den E r einstmals nahm, damit die innere Finsternis im Menschen erleuchtet
werde und er sich dem großen Ideal nähere.
Der Mensch, der das geistige Verständnis durch seine Anhänglichkeit
an die verlassene Erde getrübt hat, wird den Aufstieg in die höheren
Regionen nicht bewußt machen können und dadurch das himmlische
Urbild des Menschen gleichwie verschleiert schauen, ohne völliges
Verständnis. Dadurch, daß ein gewisses Haften an der Erde noch
in seinem geistigen Wesen vorhanden ist, wird ihm nicht die Wahl gelassen
sein, aus eigenem freien Willen den Rückweg in die Regionen des Universums
zu nehmen, sondern er wird durch die Kraft des eigenen Wesens gleichsam
aus den höheren Sphären in die niederen Regionen zurückfallen,
bis er wiederum zur Erde selber gelangt.
Auch kann es vorkommen, daß der Mensch nach seinem zweiten Tode
eine besondere Beziehung erhält zu einer der verschiedenen Planeten-Sphären,
welche er im Kosmos durchschreitet, ehe er die Region des Fixsternhimmels
erreicht. Dadurch kann er in der betreffenden Planeten-Sphäre aufgehalten
werden, sodaß er in dieser Sphäre verweilt und den weiteren
Aufstieg unterläßt. Ist diese Beziehung weniger stark, sodaß
der Mensch die Freiheit behält, seinen Aufstieg weiter zu nehmen,
dann kann es sein, daß er auf dem Rückweg, den er von der Region
des Fixsternhimmels aus notwendigerweise wieder betreten muß und der
wiederum durch die verschiedenen kosmischen Regionen hinunterführt
bis zur Erdensphäre, in der betreffenden Planeten-Sphäre bleibt
und den Weg zur Erde nicht weiter verfolgt.
Jene Menschen, welche, wie die Heiligen und die wahren Nachfolger Christi
auf Erden, schon während ihres Erdenlebens den Weg aufwärtsgehen
zur Vereinigung mit dem himmlischen Urbilde, erhalten von Christus selber
ihre besondere Mission zur Erlösung ihres Selbstes und der Menschheit.
Sie werden schon auf Erden der Segen und die Zuversicht anderer und können
durch den Willen Gottes nach ihrem Tode in irgend einer der höheren
Regionen eine Aufgabe erhalten. Zu den Legionen Christi werden sie gehören,
nachdem sie das irdische Leben beendet haben, und als solche werden sie
dem großen Werk des Erlösers dienen.
Das wahre seelische Gewand, das der Geist des Menschen durch seine himmlische
Mutter, die Lichtjungfrau erhält, ist aus den Kräften des Empyreums,
des Kristallhimmels und des Fixsternhimmels gewoben, in welch letzterem
die zwölf Geister des Universums wirken. Die Wirkung jener Geister
spiegelt sich in den zwölf Constellationen des Fixsternhimmels wieder,
welche wiederum ihr Abbild in den zwölf zodiakalen Zeichen der Sonnenregion
haben. Indem die Sonne, von der Erde aus gesehen, in einem Jahr die zwölf
zodiakalen Zeichen durchläuft, wird die besondere Kraft, die mit einem
jeden dieser Zeichen verbunden ist, durch diesen Gang der Sonne auf der
Erde selber tätig, und wirkt auf alle Wesen der Naturreiche die auf
Erden leben, ein. Dasselbe findet täglich statt, wenn die zwölf
Zeichen, wie auch Sonne, Mond und Planeten, durch die Bewegung der Erde
am Horizonte aufsteigen und untergehen.
In dem Umkreis der Erde, sowie auf Erden selbst, spiegeln sich jene
zwölffachen Kräfte. Sie haben ihren Einfluß auf den Bau
der irdischen Hülle des Menschen, welcher durch Vermittlung einer
irdischen Mutter geschieht. Der Aufbau der irdischen Hülle stimmt
in den Hauptzügen für alle Menschen überein, doch sind die
besondren Bedingungen, unter welchen er stattfindet, für jede einzelne
Hülle verschieden. Er ist von der seelischen Hülle, welche
der Mensch zuerst angenommen hat, abhängig.
Ist jener Aufbau der irdischen Form so weit, daß er ohne Vermittlerin
weiter stattfinden kann, sodaß die irdische Hülle nun für
sich selbst da ist, so bleibt der Zeitpunkt, in welchem sie zum erstenmale,
abgetrennt von der irdischen Mutter, selbständig den ersten Atemzug
tut, von großer Bedeutung für ihre weitere Entwicklung. Mit diesem
ersten Atemzug nimmt die irdische Form nicht nur die materielle Luft aus
dem Umkreis der Erde in sich auf, sondern sie verbindet sich auch mit den
Erdenkräften selber und mit jenen Kräften, welche sich in dem Umkreis
der Erde spiegeln, als die Kräfte der zwölf zodiakalen Zeichen,
der Sonne, des Mondes und der Planeten.
Die bestimmte Art und Weise, in welcher jene Kräfte sich zueinander
und zur Erde selber verhalten während des Momentes, da die irdische
Form selbständig wird und den ersten Atemzug tut, bildet sich ab in
jener Form. Dadurch wird ihr ein bestimmter Typus aufgeprägt, der wie
der Ausgangspunkt für die weitere Entwicklung dasteht. Auf dieser Tatsache
beruht die Astrologie und das Herstellen von Horoskopen, welche die Himmelskarte
angeben für den Zeitpunkt der Geburt des Menschen und für den
bestimmten Ort auf Erden, wo diese stattfand. Da der Moment des ersten Atemzuges
aber meistens unbekannt bleibt, so werden viele Fehler in diesen Berechnungen
vorkommen müssen, weil der Ausgangspunkt vielfach unrichtig ist. Als
Resultat werden dann zwar die Stellungen von Sonne, Mond und Planeten im
Verband mit den zodiakalen Zeichen in den Hauptzügen richtig sein,
doch wird der Stand der zodiakalen Zeichen in Bezug auf die vier Punkte
des Horizontes O. S. W. N. nicht genau berechnet werden können. Durch
die Stellungen von Sonne, Mond und Planeten zueinander und zur Erde, und
ihren Stand in den zwölf zodiakalen Zeichen, sowie durch das Verhältnis
der zwölf Zeichen zur Erde ist die bestimmte Art der aufeinanderwirkenden
Kräfte mannigfaltig und immerfort wechselnd in der Zeit. Unter diesen
Wirkungen werden den irdischen Formen die verschiedenen Typen aufgeprägt.
Weil der Aufbau der irdischen Form vermittelst einer irdischen Mutter
eine bestimmte Zeitperiode dauert, so ist der Moment der irdischen Geburt
und dadurch der besondere Typus, welchen die Form aufgeprägt erhält,
abhängig von der Zeit, in welcher der Mensch die Sonnenregion verläßt
und mit der seelischen Hülle umkleidet wird, womit der Aufbau der irdischen
Hülle anfängt. Vom Beginn dieses Aufbaues bis zu dem Augenblick,
da die irdische Form für sich da ist, durchwandert die Sonne — von
der Erde aus gesehen — neun zodiakale Zeichen.
Gleichwie der Mensch vor seinem Fall im Paradiese vom Zeichen des Wassermanns
bis zu dem der Zwillinge neun himmlische Zeichen — als Abbild der neun
Constellationen — durchschritten hat, von der Pforte, durch die er die
Sonnenregion betrat, bis an jene, durch welche er sie verlassen mußte,
um sich die Kräfte der drei übrigen Zeichen auf Erden selber
anzueignen — so geht der Aufbau seiner irdischen Hülle, das Resultat
seines Falles, auf solche Weise vor sich, daß die Sonne sich inzwischen
durch neun zodiakale Zeichen bewegt, und er in seiner seelischen Hülle
während jener Zeit im Umkreis der Erde sich für das kommende Erdenleben
vorbereitet. Die drei übrigen Zeichen muß der Mensch auf Erden
in seiner irdischen Form durchleben. Während diese drei Zeichen in
Bezug auf die Sonnenregion für die Menschheit als Einheit immer dieselben
sind, als Stier, Widder, Fische, weil der erste Mensch das Paradies durch
die Pforte im Zeichen der Zwillinge in einem bestimmten Momente verlassen
hat, so wechseln die Zeichen, welche die Sonne während des Aufbaues
der irdischen Form durchläuft, weil auch der Zeitpunkt, an dem ein
Mensch die seelische Hülle annimmt, für alle verschieden ist.
Ein Abbild des Falles aus dem Paradiese zur Erde wird jedesmal dargestellt,
wenn ein Mensch die seelische Hülle annimmt und der Aufbau der irdischen
Hülle anfängt; in diesem Aufbau, vermittelst einer irdischen
Mutter, wiederholt sich der damalige Gang des Menschen durch die Sonnenregion
hindurch. Nur muß dabei beachtet werden, daß das, was als Typus
für die ganze Menschheit gilt, für jeden einzelnen Menschen unter
dem Einfluß verschiedener zodiakaler Zeichen vor sich geht, sodaß
Differenzen entstehen. Der erste Mensch betrat die Sonnenregion im Zeichen
des Wassermanns und durchwanderte das Paradies durch die Zeichen des Steinbocks,
des Schützen, wo er die Tier- und Pflanzen-Urbilder kennen lernte,
sowie sie vor dem Fall waren. Dann kam er an das Zeichen des Adlers oder
des Skorpions und wurde von der Schlange verführt. Dadurch mußte
er in dem nächsten Zeichen — der Waage — seinen Fall er leben, sodaß
er sich umkehrte. Darnach führte sein Weg durch das Zeichen der Jungfrau;
aber infolge seiner Umkehrung konnte er die Kräfte aus diesem Zeichen
nicht mehr richtig in sich aufnehmen. So ging es auch mit den Kräften
aus den folgenden Zeichen. So verlor er die jungfräulichen Kräfte,
die urväterlichen Kräfte, die ihm aus dem Zeichen des Löwen
zufließen sollten, und die urmütterlichen Kräfte, welche
in dem Zeichen des Krebses verborgen liegen. Als zerbrochener, zweifacher
Mensch mußte er dann durch das darauffolgende Zeichen der Zwillinge
das Paradies verlassen, sich mit dem Tierfell bekleiden und auf die Erde
hinuntersteigen.
In der Zeit, in der die irdische Form des Menschen vermittelst einer
irdischen Mutter aufgebaut wird, wiederholt sich das, was mit dem ersten
Menschen einstmals im Paradiese vor sich ging. Insbesondere offenbart sich
das Abbild des einstmaligen Falles und der Umkehrung des Menschen in der
Waage, welche in der Mitte zwischen dem Wassermann und den Zwillingen liegt,
in der Umkehrung der irdischen Form während der ersten Hälfte der
Zeit des Aufbaues, wenn auch der Organismus anfängt zu leben. Das Herz
bereitet sich dann vor, das eigene Leben als Erdenmensch, welches mit der
Geburt des Menschen seinen Anfang nimmt, zu entwickeln.
Immer noch ist es die Aufgabe des Menschen, sich während des Erdenlebens
Kräfte anzueignen, welche mit drei zodiakalen Zeichen verbunden sind.
Von dem Zeichen ausgehend, in welchem im Zeitpunkt der Geburt die Sonne
steht, muß er sich die Kräfte der folgenden drei Zeichen aneignen.
Jene Kräfte, welche mit dem Durchgang der Sonne durch neun zodiakale
Zeichen der irdischen Form einverwoben sind, muß der Mensch dann während
seines Erdenlebens noch ergänzen durch die Kräfte aus den drei
übrigen Zeichen. Ausgehend von der Stellung der Sonne bei seiner Geburt,
wird er sich im Leben mit den Kräften aus den hierauf folgenden Zeichen
in Beziehung fühlen und auf diese Weise den Kreis vollenden können,
ehe er seine irdische Hülle mit dem Tode ablegt.
Da die zwölf Zeichen des Zodiakus als Abbild der zwölf Constellationen
auf vierfache Weise die Triade der göttlichen Kräfte spiegeln,
welche sich beim Menschen geistig ausdrücken als Weisheit, Liebe oder
Schönheit und Stärke oder Kraft und in seiner Seele zu Glaube,
Liebe und Hoffnung werden, indem sie sich im Erdenmenschen selber als Denken,
Fühlen und Wollen ergeben, so wird der Mensch, während er auf Erden
lebt, diese dreifache Kraft verstärken müssen vermittelst jener
drei bestimmten zodiakalen Zeichen, welche gerade für ihn, durch den
Zeitpunkt seiner Geburt, besondere Bedeutung erhalten.
Weil sich die Kraft der Trinität, nachdem der Gottes-Sohn auf Erden
lebte, unmittelbarer mit der göttlichen Triade verbunden hat, kann
der Mensch dann während seines Erdenlebens nicht nur die Kräfte
der göttlichen Triade in sich ausbilden, sondern vermittelst der Kräfte,
welche durch Christus in das Herz eines jeden Menschen hineingelegt wurden,
kann er sich immer mehr mit dem Wesen der göttlichen Trinität
verbinden.
Das Wesen der Trinität in sich zu verstärken und sich mit
ihm zu vereinigen, das ist die Aufgabe eines jeden Menschen während
seines Erdenlebens, seit Christus durch sein Leben auf Erden diese dreifache
Gotteskraft mit der Menschheit verbunden hat.
«««««
Das letzte
Gericht über die Erde.
Kapitel X.
Die Zeit, in welcher Christus Sein Leben auf Erden durchlebt, liegt
gerade in der Mitte der Erdentwicklung; es ist wie der Moment der Gehoben
h e it, welcher zwischen der ausgeatmeten Vergangenheit liegt und der Zukunft,
die noch eingeatmet werden soll. Dadurch wird der Schwerpunkt der Entwicklung
nunmehr aus der Vergangenheit in die Zukunft hinein verlegt. Die erste
Schöpfung, welche sich auf der absterbenden Linie befindet, ist dann
ersetzt worden durch die zweite Schöpfung, welche mit der auflebenden
Linie verbunden ist. Es ist in das absterbende Element ein neues Element
hinein gebracht worden.
Da in der ersten Schöpfung die schaffende Kraft des Vaters aus
der Trinität hauptsächlich tätig ist, sodaß zunächst
die Himmelsrose entstand und dann als Folge von Lucifers Fall das Universum,
so wie es sich darstellt, so kann die erste Schöpfung als die Offenbarung
des Vaters betrachtet werden. Die zweite Schöpfung trägt einen
mehr innerlichen Charakter; sie tritt auf wie eine Erneuerung des Universums,
da dieses von Lucifer entstellt worden ist. So wirkt die zweite Schöpfung
in die erste hinein; sie ist die Folge von dem, was mit der ersten Schöpfung
vor sich ging. Es folgt die Tätigkeit des Sohnes aus der Trinität
auf die des Vaters, als sich zur zweiten Schöpfung das Angesicht des
Sohnes dem Universum zuwendet.
Durch den Fall Lucifers und die Gegenwirkung Michaels ist aus der ersten
Schöpfung, aus der Himmelsrose, ein Reich entstanden, das sich in
der Zeit entwickelt. Dadurch ist im Kosmos, wo Lucifer wirkt, alles vergänglich.
So war auch in Bezug auf die Erde alles im Absterben begriffen gerade in
der Zeit, als Christus unter den Erdenmenschen erschien, aufdaß Er
die Auferstehungskräfte auf die Erde bringen könne.
Inmitten des alten absterbenden Elements entsteht dadurch ein neues,
belebendes, geistiges Prinzip, welches aber eine innerlichere Natur hat als
das schon bestehende. Die Folge davon ist, daß, äußerlich
betrachtet, das alte Element noch immer am kraftvollsten erscheint, da es
die Natur der äußeren Offenbarung mehr an sich hat als das neue
Prinzip, das mehr innerlich wirkt. Gleichwie die zweite Schöpfung in
die erste hineinwirkt, so ist die Kraft des Sohnes innerlich tätig in
die schon bestehende Erde selber und in die auf ihr lebende Menschheit. Sie
wirkt wie göttliche Liebeskraft in der Erde und in der Menschheit, sowie
im Herzen eines jeden Einzelnen.
Die Menschheit und der einzelne Mensch kann diese Christuskraft, obwohl
sie innerlich wirkt, dennoch nicht so offenbaren, daß sie sich dem
alten absterbenden Element in Bezug auf seine irdische Hülle gewachsen
zeigt. In Bezug auf seine seelische Erdenhülle ist dieses leichter, da
sie auch einen inneren Charakter trägt. So können die Kräfte
des luciferischen E igenwillens, Eigenfühlens und Eigenwissens durch
die eines wahren Wollens, Fühlens und Denkens, in denen sich das dreifache
Wesen Gottes abbildet, beherrscht werden.
So wirkt auf Erden in den christlichen Zeiten innerlich das neue Lebenselement,
während sich das alte Element mehr äußerlich offenbart.
Es entstehen dadurch zweierlei Wege, von welchen der eine zum geistigen
Leben führt, der andere aber dem geistigen Tode entgegengeht. Der Streit
dieser entgegengestellten Elemente miteinander zeigt sich während der
christlichen Zeiten immerfort auf Erden und in der Menschheit. Er läßt
die Schwankungen der Waage entstehen, die schon erwähnt wurden, in Bezug
auf die Entwicklung des Christentums.
Notwendigerweise aber muß das neue lebendige Prinzip am Ende über
das alte absterbende Element siegen. Es wird allmählich im Laufe der
Zeit die Kluft zwischen beiden immerzu größer werden, da ihre
Richtungen auseinander laufen. So wird allmählich eine neue Menschheit
aus der alten herauswachsen, gleichwie aus jedem einzelnen Menschen ein
neuer Mensch. Eine wahrhaft christliche Menschheit wird hervortreten aus
der von Lucifer verführten Menschheit und ein christlicher Mensch aus
jedem gefallenen Erdenmenschen.
Auch in Bezug auf die Erde selber wird dasselbe geschehen; eine neue
durchchristete Erde wird aus der alten Erde hervorgehen, da der Gottmensch
die dreifache Gotteskraft in das Erdentum hineingebracht hat. Durchgeistet
und durchlebt von dieser Kraft, wird die christliche Erde, als das neue Jerusalem,
sich aus dem luciferischen Centrum heraustrennen, welches dann weiter die
absterbende Linie verfolgen wird, bis es als makrokosmischer Leichnam in
Staub auseinander fällt. Denn Lucifer selbst wird immer noch den Streit
gegenüber dem Gottes-Sohn weiter führen, da er dem Wesen der göttlichen
Trinität nicht Untertan sein will. Doch wird er nimmermehr imstande
sein, auf solche Weise zu wirken, wie er es auf Erden vermochte; seine Kraft
ist durch die Herzwunde gebrochen worden. Er muß die Linie verfolgen,
welche zum Absterben führt, da er sich dem neuen Lebenselement entgegenstellt.
Gleichwie sich in Bezug auf die Erde eine Trennung ereignen wird zwischen
der neuen christlichen Erde und der alten luciferischen Erde, so wird auch
innerhalb der Menschheit eine Spaltung entstehen zwischen dem einen Teil
der Menschheit, welcher sich mit dem neuen geistigen Element verbindet,
das Wesen des Gottes-Sohnes in sich aufnimmt und dadurch verchristlicht
wird, und dem anderen Teil, der an dem alten, absterbenden Element haften
wird, mit Lucifer verbunden bleibt und dadurch dem geistigen Tode entgegengeht.
Die Teilung der Menschheit in eine christliche und eine luciferische
Menschheit wird zu gleicher Zeit geschehen wie die Abtrennung des neuen Jerusalems,
der christlichen Erde, aus der luciferischen Erde, dem alten Babylon. Die
christliche Menschheit wird dann verbunden werden mit der verklärten
Erde und ihren Wohnsitz finden in dem neuen Jerusalem. Die luciferische
Menschheit wird bleiben mit der alten luciferischen Erde, dem alten Babylon,
und mit ihr verbunden dem geistigen Tode entgegengehen.
Die luciferische Menschheit hat sich dem Gottes-Sohn entgegengestellt
und ist dadurch unmittelbar in die Gewalt Lucifers geraten. Wenn dann die
Zerteilung der irdischen Menschheit stattfindet, so werden die, welche
sich mit Lucifer gegen Christus verbunden haben, sich zu ihrem
Herrn und zur alten Erde hingezogen fühlen; den Gottes-Sohn Christus
aber werden sie nicht kennen. Jene Menschen, welche sich verchristlicht
haben, sind dadurch innerlich wie ein Teil Christi selber geworden. Er
lebt in ihnen, gleichwie sie in Ihm leben. Vereint mit dem Gottes-Sohn, werden
sie auf der neuen, verklärten Erde das Leben im Geiste weiterführen.
Dies ist die Scheidung der Menschheit, die beim letzten Gericht über
die Erde mit dem Erscheinen des Gottes-Sohnes als König und als Richter
geschehen wird. Den Tag und die Stunde des Gerichts aber kann niemand wissen
außer dem Vater.
«««««
Die neuen makrokosmischen Hüllen in der
fünften, sechsten und siebten Region des Kosmos
Kapitel XI.
Mit Lucifer vereinigt — auch wenn die Erde zu Staub geworden und auseinander
gefallen ist — bleibt der Teil der Menschheit, welcher Christus nicht anerkannt
hat. Während der entsprechenden Ruhezeit, welche wie eine Weltennacht
zwischen dem Moment des Absterbens einer alten Hülle und des Entstehens
einer neuen liegt, ist jene luciferische Menschheit in einer solchen geistig-seelischen
Verfassung, daß sie, in das seelische Erleben Lucifers eingehüllt,
wie in halbbewußtem Zustand alles mitempfindet und auch in sich widerspiegelt,
was Lucifer selbst durchlebte.
Weil diese Menschheit nicht die Kräfte ihres himmlischen Urbildes
in sich aufgenommen, vielmehr diese von sich abgestoßen hat, ist ihr
geistiges Bewußtsein abgeschwächt. Statt vom geistigen Kern zum
geistigen Wesen zu werden durch die Kräfte des Gottes-Sohnes, hat sie
nicht nur jene Kräfte zurückgewiesen, sondern auch den geistigen
Kern so abgeschwächt, daß sie, in Bezug auf geistiges Erleben,
nun von Lucifer völlig abhängig geworden ist. Diese luciferische
Menschheit hat die Entwicklung von der irdischen, gefallenen Menschheit zur
verchristlichten Menschheit verpaßt und ist dadurch weniger menschlich
geworden, als sie vorher war; denn sie hat sich weiter vom himmlischen Urbilde
entfernt, als sie jemals vorher gewesen ist.
Diese luciferische Menschheit soll den neuen Raum bevölkern, welche
ausgebildet werden soll. Dieser fünfte Raum zeigt in gewisser Weise
eine höhere Ausbildung als der vierte; die Menschheit aber, die ihn
bewohnen wird, ist auf eine niedrigere Stufe gekommen als die Erdenmenschheit.
Als Folge davon kann diese luciferische Menschheit nur in der Form einer
Tier-Menschheit erscheinen und so den fünften Raum bewohnen.
In Bezug auf diese Ausbildung des fünften Raumes hat Lucifer nicht
mehr dieselbe Freiheit, die ihm vorher gegeben war bei der Entstehung der
früheren Schöpfungsräume. Die Kraft seines Wesens ist innerlich
geschwächt worden, nachdem Christus die Macht der göttlichen Trinität
durch Sein Wesen mit dem ganzen Kosmos verbunden hat. Auch der Typus für
den fünften Schöpfungsraum wurde während der Entwicklung des
dritten schon angelegt, als der Fall der Engel geschah und der Erzengel
Gabriel aus dieser Entwicklung den Urtypus der reinen jungfräulichen
Himmelskräfte herausgehoben hat, im Gegensatz zum weiblichen Element,
welches damals durch Lucifer gebildet wurde.
So sind die Kräfte der himmlischen Lichtjungfrau mit diesem fünften
Weltbilde verbunden. Lucifer aber ist mit seinen Kräften gleichfalls
tätig und formt da, wo es ihm möglich ist, die umgekehrten Bilder
der göttlichen Kräfte. Der Teil der Menschheit, welcher unter
seine Gewalt geraten ist, kann sich nicht mit den himmlischen Kräften
der Lichtjungfrau verbunden fühlen, denn durch die luciferischen Kräfte
entwickelt er sich zu einer Tier-Menschheit im fünften Schöpfungsraum.
Dieser aber wird aus feinerer Materie gebildet werden als der vierte, und
so werden alle Formen, welche sich in ihm entwickeln, aus dieser feineren
Substanz bestehen, auch die Formen, in welchen jene Tier-Menschheit leben
wird.
Als der Gott-Mensch Jesus Christus während der Entwicklung der
Erde als viertes Schöpfungsstadium das himmlische Urbild des Menschen
mit dem irdischen Abbild verbunden hat, indem Er die Kräfte des Urbildes
in die Erden-Menschheit hineintrug, haben sich auch jene drei Elemente,
die mit der Sonnenregion vereint blieben, als sich die Erde aus ihr heraustrennte,
mit der Erde verbunden. Jene drei höheren Elemente haben Beziehung
zum menschlichen Urbilde, gleichwie die vier irdischen Elemente zum irdischen
Abbilde. Die irdischen Elemente, welche durch den Fall des Menschen in
mehr verdichteter Form aufgetreten sind, werden von den drei geistig gebliebenen
Elementen durchsetzt und durchdrungen. Mit der Trennung aber des Teiles
der Erde, der mit Lucifer bleibt, von jenem, welcher vermittelst der Kräfte
des Gottes-Sohnes zum neuen Jerusalem wird, bleiben diese vier irdischen
Elemente mit der luciferischen Erde, dem alten Babylon, verbunden; die drei
höheren Elemente aber vereinigen sich mit dem verklärten Erdenteil.
Als göttliche Weisheit, göttliche Liebe und göttliches
Dasein, stellen sich die Kräfte jener geistigen Elemente dar. Sie
spiegeln in sich die Kraft der himmlischen Jungfrau als leuchtendes Element,
die Kraft des Wortes als tönendes Element und die Kraft des Urvaters
als Lebenselement. Wenn sich der fünfte Schöpfungsraum ausbildet,
ist die Kraft jener höheren Elemente mit ihm verbunden, insbesondere
das Element des geistigen Lichtes, welches dem Wesen der himmlischen Lichtjungfrau
entspricht. Dadurch offenbart er sich in einer geistigeren und durchleuchteteren
Form als die Erde, trotzdem Lucifer überall, wo er kann, diesem Licht
entgegenwirkt.
Die Tier-Menschheit lebt in den entsprechenden Formen auf jenem fünften
Schöpfungsgebilde. Das, was als Tierreich, Pflanzenreich und Mineralreich
bisher auf Erden gelebt hat, wird nun um eine halbe Stufe erhöht sein,
sodaß das, was sich als Tierreich auf der Erde auslebte, nunmehr
sich zur Tier-Menschheit hinzugesellen und den niedrigsten Teil der Tier-Menschheit
ausmachen wird. Das irdische Pflanzen-Reich wird zum tierartigen Pflanzenreich
werden, und das Erden-Mineral zur pflanzlich-mineralischen Substanz. So
werden für jedes Natur-Reich die Lebensbedingungen erhöht
sein, indem die entsprechenden Formen für jedes Reich bildsamer werden;
das Mineral erhält eine größere W a c h s t u m s möglichkeit,
seine Form wird plastischer, die Pflanze wird eine größere EmpfindungsMöglichkeit
haben; das Tier ein größeres Verständnis und Erkenntnis-
Vermögen und die Substanz, aus welcher das ganze fünfte Schöpfungsgebilde
besteht, wird lebendiger und verwandlungsfähiger sein als die der
Erde.
Auch wird durch Einwirkung des Wesens der Lichtjungfrau das männliche
und weibliche Element nicht mehr in solcher Weise auftreten, wie es auf
Erden sich offenbart, denn dieses Element wird ausgeglichener sein. Der
Ausdruck „Tier-Menschheit" deutet nicht auf eine tierische Natur hin, sowie
sie auf Erden auftritt, sondern er weist darauf hin, daß jene luciferische
Menschheit das wahre menschliche Element verloren hat, und mehr in das Empfindungsleben
ihrer eigenen Natur verstrickt worden ist. Ihr geistiger Kern ist so abgeschwächt,
da er die Entwicklung zum geistigen Wesen abgelehnt hat, daß er den
Kräften der seelischen Hüllen und damit Lucifers Wirkung Untertan
geworden ist.
Der Umkreis dieses fünften Schöpfungsraumes wird von großer
Wichtigkeit sein; denn von diesem Umkreise aus werden jene Wesen auf den
Raum einwirken, welche zu dem Teil der Menschheit gehören, der sich
mit Christus vereinigt hat. Diese Wesen werden zu den Legionen Christi gehören
und wie die Engel einwirken auf die Tier-Menschheit. Sie werden Hüter
und Retter jener luciferischen Menschheit sein und als Diener Christi den
Versuch machen, jene Menschheit zu erlösen.
Christus selber wird das göttliche Erlösungswort auch in jene
Menschheit tönen lassen. Es wird in ihrer Mitte erscheinen und Seine
göttlichen Kräfte nach den vier Himmelsrichtungen ausströmen
lassen. Und wiederum wird sich jener fünfte Raum spalten, gleichwie
die Menschheit, die in ihm lebt; denn ein Teil von ihr wird durchdrungen
werden von dem Wesen des Gottes-Sohnes und der Lichtjungfrau und wird sich
aus dem anderen herausheben, der nun der Vernichtung entgegengeht, verbunden
mit dem Teil der Menschheit, der wiederum Lucifer verfallen ist. Der erlöste
Teil der Menschheit aber wird sich mit Christus und Seinen Legionen vereinigen
und im Lichte der himmlischen Jungfrau leben.
Wenn für den fünften Schöpfungsraum die Entscheidung
getroffen worden ist, geht der Teil, der unter Lucifers Macht bleibt, seiner
Vernichtung entgegen. Dabei befindet sich die Menschheit, die sich nicht
mit dem Wesen des Gottes-Sohnes verbunden hat. Wenn dann der fünfte
Raum vergeht, so tritt eine Periode der Ruhe ein, und nach dieser wird ein
neuer Raum ausgebildet. Die luciferisch gebliebene Menschheit, die im fünften
Raum schon zur Tiermenschheit herabgesunken ist, verliert immer mehr die
Beziehung zum wahren menschlichen Urbilde, indem sie sich gänzlich
unter Lucifers Einfluß stellt und dadurch in seinem Wesen alles miterleben
muß, was mit Lucifer selbst vorgeht. Ihr menschliches Bewußtsein
wird dadurch so abgeschwächt sein, daß sie nicht nur in
Bezug auf das Willens-Element von Lucifer abhängig ist, wie die
Tier-Menschheit der fünften Hülle, sondern auch in Bezug auf das
Fühlen keine individuelle Kraft mehr hat. So wird die Menschheit, welche
den sechsten Raum bewohnen muß, in Bezug auf ihr Bewußtsein
einen solchen Grad von Dumpfheit (Passivität) entwickeln, daß
dieser nur verglichen werden kann mit dem Pflanzenleben der heutigen Erde,
in welchem nur noch das Prinzip des dumpfbewußten Eigenwissens wirkt.
Unter dieser Menschheit wird sich noch ein niedrigeres Reich befinden,
welches sich wie ein tierisches Mineralreich ausnimmt; ein pflanzenartiges
Menschen-Reich und ein tierartiges Mineralreich wird also in diesem Schöpfungsraume
bestehen.
In seinem Umkreis wird die Menschheit tätig sein, welche sich zu
den Legionen Christi hinzugesellt hat. Es werden dann alle, welche im vierten
Raum mit dem Wesen Christi vereint wurden, auf eine Art wirken können,
welche der Hierarchie der Erzengel entspricht, während jene Menschheit,
die sich aus der Tier-Menschheit des fünften Raumes herausgehoben
hat, dann wie die Hierarchie der Engel tätig sein kann.
Die Materie des sechsten Schöpfungsgebildes wird in noch subtilerer
Form ausgebildet werden als die des fünften und dementsprechend auch
die Einzelformen, welche auf ihr leben. Gleichwie es im fünften Schöpfungsraum
insbesondere das geistige Licht- Element ist, das sich von den drei geistigen
Elementen vorzugsweise offenbart, so ist es im sechsten das geistige Element
des Klanges, welches den ganzen Raum durchsetzt und auch die Formen, die
sich in ihm entwickeln.
Für diesen sechsten Raum ist der Urtypus während der Entwicklung
des zweiten schon herausgehoben worden als das Element der Liebe, des göttlichen
Fühlens, im Gegensatz zum Prinzip des Eigenfühlens, welches Lucifer
damals ausgebildet hat und das seinen Ausdruck dann später auf der
Erde im Tierreich findet.
Das Element der Liebe ist das Wesen des Gottes-Sohnes selbst, und Er,
als das ewige Wort, findet Seinen Ausdruck in dem geistigen Element des
Klanges. So wird der ganze sechste Raum mit den einzelnen Formen, die in
ihm leben, durchklungen sein von dem Wesen des ewigen Wortes selbst. Lucifer
aber wird dem Wesen dieses Wortes überall entgegenwirken, indem er
sich bemüht, die göttliche Harmonie in Disharmonie zu verzerren.
Es wird dann Lucifer gelingen, einen Teil der Menschheit für sich zu
behalten und eine eigene räumlich begrenzte Welt aus dem Ganzen herauszusondern,
auf welcher er seine Tätigkeit weiterführen wird.
Christus aber wird inmitten der Menschheit im sechsten Raume leben und
auch da Seine Kräfte nach den vier Himmelsrichtungen ausgießen.
Von diesem sechsten Raume wird ein Teil unter der Herrschaft Christi
sein, verbunden mit dem Teil der Menschheit, der sich zu den Legionen Christi
hinzugesellt hat; der andere Teil aber wird mit Lucifer bleiben und allmählich
absterben samt der Menschheit, die mit Lucifer vereint geblieben ist. Weil
aber der sechste Raum mit dem Wesen des Gottes-Sohnes durchdrungen ist,
das als das ewige Wort alles durchklingt, kann Lucifer nur eine Gegenwirkung
hervorrufen, indem er einen starken Willensimpuls in sich entwickelt, mit
welchem er sich bewußt dem göttlichen Worte entgegen stellt.
Die Menschheit, unter welcher das Wort lebt, ist wie von selbst darauf angewiesen,
Ihm zu folgen, um durch Seine Kraft gerettet zu werden. Nur dann, wenn
diese Menschheit sich mit Hilfe Lucifers unempfindlich macht für den
Klang des ewigen Wortes, kann sie sich vom Gottes-Sohn abwenden. Diejenigen
allein, die nicht gerettet sein wollen, werden sich während der Entwicklung
des sechsten Schöpfungsraumes zu Lucifer bekennen und sich mit ihm aussondern.
Die andern werden von dem Gottes-Sohn der Erlösung zugeführt.
Der Teil der Menschheit, welcher sich Lucifer zugewendet hat, macht
den weiteren Prozeß des Absterbens dieses sechsten Erdbildes mit.
Nachdem die neue Weltennacht dann überstanden ist und ein neuer Raum
in der nächsthöheren Region des luciferischen Reiches entsteht,
wird jene Menschheit mit dieser siebenten Epoche verbunden. Jene Menschheit
aber, die auf der Erde das Prinzip des Willens eingebüßt hat und
im fünften Raume in Bezug auf das Prinzip des F ü h 1 e n s unter
Lucifers Macht geraten ist, wird dann während der Entwicklung der sechsten
Weltzeit auch das Prinzip des Eigenwissens verlieren, da dieses ebenso unter
Lucifers Gewalt kommt.
So wird diese Menschheit, wenn sie im siebenten Raume erscheint, hinsichtlich
aller geistig-seelischen Kräfte nur noch einen Teil von Lucifer selbst
ausmachen. Sie wird nur solche Kräfte haben, die verglichen werden
müssen mit den Mineralien auf der heutigen Erde, in welchen das geistig-seelische
Leben nicht vorhanden ist. Die Menschheit der siebenten Raumzeit wird zugleich
den Lebensstoff bilden, aus welchem deren Materie besteht.
Der Urtypus für dieses letzte Dasein in der siebenten und höchsten
Region des Kosmos ist schon während der Entwicklung des ersten Schöpfungsraumes
aus diesem herausgehoben worden, als durch Lucifer das Prinzip des Eigenwillens
damals veranlagt wurde. Von den drei geistigen Elementen offenbart sich
in Bezug auf diese Erdenstufe insbesondere das Element des Lebens, welches
mit dem urväterlichen Centrum, aus dem alles Leben hervorgeht, verbunden
ist. Es trägt die siebente Schöpfungsstufe den Typus des urväterlichen
Willens und ist mit dem göttlichen Leben durchsetzt, daher hat Lucifer
nur wenig Gewalt über sie. Im Umkreis derselben werden diejenigen
Wesen tätig, die einstmals zur Erden-Menschheit gehörten und
durch Vereinigung mit Christus sich zu Seinen Legionen hinzugesellt haben.
Sie wirken ähnlich wie die Fürstentümer oder Archai unter
den hierarchischen Wesen. Die durch den Gottes-Sohn Erlösten aus der
Menschheit der fünften Erdenstufe können dann wie die Erzengel
aus den kosmischen Hierarchien tätig sein. Die, welche auf der sechsten
Hülle noch zur Menschheit gehört haben, werden dann wie die Engel
einwirken können.
Damit die mit der siebenten Erdenstufe verbundenen Menschen erlöst
werden, wird der Gottes-Sohn sich auch in diesen letzten Schöpfungsraum
unter jene Menschheit begeben und seine Lebenskräfte nach den vier Himmelsrichtungen
wie in Kreuzesform ausstrahlen. Lucifer aber wird das Reich, welches er
sich einstmals im Kosmos geformt hat, verlassen müssen. Neue Wirkräume
wird er sich nicht ausbilden können und so muß er, durch den
Gottes-Sohn besiegt, seine Lebenskräfte nach den vier Zerspaltungslinien,
welche einstmals durch seinen Fall entstanden sind, ausströmen. Als
gefallenes Geschöpf Gottes, welches, zu einem Zerrbild seines himmlischen
Urbildes geworden, im Reiche der Vergänglichkeit weiterlebt, soll Lucifer
in Bezug auf das Zeitliche vergehen. Nur in jenen Regionen, die nicht mehr
zum dualistischen Kosmos gehören, sondern im Abgrunde, der tief unter
den niedrigeren kosmischen Regionen liegt, wird dann weiter sein Dasein sich
fortsetzen.
«««««
Das
makrokosmische Gefäß.
Kapitel XII
Der dualistische Kosmos und die sieben Schöpfungsräume, die
in diesen verschiedenen Regionen ausgebildet werden, stellt sich dar wie
das makrokosmische Gefäß, dessen äußere Form in der
Zeit entsteht, besteht und vergeht. Alles das aber, was von himmlischen
Kräften an diesem Gefäß gearbeitet worden ist, weil immerzu
göttliche Boten dem Willen Gottes gemäß Lucifers Taten entgegenwirkten,
gehört dem Reiche der Ewigkeit an, obwohl es in der Zeit wirksam ist.
Es bleiben in den himmlischen Regionen die Taten der wahren Hierarchien,
der großen Erzengel und Christi selber wie mit goldenen Buchstaben
als die geistige und himmlische Schrift zu lesen. Wenn dann die äußere
Offenbarungsform vergehen wird, so bilden die Taten der göttlichen
Boten eine geistige Form, gleichwie eine heilige Schrift, in welcher all
das, was als wahres göttliches Sein im Kosmos lebte, aufgezeichnet
ist.
Diese ewige Schrift wird, gleichwie das in der Apokalypse bezeichnete
Buch, mit den sieben planetarischen Siegeln geschlossen sein und nur das
Lamm Gottes, Christus, wird es eröffnen können. Dieses heilige
Buch ist das in die himmlischen Regionen erhobene Urbild von dem, was sich
im kosmischen Reiche als das große makrokosmische Gefäß
in der Zeit offenbart. Es ist wie das geistige Gefäß, dessen
heiliger Inhalt aus allen wahren göttlichen Kräften besteht, die
einstmals in der Welt wirksam waren und welche durch das Opfer und das Blut
Christi vollendet worden sind.
Gleichwie das heilige Buch mit den sieben Siegeln nur durch das Lamm
Gottes eröffnet werden kann und nur von denjenigen erkannt wird, die
zum Lamm Gottes gehören, kann das geistige Gefäß auch nur
von solchen erkannt und geschaut werden, die berufen sind dazu, den wahren
göttlichen Kräften zu dienen. Auch sollen sie, als wahre Nachfolger
Christi, bereit sein, das Opfer Christi an sich selbst zu wiederholen.
Die Erdenmenschheit schaut die sieben planetarischen Centren am Himmel,
gleichwie das Symbol des makrokosmischen Gefäßes. Doch kann sie
die letzten drei Regionen noch nicht durch die entsprechenden Centren belebt
sehen, weil diese Centren sich erst in Zukunft in den ihnen entsprechenden
Regionen nacheinander ausbilden werden, wenn die Erde zur Vergangenheit gehören
wird. Dafür schaut dann der Erdenmensch in der Gegenwart die drei Planeten,
welche zwischen Erde und Sonne ihre Bahnen haben.
Das geistige Gefäß mit dem göttlichen Inhalt kann auch
in der Gegenwart geschaut werden, da es in den himmlischen Regionen besteht,
wo Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sich zur ewigen Einheit zusammenschließen.
Wenn der Erdenmensch sich über die zeitliche Welt zu erheben weiß,
indem er sich erlebt wie mit seinem ewigen Urbilde vereinigt, dann kann
das himmlische Gefäß mit dem göttlichen Inhalt ihm zur Wirklichkeit
werden. Dann ist auch er einer von denen, die zum Lamm Gottes gehören
und durch Christus an dem wahren Inhalt des himmlischen Buches teilnehmen
werden.
Von der Erden-Menschheit, die beim letzten Gericht durch Christus den
Weltenrichter, zur linken und zur rechten Seite gestellt wird, gehen zwei
Wege aus, die sich in der weiteren Entwicklung immer mehr auseinandertrennen.
Schon mit der Ausbildung des fünften Schöpfungsraumes entsteht
an der linken Seite die Tier-Menschheit, an der rechten Seite die Engel-Menschheit,
die schon nicht mehr auf der Erde selbst lebt. Auf der sechsten Stufe ist
an der linken Seite eine Menschheit, die nur ein dumpfes Bewußtseinsleben
führen kann, sowie dieses sich im irdischen Pflanzenreich offenbart;
an der rechten Seite ist als höchstes Element eine Erzengel-Menschheit
tätig. Auf der siebenten Stufe besteht von der linken Seite ausgehend
das lebendige Mineral aus dem, was einstmals auf der Erde zur Menschheit
gehört hat; an der rechten Seite ist eine Menschheit da, die wie die
hierarchischen Wesen der Archai tätig sein kann.
Zur linken Seite steht eine luciferische Menschheit, welche gleichwie
Lucifer selbst immer mehr geistig absterben muß; zur rechten Seite
sind die gestellt worden, welche eine christliche Menschheit darstellen,
als die neugeborene Menschheit, die im Christus auferstanden ist und dem
ewigen Leben entgegenschreitet.
Lucifer erlebte seinen Fall und offenbarte sich im Kosmos, ehe der Mensch
in dieses Reich hineingestellt wurde als göttlicher Bote. Ehe die
Menschheit war, war Lucifer schon; er stellt die große Vergangenheit
dar für die Erdenmenschheit. Mit dem Fall des Menschen hat sich der
Mensch mit dieser Vergangenheit verbunden und sie wurde Gegenwart für
ihn in dem Momente, wo Lucifer sein Herr geworden ist. Da war die Menschheit
selber mit Lucifer, und Lucifer blieb mit der Menschheit bis an den Zeitpunkt,
wo der Gottes-Sohn sich mit der Menschheit verband. Seitdem ist Christus
mit der Menschheit und bleibt mit ihr vereint. So kann der Erdenmensch sich
sagen: Lucifer war, ehe die Menschheit erschien, aber dann hat diese Menschheit
sich Lucifer ergeben und dadurch ist Lucifer in der Menschheit gegenwärtig
geworden; er lebt in ihr und sie erlebt ihn in sich. Christus aber hat sie
gerettet und erlöst, indem Er sich ihrer angenommen hat.
Lucifer ist für die Menschheit Vergangenheit und Gegenwart gewesen,
ehe der Gottes-Sohn in der Menschheit gegenwärtig wurde und ihr die
Zukunft sicherte. Für die Erden-Menschheit sind zwei Wege geöffnet
worden, seitdem sich die Kraft Christi der Kraft Lucifers in der Menschheit
selber gegenübergestellt hat; sie kann den Weg des Gottes-Sohnes gehen
oder auch kann sie mit Lucifer verbunden bleiben.
Immer mehr und mehr werden diese beiden Wege auseinandergehen und die
Erden-Menschheit wie in zwei Reiche zerteilen, von welchen das eine ein
höheres, das andere ein niederes Menschenreich sein wird. Immer deutlicher
wird der Unterschied sich offenbaren zwischen denen, die dem Gottes-Sohn
angehören und denen, die sich noch zu Lucifer bekennen. Wenn dann auf
Erden selber dieser Unterschied sich zeigt, wird sich für den Zustand
des Menschen nach dem Tode eine noch viel schärfere Unterscheidung
ergeben. Die Verführung durch Lucifer ist seit dem Sündenfall
des Menschen bestimmt und unvermeidlich; die Möglichkeit der Erlösung
ist mit dem Opfer Christi der Menschheit gegeben. Gleichwie an jeden Menschen
die Verführungen Lucifers herantreten werden auf die verschiedensten
und mannigfaltigsten Weisen, sei es durch die Eindrücke der Außenwelt
vermittelst der Sinnesorgane, sei es innerlich durch die seelischen Kräfte
des Eigenwillens, Eigenfühlens und Eigenwissens (welche die wahre,
dreifaltige Gotteskraft des göttlichen Willens, der göttlichen
Liebe und der göttlichen Weisheit immerfort bekämpfen), so ist
auch in einen jeden Menschen durch den Gottes-Sohn seit dessen Erlösungstod
die Kraft des wahren himmlischen Urbildes hineingelegt worden und hat der
Geist und die Seele eines jeden Menschen das Bild des Gottes-Sohnes Christus
eingeprägt erhalten.
Der Mensch pflegt seine irdische Form und unterhält sie in ihrem
Wesen durch die Nahrung, welche er aus der Umwelt zu sich nimmt. Die seelischen
Kräfte, die zur irdischen Hülle gehören, werden von den
verschiedenen Eindrücken genährt, welche dem Menschen durch Vermittlung
der Sinnesorgane aus der Außenwelt zukommen und die er dann innerlich
geistig-seelisch verarbeitet. Die irdische und die leib-seelische Hülle
des Menschen werden durch die materielle Welt ernährt, da auch sie zur
luciferischen Welt gehören.
Jener geistige Kern im Menschen aber, welcher seit dem Sündenfall
in den Hüllen eingeschlossen ist, kann nicht in der Welt die Nahrung
finden, welche seinem Wachstum förderlich ist. Dieser geistige Kern
wurde deshalb immer schwächer und der Mensch kam immer mehr unter Lucifers
Gewalt bis zu dem Momente, wo durch die Kraft Christi jener Kern die geistige
Nahrung erhalten hat, die ihn von einem bloßen geistigen Kern zum geistigen
Wesen machte, in welchem die dreifache Gotteskraft verborgen liegt.
Dieses geistige Wesen des Menschen wird durch Verbindung mit dem Gottes-Sohn
erhalten, denn die Kraft Christi ist wie die himmlische Nahrung zur Erhaltung
seines Wesens, auch während sich der Mensch in dieser Welt befindet.
Wenn der Mensch sich nicht bestrebt, dieser himmlischen Nahrung teilhaft
zu werden, und stattdessen nur seine irdische, und insbesondere seine seelische
Hülle auf die ihnen entsprechende Weise aus der materiellen Welt nährt
und pflegt, so wird das geistige Wesen in ihm geschwächt werden; das
sterbliche Teil seines Wesens aber wird die Überhand gewinnen. Er
wird den Gottes-Sohn in sich verleugnen und Lucifer stark machen. Dadurch
wird es Lucifer leichter, den Menschen für sich zu gewinnen.
Hat es der Mensch zum Hauptziel seines Erdenlebens gesetzt, sich mit
dem Gottes-Sohn zu vereinigen, das geistige Wesen in sich zu stärken
und zu erhalten, aufdaß es die sterblichen Hüllen besiege, so
wird die Sorge für die Nahrung der seelischen und der irdischen Hülle
ihm nicht mehr Hauptsache sein. Weil diese Hüllen eher ein Hemmnis
als eine Hilfe bilden und er sie dennoch braucht, wenn er als Erdenmensch
tätig sein will, so wird er sich zum Ziel setzen, diese Hüllen
zwar zu unterhalten, aber nicht auf irgend welche Weise zu stärken.
Während seines Erdenlebens wird er dann die seelische Hülle und
seine irdische Form so umbilden, daß sie, durch das himmlische Wesen
im Menschen besiegt, statt Gegner zu sein, zu Dienern jener Kräften
werden, die durch Christus in das Herz des Menschen gelegt worden sind.
Aus dieser Erkenntnis ging das Bestreben der Heiligen und der Asketen
hervor, welche durch Gebet und Andacht sich im Geiste mit Christus zu vereinigen
suchten, indem sie durch Fasten und Abtötung der Sinneserlebnisse die
Wirkung Lucifers in der irdischen und der seelischen Hülle verhinderten.
Von dem Einfluß Lucifers wollten sie sich befreien, aufdaß sie
sich mit ihrem ganzen Sein Christus hingeben könnten. Denn sie wußten,
daß der Mensch, wenn er sich nicht als Ziel stellt, dem Gottes-Sohn
zu dienen, von Lucifer unmittelbar ergriffen wird, weil es nur die zwei
Wege gibt, die am Ende entweder zu der rechten oder zu der linken Seite
führen müssen.
Jeder Mensch ist wie ein Abbild im kleinen des großen makrokosmischen
Gefäßes. Alles, was als vergängliches Element dem Reiche
angehört, wo Lucifer wirkt, soll von ihm abfallen. Mit dem ersten und
dem zweiten Tode stirbt der vergängliche Teil des Menschen ab. Der
wahre geistige Mensch wird von seinen zeitlichen Hüllen befreit und
jene Kräfte in ihm, welche zur Ewigkeit gehören, weil sie göttlich
sind, werden in die himmlischen Regionen hinaufgetragen. Das wahre seelische
Element, das ihm von der Lichtjungfrau in den himmlischen Regionen gewoben
wurde, ist wie das geistige Gefäß, das als Inhalt das birgt, was
der Mensch sich im Geiste an göttlicher Kraft durch Verbindung mit dem
Gottes-Sohn, angeeignet hat. Gleichwie ein heiliges Gefäß ist
das himmlische Urbild des Menschen, wie das heilige Buch, in dem alles
aufgezeichnet ist, was als göttliches Sein jemals im Menschen wirksam
war, während er auf Erden und im Kosmos lebte. Nur die Kraft des Lammes
kann dieses heilige Buch öffnen, denn der Schlüssel zum wahren
Urbild des Menschen gehört Christus. Nur der Sohn Gottes, der, aus
der göttlichen Trinität hervorgehend, bis in das Reich der Menschen
hinunterstieg, als Mensch unter den Menschen lebte und für alle Zeiten
den Weg wies, welcher wiederum zum Vater führt, — nur Er allein kann
der Menschheit das Wesen des durch sie vergessenen Urbildes offenbaren und
sie dadurch des wahren Lebens teilhaft machen.
Durch Ihn kann die Menschheit, mit der dreifachen Gotteskraft belebt,
zu den himmlischen Regionen wiederkehren, wo sie als geistiges, himmlisches
Wesen das Leben Gottes mitleben wird. Den Chören der himmlischen hierarchischen
Wesen, welche die lebendigen Blätter der Himmelsrose darstellen, wird
die neue menschliche Hierarchie zugefügt werden.
Diese neue Hierarchie wird auch aus drei Chören bestehen, als Folgewirkung
davon, daß die Menschheit während der Entwicklung des fünften,
sechsten und siebenten Schöpfungsraumes (bezw. der 5., 6. und 7. Erdenstufe)
im kosmischen Reiche nach drei verschiedenen Arten tätig ist: wie
die Hierarchie der Engel, der Erzengel und der Archai.
Es wird in der Himmelsrose, die vorher das Abbild der Trinität
war, die göttliche Dreifaltigkeit unmittelbar anwesend sein als das
dreifache Angesicht Gottes, welches, im Wesen Eins, zunächst von oben
einstrahlend sich dann in das Herz der Himmelsrose hineinversenkt, die
Himmelsrose wie krönend und durchdringend mit Seinem dreifachen Leben.
Wie von unten aufsteigend, wird die neue dreifache Hierarchie der Menschen
sich zu den Blättern der Himmelsrose hinzugesellen, sodaß statt
neun himmlischen Chören dann zwölf Chöre von Hierarchien
da sind.
Diese neue Hierarchie wird unmittelbar verbunden sein mit dem Wesen
der göttlichen Trinität, da sie von dieser dreifachen Kraft das
wahre Abbild ist.
So wird die Wiederkehr des Menschen sein, wenn er den Weg folgt, welchen
ihm der Sohn Gottes angedeutet und eröffnet hat. Diesen Weg zu gehen
sei das Ziel, welches der Erdenmensch sich stelle, indem er jene Fallstricke
und Lockungen meidet, die ihm unaufhörlich Lucifer stellt um die Seele
des Menschen an sich zu ziehen. Mit offenen Augen, wissend welche Rolle
Lucifer in der Entwicklung spielt, soll er sich vor dem mächtigen Widersacher
hüten, der ihm, wenn er ihm verfällt, am Ende den geistigen Tod
bringen wird. Das, was der Erdenmensch aus Lucifers Reich an sich trägt,
soll er in den Dienst dessen stellen, was als Abbild der göttlichen
Trinität das wahre, innere Centrum seines Wesens ist.
Möge dann diese Betrachtung der kosmischen Entwicklung und des
Weges, den der Mensch gegangen ist vom Herzen des urväterlichen Centrums
aus — gefallen durch Lucifers Verführung, erlöst durch das Opfer
Christi — die Erinnerung wachrufen an die wahre Heimat des Erdenmenschen,
aufdaß die dreifache Gotteskraft, die Christus in einen jeden Menschen
hineingelegt hat, sich lebendig offenbare und das Bündnis mit dem
Sohn Gottes im menschlichen Herzen geschlossen werde.
«««««««
Symbolische
Darstellung der Zweiten Schöpfung.
Das symbolische Bild bezieht sich
auf das, was im zweiten Teile des Buches beschrieben ist als die zweite
Schöpfung, nachdem das Wesen der göttlichen Trinität sich
mit der Himmelsrose auf solche Weise verbunden hat, daß diese nicht
mehr das bloße Abbild ist der dreifachen Gotteskraft, so wie sie es
mit der ersten Schöpfung war.
Im Centrum der Himmelsrose ist die göttliche Trinität anwesend
und durchsetzt sie mit ihren Kräften. Sie ist symbolisiert durch das
Dreieck mit dem göttlichen Auge. Die Himmelsrose, bestehend aus dem
Urväterlichen Centrum, der urmütterlichen Peripherie und dem Mittler,
welcher der Bote zwischen beiden ist, wird mit der zweiten Schöpfung,
als sich das Angesicht des Sohnes der Schöpfung zuwendet, vereinigt
mit dem Angesicht des Vaters, mit dem Angesicht des Sohnes und mit dem des
Heiligen Geistes. So wird das urväterliche Centrum durchsetzt mit dem
Wesen des Vaters, der Mittler mit dem Wesen des Sohnes und die urmütterliche
Peripherie oder die Lichtjungfrau mit dem Wesen des Heiligen Geistes aus
der Trinität.
Die neunfachen Chöre der Hierarchien, welche die lebendigen Blätter
der Himmelsrose bilden, erhalten durch die unmittelbare Verbindung mit
der göttlichen Trinität neues Leben.
Das Bild zeigt im Centrum der Himmelsrose das Symbol der Trinität,
die mit ihrer dreifachen Kraft die Himmelsrose durchstrahlt. Die dreifachen
Reihen der Hierarchien, von denen jede drei Chöre enthält, sind
ebenfalls im Bilde angegeben.
Der zwischen der Grenze der Himmelsrose und dem nächsten Umkreis
befindliche Raum, ist als die Region des Empyreums zu denken; in ihr ist
die vierfache Zerspaltung nicht bemerkbar.
Der nächste Umkreis, in welchem die vier Linien der Himmelsrichtung
sichtbar werden, gibt ein Bild der Region des Kristall-Himmels oder des
Primum mobile.
Rings herum, die Region des Kristall-Himmels umgebend, ist die Region
des Fixstern-Himmels zu denken, mit der ursprünglichen Einteilung
in zwölf Hauptcentren.
Als der Sohn, Christus, die Regionen der Himmelsrose durchschreitet,
um die Menschheit vom geistigen Tode zu retten, tritt Er durch die Region
des Fixsternhimmels in die Regionen des Kosmos hinein.
Das Wort Gottes, Christus der Heiland und Erlöser, wird in der
Zeichnung dargestellt in der Region des Fixstern-Himmels weilend, von wo
er seine Kräfte nach den vier Himmelsrichtungen im Universum ausstrahlt;
es ist gleichsam die kosmische Kreuzigung, welche mit der Kreuzigung auf
Erden verbunden ist.
Die Kraft des Wortes strahlt hinein in die Regionen, wo Lucifer wirkt,
bis es auf der Erde sein Wesen offenbart und die dreifachen Gotteskräfte
mit diesem Centrum verbindet.
Der Kosmos ist auf dem Bilde angegeben durch das Gefäß, den
Kelch, in dem das Blut des Erlösers für alle Zeiten aufbewahrt
worden ist, seit dem Opfer auf Golgatha. Es kann aber dieses Reich erst mit
dem Symbol des Gefäßes zusammengebracht werden, nachdem das Opfer
Christi geschehen ist und Seine göttliche Kraft sich im Centrum offenbart
hat. Der Kelch hat sich d u r ch den göttlichen Inhalt und nach ihm
gestaltet.
Der obere Rand des Kelches kann gedacht werden als die erste und die
siebente Region des Kosmos; der Raum zwischen diesem oberen Rand und dem
Boden des Kelches wird dann von der zweiten und sechsten und der dritten
und fünften Region eingenommen, beide in gleicher Entfernung vom Boden
des Kelches, der das Symbol für die vierte Region darstellt. Das Bild
des Gefäßes wird sich dann, in Verbindung mit den makrokosmischen
Centren, welche sich als Planeten in den verschiedenen Regionen formen, auf
folgende Weise ausnehmen:
1. Region: Saturn Merkur
5. Region
2. Region: Jupiter Venus
6. Region
3. Region: Mars Vulkan
7. Region
4. Region Sonne
4. Region Erde Mond.
Sonne, Mond und Erde, ursprünglich eine Einheit darstellend, haben
sich voneinander getrennt, indem die Sonne in der vierten Region geblieben
ist, während Erde und Mond sich durch Verdichtung, Centralisation und
Zusammenpressung herausgesondert haben und dadurch auf ein niedrigeres Niveau
gebracht wurden.
Das ganze kosmische Reich erhält erst einen festen Fuß durch
das auf Golgatha gepflanzte Kreuz; vorher war dieses Reich wie ein sich immerdrehender
Ball in Disharmonie mit dem göttlichen Rhythmus, dem geistigen Tode
entgegenschreitend, — erhalten nur durch die Taten der Gottes-Boten, die
in diesen Ball wie von außen geistige Kraft hineinstrahlen.
Das Opfer Christi setzt die Krone auf all das, was an himmlischen Taten
durch die göttlichen Boten geleistet wurde, da sie, dem Willen Gottes
gemäß, tätig waren, als die großen Erzengel und die
Chöre der christlichen Hierarchien. Das makrokosmische Gefäß,
dessen hochheiligen Inhalt das Blut Christi bildet und das erst durch dessen
Inhalt Bedeutung erhält, ist die symbolische Form, welche aus den Taten
göttlicher Wesen besteht; daher ist diese Form das geistige Urbild,
welches ewig ist und göttlich, indem das, was Lucifer in den Regionen
seines Reiches formt, ein zeitliches und zerbrochenes Abbild des wahren Göttlichen
darstellt und der Vergänglichkeit verfallen wird. Es ist das Gefäß
oder der Kelch mit seinem hochheiligen Inhalt die geistige Form, das Urbild
dessen, was die Diener Gottes im Kosmos geleistet haben. Die Hingabe und
Aufopferung der göttlichen Wesen an ihren Schöpfer und Vater wird
durch das makrokosmische Gefäß symbolisiert. Der göttliche
Inhalt, durch den die dreifache Gotteskraft sich mit der Erde verbindet, stellt
das Opfer Christi dar, durch Sein Blut.
Das Reich des Kosmos, welches mit der Opferung des Wortes Gottes als
vergeistige Form das Bild des makrokosmischen Opferkelches erhalten hat,
in welchen das Wesen der Trinität hineinstrahlt, führt zurück
auf das Opfer Christi, das beim letzten Abendmahle seinen Anfang nahm, als
der Gott-Mensch, umgeben von den Zwölfen, die Verwandlung von Brot und
Wein in Seinen Leib und Sein Blut vornahm und dieses Opfer im Abendmahl-Kelche
den Aposteln gereicht hat.
Mit dem Opfer Christi öffnet sich jener kosmische Ball nach oben,
gleichwie die Knospe einer Blume und wird zum Kelche, in den die Kraft, die
Gewalt und die Gnade Gottes hineinstrahlen kann. Es wurde damit auch der
göttliche Rhythmus im Reiche, wo Lucifer wirkt, lebendig offenbar und
durch den festen Fuß, den der Kelch erhielt, war der weiteren Entwicklung,
die in den verschiedenen Regionen vor sich gegangen war, damals vorging und
vorgehen wird in der Zukunft, ein festes Ziel gestellt. Das Kreuz auf Golgatha
wurde das neue Centrum für alles, was zum Reiche des Kosmos gehört;
es ist der Punkt, auf dem alles ruht und der zugleich, unmittelbar verbunden
mit der göttlichen Trinität, die gerade Linie bildet als den
Weg, der gleichwie eine leuchtende Bahn bis in das Herz der Himmelsrose
hineinführt.
Es ist die dreifache Gottes-Kraft durch den Gott-Menschen Christus in
das Centrum des Kosmos hineingebracht worden. Der Tiefpunkt und der Höhepunkt
der Schöpfung sind verbunden. Das Herzblut Christi ist im Reiche,
wo Lucifer wirkt, anwesend in dem heiligen Graal, welchen die Taten der
Gottes-Boten bilden.
So steigt die Taube als Symbol des Heiligen Geistes hinunter bis auf
die Erde; so wird die Stimme Gottes wahrnehmbar, so ist der Sohn inmitten
der Menschheit und zugleich im Himmel; so offenbart sich die göttliche
Dreifaltigkeit in drei Personen, zu gleicher Zeit eine Einheit darstellend.
(M. E. macht Intermediarius hier ein Zugeständnis an die kath. Lehre,
denn in Band 3 spricht sie „von dem Sohn, der das göttliche Antlitz
des Vaters darstellt“ und somit das eigentliche Personsein Gottes ausdrückt.
Damit widerspricht sie im Grund der drei Personenlehre zugunsten einer
Lehre von drei Seinsweisen Gottes und bestätigt J. Böhme: „denn
Gott ist keine Person, als nur in Christo“ Mysterium Magnum, 7. Kapitel,
Vers 5. Kommentar von mir, Hans-Dieter Ulmer)
«««««
I.
Das große Zeichen
Als Christus, der
Sohn Gottes, aus dem Reiche des Himmels in das des relativen, dualistischen
Kosmos herabstieg, in dem das Prinzip des Raumes und der Zeit waltet, war
dort ein örtlich und zeitlich bestimmter Punkt für dieses Ereignis
gegeben. Im kosmischen Raum und in der kosmischen Zeit geschah die kosmische
Kreuzigung zur Erlösung des gesamten Kosmos, bevor sich die Kreuzigung
Jesu Christi örtlich und zeitlich auf Erden inmitten der irdischen Menschheit
vollzog. Raum und Zeit des Kosmos werden nach unendlich größerem
Maß berechnet als z. B. die von der Erde aus empirisch gemessenen Raumes
Verhältnisse und die entsprechenden Zeitabschnitte, die eich bloß
auf irdische Verhältnisse beziehen können. Deshalb konnten die
Eingeweihten der alten vorchristlichen Mysterien von der kosmischen Kreuzigung
des Gottessohnes lange vor der Erscheinung Christi auf Erden wissen. Die
in die wahre Weisheit eingeweihten Seher, die ihr menschliches Bewußtseinsleben
aus der niederen Natur und aus der dreifachen Hüllennatur des Kosmos
heraus erhoben und mit den höheren Seelenkräften verbunden hatten,
konnten jenes gewaltige Ereignis im Geiste schauen und erkennen. Sie teilten
das Erlebte dann denjenigen mit, die über die eigene Hüllennatur
hinausstrebten, um ein ebenso überkosmisches Seelenleben zu führen.
Nie waren in den alten Zeiten jene Mitteilungen in Schriftzeichen festgelegt
worden; nur mündlich wurden die mystischen Arcana dem würdigen Schüler
überliefert. Für jenes Wissen aber, das sich auf den Kosmos bezog,
waren schon in den ältesten Mysterien symbolische Zeichen und Figuren
gegeben worden. Einige davon sind noch heute in den älteren Symbolen
des Zodiacus und den ideographischen Schriftzeichen verschiedener Völker
vorhanden. Die alphabetischen Zeichen der älteren Sprachen (auch die,
welche in der hebräischen Kabbala heute noch gebraucht werden) sind
ursprünglich Symbole, durch welche rein kosmische Geschehnisse und Verhältnisse
dargestellt und mitgeteilt worden sind. Ein Merkmal jener Symbole, die sich
nur auf kosmische Vorgänge beziehen, ist, daß dieselben immer
eine dualistische Kraft darstellen, da der Dualismus die Haupteigenschaft
des Kosmos bildet. Außerdem wird noch insbesondere in bezug auf die
Hüllen die Spaltung hervorgehoben, die im Kosmos mit den beiden Kräften
des Positiven und des Negativen verbunden ist und sich au den Hüllen
als ein männliches und ein weibliches Element erkennbar macht. Wo dieses
Element als Ausgangspunkt betrachtet und ihm größte Bedeutung
zuerkannt wird, da ist unfehlbar nur der Kosmos mit seinen dualistischen Kräften
der Gegenstand, auf welchen die symbolischen Zeichen Bezug haben, auch da,
wo göttliche Namen und Attribute für kosmische Vorgänge gebraucht
werden.
Wo in den vorchristlichen
Zeiten ausschließlich auf den Kosmos gesehen wurde, sind Mysterienkulte
entstanden, in denen nicht nur die Hüllennatur vergöttert und durch
blutige Menschen- und Tieropfer gefeiert worden ist, sondern wo sogar Teile
und Glieder des materiellen Körpers als Symbole göttlicher Kräfte
verehrt wurden, und zwar gerade solche, die in besonderer Weise mit der
gefallenen, niederen Natur des Menschen verbunden sind und Bezug auf das
kosmisch-irdische Leben allein haben. Oft auch sind die einfachen kosmischen
Schriftzeichen einseitig und minderwertig gedeutet worden.
Während also die kosmischen Symbole schon in den allerältesten
Zeiten aufgezeichnet worden sind, wurden die Symbole für die höheren
überkosmischen Seelenkräfte und alles, was mit diesen verbunden
war, mündlich an die überliefert, welche dazu reif befunden waren.
Erst als der dreimalgroße Hermes (Hermes Trismegistos) als der erhabene
Mysterienstifter in Ägypten erschienen war und, wie es heißt,
„die Ägypter das Schreiben der Buchstaben lehrte", wurden auch jene erhabenen
Symbole als esoterische Hieroglyphen aufgezeichnet und im Allerheiligsten
des Tempels aufbewahrt, das nur dem Hierophanten als Hohenpriester zugänglich
war.
Das größte
Mysterium, das Wissen von einem allerhöchsten, über Seiner Schöpfung
thronenden Gott, allmächtig, erhaben und ewig, wurde mit einem besonderen
Symbol bezeichnet, das den Namen Gottes andeutete, mit gewaltiger Kraft erfüllt
war und vom dreimal-großen Hermes selber dem innersten Sanctuarium
des Tempels anvertraut wurde. Gehütet von der esoterischen Priesterschaft,
blieben jene durch Hermes Trismegistos überlieferten Schriftzeichen
den Außenstehenden verborgen. Die Ägypter aber übernahmen
die älteren, auf den Kosmos deutenden Symbole von den benachbarten Völkern,
so daß es im Volke selber diejenigen Zeichen gab, welche vom Tempel
zu Heliopolis ausgegeben wurden, diejenigen, welche von anderen Völkern
übernommen wurden und die Zeichen und Hieroglyphen, welche nur zum
alltäglichen Menschenleben gehörten und im Laufe der Zeit hergestellt
wurden.
Die Völker
aber entstehen, bestehen und vergehen in der Zeit und an einem bestimmten
Erdenflecke; sie wachsen heran, erreichen ihren Höhepunkt und nehmen
dann ab, um schließlich unterzugehen. Auch das altägyptische Volk
erlitt dieses Schicksal. Wie eine zehrende Krankheit, zunächst kaum bemerkbar,
jedoch das geistige und physische Leben untergrabend, schlich sich der Einfluß
aus den benachbarten, um vieles niedriger stehenden Völkerschaften ein.
So kam es endlich dahin, daß das uralte, mächtige und weise Ägypten
von den asiatischen Völkern vernichtet und die heiligen Mysterienstätten
durch die östlichen Eroberer, die ihre niederen Kulte dann über
Ägypten verbreiteten, verwüstet wurden. An diesem Gesetz aller
Völker, welches das Gesetz ist für alles, was auf Erden und im
Kosmos lebt, dürfen selbst die Mysterien nichts ändern. Dieselben
verbinden sich mit einem bestimmten Volke, erreichen eine Höhe, welche
dem Charakter jenes Volkes in bezug auf ihre Wirkung entspricht, und überlassen
das Volk seinem Schicksal, sobald die Zeit des Abnehmens und des Vergehens
anbricht. In neuaufkommenden Völkern setzten die Mysterien dann ihre
Wirkung fort, und zwar auf jene Weise, die dem Charakter und der bestimmten
Aufgabe des betreffenden Volkes angepaßt ist. Damit ist aber verbunden,
daß die centrale Kraft des Sanktuariums von einem Volke auf das andere
übertragen werde und daß die heilige Mysterienweisheit und ihre
Symbole zu jenem Volke übergehen, in welchem die Mysterien dann wirken
sollen.
Als die Zeit kam,
da das ägyptische Volk seinen Höhepunkt überschritten hatte,
und als das asiatische Element der benachbarten Völker immer stärker
eingriff, bis sich die innere Waage nach der Seite des letzteren hinsenkte,
verlor die Seele jenes Volkes auch ihre Beziehung zur ewigen, erhabenen Weisheit
der Mysterien und ihre Empfindung für die ewige Gotteskraft, die ihr
aus dem Heiligtum des Tempels zuströmte. Und als die Verbindung mit
dem ewigen, übernatürlichen und überkosmischen Leben sich löste,
da mußte alles in dem natürlichen Leben des kosmischen Daseins
untergehen und der Zerfall des mächtigen ägyptischen Reiches eintreten.
Dann aber wurde durch jene Gotteskraft des Sanctuariums einer aus der Priesterschaft
dazu berufen, das allerheiligste Symbol des Namens Gottes geheimnisvoll in
ein anderes Volk zu übertragen, das zunächst ein wanderndes Volk,
ohne Heimat, ohne bleibende Stätte sein sollte; ein Volk, das sich seinen
Gott suchen sollte, unbeeinflußt und unbehelligt von benachbarten Völkern
und ihren niederen Mysterienkulten. So entstand das wandernde Heiligtum,
die Bundeslade mit dem Zelt, in welche Moses, der einstmals ägyptische
esoterische Priesterweise, das allerheiligste Schriftzeichen des Gottesnamens
barg. Er allein wußte von diesem allergrößten Geheimnis,
und nur derjenige, der von ihm geweiht und belehrt worden war, konnte sich
ohne Todesgefahr dem inneren Sanctuarium nähern.
Das Alte Testament
beschreibt ausführlich einerseits die Wanderfahrt des Heiligtums und
des israelitischen Volkes, sowie die von der Gotteskraft erfüllten Priester
und Propheten, und anderseits das Volk, das öfters den Kulten andrer
Völker verfallt, oben Moses auf Sinai — unten das das goldene Kalb
umtanzende Volk; die gotterfüllten Propheten — das Volk, das dieselben
martert und mordet. Ebenso ist es mit der babylonischen Gefangenschaft, weil
das Volk sich immer wieder dem Einfluß der babylonischen Kühe hingab,
und dem mächtigen Propheten und Retter Daniel, durch den die Stimme
Gottes sprach. Niemals war dieses Volk frei von den magischen, Menschen- und
Tieropfer verlangenden Kulten Babels — nie auch war es gänzlich verlassen
von der Gotteskraft, denn durch die Gewalt des allerheiligsten Symbols des
Namens Gottes redete der allerhöchste Gott durch Seine erwählten
Priester und Propheten, offenbarte Er sich auch einzelnen.
Aus den Worten
der Propheten ging hervor, daß sie wußten, wie das Wort Gottes
einmal auf Erden kommen, innerhalb des eigenen Volkes als Mensch erscheinen
und durch dieses Volk selbst gekreuzigt werden würde. Denn das mit dem
allerheiligsten Symbol des Namen Gottes verbundene Mysterium war das Wissen,
daß dieses Symbol, dieses göttliche Zeichen, einmal in einem
Menschen auf Erden leben und dort als Mensch erscheinen würde.
Der dreimal große
Hermes hatte jenes Wissen mit der allerheiligsten Hieroglyphe den ägyptischen
Mysterien überliefert, und seitdem war jenes Wissen mit diesem Zeichen
verbunden geblieben.
Die Priester und
Propheten Israels redeten davon als vom Kommen des Messias, des Gottgesalbten
(Christus). Der Messias war nach ihrer Lehre derjenige, der den Namen, das
Wort des allerhöchsten Gottes, in der Gestalt eines Menschen darstellte.
Er selber war das allerheiligste Zeichen des allerhöchsten Gottesnamens,
nicht als Hieroglyphe aufbewahrt im Sanctuarium, sondern als der lebendige
Buchstabe Gottes, der, Fleisch geworden, für alle sichtbar in die Erscheinung
trat.
Im Johannesevangelium
verkünden es die ersten Verse, daß das Wort Gottes, durch welches
alles geschaffen, Fleisch geworden ist, daß das Licht in der Finsternis
scheint, die Finsternis es aber nicht begriffen hat, daß in ihm das
Leben, das Licht der Menschen ist. Dann folgt unmittelbar: es war ein Mensch,
von Gott gesandt, der hieß Johannes, der zeugte von dem Lichte; er
selbst war nicht das Licht, sondern zeugte vom Lichte. Denn dieser Mensch,
Johannes, schaute zuerst das allerheiligste Zeichen, das ihm bei der Taufe
Jesu Christi in der Gestalt einer Taube erschien. Es ist selbstverständlich,
daß hier nicht die buchstäbliche Auffassung genügt, denn ebensowenig
wie eine gewöhnliche Taube sich auf das Haupt Christi niederließ,
ebensowenig wäre das allerheiligste Zeichen identisch mit der Taubengestalt
anzusehen. Es sind aber einzelne Linien: für welche, geistig geschaut
und in irdischer Sprache ausgedrückt, die Gestalt der sich mit geöffneten
Flügeln herabsenkenden Taube als Symbol dienen kann.
So gibt Johannes
der Täufer das Zeugnis, welches dann Jesus Christus von Sich Selber
im Tempel den Pharisäern und Schriftgelehrten gegenüber gibt: „So
ich mich selber ehre, so ist meine Ehre nichts. Es ist aber mein Vater, der
mich ehrt, von welchem ihr sprecht, er sei euer Gott" (Joh. 8, V. 54). Das
bezeugt Jesus von sich und weiter (Joh. 10, V. 36): „Sprecht ihr denn zu
dem, den der Vater geheiligt und in die Welt gesandt hat: Du lästerst
Gott, darum daß ich sage: Ich bin Gottes Sohn?"
Als Mensch spricht
Jesus: „Nicht ich, sondern der, der mich gesandt hat". Als Sohn Gottes aber
sagt er: „Ich und der Vater sind Eins."
Vom Anfang bis
zum Ende bezeugt das Evangelium Johannis, daß hier der Sohn Gottes,
das Fleisch gewordene Wort, sich im Menschen Jesus, dem Christus (dem Gesalbten),
dem Mensch gewordenen Zeichen des Namens des allerhöchsten Gottes, kundgibt.
Der größte Teil der Priester konnte diese Tatsache nicht fassen,
und sogar der Hohepriester wollte nicht glauben, daß dieser Mensch
Jesus der verheißene Messias sei.
Die Pharisäer
und Schriftgelehrten verneinten diese Wahrheit, weil ihre Augen dem Geiste
nach blind geworden und sie das allerheiligste Zeichen nicht erkannten. Vielmehr
hielt sich seit der babylonischen Gefangenschaft die Mehrzahl der Pharisäer
und der Schriftgelehrten an jene, auf den Kosmos bezüglichen Symbole,
die aus den Kulten Babels stammten.
Da nun das allerheiligste
Zeichen im Menschen Jesus lebte, war auch die Kraft demselben auf Ihn übertragen
worden und aus dem Tempel in die Welt hinausgetreten, um sich den Menschen
zu offenbaren. So war das geistige Centrum des wahren Sanctuariums Jesus
Christus selber. Wer nicht an Ihn glaubte, hatte sich vom Vater abgewendet,
war gottverlassen; wer aber an Ihn glaubte, Ihn als Sohn Gottes erkannte,
erhielt das ewige Leben, weil Er, durch den Sohn mit dem Vater eins geworden,
das allerheiligste Zeichen in Sich trug. Das hohepriesterliche Gebet (Job.
17) ist wie die letzte Rede des Menschen Jesus zum Vater (mit dem er als Sohn
eins ist), ehe Er den Tod erlitt und nachdem Er zu den Aposteln zum letzten
Male als Mensch gesprochen hatte.
Als das Kreuz mit
dem Menschen Jesus auf Golgatha aufgerichtet war, da erhob sich mit seinen
Linien, zwar in verhüllter Form, das allerheiligste Zeichen zum Himmel.
Dann aber zerriß der Vorhang des Heiligtums des Tempels, denn das Zeichen
hatte mit dem Tempel und seinen Dienern gebrochen und seine Kraft und Gnade
völlig zurückgezogen, weil die Entscheidung gefallen war: der
Sohn war nicht anerkannt worden. Das Wort Gottes verließ den mächtigen
Tempel des israelitischen Volkes, da es von den Priestern und Gelehrten
jenes Tempels nicht angenommen, sondern verworfen worden war.
Als Moses in der
Wüste den ehernen Stab erhob, in welchem die Linien des allerheiligsten
Symbols auf verborgene Weise eingeschrieben waren, da offenbarte sich die
Gotteskraft.
Als das lebendige
menschgewordene Symbol, als der Gekreuzigte am Kreuze sich von der Erde zum
Himmel erhob, da mußte die Erde erbeben, die Sonne sich verfinstern,
denn es wurde der ganze Kosmos von seiner Gewalt bewegt. Jene Worte Jesu
gingen in Erfüllung, die Er kurz vorher gesprochen (Joh. 12, V. 31, 32):
„Jetzt gehet das Gericht über die Welt; nun wird der Fürst dieser
Welt ausgestoßen werden. Und Ich, wenn Ich erhöhet werde von der
Erde, so will Ich sie alle zu Mir ziehen."
Es offenbarte sich
das Wort Gottes dann in der Auferstehung bis zur Himmelfahrt den auf Erden
Zurückgebliebenen: die Gotteskraft, der Geist Gottes, aber blieb nach
der Ausgießung des Heiligen Geistes bei den Aposteln. Wie eine geistige
Bundeslade trugen die Apostel und Bekenner Christi diesen, Gnadenschatz mit
sich, und wiederum wanderte dieses Heiligtum und zog aus dem Lande der Israeliten
nach einem anderen Orte, zu anderen Völkern. Denn, wie der Vorhang
des innern Sanctuariums im Tempel zerriß, so wurde auch der ganze
Tempel und die ganze Stadt Jerusalem zerstört.
Wiederum begann
darauf der Auszug und die Wanderung des jüdischen Volkes, jetzt aber
ohne Heiligtum, ohne Verheißung und ohne Führer. Deshalb zerstreute
es sich über die Erde, denn keine Gottesgewalt hielt es mehr zusammen.
Wie Ahasver, der (der Legende nach) Christus keine Ruhestätte gönnte,
Ihn nicht aufnahm, sondern weiterjagte, so muß das einstmals auserkorene
Volk Gottes über die Erde wandern, bis zum letzten Gericht. Doch dieser
Ahasver hat zwei Gestalten; die eine, das Antlitz auf das Irdische gerichtet,
hat den Geistesblick verloren; es ist die verbitterte, von Haß und Neid
erfüllte Ghettogestalt, der nur das eine Auge, das auf Irdisches blickt,
geblieben ist und die auf der ruhelosen, endlosen und mühevollen Wanderschaft
noch immer den brennenden Wunsch hegt, das auszurotten und zu vertilgen,
was auf Erden vom Gottessohne kündet.
Das Kruzifix ist
diesem Ahasver das verhaßte Zeichen, dessen Kraft er durch magische
Gegenwirkung abzuschwächen sucht.
Die andre, weit
geistigere und mächtigere Gestalt des Ahasver ist das Symbol der wahren
Seele des jüdischen Volkes, immer noch auf das Kommen des Messias hoffend
und weheklagend über die Verbannung von den heiligen Stätten. Doch
dieser Ahasver ist blind, da er den Messias nicht erkannt hat und, wie ein
tragischer Greis, das blinde Antlitz dem der alten sehenden Propheten äußerlich
ähnlich, geht er die endlose Wanderung. Am letzten Tage aber wird der
Sohn Gottes ihm selbst die Augen Öffnen, so wie Kr während Seines
Lebens auf Erden die Blinden heilte und sehend macht«. Dieser Ahasver
wird dann endlich den Messias erblicken; er wird erkennen, daß es allein
die Hand Christi, seines erhofften Messias, gewesen, die ihn in der düsteren
Nacht seiner irdischen Wanderung vor den Abgründen behütete und
ihn endlich zum Lichte geführt hat.
Zu vielen Völkern
der Erde brachten die Apostel die Botschaft des Gottessohnes, der Kreuzigung
und Auferstehung Christi, des Erlösers, unter dem Symbol des allerheiligsten
Zeichens des Namens Gottes. An vielen Stätten wurden in Seinem Namen
Tempel (Kirchen) gestiftet. Derjenige unter den Aposteln aber, dem das Versprechen
galt: „Auf diesem Fels werde ich meine Kirche errichten", wanderte nach der
ewigen Stadt Rom und erlitt dort selber den Märtyrertod. Auch er wurde
gekreuzigt; doch, da er wußte, daß mit dem Zeichen des gekreuzigten
Christus einmal das heiligste Symbol dargestellt gewesen als Er, „der mit
dem Vater eins war", am Kreuze hing, verlangte jener Märtyrer, umgekehrt
gekreuzigt zu werden, da er sich als unwürdig betrachtete, als Mensch
dasselbe Zeichen nachzubilden. In jener ewigen Stadt steht seitdem, auf
das Blut jenes großen Apostels gegründet, das ewige Heiligtum
als die Stätte, deren Grundstein mit dem Märtyrertode Petri am Kreuze
gelegt wurde. (Laut Lorber ist die "quo vadis" Legende nicht wahr. Nach Lorber
wurde Petrus nicht in Rom, sondern auf einer Missionsreise in Babylon von
den dortigen Priestern umgebracht. H.-D. U)
«««««««
II.
Die heilige Reliquie.
Nach der Himmelfahrt
Christi wurde den Aposteln der verheißene Tröster als der Geist
der Wahrheit offenbar. Von diesem Heiligen Geiste hatte Christus gesagt:
„Es ist euch gut, daß Ich hingehe. Denn so Ich nicht hingehe, so kommt
der -Tröster nicht zu Euch; so Ich aber gehe, will Ich ihn zu euch senden"
(Joh. 16, 7).
Wie eine Gnade wurde der Menschheit
dieser Geist verliehen, nachdem dieselbe durch Christus erlöst worden
war. Wie Seine Erbschaft kam jene Gnade auf die Menschheit, der zwar die dreifach-göttliche
Seelenkraft als himmlische Erbschaft auch nach dem Sündenfall nicht
vollständig verloren gegangen war, die aber bis .dahin keinen, Anteil
am himmlischen Geiste. hatte. Die kosmisch-irdische Menschheit lebte vom
Sündenfall an bis auf das Kommen Christi von jener himmlischen Erbschaft
und ihre Blicke waren deshalb der Vergangenheit zugewandt, wo die dreifach-göttliche
Seelenkraft sich am hellsten offenbart hatte. Die christliche Menschheit
aber wendet zunächst den Blick auf jene Zeit, da Christus auf Erden
lebte; dann aber schaut sie weit hinaus in ferne Zukunft dem Wiederkommen
des Gottessohnes entgegen. Sie lebt inzwischen von der Kraft jener Erbschaft
Christi, dem Heiligen Geiste (der Wahrheit), bis zu der Zeit, wo das große
Zeichen am Himmel stehen und das Gericht über alle ergehen wird.
In vorchristlichen Zeiten war ein bestimmtes
Symbol für die dreifachgöttliche Seelenkraft gegeben, welches die
nach oben hin geöffnete, dem Himmelreiche zugewandte Seele darstellte.
Da diese Seelenkraft nicht nur im Reiche des Himmels und im Archäum
offenbar, sondern auch mit der Menschheit verbunden geblieben war, durfte
das Symbol dieser himmlischen Erbschaft unter einer bestimmten Form dargestellt
und zu heiligen Riten und Zeremonien verwendet werden. Dieses Symbol wird
deshalb schon in den ältesten Mysterienkulten als der heilige Kelch oder
auch in der Gestalt der Lotosblume gefunden, die der Kelchform entspricht.
Der Kelch, war das Aufnahmegefäß höherer Kräfte, die
aus dem Reiche des Himmels und des in die kosmischen Regionen hineinströmten
und sich vermittelst des geheiligten Gefäßes über die, welche
es umgaben, ergossen. So wurde eine Bitte an jene höheren Kräfte,
die in dem überkosmischen Gebiete walteten, so das Gebet zum allerhöchsten
Geiste, als Schöpfer des Alls, durch die Erhebung des Kelches symbolisiert,
wobei die höhere Seelenkraft der Anwesenden sich innerlich dem über
alles waltenden Gotte zuwandte.
Im Gegensatz zum großen geistigen
Zeichen, dem Symbol des Namens Gottes, war dieser Kelch die heilige Reliquie,
als seelisches Symbol der himmlischen Erbschaft, die sich auch innerhalb
des Kosmos und der Menschheit auf Erden offenbarte.
Wenn der Mensch selber betrachtet wird, so zeigt sich seine Seele symbolisch
in eine obere und eine untere Hülle geteilt, so daß dieses Symbol
sich wie ein Kelch ausnimmt, von welchem die untere Hälfte, der nach
unten hin, geöffnete Halbkreis, den Fuß darstellt, während
die obere Hälfte, der nach oben geöffnete Halbkreis, dem Gefäß
selber entspricht.
Das menschliche Bewußtseinscentrum
ist der Punkt, wo beide Halbkreise sich treffen, und wenn dasselbe sich den
höheren Seelenkräften hingibt, so wird es von der dreifach-göttlichen
Seelenkraft, der himmlischen Erbschaft der Menschheit, erfüllt, und
kann dann reinigend und erhebend auf die niederen Seelenkräfte, die Hüllennatur,
einwirken. Die engere Verbindung aber zwischen dem Bewußtseinsleben
und der Hüllennatur macht ersteres von der letzteren abhängig und
bringt den Menschen völlig unter die Gewalt des nur kosmischen Daseins.
Es soll deshalb die Hüllennatur der höheren Natur der Seele zum
Opfer gebracht werden. Im Kosmos und auf Erden soll die kosmische und irdische
Naturkraft der überkosmischen reinen Urnatur (des Archäums) zum
Opfer dienen. Dieses Opfer an die himmlische Natur wurde dargebracht, wenn
die Produkte der kosmisch-irdischen Natur in der Gestalt von irdischen Gewächsen
dem Kelche anvertraut oder als Opferung auf dem Altare dem Feuer, dem allesreinigenden
Elemente, übergeben wurden. So war der Kelch, wenn er erhoben und dem
Himmelreiche zugewandt wurde, auf daß er mit Gnadenkräften erfüllt
werde, das Symbol des Gebetes und der seelischen Hingabe bei den Zeremonien
in vorchristlichen Mysterien. Als Symbol der Opferung der Hüllennatur
an die höhere Seelenkraft innerhalb der kosmischen Regionen diente
der Kelch, wenn die Produkte der kosmisch-irdischen Natur demselben anvertraut
oder auf dem Altar geopfert wurden.
Diese vorchristlichen Mysterienkulte
waren wie die Vorbereiter für das Kommen Christi auf Erden; doch waren
andre Kulte da, bei denen gerade das Entgegengesetzte geschah, wo die höhere
überkosmische und reine Urnatur verleugnet, und die niedere an den Kosmos
gefesselte dualistisch wirkende Natur verehrt wurde. Diese Naturkulte verehrten
bloß den Fuß des Kelch-Symboles, den der Erdenkraft zugewandten
unteren Halbkreis, umgestülpte Kelchform. Es sind die mit der Nachtseite
des Kosmos verbundenen Kulte, die ihre Opferung an jene Allmutter-Natur durch
blutige Menschen- und Tieropfer verrichteten. Es wurden da auch Gestirne
Sonne und Mond angebetet und ihre kosmisch-dualistische Natur verehrt. Von
jenem umgekehrten Kelche aber strömte Raserei, Besessenheit und Wahnsinn
aus, und die Anbeter jener kosmischen Naturgewalten, jener Sonnen- und Mondkräfte,
verfielen den im Kosmos wirkenden Dämonen, den verführten Geistern
des Abgrundes. Die Kulte des Shiva, Mithra, Dionysos, die der Kybele, der
Astarte, der Magna-Mater und des Moloch und die mit denselben verbundenen
Greuel zeigen die Wirkungen jener Sklaverei, unter welche sich das Bewußtseinsleben
des Menschen durch die Anbetung der niederen Naturkräfte im Kosmos gestellt
hatte.
Diese Kulte führten schließlich
zur Anbetung jener Natur, die nicht mehr zum Kosmos, sondern
zum Abgrund gehört und die dem Widersacher als seine Peripherie dient,
das heißt als das Gewebe, in welches sich die Seele verstrickt, sodaß
dem Menschen, als dem Gefangenen im Reiche der Finsternis, die seelische
Vernichtung bevorsteht. Der Mensch sowohl wie der gesamte Kosmos kann nicht
an sich bestehen. In beiden wirken dualistische Kräfte und beide sind
verbunden mit der überkosmischen, ursprünglichen reinen Urnatur
sowie mit der verdorbenen Hüllennatur, die dem Widersacher leicht zur
Dienerin wird. Wenn also nicht die höhere Seelenkraft die Herrschaft
hat und durch die Opferung der niederen Natur dem menschlichen Bewußtsein
innerhalb der Regionen des Kosmos und auf Erden vorleuchtet, so werden jene
Kräfte, die in seiner kosmisch-irdischen Natur walten, die Oberhand gewinnen
und in Verein mit den entsprechenden Naturgewalten des Kosmos das menschliche
Bewußtsein betäuben und zu erloschen suchen. Dann aber wird der
Mensch zum kosmischen Tier-Ungeheuer, zum Sklaven des Widersachers schließlich
und zum Werkzeug und Träger seines Willens. Dieser Wille aber möchte
den Dualismus des Kosmos zersprengen und den größten Teil mit
allen Wesen, deren dualistische Natur ihm schon teilweise gehört, an
sich reißen.
Seitdem der Mensch durch den Sündenfall
unter die Herrschaft der Natur des Kosmos geraten und der Fluch über
die Erde ausgesprochen war, übten die Dämonen und Geister der Finsternis
eine Gewalt auch über die irdische Menschheit und alles, was zur Erde
gehört aus. Die Erbsünde und jener Fluch sind die Ursache, daß
ein jedes Volk zur Zeit seines Aufstieges zwar durch weise, erhabene Führer,
Priester und Hierophanten gelenkt und geleitet wird, daß aber dann,
wenn der Abstieg beginnt, dasselbe Volk allmählich unter niedere Einflüsse
jener Dämonen und Diener des Widersachers gerät, die sich in der
Gestalt von kosmischen Göttern oder Göttinnen kundgeben.
Die Mysterien dürfen jenen Untergang
nicht aufhalten, denn es muß (dem Gesetze des Kosmos und der Erde gemäß)
das Entstehen, Bestehen und Vergehen als Aufstieg, Höhepunkt und Untergang
geschehen mit allem, was zum kosmischen Dasein gehört und sich in dem
Gebiete des Raumes und der Zeit entfaltet. Das Wesen der Mysterien mit ihrer
übernatürlichen Weisheit ist jenen kosmischen Gesetzen nicht unterworfen,
weil die Weisheit aus überkosmischen Reichen stammt. So überlebt
das Wesen der Mysterienweisheit jene Wandlungen in Raum und Zeit; es ändert
sich bloß die Form, unter welcher sich dieselbe einem bestimmten Volke
offenbart.
Es müssen die Mysterien ihre Wirkung
einstellen, weil ein Volk, das seinen Höhepunkt überschritten hat,
stets anfängt, den höheren Sinn für die wahre Mysterienweisheit
zu verlieren und sich zu den niederen Naturkräften hingezogen fühlt.
Dann aber treten auch von außen
her aus den benachbarten Völkern fremde Kulte an den ursprünglich
reinen Mysterienkult heran. Es werden dann fremde Riten und Zeremonien zu
den ursprünglichen hingenommen, und lange bevor es sich äußerlich
zeigt, ist schon ein Kult zu fremden Göttern und niederen Naturgewalten
des Kosmos im Volke eingedrungen. Auch sind dann gleichzeitig die wahren
Weisen und Priester durch kluge Götzendiener ersetzt worden, die dem
Verständnis und dem Streben des untergehenden Volkes entsprechen, weil
es von der wahren Weisheit und ihren Dienern nichts wissen will und an das,
was über den dualistischen Kosmos hinausgeht, nicht länger glaubt.
Es ist das bittere Schicksal, das auch die alte Vedanta-Weisheit und die erhabenen
Mysterienkulte des alten Indien, Persien und noch anderer Länder in
älteren Zeiten erlitten und das auch schließlich das große,
mächtige und langandauernde Ägypten zum Fall brachte. Begreiflich
wird dadurch die furchtbare Strenge Moses’, der die Götzendiener mit
dem Tode durch Steinigung bestrafte; denn gerade er, der große Führer
eines im Aufstieg begriffenen Volkes, das, aus dem Lande des Götzendienstes
ausgezogen, das allerheiligste Zeichen im Sanctuarium der Bundeslade umgab,
mußte den Rückfall in dämonische Naturkulte gleichachten mit
der Entfernung des großen Zeichens und als Folge davon die Zerstreuung
und Vernichtung jenes Volkes voraussehen.
In vorchristlichen Zeiten war die Macht
der kosmischen Naturgewalten, der Dämonen und Geister der Finsternis,
über die Menschheit der Erde so stark, daß die christliche Menschheit
es kaum begreifen oder nachfühlen kann. Wäre nicht die kosmische
Kreuzigung Christi geschehen, lange bevor Christus als Mensch auf Erden die
Kreuzigung erlitt, so hätten sich innerhalb der Erdenvölker überhaupt
keine wahren Mysterienstätten gründen können, da die dämonische
Gewalt dieselben sofort vernichtet hätte. Nur dadurch, daß schon
innerhalb der kosmischen Regionen die Macht des Widersachers geschwächt
und er selber verwundet wurde durch das im Kosmos dargebrachte Opfer Christi,
währenddem sich ein Heer von Engeln aus dem Gefolge Lucifers zu dem
Erlöser bekannte, konnten die Stätten der Mysterienweisheit gestiftet
werden.
Vom Geiste Christi schon erfüllt,
erleuchtet durch die himmlische Weisheit, waren diese vorchristlichen Mysterienstätten
die Vorbereiter des Kommens Christi auf Erden. Durch und mit Christus lebten
ihre Priester und Eingeweihten im Geiste vermittelst der dreifach-göttlichen
Seelenkraft in ihrem Innern, lange bevor Christus selber in sichtbarer Menschengestalt
auf Erden erschien.
Bei der Geburt Christi kamen nicht
umsonst die drei Könige aus dem fernen Morgenlande, um ihre Opfergabe
dem Kinde Jesus zu bringen. Sie sind Vertreter jener drei größten
Mysterienkulte, die einstmals im fernen Osten im Sinne einer Vorbereitung
zu diesem größten Ereignis auf Erden wirksam waren. Ins Land
Ägypten aber ging der Erlöser selber, als das Kind Jesus unter
dem Schutz der jungfräulichen Mutter und des Pflegevaters aus Bethlehem
flüchten mußte. Das große Zeichen, einstmals durch Moses
dem Sanctuarium des ägyptischen Tempels entnommen, kehrte, in dem reinen
Tempel des sündenlosen Menschenleibes geborgen, zurück zum alten
Weisheitslande, um dort zu weilen bis zu der Zeit, wo es sich im Volke des
Moses offenbaren sollte. Deshalb sagt die Legende, daß die Götzenbilder
und Altäre stürzten, als die Jungfrau mit dem Kinde in Ägypten
erschien. Denn es zog in realer Gestalt in jenes Land dasjenige ein, was
als ein Symbol in der Gestalt der erhabenen Isis mit dem Horoskinde innerhalb
der wahren Mysterien Ägyptens einstmals verehrt worden war.
Wie die Engelchöre sich freuten
in der heiligen Nacht der Geburt Christi, wie die Engelboten Christo dienten
während Seines Lebens auf Erden, so fürchteten und flohen Ihn die
Dämonen, die ihm dennoch gehorchen mußten, daß jene Dämonen
sich öfters eines Menschen bemächtigten und denselben vollständig
beherrschten, wird aus den Evangelien klar, in denen gar manche Heilungen
von Besessenen erwähnt werden. Als der Mensch Jesus am Kreuze hing
und sich das große Zeichen des Namens Gottes auf Erden erhoben hatte,
war der Fürst dieser Welt damit gerichtet und die Menschheit aus der
Gewalt jenes Fürsten und seiner Diener befreit.
Von da an ist sowohl der gesamten Menschheit
wie auch einem jeden Einzelnen die Möglichkeit gegeben, sich durch die
Macht Christi und den Glauben an ihn, den Gottessohn, aus jener Gewalt zu
befreien. Es konnte dann die Seele immer durch die Kraft Christi über
die Geister der Finsternis siegen und hatte selbst die Freiheit erhalten,
zu wählen, ob sie jene Macht gebrauchen, oder sich unter die Knechtschaft
der Dämonen stellen wolle. Beim Herabsteigen des Gottessohnes durch
den gesamten Kosmos, als erst die Forma Sideralis als feinste kosmische Hülle,
dann die Forma Elementalis (mit dem Elementenmeere als untere Hälfte)
und dann das Corpus Materiale, als dritte und gröbste Hülle, mit
Seiner Kraft erfüllt waren, da wurde mit und nach der Kreuzigung auf
Erden der Tiefpunkt Seines Abstieges erreicht. Die ganze Natur des Kosmos
und der Erde war, als niedere Seelenkraft, von Seinem Geiste durchdrungen
worden, und dieser Geist bildete ein neues Centrum auf Erden, zunächst
im Menschen Jesu, dann aber auch auf der Erde selber. Zu diesem geistigen
Centrum konnte dann die kosmisch-irdische Natur des Menschen, die vorher
eher den Fürsten dieser Welt als Centrum gehabt hatte, die Peripherie
sein. Der untere Halbkreis, der, nach obenhin geschlossen, der Erde zugekehrt
war, hatte dann auf Erden selber ein geistiges Centrum erhalten und dadurch
war die freie Wahl zwischen jenem geistigen Centrum oder dem früheren
irdischen Centrum als dem Fürsten dieser Welt gegeben. Es müßte
sich, symbolisch gesprochen, der untere Halbkreis umstülpen und sich
dem höheren Halbkreis, der himmlischen Seelenkraft, gleichmachen; dann
würde auch die kosmisch-irdische Natur sich umwandeln und zur Peripherie
des Geistes werden. Das höhere Geistesleben aber war jener niederen Natur
im Menschen fremd und ferne, und deshalb sollte die letztere zunächst
absterben und vollständig in der höheren Seelenkraft aufgehen, um
durch diese zum geistigen Centrum zu gelangen; sonst war und blieb das natürliche
Centrum jener niederen Natur des Menschen die Erde selber.
Die Einweihung in die alten
Mysterien war immer verbunden mit einem todesähnlichen
Zustande des Menschen während drei bis vier Tagen, damit das Bewußtseinscentrum
sich aus den niederen Seelenkräften hebe und zur höheren Seelenkraft
in engste Beziehung trete; vorher sollte auch die niedere Natur die Reinigung
erleben, die sie der höheren Seelenkraft ähnlich machen konnte.
Dieser Vorgang wurde symbolisiert durch die Umstülpung des untersten
Halbkreises, der dann zum oberen Halbkreise wurde und seine Flügel entfaltete,
deren Spitzen, zuerst zur Erde gesenkt, sich nun zum Himmel erhoben. Der
Sonnenvogel war das Symbol jener seelischen Erweckung und die Sonne das Symbol
des höheren Centrums, zu dem sich dann die verwandelte Natur als Peripherie
verhielt.
So fand der Mensch in vorchristlichen
Zeiten den Anschluß seines Bewußtseins an die mit
der Menschheit verbundene göttlich-geistige Seelenkraft,
wenn sich sein inneres Bewußtsein der Hüllennatur entzog und sich
der höheren Seelenkraft zuwandte. Damit trat ein Zustand ein, der dem
Sterben und dem Tode ähnlich sein mußte, wenn sich das menschliche
Bewußtsein endgültig von seinen Hüllen trennte. Der Unterschied
bestand darin, daß der Tod den Menschen meistens trifft, ohne daß
seine Hüllennatur die Läuterung durchmachte, sodaß die Seele
dann nach dem Tode einen Zustand der Läuterung durchleben muß.
Beim mystischen Tode aber sollte eine Läuterung (Katharsis) schon stattgefunden
haben, auf daß das menschliche Bewußtsein, nachdem es von der
himmlischen Seelenkraft erfüllt worden war, bei seiner Wiederkehr zur
körperlichen Hülle nicht auf ungereinigte, niedere Seelenkräfte
stoßen könne, die wahrend seiner Verbindung mit der höheren
Seelenkraft geblieben sind und dann bei seiner Rückkehr um so heftiger
aufleben. Das war die große Gefahr, die mit jenen alten Einweihungen
verbunden war, und deshalb war die Läuterung die Hauptsache, von welcher
es abhing, ob der Einzuweihende als seelisch - wiedergeborener Mensch oder
als ein, der höheren Seelenkraft nach Gestorbener aus dem mystischen
Tode erstehen würde. Es konnte auch vorkommen, daß der mystische
Tod in einen wirklichen Tod überging, denn die niedere Natur stirbt
nie ohne Kampf. Wo nur noch die geringste Kraft in derselben geblieben war
und die Läuterung nicht vorher zum völligen Absterben geführt
hatte, da entstand ein furchtbarer Kampf zwischen jener niederen Seelenkraft
und der höheren Seele im Menschen, während seines mystischen Todes.
Das innere Bewußtsein, das die Einweihung suchte, vereinigte sich
dann doch mit der höheren Seelenkraft und riß sich mit Gewalt
von jenen niederen Kräften los. Dadurch entstand die Spaltung, wobei
das menschliche Bewußtsein der höheren Seelenkraft zugewandt blieb,
indes die niedere Seelenkraft, die nicht abgestorben, nicht geläutert
war, den Menschen verhinderte, als seelisch Wiedergeborener auf Erden weiterzuleben.
Dann trat entweder der wirkliche Tod ein, oder, wenn die Hüllennatur
noch stark genug geblieben war, belebte diese ungereinigte, niedere Seelenkraft
wiederum die körperliche Hülle des betreffenden Menschen, und es
blieb nach dem Aufleben aus dem mystischen Tode eine menschliche Hülle
ohne Bewußtseinscentrum, ohne höhere Seelenkraft, nur erfüllt
von niederen Seelenkräften. Solche Wesen blieben dann als Sklaven mit
den Stätten, wo sie hätten eingeweiht werden sollen, verbunden;
denn Sklaven waren sie unter den Einflüssen der niederen Naturkräfte
und sollten deshalb auch innerhalb des Bereiches führenden Kraft bleiben,
die sie beherrschen und schützen konnte.
Der Mensch aber, der wahrhaft wiedergeboren
wurde, hatte sich dadurch zur Peripherie des geistigen Centrums, Christus,
gemacht, der aus dem Reiche des Himmels in die Regionen des Kosmos herabstieg,
um dort die Erlösung zu bringen. Als Christus auf Erden erschien und
Seine Kraft mit der Erde und ihrer Menschheit verbunden hatte, war die furchtbare
Möglichkeit verschwunden, daß jene kosmisch-irdische Hüllennatur
an sich fortbestehe, abgerissen vom Bewußtseinscentrum, als ein bloßes
Tier in menschlicher Gestalt. Denn in diese niedere Natur selbst war der
Strahl des göttlichen Geistes eingedrungen; Christus hatte Sich derselben
angenommen und Sich als das göttliche Geistescentrum des genannten Kosmos
und seiner drei Hüllen offenbart. Bis ins Innerste der Erde war Er eingedrungen,
um dort ein neues Centrum zu bilden; auch dort konnte Er von nun an gefunden
werden. Die irdische Menschheit war nicht länger Waise und auch die
niedere Seelenkraft, der das Geistescentrum innerhalb der überkosmischen
Reiche fremd geblieben war, konnte, da Christus zu ihr kam, aus der Gewalt
der Dämonen erlöst werden. Mit Christi Kraft konnte sie durchdrungen,
gereinigt und gehoben werden, wenn sie sich zur Dienerin des Erlösers
machen wollte, ihm folgend und von ihm bekehrt, wie einstmals Maria Magdalena.
Gleich wie Christus sagen konnte: „Fürchtet euch nicht, denn Ich habe
die Welt überwunden", so auch konnte Er sagen: „Dies ist mein Leib, dies
ist mein Blut", als Er beim letzten Abendmahle mit Seinen Aposteln den Kelch
beim Opfern des Brotes und des Weines, als Naturprodukte der Erde, erhob.
Denn alles, was zur Erde und zur kosmisch-irdischen Natur gehörte. War
nun auch in Seiner Gewalt und von Seinem Geiste durchdrungen. Der Kelch, als
uraltes Symbol der höheren Seelenkraft, dem über-kosmischen Reiche
zugewandt, wurde auch hier zur Opferung erhoben und die Naturprodukte, die
Früchte der Erde, waren dem Kelche wiederum anvertraut. Nun aber war
Christus in beiden anwesend, beide gehörten Ihm. Doch ist die Opferung
des Kelches mit seinem Inhalte das Symbol der Opferung der niederen Natur
an die höhere Seelenkraft, des Natürlichen an das Übernatürliche,
geblieben.
Die Auferstehung Christi ist die Offenbarung
der absoluten Gewalt Seines Geistes über die Gesetze des Kosmos und
der Erde, als der Vergänglichkeit der Hüllennatur und des Todes
des menschlichen Leibes. Bei der Himmelfahrt Christi steigt die verklärte
und unsterblich gewordene Hülle zum überkosmischen Reiche hinauf,
und ihre Natur ist zu dem geworden, was sie ursprünglich gewesen: die
reine Seelenkraft, die Peripherie des göttlichen Centrums, denn Christus
hat sich derselben angenommen.
Die Himmelfahrt Jesu Christi im verklär
ten auferstandenen Menschenleibe erhob die Natur des menschlichen Körpers
an sich, und durch die Kraft des Heiligen Geistes, der sich wie ein Brausen,
wie Flammen über die auf Erden zurückgebliebenen Apostel ausgoß,
erlebten letztere die Erleuchtung im Geiste: auch wurde innerhalb der irdischen
Menschennatur der Keim zur Auferweckung im Geiste gelegt.
Der verheißene Tröster war,
von Christus zur Erde gesandt, wie Seine geistige Erbschaft, die Er der Menschheit
überließ. So wie der Sohn aber Eins ist mit dem Vater, so ist
der Heilige Geist mit beiden Eins; deshalb war auch die Ausgießung jenes
Geistes die Tat des Sohnes, dessen Kraft der irdischen Menschheit nach der
Himmelfahrt Christi zuströmte.
Die Kraft des Heiligen Geistes aber
kann nur innerhalb der Menschheit weiterwirken, wenn diese Menschheit sich
immerfort au die Worte Christi erinnert: „Ich bin mit Euch alle Tage bis
ans Ende der Welt". Vergißt die Menschheit diese ewige Wahrheit, so
verschließt sie sich der Wirkung jenes Geistes, weil sie sich dann
selber vergißt, denn in bezug auf ihr höheres Sein lebt die Menschheit
nur durch und in Christus, dem Lichte und dem Leben der Menschen vom Urbeginn
an. Deshalb hat alles, was nicht vom Geiste Christi durchdrungen ist, für
die Menschheit in Wahrheit keine Bedeutung, keinen Wert und keinen höheren
Sinn. Alles Treiben, alle Taten, Gedanken, Empfindungen, ja, alle Lebensäußerungen,
die nicht in Hinsicht auf Christus geschehen, die nicht das Ziel haben, Ihm
entweder direkt oder indirekt zu dienen (indem sie Seinem Geiste entsprechen),
sind nutzlos, der Menschheit schädlich und schließlich äußerst
unvernünftig. Denn, wer würde jenen Menschen als vernünftig
bezeichnen, der sich seine eigene Lebensquelle verschüttet, sich die
eigene Geisteswurzel abschneidet, die geistige Nahrung, ohne die er nicht
bestehen kann, verweigert und sich statt dessen mit Sachen anfüllt,
die ihn ewig hungrig lassen und geistig abschwächen, sodaß er leicht
die Beute der täuschenden Wirkung des Fürsten dieser Welt wird.
Denn dieser Fürst, obwohl schon gerichtet, wirkt immer noch dort, wo
Christus geleugnet wird, da die Möglichkeit des Verführens diesem
Fürsten zur Seelenprüfung der Menschheit bis ans Ende der Erdentage
geblieben ist.
Wenn in den vorchristlichen Mysterienstätten,
und zwar in jenen Mysterien, die das Kommen des Gottmenschen auf Erden vorbereiten
wollten, der Mensch die Einweihung erstrebte, so trat er, falls er nach der
Prüfung angenommen war, in die Gemeinschaft als Neophyte ein und durfte
teilnehmen an jenen Riten und Zeremonien, die sich auf den heiligen Kelch,
als Symbol der höheren Seelenkraft, bezogen. In diesem Streben nach
Vereinigung mit dem geistigen, überkosmischen Centrum durch die übernatürliche,
himmlische Seelenkraft war jene Gemeinschaft einig, denn alle Angehörigen
verbanden sich in der Sehnsucht, zur einheitlichen Seelenperipherie des
erhabenen göttlichen Geistes zu werden.
Nicht für sich allein, sondern
in Gemeinschaft mit den anderen wurde das Erleben der All-Einheit erreichbar,
wenn die einzelne Menschenseele sich nicht nur erlebte wie einen Teil einer
Gesamtheit oder Vielheit, sondern wenn die Seele, trotz aller scheinbaren
Abtrennung (durch die Hüllennatur verursacht), sich wie aufgehend in
jene große, allumfassende, übernatürliche All-Einheit, ja,
wie die All-Einheit selber fühlte. Diese All-Einheit bildet die wahre,
seelische Peripherie des göttlichen Urcentrums. Sie ist die himmlische
Lichtjungfrau, die sich im Archäum abspiegelt. Sie ist das Urbild der
Seele, das Wesen der Seele selbst, unteilbar und einheitlich. So bildet sie
sich noch im Archäum ab; im Kosmos aber, wo sich das Gewebe der Täuschung
über alles ausgebreitet hat, ist der Schein der Vielheit entstanden.
Innerhalb der Tageshälfte des Kosmos (der Forma Sideralis und dem höheren
Teil der Forma Elementalis) erscheint diese Täuschung einer Vielheit
oder auch Gesamtheit, die noch einheitlich wirkt. Innerhalb der Nachthälfte
(dem Elementenmeer und dem Corpus Materiale) des Kosmos verdichtet sich
das Gewebe des Scheines bis zum Stofflichen, wo die Vereinzelung des Seelenlebens
bei den verschiedenen Wesen auftritt, die dort innerhalb ihrer eigenen verdichteten
Hüllen leben.
Im kosmischen Gewebe des Scheines aber
sind Seelenkräfte mitver-woben, die einstmals dem Himmelreiche und dem
Archäum angehörten; sie leben innerhalb des Kosmos als die mit
den kosmischen Hüllen verbundene Natur, welche mit dem unteren Halbkreis,
dem Fuß des Kelches, symbolisiert wird.
Das Erleben und Erkennen der überkosmischen
All-Einheit war mit dem Symbol des oberen Teiles des Kelches (dem nach oben
hin geöffneten Halbkreis) und den gemeinsam verrichteten Riten und Zeremonien
verbunden, weil das wahre Seelenleben in dieser All-Einheit wurzelt. Die
völlige Verwandlung der kosmisch-irdischen Natur in die höhere Seelenkraft,
die reine himmlische Natur im Menschen, konnte nur in vollständiger Absonderung
und ungestörter Einsamkeit geschehen. Der Mensch sollte dann, seinem
kosmisch-irdischen Leben nach, sterben und jene Zeit, die dazu dienen mußte,
wie ein Toter im Grabe liegend verbringen. Ihm sollte auch das göttliche
Geistescentrum offenbar werden, das für die höhere Seele im Menschen
auch das eine Urcentrum darstellt. Der Geist aber ist in Wahrheit die absolute
einzige Einheit selber, sowie die Seele die All-Einheit ist. Der Mensch,
der sich diesem Geiste hingibt und sich ihm nähert, ist immer mit ihm
allein. Er soll aus der Gemeinschaft, aus der All-Einheit selber hervortreten,
um als Einzelner, dem Geiste nach, der centralen Ur-Einheit entgegenzutreten.
Dann, alles zurücklassend, was außer jenem Geiste besteht, soll
er sich jenem göttlichen Geiste und dem göttlichen Schöpfer,
dem allein er gehört, außer dem nichts besteht, völlig hingeben.
Christus selber war noch im Kreise Seiner Jünger, als Er zum letzten
Male den Kelch mit dem durch Seine Macht verwandelten Inhalt erhob; in der
Gemeinschaft geschah jene heilige Handlung.
Allein aber betete Christus auf Gethsemane;
allein erlitt Er den Kreuzestod; allein war Er im Grabe; allein auch zur
Zeit Seiner Auferstehung. Wo das Symbol des Kelches dann wiederum erscheint,
da, wo das Blut der Herzwunde Christi in den Kelch gesammelt wird, nachdem
der Tod schon eintrat, ist wiederum der Kelch mit dem hochheiligen Inhalte
der Ausgangspunkt einer Gemeinschaft, die sich auf Christi Blut gründet.
Der Kelch erhält den Namen „heiliger Graal“ und wird ein Symbol
der himmlischen Seelenkraft der All-Einheit für die, welche ihn umgeben.
Der Inhalt aber ist das verkörperte Symbol des Herzens Christi als des
göttlich-geistigen Centrums und dieser Geist redet nur zu dem Einzelnen,
der dazu auserkoren wird, das hochheilige Symbol des Herzblutes Christi an
sich selbst zu erleben.
Auf die Opferungszeremonie des Kelches,
die Christus beim letzten Abendmahl mit Seinen Jüngern persönlich
einsetzte, ist die Gemeinschaft der Apostel gegründet, die sich als
die Kirche Christi über die ganze Erde verbreitet hat. Der Ausgangspunkt
der Kirche, Christi ist immer auch der Mittelpunkt geblieben, und da Christus
selber ihr geistiges Centrum darstellt, wird diese Kirche in einer über
natürlichen seelischen All-Einheit erhalten. Bei jeder Wiederholung
der Opferungszeremonie des geheiligten Kelches ist Christus selbst anwesend
und durchsetzt Er die niederen Naturprodukte des Brotes und des Weines mit
Seinem göttlichen Geiste, sodaß dieselben wirklich in den Leib
und das Blut des Erlösers verwandelt werden, wenn auch die äußere
Gestalt jener Naturprodukte bleibt. So hat die Kirche Christi die heilige
Kelchzeremonie beibehalten, als die eucharistisch-liturgische Opferhandlung
und diese bildet das Centrum, um welches sich diese Gemeinschaft aller Christen
weiterbildet und ihre sichtbare Einheit bewahrt. Wo aber die Bedeutung der
übernatürlichen All-Einheit der höheren Seelenkraft unrichtig
aufgefaßt und ihr peripherisches Verhältnis zum Geistescentrum,
Christus, mißachtet wird, da entstehen Spaltungen, Abtrennungen und
Mißverständnisse, weil da die Einheit der höheren Seelenkraft
gebrochen wird und dann die Wirkung jener bloß natürlichen niederen
Seelenkräfte auftritt, die mit den zerstörenden Instinkten des
natürlichen Menschen und der Zerspaltung der im Kosmos wirkenden Mächte
verbunden sind. Die heilige Reliquie der vorchristlichen Menschheit als Symbol
für die höhere Seelenkraft der All-Einheit ist durch Christus selber
zum Centrum für die Einheit Seiner Kirche bestimmt worden, da Er Wohnung
in derselben genommen hat.
An das geistige Symbol des großen
Zeichens erinnert sich die Kirche Christi durch das Bild des Gekreuzigten;
dieses Bild wurde denjenigen, die das Absterben des natürlichen Seelenlebens
und die Läuterung zum über- natürlichen höheren Leben
der Seele anstrebten, zum Centrum der göttlichen Kraft, die eine Erweckung
im Geiste durch die Einswerdung mit Christus gewirkte. Für diejenigen,
die in der Einsamkeit die geistige Wiedergeburt suchten und sich über
die höhere Seelenkraft hinaus zur geistig-centralen Einheit erhoben,
war das Bild des Gekreuzigten immer die führende Kraft. Kein Heiliger,
kein Märtyrer, kein wahrer christlicher Mystiker, der nicht mit jenem
Zeichen vor Augen lebte und gestorben ist, der dasselbe nicht im Innern des
Herzens eingegraben trug, weil es die Quelle seines neuen Lebens im Geiste,
seiner Erweckung war.
Das Symbol des Kelches bildet auch
das einigende Centrum jener Gemeinschaft, die sich „die Bruderschaft des
heiligen Graal" nennt. Hier aber ist der Abendmahlskelch das Gefäß
des heiligen Blutes Christi, das, nach dem Kreuzestode aus der Seitenwunde
Christi geflossen, von dem geheimen Jünger Joseph von Arimathia aufbewahrt
wurde. Hier ist eine andere Wirkung desselben Kelchsymboles vorhanden. Nicht
Christus selber beging hier die Zeremonie der Opferung, als Mensch noch
unter Seinen Jüngern verweilend; hier wurden auch nicht Naturprodukte
ihrem Wesen nach in den Leib und das Blut Christi verwandelt, sondern der
Inhalt des Kelches war das Herzblut Christi, das aus dem gekreuzigten Leibe
floß. Das Herz Christi war wie der heilige Kelch, aus dem das Blut
herüberfloß in das Gefäß, das durch jenen hochheiligen
Inhalt seine Bedeutung erhielt. Doch bei der Auferstehung erlebte jener
Inhalt des Kelches, als zum auferstandenen Leibe Christi gehörig, jene
Verwandlung mit, sodaß Auferstehungskräfte in denselben einzogen.
Es wurde nach der Himmelfahrt Christi die Macht des Aufstiegs mit dem hochheiligen
Inhalte des Kelches verbunden, und als der Heilige Geist sich über die
Apostel ergoß, durchstrahlte derselbe Geist auch den heiligen Kelch.
Da lebte, tönte und leuchtete der heilige Graal und strahlte seine Kraft
in die ihn umringende Gemeinschaft aus. Die Wirkung und das Ziel jener Gemeinschaft
aber bezieht sich auf den gesamten Kosmos und nicht nur auf die Erde und
ihre Menschheit. Denn nicht als Mensch, auf Erden lebend, hat Christus die
Kelchzeremonie und die Opferung Seines Leibes und Blutes jener Gemeinschaft
übergeben, sondern als der Leib und das Herz Christi den Tod erlitten
hatten, wurden sie zum Opferkelch, aus dem das heilige Blut in jenes Kelchgefäß
hinüberfloß, das dadurch zum heiligen Graal geworden ist. Der Geist
Christi, der den irdischen Leib verließ und vor der Auferstehung und
der Auffahrt noch innerhalb der kosmischen Regionen weilte, war mit jenem
Kelchsymbol verbunden. *)
*) Siehe die Bücher „Universum"
und „Homo Coelestis" von Intermediarius
So ist die Einsetzung des Abendmahlskelches
beim letzten Zusammensein Christi mit den Jüngern die Vorbereitung zum
Opfertode Christi; der Kelch des Blutes Christi bildet den Abschluß
jenes Opfertodes und ist wie ein Nachklingen der Worte: „Es ist vollbracht".
Jene Persönlichkeit, deren Name mit der Grablegung, dem Abschluß
des Erdenlebens Christi, verbunden ist, wird auch als diejenige genannt,
die bei der Abnahme des Kreuzes gegenwärtig gewesen ist und die das Herzblut
Christi in dem Kelch auffing.
Die Einsetzung des Abendmalkelches,
als Vorbereitung zum Opfertode Christi, ist mit den Worten Christi zu Seinen
Aposteln verbunden: „Das tut zu meinem Gedächtnis". Wenn die Apostel
diese Opferhandlung nicht fortgesetzt hätten, wenn die Kirche Christi
jenes heilige Kelchmysterium, bei welchem Christus immer im verklärten
Leihe anwesend ist, nicht beibehalten und als Centrum ihrer Einheit unerkannt
hätte, so wäre die Erinnerung an Christus der Menschheit auf Erden
mit der Zeit nicht lebendig geblieben. Im besten Falle würde das Leben,
der Opfertod und die Auferstehung Christi als eine Schöne Legende weitergelebt
haben. Die wirkliche Bedeutung dieses wahren Ereignisses und das göttliche
Wesen Christi wären vollständig mißverstanden worden und es
würde der gesamten Menschheit das allergrößte und wichtigste
Geistesgut verloren gegangen sein. Vor jener geistigen Armut hat die überaus
treue und gewissenhafte Befolgung jener Worte Christi: „Das tut zu meinem
Gedächtnis!" die irdische Menschheit bewahrt. Von den Aposteln an bis
auf heute ist jenes Bündnis zwischen Christus und der Menschheit erhalten
geblieben, das auf diese Worte beim Einsetzen des Abendmahlkelches und auf
die Opferung des Leibes und des Blutes Christi gegründet war. Dieses
Bündnis wird bleiben bis aus Ende der Erdentage; vonseiten Christi wird
die Gnade Seiner fortwährenden Anwesenheit beim Opferdienste bleiben;
vonseiten der irdischen Menschen wird die Hingabe bleiben und der fortdauernde
Ruf nach Ihm, dem Erlöser, dein Lichte und Leben der Menschen ertönen,
weil ohne Ihn die Finsternis und die seelische Qual droht.
So bleibt durch die heilige Opferhandlung
innerhalb der Kirche Christi Sein Geist mit jener Gemeinschaft verbunden;
der geheiligte Kelch, als das Symbol der höheren Seelenkraft und der
All-Einheit, bildet dabei das gemeinsame, einigende Centrum. Es ist auch
die Vorbereitung zum Opfer derjenigen, die sich dazu entschlossen haben, Christus
weiter nachzufolgen, die Stationen des Leidensweges und den Kreuzestod des
Erlösers mystisch nachzuleben. Diese trinken einsam den Kelch der Bitterkeit,
wie Christus einmal auf Gethsemane getan.
Außer den Märtyrern, die
um Christi willen am physischen Leibe Leiden und Tod durchlebten und ihren
Glauben vor der äußeren Welt öffentlich bekannten, sind die
Mystiker und die Heiligen der Kirche Christi zu erwähnen, die jenen
Leidensweg seelisch und im tiefsten Herzensempfinden miterlebten und durch
den mystischen Tod gingen, um zu neuem geistigen Leben zu erwachen. Die Opferhandlung
des heiligen Kelches war die all-einigende Macht innerhalb der Kirche Christi
und wurde in Anwesenheit aller verrichtet, da sie für die ganze Menschheit
gedacht war.
Das Symbol des großen Zeichens
bildete das Centrum geistiger Kraft und Gnade für die, welche freiwillig
den Leidensweg Christi, betraten. Die geistige Macht des Symboles des großen
Zeichens, im Bilde des Gekreuzigten, zu erfassen, war nicht allen gegeben.
Nur solche, denen jenes Geheimnis offenbart werden konnte, waren imstande,
den mystischen Tod zu erleben und im Geiste wiedergeboren zu werden (im Sinne
der Worte Christi zu Nikodemus).
Die Bruderschaft jenes Kelches, der
das Blut Christi enthält und deshalb als Symbol des Herzens Christi
dasteht, hat Beziehung zu den Worten Christi am Kreuze: „Es ist vollbracht".
Das große Zeichen stand am Himmel und war auf Erden errichtet worden
zu der Zeit, da jene Gemeinschaft, gegründet mit dem Herzblute Christi,
ihren Anfang nahm. Zu jener Bruderschaft können nur diejenigen gehören,
die den mystischen Tod erleiden und die Auferweckung erleben. Die vorbereitende
Opferhandlung des geheiligten Kelches mit dem Leibe und Blute Christi, vor
Seinem Kreuzestode durch Ihn selber eingesetzt, ist für die ganze Erdenmenschheit
verrichtet worden, auf daß sie mit Ihm verbunden bleibe. Aus dem Kelche
des heiligen Graal aber können nicht alle ihr Heil erhalten, denn das
Symbol des Kelches und das Symbol des großen Zeichens haben sich hier
vereint. Deshalb ist jene Bruderschaft nicht dazu berufen, eine universelle
Kirche Christi zu stiften, sondern eine Mysterienstätte zu sein. Diejenigen,
welche so veranlagt sind, daß sie zu diesen Mysterien kommen und die
Einweihung in dieselben erleben können, erhalten dazu die Berufung.
Da der Geist Christi in die unterirdischen Regionen hinabgestiegen war, um
die dort gefesselten Seelen zu erlösen, als das Blut aus der Herzwunde
in den geheiligten Kelch floß, so erhielten jene Graalsmysterien die
Kraft der Erlösung auch für jene Regionen, nachdem Christus leiblich
auferstanden war. Diese Mysterien der Erlösung strömen ihre Kräfte
auf Erden aus und strahlen sie dort hinein, wo die Erlösung der Menschheit
von der Wirkung finsterer, anti-christlicher Mächte nötig ist.
Da diese Mysterien mit dem Herzen Christi und der centralen Willenskraft verbunden
sind, ist ihre Wirkung eine intensiv geistige (pneumatische), wodurch das
Bündnis Christi mit der irdischen Menschheit verstärkt wird.
Innerhalb der irdischen Menschheit
können diese Mysterien ihre Kräfte nur nach außen entfalten,
wenn das geistige Niveau jener Menschheit eine bestimmte Höhe erreicht,
sodaß einzelne da sind, die zu jenen Mysterien herantreten, um die
Weihe zu erhalten. So gibt es Zeiten, wo jene Kraft sich offenbart und andre,
wo die Wirkung nach außen vermindert und im Kosmos selber tätig
ist anstatt auf Erden. Als Christi Geist aus dem gekreuzigten Menschenleibe
in der Region des Unterirdischen und in dem Kosmos erschien, war wiederum
der Kosmos derjenige Behälter, der Seinen Geist aufnahm, sowie das
heilige Blut nach Seinem Tod in den Kelch aufgenommen wurde.. Deshalb ist
dieser Kelch als heiliger Graal an sich ein Abbild des. Kosmos, der, vom
Geiste Christi geheiligt und erfüllt, den überkosmischen Reichen
zugewandt bleibt und von der Kraft und Gnade des Heiligen Geistes überschattet
wird.
Zwischen dem Symbol des Kelches der
Vorbereitung, d. h. zwischen der Einsetzung des eucharistischen Mysteriums,
und dem Symbol des Kelches der Vollendung, der Aufnahme des Herzblutes in
das dadurch geheiligte Gefäß, steht das Symbol des großen
Zeichens, auf Golgatha errichtet, der Gekreuzigte, Christus, als Erfüllung
der Erlösung. Dieses Zeichen des Todes und der Auferstehung haben
die Mysterien der Erweckung beibehalten als das Symbol der Kreuzes und der
vier roten Rosen, welche die Wunden Christi bezeichnen. Das aus der Herzwunde
Christi fließende Wasser, das Wasser des ewigen Lebens, wird mit diesem
Symbol verbunden als ein inmitten des Kreuzes leuchtendes Dreieck. Der
Ausgangspunkt jener Mysterien bildet die Auferweckung des Lazarus durch Christus
selber. Nachdem Lazarus als natürlicher, irdischer Mensch gestorben war,
wurde die Seele zum irdischen Körper durch die göttliche Macht Christi
zurückgerufen. Der irdische Körper, bereits in Verwesung, wurde
vom Geiste Christi durchdrungen, sodaß die niedere, kosmisch-irdische
Natur jenes menschlichen Leibes sich in die ursprüngliche, reine überkosmische
Natur verwandelte. Da diese Natur als höhere Seelenkraft die Peripherie
des göttlichen Geistes sein kann, so war die Auferweckung des Lazarus
auch eine Auferweckung im Geiste, in Christo. Dasjenige, was mit Worten im
Gespräche mit Nikodemus erklärt wurde, erfüllte sich in der
Tat am Menschen Lazarus. Gleichwie die irdische Natur des Brotes und des
Weines beim letzten Abendmahle durch Christi Kraft verwandelt wurde in die
ursprünglich reine Natur als in die Seines Leibes und Blutes, so war
die irdische Natur des menschlichen Leibes des Lazarus verwandelt worden.
Die Seele des Lazarus war auferweckt worden zum geistigen Leben in Christo
und die menschliche Hülle war ihrer Natur nach verwandelt, sodaß
sie dem mit Christo im Geiste vereinigten Menschen angepaßt war. Deshalb
hat dieser Mensch das Sterben Christi wie auch Seine Auferstehung miterleben
können wie kein anderer, da Lazarus selber durch den Tod gegangen und
im Geiste Christi auferweckt worden war.
Das große Zeichen des allerheiligsten
Namens Gottes ist für die Mysterien, welche die Erweckung des Lazarus
zum Ausgangspunkte haben, das bedeutendste Symbol, weil Lazarus, der Stifter
jener Mysterien, Christus als den Sohn Gottes, als Wort Gottes während
des Erlebens des Todes und der Auferweckung erkannt hatte. Denn nur durch
die unmittelbar wirkende Kraft Gottes kann der leibliche Tod überwunden
werden und die Auferweckung im Geiste geschehen. Als Lazarus das Kreuz
auf Golgatha errichtet. sah, da schaute er im Geiste das Kreuz als den Stamm
des Lebensbaumes, die blutigen Wunden Christi als strahlende, leuchtende
Blüten und den Erlöser selber in verklärtem Leibe, voller Majestät
und göttlicher Gewalt Durch diesen Anblick entstand das Symbol des Kreuzes
mit dem leuchtenden Dreieck im Centrum desselben und den roten Rosen und
wurde zum Wahrzeichen jener Mysterien.
Diese Mysterien beruhen zwar auf einer
persönlichen Tat Christi wie auch die Kelchopferung beim letzten Abendmahle,
doch haben dieselben, ebensowenig wie die Mysterien des heiligen Graal, die
Aufgabe erhalten, eine universelle Kirche Christi innerhalb der Menschheit
auf Erden zu bilden. Den Weg, der durch den Tod des natürlichen Menschen
zur Wiedergeburt im Geiste führt, kann nicht ein jeder Mensch betreten,
und das Erlebnis des großen Zeichens würden nicht alle ertragen
können. Deshalb ist die Wirkung jener Mysterien mit der der Mysterien
des heiligen Graal zu vergleichen, indem beide ihre Boten und Vermittler
zur Menschheit senden, wenn dieselbe Kraft und Hilfe braucht. Diese Boten
und Vermittler sind jene von den Mysterien berufenen Menschen, die dort ihre
Einweihung erhielten.
Auch die Mysterien der Erweckung stärken
das Band zwischen Christus und der irdischen Menschheit vermittelst ihrer
Kraft und durch jene einzelnen, die, im Geiste wiedergeboren, mit Christus
vereint leben und wirken.
«««««««
III.
Der Weg der Menschheit zur geistigen Erweckung.
Die Einzelnen, die den mystischen Tod
und die Auferweckung im Geiste erleben konnten, sei es innerhalb der Kirche
Christi oder vermittelst der Mysterien, vollendeten jenen Weg, den die gesamte
Menschheit einmal zu betreten haben wird. Die geistige Erweckung wird im
letzten Gericht durch Christus selbst für jenen Teil der Menschheit geschehen,
der dazu würdig befunden wird, weil Christus ihr Führer geblieben
ist. Nur eine Menschheit, die Christus durch alle; Zeiten hindurch treu war,
kann mit Ihm vereint werden, wenn das Ende für den relativen, dualistischen
Kosmos kommt. Die, welche Ihn auch dann nicht anerkannt haben, werden einen
geistigen Tod oder die Vereinigung mit dem Widersacher erleiden müssen.
Nachdem Christus den Aposteln den Kelch
der Vorbereitung gereicht, und dadurch das eucharistische Mysterium für
die gesamte Menschheit eingesetzt hat, nachdem Kr selber den bitteren Kelch
in Gethsemane getrunken, und nachdem auch der Kelch der Vollendung Seines
Opfers der Menschheit überlassen war — ist dieser Menschheit der neue
Weg eröffnet worden, der die geistige Erweckung zum Endziel hat. Das
Kommen des Gottessohnes als Erlöser auf Erden war der Endpunkt jener
vor-christlichen Menscheitsent-wicklung, in der die Erwartung und Vorbereitung
auf jenes größte Erdenereignis die Aufgabe der Menschheit gewesen.
Als Christus sich der Erde immer mehr näherte, da wurde auch Sein Kommen
durch Eingeweihte u ad durch Propheten immer bestimmter verkündet, immer
bewußter und sicherer empfunden. Bis auf Sein Erscheinen auf Erden
wendete sich die Hoffnung und Zuversicht der Erde zu als der zukünftigen
Stätte, wo Er als Mensch leben würde. Nach dem Opfertod und der
Auferstehung Christi aber führt der Weg der Menschheit wiederum aufwärts,
dem überkosmischen Reiche zu, und es wird das Endziel: die Wiederkunft
Christi, doch nicht in irdischer, sondern in himmlischer Gestalt in Seiner
göttlichen Macht und Herrlichkeit beim letzten Gericht als der König
und Richter des Alls. Es gehen einzelne als Pioniere und Wegweiser voraus
und bahnen den Weg für die anderen. Durch sie wird auch das lebendige
Band zwischen Christus und der Menschheit gestärkt. Die anderen folgen
langsam, viele bleiben sogar stehen, doch geht der große Zug immer weiter,
dem vorgeschriebenen Ziele zu.
Zunächst ist es die Aufgabe der
christlichen. Menschheit geworden, die Reinigung (die Katharsis), als erste
Stufe auf dem Wege, zu erstreben; die niedere Natur der kosmisch-irdischen
Hülle des Menschen soll gereinigt werden. Die mächtigen Bestrebungen
und Übungen der Askese beginnen unter denjenigen, die zur Kirche Christi
gehören, und dauern fort bis an das Ende des Mittelalters. Die Ansiedlungen
der christlichen Anachoreten in Ägypten und in den östlichen Wüsten
in Europa und Asien, sie alle bezweckten das Eine: die Reinigung der niederen
menschlichen Natur und die Befreiung der menschlichen Seele aus der Gewalt
von Elementen- und Sternenkräften. Erst dann konnte die höhere
Seelenkraft sich als die Peripherie des göttlichen Centrums Christus
offenbaren. Der Kelch der Vorbereitung diente als ein Vorbild,, und wie die
irdischen Naturprodukte als Brot und Wein in den Leib und das Blut Christi
verwandelt wurden. Ihm zur Form dienend, so sollte der Leib des Asketen,
als irdisches Naturprodukt, die niedere Natur zum Opfer bringen, auf daß
die höhere Natur als höhere Seelenkraft von Christi Geist durchdrungen
werde. Die Eigenschaften jener höheren Natur im Menschen sind gerade
die, welche Christus als Seine Gebote bezeichnete. Aus diesen gilt das Gebot
der Liebe zu Gott und zum Nächsten als das wichtigste, da nur durch
dieses Gebot das Wesen des höheren Seelenlebens als die All-Einheit
erreicht werden kann.
Im Gegensatz zur seelischen All-Einheit
steht die zur niederen Natur gehörige Eigenschaft der Zerspaltung. Die
kosmische Natur ist dualistisch, denn, während auf der einen Seite die
Vermehrung der Lebewesen statt findet durch Abspaltung, und letztere die
Möglichkeit ihrer Erhaltung in der Nahrung vorfinden, so ist die ganze
Einrichtung zur Ernährung und Erhaltung der Lebewesen gegründet
auf die Vernichtung der einen Art durch die andre. Die unfreiwillige Opferung
einer schwächeren Art an die stärkere zum Zwecke der Ernährung
ist das Gesetz der niederen, kosmisch-irdischen Natur. Besonders zeigt sich
dieses Gesetz innerhalb des Tierreiches, wo sich die höher organisierten
Naturwesen gestalten. Insoweit der Mensch in die Natur seiner kosmisch-irdischen
Hüllen verstrickt ist, lebt auch er nach diesem Gesetze. Nicht nur bei
den Naturvölkern zeigt sich das, sondern leider auch bei sogenannten
gebildeten, zivilisierten Völkern, wenn dort das Recht des Stärkeren
herrscht und der Vernichtungstrieb sich in Kriegen auslebt. Wo die Bestrebung
anfängt, diese niedere Natur zu beherrschen, zu reinigen und zu verklären,
da beginnt dieselbe erst recht sich zu sträuben sich aufzubäumen
und ihre Rechte geltend zu_ machen. Ein Kampf auf Leben und Tod tritt ein,
und die Asketen, die wahren Mystiker und die Märtyrer sind als Sieger
und Helden aus jenem Streite hervorgegangen. Sie sind die wahren Vertreter
der Menschheit auf Erden, da sie den vorgezeichneten Weg betreten haben. Die
Anderen folgen oder bleiben stehen und unterliegen im Kampfe mit der niederen
Natur. Deshalb ist die Zeitperiode vom Erscheinen Christi auf Erden an. bis
etwa zum Ende des Mittelalters zwar groß in bezug auf asketische Heldentaten
inmitten der Bekenner Christi, doch ist sie auch
erfüllt von grausamen und blutigen Freveln. Nicht immer wurde die
Aufgabe der Menschheit für jene Zeit erfüllt, sondern es blieb
die Kraft der niederen
Natur oft Siegerin. Das war der Fall nicht nur unter jenen, die Christus
nicht anerkannten, sondern auch bei denen, die den Kampf zwar anfingen,
sich aber durch den Mangel an wahrem Glauben als zu schwach erwiesen,
um durchzuhalten.
Der Glaube und die Hingabe an Christus
waren von Ihm, als Er auf Erden lebte, niemals durch Zwang gefordert, sondern
dem Menschen selber war es überlassen worden, ob er seine Seele Christo
zuwenden wollte oder nicht. So auch sollte später nie ein Mensch dazu
gezwungen werden, den christlichen Weg zu betreten, weil Zwang eine Ausübung
der Macht des Stärkeren über den Schwächeren bedeutet und
diese nicht dem Wesen der höheren Natur, sondern dem der niederen angehört.
Ein solcher Zwang mußte sich deshalb auch konsequent nach dem Gesetze
der niederen Natur entwickeln und zu blutiger Vertilgung des Schwächeren
führen. Daß das oftmals geschah, sogar im Namen Christi, ist ein
Ereignis, das seine bitteren Früchte in die nächste Zeitepoche
hineintrug, weil nun die Macht der niederen Natur, durch das Vergießen
von Menschenblut gestärkt, so groß geblieben war, daß diese
dann der nächsten Zukunft ihr Siegel aufzuprägen vermochte.
Die nächste Zeitepoche aber sollte
die Menschheit auf eine höhere Stufe, die der Erleuchtung führen.
Um diese richtig zu erreichen, wäre
es jedoch nötig gewesen, daß die höhere, überkosmische
Natur im Innern des Menschen gekräftigt, die niedere
Natur dafür aber bezwungen und geläutert wurde.
Es hätte die Erleuchtung, die
vom Geiste kommt, die höhere Seelenkraft im Menschen erfüllt,
sodaß der Mensch sich innerlich dem Reiche des Himmels eröffnet
hätte, um die ans diesem Reiche ihm zuströmende Gnade der Erleuchtung
in sich aufzunehmen. Das menschliche Bewußtseinscentrum, als jener
Punkt, der zwischen, der höheren und der niederen Seelenkraft schwebt
und beide verbindet, hatte die neue Geistesgnade weitergeführt zur
niederen Natur, die geläutert und zur Dienerin der höheren Seelenkraft
geworden wäre.
Als aber jene Zeit kam, waren nur einzelne
Menschen da, die zur Erleuchtung reif geworden waren. Dieselben konnten als
vom Geiste erleuchtete Führer der Menschheit auftreten, und diese stellten
wiederum die wahren Vertreter der Menschheit auf jener zweiten Stufe dar.
Für jene Menschen, die ihre niedere Natur nicht geläutert hatten,
blieb der geistige Aufschwung zu den überkosmischen Sphären unerreichbar,
und die Erleuchtung, die durch das Bewußtseinscentrum in die Kräfte
der niederen Seele hineinstrahlte, wurde in jenem kosmisch-irdischen Spiegel
aufgefangen. Dieser Spiegel aber war dem Erdencentrum zugewandt, und so
kehrte sich auch das Spiegelbild der Erde zu. Die himmlische Erleuchtung
verwandelte sich in erhöhte irdische Klugheit und in Vernunftstärke,
die durch die niedere Seelenkraft vermittelt wurden und deshalb nur die Verherrlichung
derselben anstrebten. Das geistige Ideal, die Nachfolge Christi, verlor
mehr und mehr an Bedeutung, und es entstand statt dessen das irdische Ideal.
Nicht der Glaube an Christus und an das Urbild des Menschen im himmlischen
Reiche erfüllte die Seele, sondern der Glaube des Erdenmenschen an sich
selbst war Hauptsache geworden. Die Menschheit lebte sich immer mehr in
die kosmisch-irdische Natur hinein, und die höhere Seelenkraft verlor
an Bedeutung und Realität. Abstrakt und unreal wurde der Menschheit
alles Geistige, alles, was mit dem Erdenleben nicht unmittelbar zusammenhing.
Sobald das aber eingetreten war, fing auch das Gesetz der Zerspaltung und
der Zerstörung an zu wirken, und so teilte sich die Menschheit in verschiedene
Gruppen und Gemeinschaften, von denen eine jede ihre besonderen Auffassungen
und Meinungen hatte, sowohl auf dem Gebiete der Religion als auf anderen
Gebieten. Die tragische Spaltung zwischen Religion und Kultur trat ein.
Die Kräfte der Erleuchtung lebten
sich in der Mehrzahl der Menschen so aus, daß alles, was mit der menschlichen
und kosmisch-irdischen Hüllennatur verbunden ist, die größte
Bedeutung erhielt, und Kunst, Wissenschaft und Philosophie dadurch stark
beeinflußt wurden. Damit aber steuerte jene Kultur dem antiken Heidentum
zu und sagte sich schließlich vom Christentum los. Nicht zufällig
tauchten in der „Renaissance" die alten Statuen und die Schriften der Griechen
und Römer als Gegenstände grenzenloser Verehrung wieder auf. Denn
jene Renaissance war am allerwenigsten eine Wiedergeburt dem Geiste nach,
sondern eine Wiederbelebung der toten Schatten alter heidnischer Götter,
die Morgenröte eines trübseligen, sonnenlosen Tages.
Weil aber das neue geistige Leben verfehlt
war, so suchte die Menschheit einen Ersatz im Alten. Dieses Spielzeug aus
einer Zeit, da die Menschheit noch kindlich war, ergötzte sie eine Zeitlang;
sie errichtete sich damit Häuser und Türme, die alle auf Sand
gebaut waren; sie bildete sich schöne Formen für Gedanken und
Gefühle, die bald ausgelöscht, wiederum anderen Gebilden Platz
machten. Doch nie konnte die Menschheit dabei die alte Vollkommenheit erreichen,
die einstmals die echten Antiken besaßen. Letztere hatten damals, als
sie ihre Werke schufen, ihr Ziel erreicht und danach gelebt. Die Menschen,
die in der Zeit der Renaissance lebten, hatten jedoch eine andere Aufgabe
zu erfüllen, wenn sie ihr auch nicht nachkamen.
Die Kirche Christi durfte diesem Wege
nicht folgen, denn damit wäre sie Christus untreu gewesen. Er, der gekommen
war, um die niedere Natur der Menschheit aus der Gewalt dämonischer
Kräfte zu befreien, um diese niedere Seelenkraft zu reinigen und zu verwandeln,
auf daß sie sich zur höheren Seelenkraft geselle und dann zur
Peripherie des Geistes werde — würde durch ein Dienen und Verherrlichen
jener niederen Natur in ihrem ungeläuterten Zustande verleugnet worden
sein.
So liefen denn die Wege der Kirche
Christi und der neuen Kultur auseinander, und wenige waren es nur, die Christus
zu folgen und Seinen Leidensweg nachzuleben bereit waren; wenige nur waren
imstande, den mystischen Tod und die Auferweckung im Geiste zu erleben.
Unter denen, die als die Blüte
der Menschheit gelten können, da sie die absolute Reinigung der niederen
Natur als die Katharsis vollbrachten und sich durch das Leben in Christo
vollständig mit Ihm vereinigten, nimmt der, etwa am Abschluß des
klassischen Mittelalters lebende heilige Franziscus von Assisi wohl die Hauptstelle
ein. Er trug die Ernte jener Zeitperiode so wohl in das geistig-religiöse
Leben wie in die Kultur der folgenden Periode hinein und war der Ausgangspunkt
für alles, was sich später auf dem Gebiete der Theologie, Mystik
und Kunst an wahrhaft vom Geiste erleuchteten Errungenschaften offenbarte.
Im wahren Sinne baute er die Stätte
Christi auf; seine Liebe zur „Schwester Armut" war die Folge des Bestrebens,
selber nichts an sich zu nehmen von dem, was aus der niederen Natur des Menschen
und der Erde stammte, es sei denn, um dasselbe zu reinigen, zu durchleuchten
und mit Christi Geist in Verbindung zu bringen. Weil der heilige Franziscus
in sich die niedere Natur vollständig verwandelt und verklärt hatte,
erschien ihm auch die äußere Natur mit ihren verschiedenen Offenbarungen
in verklärter Gestalt. Er sah in ihr, sowie in Allem, was auf Erden
lebte, einen Ausdruck der Allmacht des Schöpfers. Nicht die Natur an
sich, nicht alle lebendigen Wesen auf Erden, nicht Sonne, Gestirne und Elemente
besang und liebte er wegen ihres eigenen Wesens, sondern er lobte und liebte
den Schöpfer in ihnen. Ihn sah Franziscus in allem; Ihn liebte er mit
jener Liebe, die den Seraphim eigen ist.
Die hohe, reine Liebe der Seele, die
Sehnsucht nach der himmlischen All-Einheit strömt durch das ganze Leben
des großen Heiligen und Asketen wie das Wasser des Lebens, das alles
verklärt und neu belebt. Er selbst aber war, innerlich der niederen
menschlichen Natur nach, gestorben und im Geiste auferweckt worden und deshalb
eins mit Christus. Mit der ganzen Seele, mit innigster Hingabe, Selbstverleugnung
und unermeßlich großer Liebe war er Christus auf dem Leidensweg
gefolgt, hatte mit Christus am Kreuze mystisch den Tod erlitten und war in
Ihm durch die Kraft des Heiligen Geistes auferweckt worden. Er, der die heiligen
Wundmale am menschlichen Leibe trug, war zum nächsten Abbild Christi
auf Erden geworden. Groß und einzigartig steht dieser Heilige am Ende
des klassischen Mittelalters und strahlt seraphische Liebe in die kommenden
Zeiten hinein, wie eine ewige Leuchte der Menschheit, ein heiliges Gefäß
der Gnade. Gleichwie im Kelche der Vorbereitung verwandelte sich an ihm,
durch Christi Kraft, die niedere Natur in die höhere; aus seinen Wundmalen
floß das Blut, wie bei Christus selber, als es in den Kelch der Vollendung
aufgenommen wurde.
So bildet dieser Heilige nicht nur
das Bindeglied zwischen jener Zeitepoche der Katharsis der Menschheit und
der Zukunft, sondern er verstärkt das Band zwischen der Kirche Christi
und den beiden. Mysterien dadurch, daß er das hohe Ziel des mystischen
Todes und der geistigen Auferweckung dem Vorbilde Christi gemäß
verwirklichte.
Während der Reinigung der Seele
ist das Bewußtseinscentrum, das zwischen der niederen und der höheren
Seelenkraft schwebt, mit den innersten, verborgensten Kräften an dieser
Verwandlung (Katharsis) tätig. Bei jener schweren, inneren Anstrengung
bleibt dann wenig Kraft übrig zur abgesonderten Betätigung nach
außen, denn das Gedanken-, Gefühls- und Willensleben haben sich
auf die eigene Seele concentriert. Das Centrum des menschlichen Bewußtseinslebens
ist zwar mit dem überkosmischen und göttlichen Geistescentrum verbunden,
doch spiegelt sich in demselben auch dasjenige Prinzip ab, das für
die niedere kosmisch-irdische Natur und für die Erde als Centrum gilt.
In diesem innersten Centrum im Menschen wird der eigentliche Kampf geführt,
bei welchem die dem Göttlichen zugewandten und die dem Göttlichen
abgewandten Kräfte (insonderlich die des inneren Wollens) aufeinander
prallen. Die Seelenperipherie bildet dann die Resultate jenes inneren Kampfes
gefühlsmäßig in sich ab. Es kann die Reinigung der niederen,
der Erde zugewandten Seelenkraft nur dann stattfinden, wenn zuvor die höhere
Willenskraft im Innern des Menschen bewußt über die niedere gesiegt
hat, wenn der Eigenwille, als Centrum der niederen Natur, besiegt worden
ist durch den im Menschen wirkenden göttlichen Willen, der auch das
Centrum der höheren Seelenkraft darstellt. Solange der Mensch unfähig
bleibt, die Worte, die zum mystischen Tode führen werden, im innersten
Kern seines Wesens zu sprechen, jene Worte, die Christus auf Gethsemane sprach,
„nicht mein Wille, sondern Dein Wille geschehe", solange kann das große
Mysterium des Sterbens in Christo und der Auferweckung durch die Kraft des
Heiligen Geistes nicht eintreten.
Ist einmal die niedere Natur geläutert
worden, sodaß dieselbe die Dienerin der höheren Seelenkraft im
Menschen sein kann, dann wird auch die geistige Erleuchtung wie eine Gnade
aus dem himmlischen Reiche das innere Bewußtseinscentrum berühren
können. Dann geht die Geistessonne, Christus, dem Menschen auf, der
dadurch zu neuem Leben in Gnade und im Lichte erwacht. Aus dem nunmehr gereinigten
Willenscentrum erhebt sich die nach oben hin gerichtete Denkkraft, die den
Übergang zwischen den kosmischen und den überkosmischen Regionen
darstellt, weil diese Kraft sich mit der höheren Seele einigt, um dann,
erfüllt mit ihrer Kraft, der Urweisheit, zum menschlichen Bewußtseinscentrum
zurückzukehren, gleich wie ein leuchtender Bote, der von nun an nur
noch nach höheren Regionen streben wird, es sei denn, daß derselbe
die Aufgabe zu erfüllen hat, sein Licht auch in den niederen Regionen
leuchten zu lassen.
Dem erleuchteten Menschen steht, wie
die Geistessonne, das göttliche Lichtcentrum, Christus, am Himmel.
„Nicht ich, sondern Christus in mir", das ist die richtige Bezeichnung jenes
Zustandes, denn es ist nicht das menschliche Centrum des Bewußtseins,
sondern der göttliche Geist, das Licht- und Lebenscentrum der Menschheit,
der von da an den Menschen führt und belebt.
Das große Wunder der Gnade ist
eingetreten, daß der Mensch im Innern seines Bewußtseins mit
Christus reden kann, daß er Ihn dort findet, weil Er zur Erde gekommen
ist, um der Menschheit den Samen des Geistes ins Herz zu legen. Solange düstre
Wolken, Gewitter, Sturm und Blitz als niedere Naturkräfte in der niederen
Seele des Menschen walten, dringen die belebenden Strahlen jener Geistessonne
nicht bis zum Samen im irdischen Acker durch. Der Geistessame ruhet tief
und schlummert in der dunklen Erde; er kann sich nicht ohne Hilfe der Sonnenkraft
von oben entfalten. Die wahre Erleuchtung kann auch nur nach der Katharsis
eintreten, wenn die niedere Natur nicht länger ein Hemmnis bildet zur
geistigen Gemeinschaft und sich das reine Blau eines klaren Himmels zwischen
Erde und Sonne, zwischen Mensch und Christus ausbreitet.
Der heilige Franziscus steht nicht
nur als Vorbild einer geläuterten Seele da, sondern durch die Vollkommenheit
seiner Seelenreinheit wurde ihm die vollkommene Erleuchtung und dann die
vollkommene Einswerdung mit Christus. Diesen letzten höchsten Zustand
erreicht der Heilige in solchem Maße, daß derselbe wie vorbestimmt
und zu seinem eigentlichen Wesen passend erschien. Denn sein Innenleben und
die Art und Weise, wie er seine Umwelt empfand, gehören zu einem Menschen,
der das Leben und Weben der Erlösungskraft Christi in allen Lebewesen
und in der gesamten Natur mitempfindet. Christus war ihm überall gegenwärtig
und die Worte: „Ich bin bei Eueh bis ans Ende der Erdentage" waren jenem
Heiligen zur Wirklichkeit geworden.
Deshalb bleibt der heilige Franziscus
durch alle Jahrhunderte hindurch das Muster und Vorbild des in Christo lebenden
Menschen, der die Katharsis, die Erleuchtung und die Einigung mit Christus
auf das intensivste erlebt und auf die vollkommenste Weise verwirklicht hat.
Deshalb auch bildet er einen Ausgangspunkt für dasjenige, was sich
später als die vom Geiste durchleuchteten Errungenschaften auf dem
Gebiete der Mystik, Theologie und Kunst innerhalb der Menschheit offenbarte.
Er selber hat nicht gerade die Stufe der Erleuchtung widerspiegelt, da seine
Seele, mit seraphischen Flügeln begnadet, unmittelbar dem letzten Ziele
zuschwebte. Nach ihm kamen andere, die jene Erleuchtungskraft insbesondere
in ihrer Seele spiegeln und ihrer Umwelt offenbaren sollten. So hat sich
die Kraft der Geisteserleuchtung in der Lehre des heiligen Bonaventura (Doctor
seraphicus genannt), in seinen Licht-Erlebnissen und seiner Licht-Lehre kundgegeben;
wie auch Duns Scott und andere aus ihrer Erleuchtung heraus ihre Werke hervorbringen
konnten.
Die Weisheit, welche durch Albertus
Magnus und seinen großen Schüler Thomas von Aquino der Menschheit
zuströmte, kann nur aus jenen Quellen fließen, die sich in geisteserleuchteten
Menschen eröffnen. Und wenn vom heiligen Thomas erzählt wird, daß
er mit Christus sprach, daß Christus ihm sagte, was geschrieben werden
sollte, so deutet das genau auf jenes Gnadenwunder hin, daß der erleuchtete
Mensch im Innern seines Bewußtseins mit Christus reden kann, wenn
Christus ihm zur Geistessonne geworden ist und wenn die Worte: „Nicht ich,
sondern Christus in mir", sein Herz erfüllen.
Bei Menschen wie dem heiligen Thomas
offenbart sich die geistige Erleuchtung hauptsächlich vermittelst der
Kraft des Denkens, in der sich dann die übernatürliche Weisheit
spiegelt. Bei anderen Erleuchteten wurde das Gemüts- oder Gefühlsleben
der Vermittler zur Offenbarung des Geisteslichtes und zum Spiegel des vollkommenen
himmlischen Schönheitsideals, das sich in erhabener Kunst zu verkörpern
suchte. Diese religiöse christliche Kunst des späteren Mittelalters
und der frühen Renaissance ist die Offenbarung dessen, was der Mensch
zu schaffen vermag, wenn das Licht der Geistessonne den verborgenen Geisteskeim
erreicht und schöpferische Kräfte in demselben erweckt hat. Einer
jener geistig Erleuchteten ist Dante, der sowohl in seinem Gedanken- wie
im Gefühlsleben das große Licht spiegelt und nach außen strahlt.
Sein größtes Werk „Divina Commedia" ist nicht nur vom Standpunkte
der Kunst aus eine erhabene Schöpfung, sondern innerhalb der vollkommenen
Schönheit der Form ist die hohe Weisheit sichtbar, die nur innere Geisteserleuchtung
geben kann. „Divina Commedia" ist Dantes Beschreibung jenes mystischen Weges,
der durch die Katharsis zur Erleuchtung und endlich zur Einigung mit Gott
führt. Wer diesen Weg; gegangen ist, wird mit Erstaunen und voller Bewunderung
erblicken, wie jener Weg aufs genaueste geschildert wird und zwar gerade
so, wie eine menschliche Seele wie die Dantes die drei betreffenden Stufen
und den gesamten Weg erleben mußte. Es würde hier zu weil führen,
in jenen ,,Gesang der Weihe" tiefer einzudringen, doch kann folgendes erwähnt
werden. Der erste Zustand: die Reinigung und die Selbsterkenntnis, zu der
man durch den strengen, Führer geleitet wird, wobei die Seele in die
Abgründe des Jenseits eindringt, die sich in der eigenen niederen Seelennatur
des Menschen widerspiegeln. Der zweite Zustand: die Verklärung und Erleuchtung
vermittelst der Führung der höheren Seelenkraft (die hier bei Dante
zunächst in der Gestalt seines individuellen seelischen Ideals erscheint),
als der Führerin zum höheren Zustande und der Vertreterin der Weisheit
und der Schönheit. Der dritte Zustand: die Einung mit Christus als Gottessohn,
der Eingang in den Himmel, das Schauen der Himmelsrose als der offenbarten
All-Einheit und endlich der Anblick der göttlichen Dreifaltigkeit und
des menschlichen Antlitzes in derselben.
Die erleuchtete Seele, die diesen erhabenen
Gesang der Weihe der Menschheit schenkte, entschwebte kurz nach der Beendung
jenes mystischen Kunstwerkes dem Erdenleben, wie berufen zum höheren
Dasein; daß Dante sein Leben als Bruder des dritten Ordens des heiligen
Franziscus beschloß, lenkt die Gedanken auf eine innere seelische Beziehung
zu jenem großen Vorbilde, das ihm auf dem schweren, doch glorreichen
Weg voranging.
Menschen, die jenen Weg betreten können,
auf welchem die Erleuchtung wie eine himmlische Gnade die gereinigte Seele
erfüllt und das Bewußtsein mit göttlicher Weisheit durchstrahlt,
gehören zum Typus der lichten Sonnenmenschen, zu jenem Teil der Menschheit,
der die Abel-Seth-Menschheit genannt wird (siehe „Homo Coelestis", von Intermediarius).
Der größere Teil gehört dem Typus der Kain-Menschheit an.
Wahrend die Abel-Seth-Menschheit das innere Bestreben hat, das Bewußtseins
leben und den Willen der höheren Seelenkraft zuzuwenden und zum überkosmischen
Reiche
aufzublicken, gleich wie der Rauch von Abels Opfer unmittelbar zum Himmel
aufstieg, verbinden die Kain-Menschen ihr Bewußtseinsleben mit der
niederen Hüllennatur und dringen mit der Willenskraft in dieselbe ein.
Deshalb blicken letztere nicht aufwärts, sondern neben sieh und nach
unten und bestreben sich, die eigene niedere Natur, alsdann die Erde und den
Kosmos mit den Kräften ihres Bewußtseins und Wollens zu durchdringen;
wie der Rauch vom Opfer Kains steigen diese Seelen nicht unmittelbar zum
Himmel hinauf, sondern sie verbreiten sich über ihre Umwelt und folgen
damit eher einer horizontalen als einer vertikalen Richtungslinie.
Als dann die Zeit kam, wo die christliche
Menschheit die Seelenläuterung durchlebt hat und der Erleuchtung teilhaft
werden sollte, da strahlte das aus der Höhe kommende Geisteslicht zwar
in das innere Bewußtsein der genannten Kain-Menschen hinein, doch es
erweckte in letzteren nicht die Sehnsucht, sich nach oben zu erheben, um
dort vermittelst der höheren Seelenkraft eine stärkere Einigung
zu erreichen; das Bewußtseinscentrum führte dieses Licht der niederen
Seelenkraft zu. Wo das stattfand in jenen Menschen, die ihre niedere Natur
geläutert hatten, konnte die erleuchtete und der Erde zugewandte Willenskraft
vermittelst der niederen Natur, die dann kein Hemmnis bildete, sich in Taten
offenbaren, die einen Abglanz des hohen Geisteslichtes in sich, bargen. Auf
diese Weise entstanden auf dem Gebiete der Wissenschaft, der Philosophie und
der verschiedenen Künste Werke, die durch das mittelbar gespiegelte Licht
der Kraft des Denkens, des Wollens und des Fühlens veranlaßt wurden.
Solche Menschen waren wie Beschauer des Lichtes der Geistessonne, so wie
dasselbe sich auf einer stillen, klaren Wasserfläche spiegelt. Das Spiegelbild
regte ihre Seelen zwar zum Staunen und Bewundern an, doch nicht zur Tat des
Aufblickens. Sie hatten nicht die Sehnsucht darnach, die Geistessonne unmittelbar
zu schauen, die Seele zum Himmel zu erheben.
Wenn aber Menschen von diesem Typus
die niedere Natur nicht vollständig geläutert hatten, dann war
für sie die Wasserfläche nicht der klare, ruhige Spiegel, sondern
die Bewegung und Regung des Wassers ließ an der Oberfläche Trugbilder
entstehen. Das einheitliche Lichtcentrum erschien da wie zerbrochen in unzählige
Lichtpunkte, bewegliche Streifen und Figuren, sodaß ein chaotisches,
zersplittertes Lichtgeflimmer entstand, das nicht die geringste Ähnlichkeit
mehr mit der aus der Höhe strahlenden Geistessonne aufwies. In solchem
Fall war auch die Hüllennatur des Menschen, da sie un-geläutert
geblieben, nicht durch die Kraft Christi verwandelt und zu Seiner Dienerin
geworden, sondern sie diente dann noch immer ihrem ursprünglichen Herrn,
dem Fürsten dieser Welt. Daher war auch dasjenige, was auf ihrer Oberfläche
an täuschenden Geflimmer gespiegelt erschien, dem Dienste jenes Fürsten
gewidmet. Menschen mit einer solchen ungereinigten Natur brachten mit Hilfe
ihres Denkens, Wollens und Fühlens Werke und Taten zustande, die im
Dienste des Fürsten dieser Welt standen. Die Verherrlichung der ungeläuterten
Natur im Kosmos, auf Erden und im Menschen selber fing an, und diese führte
in das Heidentum und den Götzendienst zurück. Der größte
Götze, der Fürst dieser Welt, empfing wiederum Anbetung und Verehrung,
denn viele Seelen vergaßen, daß Christus, der nicht von dieser
Welt war, für sie gestorben war und den Keim des Geistes in das menschliche
Herz gelegt hatte.
Diejenigen Menschen, die sich zum göttlichen
Geiste mächtig hingezogen fühlten, erhielten immer die Möglichkeit,
sich den Mysterien zu nähern, um dann in Stille und Einsamkeit die Vorbereitung
zum mystischen Tode und zur geistigen Auferweckung durchzumachen. Die Mehrzahl
der Menschen aber fühlte keine Beziehung zu den Mysterien, und nur
vermittelst einzelner konnte die geistige Kraft derselben der Menschheit
zuströmen. Es wurden die christlichen Mystiker seltener und die christliche
Theologie, die christliche Kunst und Wissenschaft, die das höhere Seelenleben
anstrebten, wurden durch eine Strömung auf jenen Gebieten zurückgedrängt,
die das niedere Seelenleben, die irdische Natur, in den Vordergrund stellte
und das Diesseits betrachtete. Diese Strömung gewann allmählich
die Überhand, und das innere Bewußtseinscentrum des Menschen vergaß
mehr und mehr den geistigen Keim, den es in sich barg. Es wendete sich gänzlich
von der höheren Seelenkraft ab und der niederen Natur zu; dadurch verband
es sich stärker mit der Erde und tauchte in die eigene Hüllennatur
unter. Das geistige Licht und das höhere Seelenleben wurden blaß
und abstrakt; die Erde aber und die kosmisch-irdische Natur des Menschen
gewannen dagegen an Realität und unbedingter Wertschätzung innerhalb
der Menschheit.
Der kosmisch-irdische Mensch ist als
Mikrokosmos den Gesetzen des Makrokosmos unterworfen und wenn das innere
Bewußtseinscentrum im Menschen sich von der höheren, überkosmischen
Seelenkraft abkehrt und sich der an den Kosmos gebundenen Seelenkraft zuwendet,
so wird auch das innere Bewußtsein jenen Gesetzen untergeordnet. Der
höhere Teil des menschlichen Wesens, der es zum Mikrologos macht, tritt
dann nicht mehr in das Bewußtseinsleben ein und offenbart nicht länger
seine Wirkung innerhalb desselben. Dennoch ist und bleibt jener höhere
Teil die Wurzel des menschlichen Wesens, aus der es im Verborgenen seine
Kräfte zieht. Der kosmisch-irdische Mensch an sich ist nur ein vergängliches
Gebilde, ein Lichtstrahl aus dem einheitlichen, vorbildlichen Menschenwesen,
das an die drei kosmischen Hüllen gebunden und von denselben umgeben,
als der kosmisch-irdische Mensch auftritt. Solange der Mensch im Innern seines
Bewußtseins der höheren Seelenkraft zugewandt bleibt, erlebt
er den himmlischen Ursprung seines Wesens und wird vermittelst jener Kraftquelle
die Beherrschung, die Läuterung und Verwandlung seiner niederen Natur
bewirken können. Versenkt der Mensch aber sein inneres Bewußtsein
in die niedere Natur, dann wird letztere seine Herrin. Die makrokosmischen
Gesetze, die sich in der niederen Natur des irdischen Menschen spiegeln,
sind weit mächtiger als es das Bewußtseinscentrum ist, sobald
dasselbe sich von der höheren Seelenkraft abgewandt hat und auf sich
selbst angewiesen bleibt. Hilflos wird es dann auf den mächtigen Wogen
des dualistischen Lebensoceans des Kosmos hin und her geworfen, immer tiefer
in die wilden Gewässer seiner niederen Natur versinkend, die es nicht
zu besänftigen weiß. So ging es der Menschheit, die jener Aufgabe,
die sie als christliche Menschheit erhielt, nicht nachgekommen war. Nur der
geringste Teil jener Menschheit hat die Katharsis durchgeführt und die
niedere Natur so gereinigt, daß dieselbe zur Dienerin der höheren,
übernatürlichen Seelenkraft geworden war und deshalb der kommenden
Erleuchtung kein Hindernis bietet. Diejenigen, die mit gereinigter Natur das
Geisteslicht im inneren Bewußtseinscentrum spiegelten, um es dann auf
der Erde auszustrahlen, konnten dieses nur, solange sie das niedere Bewußtseinsleben
mit der höheren Seelenkraft vereinten, wodurch sie innerlich dem Geisteslichte
zugewandt blieben. Nur solche Menschen konnten Werke schaffen, die geistigen
Wert und wirkliche Bedeutung hatten, weil die Erleuchtung, wenn auch nur
mittelbar, in ihr Denken, Wollen und Fühlen eingedrungen war. Dieses
Licht war dann im Dienste des Natürlichen und Irdischen tätig, doch
kam dasselbe aus der Höhe und war nicht von dieser Erde.
Die Menschheit aber wandte sich immer
mehr dem nur natürlichen und irdischen Leben zu und verlor im innern
Bewußtsein die Einheit mit der höheren Seelenkraft, die als Peripherie
der Geistessonne das Licht der letzteren in sich spiegelte. So verlor die
Menschheit den Glauben an das höhere Seelenleben und an den eigenen
Geist, und nur dasjenige, was mit den Sinnesorganen der irdischen Hülle
wahrgenommen werden konnte, erhielt Bedeutung und Realität. Das ganze
Streben richtete sich auf das irdische Dasein; die Kräfte des Denkens,
des Wollens und des Fühlens durchdrangen und durchwühlten die niedere
Natur, nicht um letztere zu verklären oder zu erlösen, sondern um
dieselbe auszukosten und die Ansprüche jener Natur in sich selbst zu
befriedigen.
Mit der Vertiefung des menschlichen
Bewußtseinslebens in die nicht geläuterte niedere Natur war demselben
die Verbindung mit der himmlischen Natur und dem Geisteslichte aus der Erinnerung
geschwunden. Kleiner und immer kleiner wurde die Zahl jener, die Kraft und
Sehnsucht fühlten, den mystischen Tod und die geistige Auferweckung
zu erleben. Auf Erden Macht, Kenntnis und Ruhm zu erobern, in der niederen
Natur Genuß und Befriedigung der Sinne findend, das wurde das Ziel der
Mehrzahl. Die wenigen Eingeweihten und Mystiker konnten innerhalb jener herabstürzenden
Flut nur einige Dämme aufrichten, um diejenigen zu retten, die noch
auf ihre Stimme hören wollten; die große Mehrzahl ließ sich
von den schäumenden Wogen mitreißen.
Die im Kosmos und auf Erden lebende
Menschheit hat die Aufgabe, diese Erde mit den im Innern des menschlichen
Bewußtseinscentrums verborgenen über-kosmischen Kräften zu
durchleuchten; doch kann sie jene Aufgabe nur erfüllen, wenn das innere
Bewußtsein mit dem himmlischen Lichte und der Weisheit aus der höheren
Seelenkraft vereint bleibt. Die vor-christliche Menschheit auf Erden hat
durch Vermittlung der Mysterienstätten die Kraft dazu erhalten. Nachdem
aber Christus die irdische Menschheit aus der Macht der Dämonen und
Naturgewalten erlöste und ihr den Geisteskern ins Herz legte, muß
aus dem Menschen selbst der Wille und die Sehnsucht erwachsen, mit dem Gottessohn
eins zu werden und mit dem inneren Bewußtseinscentrum diese Einigung
zu erleben. Die christliche Menschheit hat deshalb auch erst die Aufgabe erhalten,
selber durch die Läuterung zur Erleuchtung und schließlich zur
Einswerdung in und mit .Christus zu gelangen; in vorchristlichen Zeiten aber
konnten nur unter Führung der Mysterien und nach dem Eintreten in dieselben
die genannten drei Stufen erreicht und eine Wiedergeburt im Geiste als letzte
Stufe erlebt werden. Diese drei Stufen beziehen sich auf die drei inneren
Kräfte des Fühlens, Wollens und Denkens im Menschen und auf die
äußeren Zustände seines Lebens als Jugend, Reife und Alter.
In der vorchristlichen Zeit war die Religion eines jeden Volkes mit dem
Wesen und Typus desselben eng verbunden und die Mysterien paßten sich
dem Volke an, in dessen Mitte sie ihre Stätten gründeten und zwar
in bezug auf die Form und Art, in welchen sie die ewige, unveränderliche
Weisheit überlieferten. Von der Mysterienstätte aus wurde das noch
jugendliche Volk, welches geführt werden sollte, zunächst auf
eine Stufe gebracht, die im allgemeinen Sinne der der Reinigung entsprach,
sodaß die Seele jenes Volkes durch Bildung, Belehrung und durch Verfeinerung
und Erhöhung des Gefühlslebens gehoben wurde. Dann konnte ein Zustand
der Reife erreicht werden, in welchem das Weisheitslicht aus den Mysterien
herausstrahlte und das Volk erleuchtete. Am Ende jener Zeit hielten die
Mysterienführer die Ernte der Menschheit, und es zeigte sich dann, inwieweit
die Erleuchtung aufgenommen oder auch zurückgewiesen worden war. Doch
immer war es so, daß beim Eintreten des dritten Zustandes (jenes,
in dem die Einigung mit dem Weisheitslichte erreicht werden sollte) nur
eine sehr geringe Anzahl dazu fähig befunden wurde, die innere Erweckung
zu erleben. Dieser dritte Zustand bedeutete zugleich die Zeit des Alters
des betreffenden Volkes; es mußte deshalb, was die große Mehrzahl
betrifft, absterben, indem es den kosmischen Gesetzen des Entstehens, Bestehens
und Vergehens unterworfen blieb. Die Mysterien zogen sich dann von jenem
Volke zurück, da sie in ihm ihre Aufgabe erfüllt hatten; die Art
und die Form ihrer Tätigkeit war der Veränderung und der Zeit
gleichfalls unterworfen, doch blieb die hohe überkosmische Weisheit
von letzteren unberührt, da diese den Stempel der Ewigkeit trug, als
die himmlische Erbschaft, die der Menschheit bei ihrer kosmisch-irdischen
Pilgerfahrt mitgegeben worden war.
Wenn ein Vergleich angestellt wird
zwischen jenen Zeiten und denen, die nach dem Kommen Christi auf Erden verlaufen,
dann zeigt sich erst klar, wie unermeßlich groß und wie gewaltig
die Erlösungskraft des Opfers Christi ist, und was dieselbe für
die irdische Menschheit bedeutet, nicht, nur jenseits, sondern auch diesseits
des Erdenlebens.
Christus war der Einzige, der seit
dem Sündenfall nicht nur für ein einziges Volk kam, sondern für
die ganze Menschheit der Erde. Zwar er schien Er als Jesus von Nazareth innerhalb
des Volkes, das durch die Propheten schon auf dieses Kommen vorbereitet war.
Jenes Volk der Hebräer wurde in der Zeit, in der es seine Jugend erlebte,
von Moses geführt, zur Läuterung erzogen, gebildet und belehrt.
Dann kam die Zeit der Reife jenes Volkes, und es erschienen die Propheten
und strahlten ihr Weisheitslicht aus. Darauf erscheint das Licht selber
inmitten jenes Volkes als Christus, der verheißene Messias, und als
der Menschensohn, als Jesus, auf Erden lebt, hält Er selber die Ernte,
und der dritte Zustand tritt für dieses Volk ein; die Einigung beginnt
für die, welche, mit Ihm eins werdend, nicht mehr von dieser Welt sind.
Die aber, in welche das Weisheitslicht der erleuchteten Propheten nicht eingedrungen
ist, verpassen auch die geistige Einigung und die innere Erweckung. Sie sind
das Volk, das dann im Abnehmen begriffen ist und alles verlieren muß,
was einstmals durch Gnade gegeben wurde, als es in das gelobte Land einzog.
Christus, der für die ganze Menschheit
kam, bleibt auch nach Seiner Auferstehung und Himmelfahrt mit der Menschheit
verbunden für alle Zeiten. Inmitten andrer Völker aber bildete
sich das Centrum für diejenigen, die Seiner Kirche angehören, denn
das Grab Petri ist der Grundstein geworden jener mächtigen Pyramide,
die mit breiter Basis auf Erden steht und deren obere Spitze sich zum Himmel
emporhebt.
Die Menschheit der christlichen Zeiten
ist immer unfähiger geworden, die geistige Erleuchtung unmittelbar im
innern Bewußtsein zu erleben, deshalb ist dasjenige, was auf dem Gebiete
der Mystik, Theologie, Philosophie, Kunst und Wissenschaft entsteht, immer
weniger mit dem wahren Leben und dem höheren Lichte des Geistes verbunden.
Dasjenige, was später entstand und als Geistesprodukt betrachtet wird,
ist vielfach nicht mehr aus der höheren Seelenkraft heraus geschaffen
worden und nicht vom Lichte der Geistessonne durchstrahlt, sondern nur mit
Hilfe der an das natürliche Leben der Erde und an die menschliche Hüllennatur
gebundenen Denkkraft hervor gebracht. Die Kunstwerke sind Abbildungen und
Darstellungen der Gefühle und Triebe des natürlichen Lebens und
der entsprechenden niederen Natur im Menschen selber.
Mit der höheren Seelenkraft und
der Erleuchtung des Geistes ist auch die lebendig schöpferische Kraft
im Menschen verloren gegangen, sodaß er meist nur noch die früher
geschaffenen Werke nachahmen, doch nicht Ursprüngliches, was von dem
gleichen Werte ist, aus sich heraus entstehen lassen kann. Diese Unfähigkeil,
sich zu dem einen erhabenen Ideal aufzuschwingen, führt dazu, daß
ein Bedürfnis entsteht, zu zerspalten, das einheitlich Bestehende in
verschiedene Teile zu zerlegen, und zwar durch Kritik und Analyse. Die Kräfte
des Denkens, Wollens und Fühlens dringen immer tiefer ein in die niedere
Natur und das, was von der Erde ist. Alles, was die Menschheit in den letzten
Jahrhunderten auf dem Gebiete der irdischen Wissenschaften lind Künste
erreichte, was sie an Entdeckungen und Bauwerken leistete, ist mit Hilfe
jener Kraft entstanden, die nur einen der Erde zugewandten Funken Feuers und
Lichtes der Geistessonne der Erleuchtung darstellt. Die unmittelbare Einigung
mit jenem göttlichen Centrum im Innersten des menschlichen Bewußtseinslebens
hat der größte Teil der heutigen Menschheit nicht erreichen können,
weil sich das Bewußteinsleben der höheren Seelenkraft abkehrte,
um sich enger in die niedere Natur einzuleben.
Wenn aber dann die Zeit der Ernte kommt,
wird jener weitaus größte Teil der Menschheit die nächste
Stufe, die der Einigung in und mit Christus, nicht bewußt erleben können.
Die eigentliche Frist, die zur Erleuchtung gestellt war, ist abgelaufen,
und in der Gegenwart steht schon die Menschheit vor dem Anfang der
kommenden Einigung des inneren Bewußtseinslebens mit Christus, der
Geistessonne.
Wer sich für jenen Zustand nicht
schon heute vorbereitet, wer nicht in Christo sterben, das heißt. Ihm
sein innerstes Wesen hingeben will, der wird diese Einigung nicht erleben
können.
Die Einigung mit Christus aber bedeutet
die geistige Erweckung durch den Heiligen Geist, bedeutet, das ewige Leben
zu erhalten und zum himmlischen Vater wiederzukehren.
Was wird es der irdischen Menschheit
nützen, wenn sie auch alle Naturgesetze der Erde kennen gelernt und
die ganze Welt beherrscht, doch an der eigenen Seele Schaden erleidet und
dem geistigen Tode anheimfällt? Christus ist eins mit dem himmlischen
Urbilde der Menschheit, das als Gottes Ebenbild geschaffen ist, nicht mit
dein dualistischen kosmisch-irdischen Menschenbild, dessen Reich von dieser
Welt ist.
Der kosmisch-irdische Mensch, der nicht
im innersten Bewußtsein mit Christus eins wird, muß absterben
wie der abgeschnittene Zweig einer Rebe; er kann nicht in die Einheit der
Imago Coelestis des Menschen im Himmel aufgenommen sein, vermittelst Christi
Kraft.
Der Geisteskeim, der im Innern des menschlichen Bewußtseinscentrums
schlummert, wird nicht geweckt, kommt nicht zur Entfaltung. Dann wird derselbe
dem völlig in die niedere Hüllennatur untergetauchten und dadurch
an die Erdenkräfte gefesselten Bewußtsein des Menschen entzogen,
denn dieser Geisteskeim ist unvergänglich, gehört Christus und
kehrt zu Ihm wieder; doch bleibt das nun vom Geiste getrennte und von der
höheren Seelenkraft verlassene Bewußtseinsleben des Menschen zurück
und geht der langsamen Vernichtung als zweitem Tode entgegen. Wer nicht die
Einheit erreicht, geht durch die Zerspaltung unter; und eine Menschheit, die
nicht die geistige Verbindung mit Christus aufrecht erhält, der Einswerdung
nicht zustrebt und diese schließlich erreicht, wird durch innere und
äußere Zersplitterungen zugrunde gehen. Ein zerstückeltes
Innenleben, wobei ein jedes Stück mit dem anderen in Disharmonie und
Kampf verharrt, wird dem Menschen zuteil werden, und eine äußerlich
zerstückelte, fortwährend in Hader und Kampf verweilende Menschheit
wird zum Schluß einen Kampf aller gegen alle hervorbringen.
Die irdische Menschheit hat zwar die
Aufgabe, das ihr gegebene geistigseelische Licht und Leben der Erde einzuprägen
und soll sich deshalb mit der Natur und dem Wesen der Erde und des Kosmos
beschäftigen, doch kann diese Aufgabe nur dann richtig erfüllt
werden, wenn diese Menschheit sich zuerst selbst aus den Fesseln dieser niederen
Natur befreite, indem sie die eigene Hüllennatur als niederes Seelenleben
geläutert hat. Nur dann ist der Mensch in Wahrheit Herr über die
niedere Natur innerhalb und außerhalb seines Wesens und als Befreier
jener Natur und nicht ihr Sklave ist er dann auf Erden tätig.
Die Kräfte des Denkens, des Wollens
und des Fühlens sind im Kosmos sowohl wie innerlich im Menschen wirksam.
Dabei ist immer das Wollen die centrale Kraft, aus welcher das Denken aufwärts
strebt, während sich das Fühlen eher nach unten hin richtet. So
ist auch innerhalb der feinsten kosmischen Hülle, der Forma Sideralis,
die Willenskraft das Centrum, die Denkkraft strebt den überkosmischen
Regionen zu, während sich das Fühlen der nächsten, dichteren
kosmischen Hülle als der Forma Elementalis zuwendet. In letzterer ist
wiederum die Willenskraft das Centrum, welches zwischen dem oberen Teil jener
Forma und dem niederen Teil, dem Elementenmeere, an der Oberfläche des
letzteren wirksam ist. Die Kraft des Denkens strebt aufwärts, zur Forma
Sideralis hin, und die Kraft des Fühlens wirkt in das Elementenmeer
hinein.
Im Corpus Materiale des Kosmos
ist wiederum die Willenskraft central; die Kraft des Denkens wendet sich
der Forma Elementalis zu und tritt dadurch mit dem Elementenmeere in Beziehung.
Im Corpus Materiale wirkt die Kraft des Fühlens dann als bindende Kraft
und als Anziehung und Abstoßung der verschiedenen Teilchen der Materie
untereinander, wodurch bestimmte Combinationen entstehen können als
materielle Formen.
Im Menschen wirken jene drei Kräfte
in entsprechender Weise innerhalb seiner dreifachen Hülle, die mit den
drei kosmischen Hüllen in so unmittelbarer Beziehung stehen, daß
man mit Recht den Menschen den Mikrokosmos im Makrokosmos nennen kann. Da
aber der Mensch nicht nur als Mikrokosmos besteht, sondern sein innerstes
Wesen überkosmisch ist, so ist das individuelle Bewußtseinscentrum,
als Abbild des Geistes im Reiche des Himmels, das eigentliche Centrum, um
welches sich Denken, Wollen und Fühlen bewegen. Der Mensch ist jemand,
der denkt, will und fühlt, und diese drei Kräfte sind seine Diener,
solange das Bewußtseinscentrum des Menschen mit der höheren Seelenkraft
verbunden bleibt und sich nicht in die niedere Natur verliert. Die höhere
Seelenkraft ist dreifach als Kraft des Lichtes, des Lebens und des Klanges;
als Weisheit, Kraft oder Macht und Schönheit sind diese Urkräfte
im überkosmischen Reiche schöpferisch tätig; dieselben bilden
sich im dualistischen Kosmos ab als jene Kräfte, die mit dem Prinzip
des Denkens, Wollens und Fühlens in Verbindung stehen.
Nachdem Christus auf Erden gekommen
war, hatte jene Menschheit, die sich zu Ihm bekannte, die geistige Aufgabe,
die Kraft des Fühlens durch die Läuterung der niederen Natur zu
verwandeln und jene Geisteskraft, welche Christus in das Innere des Menschen
hineinversenkt hatte, zu entfalten. Es mußte die neutrale Willenskraft
im Menschen den ersten Anstoß dazu geben. So vertiefte sich die christliche
Menschheit während der ersten Jahrhunderte und während des Mittelalters
hauptsächlich in das innere Seelenleben und verrichtete Taten, die von
den Seelenkräften des Wollens und des Fühlens ausgingen; der Wert
derselben war abhängig von der Stufe der Seelenreinheit, die erreicht
wurde.
Dann kam die Zeit, wo diese Menschheit
anfing, hauptsächlich mit der Kraft des Denkens zu wirken und wo gleichzeitig
die Erleuchtung gegeben werden sollte. Die aufwärts strebende Kraft
des Denkens sollte jene Erleuchtung wie eine Gnade von oben empfangen und
dann der centralen Willenskraft zukommen lassen, sodaß die letztere
jenes Licht im Innern der Seele bewußt erleben und nach außen
in Taten umsetzen könne. Weil aber der größte Teil der Menschheit
die Läuterung des Fühlens und des Wollens nicht auf genügende
Weise vorgenommen halte, war die centrale Willenskraft noch immer der eigenen
niederen Natur und der Erde zugewandt geblieben. Es konnte sich die Kraft
des Denkens, da dieselbe nicht von dem centralen Wollen unterstützt wurde,
nicht zu jener Höhe aufschwingen, wo das Licht der Geistessonne in machtvoller
Majestät strahlte. Jene Lichtstrahlen, die noch aus der Höhe auf
das Denken eindrangen, fielen dann auf ein Willens- centrum, das noch
auf die Erde und die niedere Natur im Menschen gerichtet war. Die Kraft des
Denkens richtete sich aber trotzdem aufwärts, und wenn dieselbe nicht
die Höhe erreicht, wo sie das Geisteslicht erfüllt und neu belebt,
so bleibt diese Denkkraft unerlöst und an den Kosmos gefesselt. Statt
sich in eine überkosmische Kraft zu verwandeln und durch das Geisteslicht
der himmlischen Weisheit teilhaft zu werden, verbindet sich die Denkkraft
mit der Kraft des Fühlens, die aus der nächsten und feineren kosmischen
Hülle an dieselbe herankommt. Deshalb kann eine Menschheit, die eine
Läuterung des Fühlens, Wollens und Denkens nicht durchführte
und infolgedessen die Erleuchtung nicht erreichte, nicht mit dem Lichte der
Geistessonne unmittelbar erfüllt sein und sich nicht zur Höhe derselben
emporschwingen. Diese Menschheit erhebt nur die Kraft des Denkens, wenn
letztere insbesondere tätig ist, aus der irdischen Hülle, der
Erde und dem kosmischen Corpus Materiale zur Kraft des Fühlens in der
nächsten kosmischen Hülle, der Forma Elementalis, und kommt zugleich
mit derselben Kraft (mehr oder weniger bewußt) in Berührung, wie
letztere in der elementalischen Hülle des Menschen selber wirksam ist.
Wenn dieses geschieht, und sich die
Folgen davon bemerkbar machen, entsteht eine furchtbar kritische Zeit für
die betreffende Menschheit.
Die Denkkraft ist die eigentlich typisch-menschliche
Kraft, die den Menschen über seine Umwelt erhebt und ihm deshalb mit
Recht als höchste Potenz des bloß natürlichen, irdischen
Menschen erscheint. Wenn diese höchste Kraft nicht von dem übernatürlichen
Geisteslichte erfüllt und erleuchtet wird, sondern mit dem Fühlen
in Berührung kommt, das zum elementalischen Leben gehört, entsteht
innerlich im Menschen ein Widerspruch, weil, diese Kraft des Fühlens
zwar innerhalb einer feineren Hülle wirkt, doch gerade die Neigung hat,
zur dichteren Hülle hinzustreben, und zwar zur irdischen, aus welcher
sich die Denkkraft im Gegenteil zu erheben sucht. Hierdurch entsteht der
innere Kampf, und dieses Aufeinanderprallen beider Kräfte ruft jene Disharmonie
hervor, die nur dann überwunden und aufgehoben werden kann, wenn sich
die Denkkraft mit der ihr verwandten und entsprechenden Denkkraft der elementalischen
Hülle vereinigen kann. Das kann aber erst dann geschehen, wenn der Mensch
mit seinem inneren Bewußtseinsleben in die Natur des elementalischen
Lebens eingedrungen ist, sodaß die feinere Hülle des Kosmos, der
Erde und des Menschen selbst für ihn ebenso wirklich bestehen wie heute
die materielle Welt und der irdische Körper, an die das menschliche
Bewußtseinsleben jetzt gebunden ist.
Solange der gesamte Widerspruch besteht,
leidet die irdisch-denkende Menschheit schwer darunter, ohne zu verstehen,
daß die Ursache jenes Leidens in ihrer seelischen Abirrung zu suchen
ist. Hatte die Menschheit sich dem höheren Geisteslichte nicht entfremdet
und sich nicht mit der niederen Natur und dem, was von der Erde ist, eng
verbunden, so hätte ihre Seele nicht die Flügel verloren und wäre
diese Seele dem Sonnenvogel ähnlich gewesen, statt dem Erdenwurm oder
auch der kriechenden Schlange zu gleichen.
Das, was ein auf der Erden kriechendes
Wesen auf seinem Wege nur langsam und allmählich erkennen lernt, wird
dem geflügelten, über die Erde schwebenden Wesen, das den weiteren
Überblick erhält, auf einmal offenbar. Die an die irdische Hülle
des Menschen gebundene Denkkraft würde sich unmittelbar mit der in den
beiden feineren Hüllen wirkenden Denkkraft vereinigt und so den Weg
zur überkosmischen und übernatürlichen Weisheit gefunden haben,
wenn diese Denkkraft das Geisteslicht der Erleuchtung unmittelbar in sich
aufgenommen hätte, was ihr nur durch die Verbindung mit der höheren
Seelenkraft möglich war. Gleich wie der Vogel von Zweig zu Zweig, von
Baum zu Baum schwebt, so wäre die im Menschen tätige Denkkraft
von der einen seiner Hüllen in die andere übergegangen, ohne den
Weg über den tief erliegen den Boden zu nennen. So hätte sich die
geistig-erleuchtete Denkkraft, aus der eigenen Hüllennatur befreit,
in die überkosmischen Sphären erheben können, und nichts von
dem, was jener Kraft entgegengesetzt war, hätte den Aufstieg gehemmt.
Der Übergang von dem irdischen, gröberen Denken in das feinere,
elementalische und in das noch feinere, intensivere siderische wäre nur
eine harmonische Steigerung und die Vervollkommnung jener Denkkraft gewesen.
Wenn aber jene Denkkraft mit der Erdenschwere
belastet aus der irdischen Hülle in die elementalische eintritt, so
muß das Denken den schleichenden Gang des Wurmes annehmen und durch
das Tasten und Berühren (das der experimental-empirischen Methode des
Denkens und Erfassens entspricht) sich Kenntnisse aneignen. Blind für
die Geistessonne, die hoch erhaben über ihr Sehvermögen am fernen
Himmel strahlt, bewegt sich die Denkkraft zur elementalischen Kraft des Fühlens
hin und kommt dann endlich mit jener, ihrer Natur nicht entsprechenden Kraft
in Berührung.
Je tiefer sich die Menschheit in das
kosmische Corpus Materiale, die Erde und die eigene irdische Hülle
hineindenkt, je intensiver ihr Wollen und Fühlen sich damit beschäftigt,
um so eher wird die Wand durchbrochen sein, die das Corpus Materiale von
der Forma Elementalis, die Erde von ihrer elementalischen Hülle und
die irdische Hülle des Menschen von seiner elementalischen trennt. Bildlich
gesprochen könnte gesagt werden, daß die materielle Welt sich aus
der feineren Hülle des Kosmos herauskristallisierte und daß dieselbe
wie eine Schicht von gewisser Form und Proportion dasteht, die von der nächsten
feineren Schicht umgeben wird. Je tiefer in die dichteste Schicht hineingebohrt
wird, umso eher wird dieselbe durchbrochen werden, und die nächste,
feinere Schicht wird wahrnehmbar. Damit ist, um den bildlichen Vergleich
weiter zu führen, eine neue Schicht von feinerer Art entdeckt worden,
die immer dagewesen ist, obwohl ungekannt; dieselbe wird dann eine andere
Art des Untersuchens notwendig machen, wobei manche Änderungen vorgenommen
werden müssen.
Wer gerade in der heutigen Zeit die
vielen sonst unerklärlichen Erscheinungen und Tatsachen beachtet, die
mit der Menschheit vorgehen, wird zur Überzeugung kommen müssen,
daß sich auch hier einschneidende Änderungen vollziehen und daß
sich sowohl in bezug auf die innere Psyche, die Seelenverfassung der Menschheit,
als auch auf dem Gebiete der äußeren Kultur, eine grundsätzliche
Umwälzung vorbereitet. Die Menschheit, die das Geisteslicht der Erleuchtung
nicht unmittelbar in ihr inneres Bewußtseinsleben hineinstrahlen ließ
und sich der Erde und der eigenen Hüllennatur zuwandte, ist heute auf
den Punkt angelangt, wo sie das, was sie bis auf heute besaß, als erschöpft
und nicht mehr zur heutigen Zeit passend empfindet. Ein Neues ist aber nicht
gefunden, oder es ist minderwertig, oberflächlich und ohne bleibenden
Wert. Die an die materielle Welt gebundene Denkkraft tritt schon an die
des Fühlens, die aus der elementalischen Welt herunterstrebt, heran.
Weil aber die aufwärts strebende Denkkraft, wenn auch an die Erde gebunden,
immerhin von feinerer Art ist als die des Fühlens an sich (obwohl letztere
in einer feineren Hülle tätig ist), so entsteht neben einer Disharmonie
noch der Eindruck, daß die Menschheit ein Wertvolleres, Besseres verliert
und in ein bisher Unbekanntes hineingerät, das, wie aus anderen Dimensionen
kommend, in die irdischen Verhältnisse und in das Innenleben des Menschen
einbricht. Es ist, als ob die wilden Wogen des Elementenmeeres sich über
die materielle Welt ergießen und als ob ein feineres flüssiges
Element die dichte feste Materie durchdringt. Zunächst entsteht dadurch
das Gefühl einer Auflösung dessen, was fest umrahmt und begrenzt
auf Erden an Form und Gestalt da ist. Das innere Leben des Menschen verliert
seinen Halt, insoweit es seine Denkkraft, Willenskraft und seine Empfindungen
betrifft. Auch die äußeren Formen und Gestalten auf dem Gebiet
der Religion, Kultur und Zivilisation Überhaupt geraten ins Wanken.
Ein wahres inneres Erdbeben setzt ein.
Wer gerade in der heutigen Zeit die
vielen sonst unerklärlichen Erscheinungen und Tatsachen beachtet, die
mit der Menschheit vorgehen, wird zur Überzeugung kommen müssen,
daß sich auch hier einschneidende Änderungen vollziehen und daß
sich sowohl in bezug auf die innere Psyche, die Seelenverfassung der Menschheit,
als auch auf dem Gebiete der äußeren Kultur, eine grundsätzliche
Umwälzung vorbereitet. Die Menschheit, die das Geisteslicht der Erleuchtung
nicht unmittelbar in ihr inneres Bewußtseinsleben hineinstrahlen ließ
und sich der Erde und der eigenen Hüllennatur zuwandte, ist heute auf
den Punkt angelangt, wo sie das, was sie bis auf heute besaß, als erschöpft
und nicht mehr zur heutigen Zeit passend empfindet. Ein Neues ist aber nicht
gefunden, oder es ist minderwertig, oberflächlich und ohne bleibenden
Wert. Die an die materielle Welt gebundene Denkkraft tritt schon an die
des Fühlens, die aus der elementalischen Welt herunterstrebt, heran.
Weil aber die aufwärts strebende Denkkraft, wenn auch an die Erde gebunden,
immerhin von feinerer Art ist als die des Fühlens an sich (obwohl letztere
in einer feineren Hülle tätig ist), so entsteht neben einer Disharmonie
noch der Eindruck, daß die Menschheit ein Wertvolleres, Besseres verliert
und in ein bisher Unbekanntes hineingerät, das, wie aus anderen Dimensionen
kommend, in die irdischen Verhältnisse und in das Innenleben des Menschen
einbricht. Es ist, als ob die wilden Wogen des Elementenmeeres sich über
die materielle Welt ergießen und als ob ein feineres flüssiges
Element die dichte feste Materie durchdringt. Zunächst entsteht dadurch
das Gefühl einer Auflösung dessen, was fest umrahmt und begrenzt
auf Erden an Form und Gestalt da ist. Das innere Leben des Menschen verliert
seinen Halt, insoweit es seine Denkkraft, Willenskraft und seine Empfindungen
betrifft. Auch die äußeren Formen und Gestalten auf dem Gebiet
der Religion, Kultur und Zivilisation Überhaupt geraten ins Wanken.
Ein wahres inneres Erdbeben setzt ein.
Die Einigung mit Christus sollte sich
für jene Menschheit vollziehen, die durch die Läuterung und die
Erleuchtung des inneren Seelenlebens und Bewußtseins dazu reif war.
Schon heute ist der Menschheit diese Möglichkeit als höchste Gnade
gegeben und steht als fernes Zukunftsziel und höchstes Ideal für
alle sichtbar da. Wer wahrhaft will, kann auch heute noch das Versäumte
nachholen und durch die seelische Läuterung und Erleuchtung zur Vorbereitung
für diese Einigung kommen. Dazu ist aber nötig eine völlige
Umwandlung des Seelenlebens des heutigen Menschentypus, der sich daran gewöhnt
hat, der inneren Tiefe des eigenen Innenlebens zu entfliehen, um sich nach
außen zu stürzen, der äußeren Umwelt entgegen.
Sogar die in der Außenwelt wirkenden
Taten, sowie alle Gedanken und Gefühle haben nur Wert, wenn dieselben
vom erweckten inneren Seelenleben ausgehen, wenn es Sprossen sind aus jenem
geistigen Keim im Menschen, der Christus angehört. Es nützen keine
äußeren Einigungen der Menschen untereinander, solange nicht bewußt
die innere übernatürliche All-Einheit die Seelen erfüllen
kann. Keine Verbindung ist bleibend, wo diese nicht geschieht zwischen Seelen,
die mit dem inneren Bewußtsein in überkosmischen Sphären
leben. Der an den Kosmos und seine Gesetze gebundene Mensch ist nur ein Naturwesen,
das aus natürlichem Triebe heraus zum Kampf, zur Zerspaltung und zur
Zerstörung aus eigenem Egoismus heraus geneigt ist. Deshalb kann eine
Vereinigung solcher Wesen nicht dauern und keine positiven Früchte
abwerfen. Die Mahnung Johannes des Täufers: „Ändert den Sinn!"
war die erste Bedingung zur Erfüllung des Einheitsideals; noch so viele
Blinde können einander nicht zum Lichte führen, und die große
Zahl ist nicht gleichbedeutend mit dem großen Werte. Es müssen
deshalb Menschen da sein, die verstehen, was in unserer Zeit geschieht,
und die den Unwissenden voranleuchten können. Solche Menschen müssen
nicht nur durch die Reinigung und Erleuchtung zur Einswerdung mit Christo
gelangt sein, sondern diese Menschen müssen sich persönlich auch
die hohe Weisheit angeeignet haben, die aus den christlichen Mysterien stammt.
Das ist deshalb notwendig, weil die Mehrzahl der heutigen Menschheit sich
von einem Leben des mit Christus vereinigten Geistes soweit entfernt hat,
daß ein Verständnis für ein solches Leben nur allmählich
erreicht werden kann. Der Mensch, der innerlich den höchsten Grad, die
mystische Einigung mit Christus, erreicht hat, kann doch der Mehrheit der
heutigen Menschheit nicht zum Führer dienen, wenn er nicht auch jene
hohe Weisheit inne hat, die ihn dazu befähigt, die Verbindungsbrücke
zu bauen zwischen den überkosmischen Sphären und der a n den Kosmos
und die Erde gebundenen Menschheit.
Eine Menschheit, die ein über-empirisches
Leben kaum annimmt, für welche Christus zum einfachen, frommen Menschen
Jesus geworden, für welche Gott und der Himmel bloße Abstractionen
sind — kann nur Schritt für Schritt auf den Weg zum geistigen Leben
geführt werden und muß dabei immer einen festen Anhaltspunkt unter
den Füßen fühlen. Ein unmittelbarer Aufschwung zur Geistessonne
ist nur den wenigsten noch möglich; die Mehrzahl hat die Seelenflügel
verloren und kann nur langsam weiterschreiten.
Auf jenem dunklen Pfade kann jener
Menschheit nur noch das Wahrheitslicht weiser Führer leuchten, scharf
und klar jedes Hindernis, jeden Stein anzeigen und auf die Gefahren des Weges
hinweisen, welche in der heutigen Zeit, da die Wellen des Elementenmeeres
hereinbrechen, so groß und zahlreich sind. Die Zeit des Denkens, Wollens
und Fühlens bloß innerhalb der dichtesten Hülle, die zugleich
Schutz und, Gefängnis bildet ist vorbei. Das innere Bewußtseinscentrum
im Menschen streckt sich immer mehr nach der nächsten kosmischen Hülle
aus, und die Denkkraft wird schon durch die Wogen des Elementenmeeres ergriffen.
Wenn auch das Willenscentrum und das Fühlen des Menschen von jener elementalischen
Kraft berührt werden, dann können unbekannte Mächte das innere
Leben des irdischen Menschen ergreifen und bewegen; weil das Bewußtseinsleben
zunächst noch in der materiellen Welt verankert ist, werden jene elementalischen
Einflüsse sich gerade in die niederen Naturtriebe ergießen, wo
sich der Mensch am wenigsten bewußt zeigt.
Im Gegensatz zu den Eigenschaften des
Festen, als denen der Stabilität, der Contraction, der Beschrankung
und Begrenzung, die eine Abgeschlossenheit in sich, eine Widerstandsfähigkeit
und eine relative Dauer des Bestehenden hervorrufen, zeigt das Elementalische
die Eigenschaften des Flüssigen als Beweglichkeit, Wandelbarkeit, Auflösung,
Ausdehnung und Auflockerung der festen Begrenzung. Die scharfen Linien, die
als die Umrahmung und als typische Begrenzung an den materiellen Gestalten
und Formen auftreten, werden in der elementalischen Hülle unbestimmter,
beweglicher und verlieren ihre scharfen Kanten. Es ist so, als würden
die eckigen und die runden dreidimensionalen Körper zu stumpfen Flächen,
die aber durch wellenartige und bewegliche Linien ihre wandelbare Begrenzung
angeben, im Gegensatz zu den unwandelbaren und abgeschlossenen Umrissen der
materiellen, festen Formen. Deshalb ist auch das Lebensprinzip innerhalb
der elementalischen Formen nicht völlig in letztere eingeschlossen, sondern
die Form bleibt beweglich und ihrer Umwelt (namentlich nach oben und unten
hin) offen, und dadurch fließt dieses Prinzip mehr mit der Umgebung
zusammen, wie es in den festen in sich abgeschlossenen Formen der materiellen
Welt möglich ist. In jener feineren kosmischen Hülle stoßen
die verschiedenen Kräfte und die Gesetze, die dort walten, nicht auf
das starke Hemmnis des festen Gegenständlichen an der Form und ihrer
Begrenzung; deshalb können diese Kräfte auch in die Substanz des
Corpus Materiale eindringen.
Die Denkkraft, die in der irdischen
Hülle des Menschen tätig ist und mit den Kräften des Elementenmeeres
in nähere Beziehung tritt, kommt dadurch mit neuen Gesetzen, neuen Strömungen
und feineren Stoffen in Berührung. Letztere wirken dann zurück
auf das an die irdische Hülle gebundene Bewußtseinsleben und werden,
vermittelst der Willenskraft zu Taten. Neue Entdeckungen finden statt und
werden vom Menschen dem äußeren irdischen Leben praktisch angepaßt.
Zur selben Zeit aber wird auch das innere Leben der Menschheit von dem Einfluß
jener verschiedenen Wesen berührt, die innerhalb der Forma Elementalis
und besonders im Elementenmeer verkörpert leben. In jenen Wesen aber
ist die Kraft des Fühlens stark und, weil dieselben eine intensivere
und umfassendere Wirkung ausüben, als die an die irdische Hülle
gebundene Denkkraft es vermag, wird letztere zunächst von jenen Wesen
überwältigt, betäubt, und in bezug auf die Schärfe und
Fähigkeit des Durchdringens abgestumpft. Ein Kampf tritt ein zwischen
dem Denken und einer dem Menschen unbekannten, undefinierbaren Gefühlswelle,
die alles zu überschwemmen droht, und alles durchdringt, und diese bildet
die erste Gefahr auf diesem Wege. Es wird auch die centrale Willenskraft
und das mit der irdischen Hülle verbundene Empfinden durch die Macht
des in der Forma Elementalis wirkenden Wollens und Fühlens beeinflußt
werden, bis sich, der Mensch des Lebens innerhalb der elementalisehen Hülle
derartig bewußt wird, wie er es heute in bezug auf sein Leben in der
irdischen Form ist.
Wenn die an die irdische Hülle
gebundene Willenskraft unmittelbar in das in der elementalischen Hülle
wirkende Wollen übergehen könnte, so wäre ein harmonischer
Übergang der einen Willenskraft von der gröberen Hülle aus
in die feinere geschehen. Ist jedoch die Gebundenheit an die irdische Hülle
stark geblieben, so muß eine langsame Loslösung und ein fast räumlicher
Übergang von der Begrenzung der einen Hülle zur nächsten
stattfinden, wobei zunächst die Denkkraft und dann auch die Willenskraft
und das Empfinden auf die nach unten gewendete Kraft des Fühlens aus
der feineren Hülle stoßen muß. Bei jenem Übergang
entsteht die zweite Gefahr dann, wenn das an die irdische Hülle gebundene
Wollen von dem feineren, intensiver wirkenden und unbegrenzten, immer beweglichen
Fühlen aus der elementalischen Hülle erfaßt wird, dadurch
ins Schwanken gerät und das centrale Gleichgewicht zu verlieren droht.
Die dritte Gefahr erscheint dann, wenn sich die Kraft des elementalischen
Fühlens mit dem an die irdische Hülle gebundenen Empfinden verbindet,
ohne daß diese Kraft gereinigt und zur höheren Empfindung geworden
ist.
Wiederum ist die Gefahr nur da vorhanden,
wo die Kräfte des Denkens, Wollens und Fühlens nicht geläutert
worden sind. Die Forma Elementalis ist, wie das Corpus Materiale und der
ganze Kosmos, von der erlösenden Gewalt Christi durchdrungen und, wenn
der Mensch im inneren Bewußtsein sich aus der Herrschaft seiner niederen
Natur befreit hat, dann wird die eigene verwandelte und gereinigte Hüllennatur
ihn zur erlösten kosmischen Natur in Beziehung bringen. Dann wird der
Mensch die Kraft des Denkens, Wollens und Fühlens wie eine harmonische
Einheit erleben, und diese wird ihn ungehemmt aus der einen kosmischen Hülle
in die nächste hinüberführen. Das innere Bewußtseinsleben
kann stark und unberührt von diesem Wechsel bleiben, wenn es die Kraft
Christi in sich und auch im Kosmos weiß.
Die ungeläuterte Hüllennatur
des Menschen bringt ihn dagegen in Verbindung mit der nicht geläuterten
und nicht verwandelten Natur des Kosmos, in welcher noch der Widersacher
seine Macht ausübt. So kommt es denn, daß der Mensch, der die Läuterung
und deshalb auch die Erleuchtung nicht erreicht hat, den dunklen gefahrvollen
Weg betreten muß, weil er sich selber die Seelenflügel genommen
und sich vom Licht abgewendet hat.
Ein Stehenbleiben wird der Menschheit
nicht erlaubt; sie muß den Weg, der durch den Kosmos führt, weitergehen,
denn, wenn sie einmal in jene Regionen hineingeritten ist, muß ihre
Pilgerfahrt weitergeführt werden bis au das Ende, solange sie den unmittelbaren
Weg der Befreiung, den Christus ihr gezeigt, nicht einschlägt und die
Einigung mit ihrem Erlöser nicht als erstes und letztes Ziel betrachtet.
Wer also diesen Weg der Gnade und Erlösung nicht sucht und die vertikale
Lichtbahn, die unmittelbar zum übe r kosmischen Reiche führt, nicht
wählt, wird durch die kosmischen Kräfte und Gesetze dazu gezwungen,
der langen, spiralförmigen Linie zu folgen, die durch die verschiedenen
Regionen als die drei Hüllen des Kosmos hindurchführt. Dabei bleibt
es dem Menschen noch frei, während seines Fortsehreitens den lichten
Pfad anstatt des dunklen zu wählen, denn Christi Geist ist überall
im Kosmos gegenwärtig, und das Licht der Geistessonne strahlt einem
jeden zu, der das Haupt erheben will, um das Licht in sich aufzunehmen.
Diejenigen, die dem spirituellen Weg
nicht folgen, indem sie die Läuterung, Erleuchtung und Einswerdung
mit Christus nicht im inneren Bewußtseinscentrum erleben, können
nur den psychischen Weg gehen, der durch den Kosmos führt, und wo sich
das Bewußtseinscentrum im Menschen aus der Natur der physischen Hülle
in die der elementalischen und dann in die der siderischen Hülle hineinlebt.
Auf welche Weise dieses geschieht und mit welcher Seite der kosmischen Natur
der Mensch dabei in Beziehung tritt, das hängt allein von dem Grade
der Reinheit jener Natur im Menschen selber ab. Die Welt, in die der Mensch
hineinkommt, wird ganz genau der inneren Welt im Menschen selber entsprechen,
hell oder dunkel, rein oder unrein. Auch die Wesen, die ihm im Kosmos entgegentreten,
werden in Übereinstimmung mit dem eigenen Wesen des betreffenden Menschen
sein.
Die Wenigen, die den spirituellen Weg
suchen und ihm auch folgen können, werden bei der Läuterung ihrer
niederen Natur auch die Natur um sie herum wie verwandelt empfinden. Es wird
nun einem solchen Menschen die ganze Natur auf Erden schon wie verklärt
erscheinen; und diese Natur, sowie die zu derselben gehörigen Lebewesen
erhalten ihre ursprüngliche Reinheit und Vollkommenheit in gewisser
Weise wieder, so wie sie einstmals gewesen, als sie das Abbild der himmlischen
All-Einheit noch darstellten. So sah der heilige Franziscus die Natur und
aus dem Erleben der inneren Einheit aller Wesen und Dinge heraus entstand
sein „Sonnenlied".
Die geistige Erleuchtung verleiht dem
Menschen eine Macht über die Natur, wodurch er zum „Taumaturgen" wird.
Die verklärte Natur wird zur Peripherie des nun im Menschen wirkenden
göttlichen Geistes, wodurch der Mensch im wahren Sinne wiederum zum
Herrscher und König innerhalb der geschaffenen Welt werden kann. Die
Einswerdung mit Christus bedeutet zugleich die Überwindung des Todes,
da Christus, als das Licht und Leben der Menschen, den mit Ihm vereinigten
Menschen an dem ewigen Leben und an der Herrlichkeit des Lichtes teilnehmen
läßt.
Es bleibt dem Menschen, der den spirituellen
Weg betreten hat, deshalb auch nichts versagt und auch nichts verborgen von
den Kräften Gesetzen der Natur, des Kosmos, der Erde oder der eigenen
irdischen Hülle denn er ist Herr über diese Natur geworden und
durchschaut sowohl verborgensten inneren Wirkungen als Ursachen, wie auch
die äußeren Vorgänge als die Resultate derselben. Auch wenn
ein solcher Mensch sein Wissen auf Erden praktisch anwenden wollte, so stünde
ihm nichts im Wege, dieses auszuführen. Er, als der Herrscher jener Natur
brauchte dabei nicht langsam und mühsam tastend vorzugehen, wie es der
Mensch tun muß, der dem psychischen Wege folgt. Nicht im Dunkeln und
Unbekannten fortschreitend wie ein Blinder, der nur tasten kann, wird der
sich auf dem spirituellen
Weg befindende Mensch vorwärtskommen. Nicht empirisch braucht er
vorzugehen bei der Forschung nach ihm unbekannten Naturgesetzen und der
Entdeckung sowie der praktischen Anwendung derselben, weil ein solcher Mensch
vom inneren Geisteslichte inspiriert wird. Dieses Licht wird seinen Weg beleuchten
(auch wenn derselbe zeitweise der Erde zuführt) und jene unzähligen
Gefahren sichtbar machen, die innerhalb der dualistischen Natur des Kosmos
bestehen. Die Behauptung, daß der Mensch, der dem spirituellen Weg
folgt, unfähig sei, die praktische und notwendige Entfaltung der Kräfte
des Denkens, Wollens und Fühlens im Dienste des Erdenlebens richtig
vor zunehmen, ist als unwahr zu betrachten; denn derjenige, der den inneren
Kern der Dinge mit dem Geiste erfaßt, tritt in das wahre Wesen derselben
ein, während ein äußeres, bloß empirisches Verhältnis
zu den Dingen an der Oberfläche derselben abstoßen muß
und nie zur Erkenntnis des inneren Kerns derselben vordringen kann. Im ersten
Falle wird der Mensch der freie Herrscher über die Kräfte und
Gesetze der Natur; im zweiten Falle aber bleibt er unter der Gewalt jener
Kräfte und Gesetze, die ihn beherrschen, ihn hin und her zerren und
ihn nach unbekannten Zielen Hintreiben. Der Mensch der dem spirituellen
Wege folgt, kennt als sein Ziel Christus und strebt bewußt zur Einswerdung
mit Ihm hin. Was aber ist das Ziel eines Menschen, der sich auf dem psychischen
Wege fortbewegt? Er selber kennt es nicht, er weiß nicht, wohin er
getrieben wird, denn auch die Kenntnisse über das eigene innere Bewußtseinscentrum
mit den Kräften des Denkens, Wollens und Fühlens und über
den Übergang derselben von der irdischen Hülle in die elementalische
fehlen dem Menschen vollständig.
Die Mehrzahl der Menschheit befindet
sich heute in diesem Zustande; sie jagt, rast und hetzt im Dunkeln der Unwissenheit
weiter, und niemand denkt daran, sich einmal zu fragen, wohin der Strom führen
wird. Getrieben von unbekannten Mächten, geht diese Mehrzahl einem
ihr unbekannten Ziele entgegen. Diese Mächte, die sich mit den einströmenden
Wellen des Elementenmeeres auf das Denken, Wollen und Fühlen des Menschen
stürzen, gehören vorzugsweise dem ungeläuterten Teile der
elementalischen Hüllennatur an und sind deshalb Diener des Widersachers;
sie greifen den Menschen an, um von seiner Blindheit, Unwissenheit und Unfreiheit
in bezug auf die niedere Natur Vorteil zu ziehen. Ihr Ziel ist, die Menschheit
völlig zu versklaven und ihr die Freiheit zu nehmen, welche Christus
ihr durch die Erlösung schenkte.
Aus dem Elementenmeere wirken jene
Kräfte, welche nach dem Corpus Materiale hinstreben, zunächst
auf den Menschen ein, denn diese Kräfte stehen der materiellen Welt,
die sich aus dem Elementenmeere heraus verdichtete, am nächsten. Im
Elementenmeere selber wirken aber Kräfte, durch, welche die scharfen
Umrisse der materiellen Formen wie aufgelöst und gelockert werden,
wodurch zunächst eine Befreiung entsteht, indem das Leben innerhalb
der e lernen tauschen Hülle leichter zusammenfließt und weniger
abgesondert für jene Lebewesen verläuft, die dort weilen. Diese
Einigung der Lebewesen und der Einfluß jener einigenden Kraft auf
die Menschheit kann nur dann zum Guten wirken, wenn diese Kraft sich concentriert
in einem weisen Führer, der die Vielen zusammenbringt, um sie einheitlich
und bewußt nach einem hohen Ziele zu leiten.
Wenn sich die Menschen bloß untereinander
einigen, so werden immer nur Gruppen entstehen, die schließlich wieder
auseinanderfallen, denn es fehlt dann die höhere Einheit, der Führer,
der das eine bewußte Centrum in der Vielheit vertritt.
So wie eine äußere Führung
der Menschheit notwendig ist, um sie zu einer bewußten, organisierten
Einheit zu machen, so ist auch eine innere geistige Führung der gesamten
Menschheit und des Einzelnen nötig, auf daß sich das innere Leben
harmonisch entfalten könne. Der geistige Keim im Innersten des menschlichen
Bewußtseinscentrums soll aufgehen und Geistesfrüchte bringen;
der göttliche Funke soll auflodern zur Flamme, und das sterbliche Leben
soll zur Unsterblichkeit führen. Für diejenigen, die den spirituellen
Weg betreten, können und wollen, ist Christus der unmittelbare Führer.
Diejenigen aber, die sich auf dem psychischen Weg befinden, haben Ihn als
unmittelbaren Führer verloren, denn sie haben sich vom Lichte der Geistessonne
abgewandt, um auf dunklen Pfaden zu wandern. Da der psychische Weg durch
die Regionen des Kosmos führt und nicht unmittelbar dem Himmelreiche
zu, so würden jene Menschen, die diesen Weg betreten, zunächst des
Lichtes der Geistessonne innerhalb der kosmischen Regionen ansichtig werden,
wenn sie im eigenen Innern die nötige Reinigung vornahmen und ihre Augen
dadurch geöffnet wurden. Jene Menschheit aber braucht Führer, die
sich als Mittler zwischen sie und den einen göttlichen Führer Christus
stellen und die frohe Botschaft bringen, daß das Licht und Leben der
Menschheit im ganzen Universum, im Himmel, im Kosmos und auf Erden lebt und
wirkt bis ans Ende der Tage.
Wer mit klarem Blick den Zustand der
Mehrzahl der heutigen Menschheit schaut, der kann nur auf das innigste wünschen,
daß die mit Weisheit erfüllten, in Christo auferweckten Führer
zu einer Menschheit kommen werden, die aus eigenen Kräften heraus solche
Geistesführer nicht hervorbringen kann, weil sie völlig von den
Gewalten der niederen Seelenkraft beherrscht wird.
In diesem Sinne werden hier einige
Anweisungen gegeben für jene Menschen, die sich gewöhnt haben,
nur durch die äußeren Sinnesorgane, empirisch tastend also, das
Leben zu betrachten und zu beobachten, um auf den genannten psychischen
Weg zu einem Verständnis der Umwelt und des eigenen Innenlebens zu
kommen.
«««««««
IV.
Der natürliche Mensch.
Wenn der Mensch mit seinen Sinnesorganen
und mit dem inneren Bewußtsein die ihn umgebende Welt sowie die eigene
irdische Hülle wahrnimmt, so wird es ihm klar, daß die Gesetze
der Anziehung und der Abstoßung zwischen den verschiedenen Stoffen,
Körpern und Lebewesen innerhalb der physischen Welt eine hervorragende
Rolle spielen. Nicht nur stoßen die äußeren Formen und Gegenstände
einander ab, sondern wenn der Mensch die Tätigkeit seiner Sinnesorgane
genauer betrachtet, wird es ihm klar, daß er nur dadurch zum Beispiel
das Sehen und Hören bewußt erleben kann, daß die Lichtstrahlen
und Tonwellen auf das Organ des Sehens und das des Hörens stoßen,
wobei dann das Licht und der Ton vom Menschen wahrgenommen werden. Dasjenige,
was nicht auf die Sinnesorgane stößt, sondern in dieselben eindringt,
bleibt dem Bewußtsein des Menschen verborgen und gehört auch nicht
mehr der materiellen Welt an; es ist die elementalische Strömung, die,
aus der Forma Elementalis kommend, das Corpus Materiale des Kosmos durchdringt
und belebt. Die Sinnesorgane im physischen Körper sind aus diesen fünf
Strömungen der elementalisehen Hülle herausgestaltet und bilden
die Kanäle, durch welche jene Strömungen die physischen Organismen
erreichen. Das menschliche Bewußtseinscentrum erlebt sich bloß
innerhalb der irdischen Hülle, und deshalb bleiben jene elementarischen
Strömungen unbemerkt. Wohl nimmt der Mensch beim Sehen oder Hören
die Farbe oder den Ton wahr weil letztere zur physischen Welt gehören
und, von den physischen Licht- und Luftwellen getragen, die physischen Sinnesorgane
erreichen. Von den zur Forma Elementalis gehörigen Strömungen aber
erhält der Mensch keinen bewußten Eindruck (obwohl jene Kräfte
seine elementalische Hülle berühren und durchdringen), solange nicht
das innere Bewußtseinscentrum sich auch in jener Hülle erlebt und
aus dem Zustande des Schlafes in den des Wachseins innerhalb der elementalischen
Welt, die man auch das Zwischenreich nennt, gerückt ist.
Bis jetzt hat das Bewußtseinsleben
sich nur auf die irdische Hülle und ihre Sinnesorgane concentriert. Deshalb
sagen die Dinge, die der Mensch auf Erden wahrnimmt, ihm so wenig in bezug
auf ihre innere Natur, denn diese letztere kann er nur von dem ableiten, was
ihm die äußere physische Form zu sagen scheint. Die an die irdische
Hülle gebundene Denkkraft bildet sich die Vorstellungen auf Grund dessen,
was wahrgenommen wird; die entsprechende Willenskraft setzt sich in Beziehung
zu dem Wahrgenommenen, nachdem durch das Gefühl die Empfindung der Sympathie
oder der Antipathie in bezug auf die äußert physische Erscheinung
der Dinge entstanden ist.
Würde der Mensch die elementalische
Strömung bewußt erleben, die sich zwischen ihm selber und dem Wahrgenommenen
hin und her bewegt, so würde ihm die innere Einheit zum Bewußtsein
kommen, die zwischen seiner eigenen elementalischen Hülle und den elementalischen
Kräften im Wahrgenommenen besteht. Das elementalische Leben und Weben
in sich selber und in den Dingen um ihn herum würde ihm ebenso real
und bestimmt erscheinen wie das rein physische; und dabei würde er die
innere Gewißheit haben, daß sich ein, und zwar der allerdichteste
Schleier gelöst hätte, da er durch die physischen Gestalten und
Formen hindurch die elementalischen Lebensformen erblicken würde.
Der Mensch würde auch der eigenen
Seele näherkommen und die ihm wirkende, niedere Natur bei ihrem Weben
und ihrer Regung mit dem inneren Bewußtsein tiefer erfassen können,
wenn letzteres innerhalb der elementalischen Hülle erwacht wäre
und auch die Kraft des Denkens, Wollens und Fühlens in dieser wirkten.
Der Mensch würde dann erleben, wie die dichteste seiner Hüllen,
der irdische Körper, durchdrungen ist von der lebendigen, beweglichen
Kraft des Elementenmeeres, aus dem die elementalische Hülle des Menschen
sich gestaltet hat. Die beiden Vorgänge des Annehmens und des Ablegens
des irdischen Körpers, als Geburt und Tod, würden vom menschlichen
Bewußtsein erlebt werden wie ein Übergehen desselben von dem elementalischen
in das physische und von dem physischen wieder in das elementalische Leben
in bezug auf seine Hüllen. Das elementalische Leben hat ganz besonders
zu dem Beziehung, was mit der Entstehung der physischen Hülle und der
Erhaltung desselben verbunden ist. Aus dem feineren, einheitlichen Elemente
der Forma Elementalis verdichten sich die vier irdischen Elemente, aus welchen
alle materiellen Formen als Organismen zusammengesetzt sind.
Die Forma Elementalis selber
besteht aus einer oberen und einer unteren Hälfte: aus letzterer
hat sich das universelle Corporus Materiale (mit allen Corpora Materialia
desselben) herausverdichtet, sodaß dasselbe vom Elementenmeere durchdrungen
und zugleich umgeben ist. Der obere Teil der Forma Elementalis ist der feineren
kosmischen Hülle, der Forma Sideralis zugewandt; derselbe könnte,
im Gegensatz zum Elementenmeere, die elementalische Atmosphäre oder der
Luftkreis genannt werden. Ähnlich der fünffachen Bewegung, als
der fünf belebenden Strömungen im Elementenmeere, webt in jenem
elementalischen Luftkreis eine belebende Kraft, die auf siebenfache Weise
offenbar wird und ein Abbild der sieben Planet' Sphären darstellt. Diese
Kraft wird vom Elementenmeere aufgenommen und strömt dann mittelbar auch
dem Corpus Materiale zu.
Der Mensch, der diese Vorgänge innerhalb
der Forma Elementalis und in der eigenen elementalischen Hülle bewußt
erfaßt hätte, würde erkennen, daß in seinem irdischen
Körper der Prozeß des Atmens eine Folge jener siebenfachen Kraft
ist, die aus dem oberen Teil der Forma Elementalis durch das Elementenmeer
hindurch bis in die materielle Erdatmosphäre eindringt. Durch die Vermittlung
der dazu besonders geformten Organe (der Lungen) geht diese Kraft im menschlichen
Körper ein und aus, nachdem sie sich in das physische Element der Luft
gehüllt hat. Im Elementenmeere werden die dort lebenden Wesen durch diese
kräftigenden Strömungen auf ähnliche Weise gesättigt und
erfrischt, da ihre entsprechenden Hüllen dieselben ebenso aufnehmen und
wiederum aushauchen, wenn auch nicht mittels Organen, die den physischen Lungen
gleichen.
Während des Bestehens der irdischen
Hülle wird dieselbe nicht nur imstande gehalten, sondern sie ist auch
dem Gesetze des Wachstums als Zunahme und dem. des Alterns als Abnahme unterworfen.
Diese Gesetze stellen sich für die elementalische Hülle wie eine
Formierung, ein Sichheraussondern der Hülle aus dem Elementenmeere dar,
mit dem dieselbe eng verbunden bleibt, und wie eine Auflösung jener Hülle,
durch die dieselbe wiederum in dem Elementenmeer aufgeht. Es ist diese Bewegung
wie Ebbe und Flut im Elementenmeere selber und eine Zu- und Abnahme der lebendigen
Strömungen, in bezug auf die Einwirkung derselben auf die dichtere Hülle,
die feste Materie.
Wie das Leben innerhalb der irdischen
Hülle bedingt wird durch das Leben der elementalischen Hülle, und
wie die Bedingungen für das erstere aus den Gesetzen und den Regungen
des letzteren hervorgehen, das alles und noch unendlich mehr würde der
Mensch wissen, wenn er mit seinem Bewußtsein die Forma Elementalis erleben
und mit seinem Denken, Wollen und Fühlen das elementalische Leben und
Weben erfassen konnte. Nicht nur in der eigenen irdischen Hülle, sondern
in den ihn auf Erden umgebenden physischen Formen und Organismen würde
der Mensch die eine elementalische Kraft erkennen, die allem irdischen Dasein
zugrunde liegt und letzteres mit der noch feineren kosmischen Lebenshülle,
der Forma Sideralis, verbindet,
Die einheitliche elementalische Lebenskraft
stellt das Wesen der Natur dar, so wie diese die physische Materie durchdringt
und umgibt. Der Mensch, dessen Bewußtsein innerhalb der elementalischeu
Hülle erwacht ist, kommt dadurch zum Erleben der inneren Kräfte
der Natur, deren äußere Hülle er auf Erden erblickt. Dem Menschen
geht das Innere der Natur auf, wenn er sie in. Ihrer elementalischen Gestalt
wahrnimmt. Da ihre elementalische Wirkung für ihn zunächst die
Entstehung seiner irdischen Hülle und die Ernährung desselben ermöglicht,
so erscheint die Natur dem Menschen in ihrer elementalischen Gestalt als
die große Hervorbringerin und. Ernährerin, die große Mutter
alles Lebendigen. Die vorchristliche Menschheit, die unter der Gewalt der
Naturkräfte und Naturwesen stand, ehe Christus sie aus diesem Banne erlöste,
hatte eine dumpfe Ahnung des Wesens, das im Menschen selber seine Kraft walten
ließ und das Leben auf Erden beeinflussen konnte. Dadurch entstand
damals die Anbetung und Verehrung der All-Mutter (Magna Mater) als der Lebensspenderin
und Ernährerin des Alls. Das war die Lichtseite jener Mutter-Natur als
Erzeugerin und Königin des Tages. Ihr düsteres Antlitz als Herrscherin
über die Nacht bildete den Gegensatz dazu. Da war sie nicht mehr die
große Mutter des Lebens, sondern die des Todes und die Gattin des großen
Zerstörers, der den Lebewesen den Tod durch die Vernichtung ihrer Hüllen
brachte. Aus Furcht und Schrecken wurde jenem großen Vernichter Lebendiges
zum Opfer gebracht, das ihm als Nahrung dienen und seine Gewalt besänftigen
sollte; und hier entstand als grausiger Gegensatz zum Kult der Leben und
Nahrung spendenden All-Mutter der Kult der Kybele, des Moloch und ähnlicher
Götter. Diesem Götzen wurden junge Lebewesen als Speise zum Opfer
gebracht; im Götzenbilde wurden dieselbe durch das lodernde Feuer verzehrt.
Ähnlich wie die All-Mutter, die das von ihr hervorgebrachte und ernährte
Wesen später dem großen Zerstörer überließ, boten
die Mütter ihre Kinder den Moloch-Priestern, die im Dienste des Vernichters
standen, zum Opfer dar, damit dadurch das Leben und die Nahrung wiederum au
Fruchtbarkeit gewinnen und zunehmen könne. Mit diesen Kulten waren oft
noch die widerlichsten Orgien verbunden, das eine Mal im Dienste der Magna
Mater als des lebenzeugenden Elementes, das andre Mal im Dienste des Vernichters
als des lebenzerstörenden Elementes.
Zwar ist die Menschheit aus der Gewalt
jener dämonischen Kräfte erlöst worden, sodaß es ihr
nun frei steht, sich von jenen Naturmächten, deren Wirkung abgeschwächt
worden ist, fern zu halten. Doch hat die Menschheit das nicht immer getan,
und gerade während des Mittelalters, als die Läuterung der niederen
Natur ihre Aufgabe war, ist ein Rückfall zu bemerken, bei denen, die
jene Aufgabe versäumten und mit ihren niederen Seelenkräften zu
Wesen aus dem Reiche des Widersachers in nähere Verbindung traten.
In der heutigen Zeit tritt eine andre
Gefahr auf, da die menschliche Denkkraft aus dem materiellen Leben, in dem
der physische Körper als Instrument dient, zum elementalischen. Leben,
und zwar zunächst zum elementalischen Empfinden hinübergreift. Das
elementalische Leben kann nur dann richtig erfaßt werden, wenn der
Mensch sich zuerst selber mit dem inneren Bewußtsein central in jenes
Leben hineinstellt, um dann von jenem Centrum aus die Kraft des Denkens, Wollens
und Fühlens auf eine Weise zu entfalten, die dem elementalischen Leben
(das anders verläuft wie das materielle) angepaßt ist. Dazu ist
aber notwendig, daß sich der Mensch gewisser Strömungen und Centren
innerhalb seiner eigenen elementalischen Hülle bewußt wird, die
den Sinnesorganen des physischen Körpers entsprechen.
Wenn auch das Kind, sobald es auf Erden
geboren ist, die Sinnesorgane besitzt, und wenn auch die mechanische Tätigkeit
derselben stattfindet, so muß es doch erst allmählich lernen, die
aufgenommenen Sinneseindrücke zum inneren Bewußtsein in Beziehung
zu bringen, damit dieselben sich zu bewußten inneren Erlebnissen gestalten
können, wobei die Kräfte des Denkens, Wollens und Fühlens sich
beteiligen werden. Der Mensch, der nicht ähnlich vorgeht, wenn er in
das elementalische Leben eintritt, wird die dort aufgenommenen Eindrucke nicht
zu bewußten, inneren Erlebnissen gestalten. Die Kräfte des Denkens,
Wollens und Fühlens werden sich dann dabei nicht bewußt beteiligen,
und es wird der Mensch nicht die Verbindung herstellen können zwischen
dem inneren Bewußtseinscentrum und seiner Umgebung vermittelst jener
Kanäle, durch welche die fünf Strömungen des Elementenmeeres
dasselbe berühren sollten. In diesem Falle ist das Bewußtseinsleben
an die materielle Welt und den eigenen physischen Körper gefesselt geblieben.
Wenn dann die Denkkraft im Menschen die Grenze der physischen Welt durchbricht
und mit der im Elementalischen wirkenden Kraft des Fühlens in Verbindung
kommt, kehren die Gedanken, vom elementalischen Fühlen erfüllt,
zu dem Bewußtseinsleben im physischen Körper zurück. Jenes
Bewußtseinscentrum, das nur das Leben innerhalb der materiellen Welt
kennt, bezieht dasjenige, was durch die Kraft des Denkens, Wollens und Fühlens
übermittelt wird, nur auf jene Welt und ihre Gesetze. Das einströmende
elementalische Fühlen aber übt auf das materielle Leben eine auflösende
Wirkung aus und bringt zugleich ein Unbewußtes, Unbekanntes dort hinein.
Wenn sich die Denkkraft des Menschen
dann auf seine physische Umwelt richtet, so wird ihn diese Kraft befähigen,
Neues, Ungekanntes zu entdecken, und zwar in bezug auf jene Kräfte und
Gesetze, die in der Natur wirken und deren Ursache in dem jener Natur zugrunde
liegenden elementalischen Leben liegt. Das ist dann noch die positive Seite
für jene Menschen, die den psychischen Weg anstatt des spirituellen Weges
nahmen und deshalb auf eine so umständliche Weise, wie es die empirische
ist, vorgehen müssen, um Kenntnisse zu sammeln. Doch ist es wiederum
so, daß zwar neue Kräfte und Gesetze in bezug auf Wirkungen innerhalb
der materiellen Welt entdeckt werden, daß aber doch der Mensch mit
dem an den physischen Körper gefesselten Bewußtseinsleben nicht
in das innere Wesen. und in die Ursache des neuen eindringen kann. Denn den
Gesetzen des materiellen Lebens gemäß muß das Bewußtsein
auf die äußeren Erscheinungen stoßen, solange es sich nicht
als ein Centrum innerhalb der eigenen elementalischen Hülle erkannt und
erlebt hat.
Wendet nun der Mensch die Denkkraft nach
innen, so stößt er gleichfalls auf Unbekanntes und Unbewußtes,
das sich zwar in seiner Natur regt, doch das ihm zunächst unverständlich
bleiben muß. Auch hier wird das an den physischen Körper gefesselte
Bewußtseinsleben auf die Wirkung jenes Unbewußten stoßen
und nicht die Ursache und das Wesen desselben durchdringen können, solange
das Bewußtsein nicht in der elementalischen. Hülle aufgewacht ist.
Dieses Unbewußte aber gehört
dem elementalischen Leben im Menschen und deshalb seiner niederen oder Hüllennatur
an, jenem nach oben hin geschlossenen, jedoch nach unten hin geöffneten
Halbkreis der niederen Seelenkräfte. Der Mensch stößt deshalb
auf seine, an die kosmischen Hüllen gebundene, niedere Natur und erreicht
keineswegs die wahre, übernatürliche höhere Seelenkraft, wenn
er mit seiner Denkkraft jenes Unbewußte zu erforschen sucht. Das an
das Instrument des physischen Körpers gebundene Denken ist nicht einmal
dazu geeignet, das elementalische Leben zu verstehen, weil es nicht zum Wesen
desselben vordringt; auch hat jenes Denken zunächst einen zerlegenden,
analysierenden Charakter und setzt sich erst später durch Combinieren
aus der erhaltenen Vielheit etwas Einheitliches zusammen. Jenes zerspaltende
Denken gehört nur zur materiellen Welt und geschieht durch das physische
Gehirn.
Wenn sich die Denkkraft aber der elernentalischen
Hülle als Instrument bedient, so geht das Denken des Menschen ganz anders
vor; es prallt nicht am Äußeren der Dinge ab, sondern es durchdringt
die Formen und erreicht das innere, einheitliche Wesen derselben.
In der elementalischen Welt und in der
ihr entsprechenden Hülle des Menschen ist die Denkkraft nicht analysierend
und combinierend tätig, sondern einigend. Die Denkkraft wirkt da wie
das Aufleuchten eines bestimmten Lichtes, das Anschlagen eines gewissen Tones;
und diese rufen aus dem Innern gleichgestimmter Wesen das gleiche Licht, den
gleichen Ton hervor, wodurch die innere Einheit bestätigt wird. Mit
dein analysierenden, an den physischen Körper gebundenen Denken die
niedere Seelenkraft, als Hüllennatur im Menschen erforschen zu wollen
ist ebenso grotesk und töricht, wie den Versuch zu machen, mit der Kraft
der Wellen und Strömungen des Elementenmeeres ein physisches Mühlrad
in Bewegung zu setzen. Deshalb ist einer der schlimmsten Auswüchse der
heutigen Zeit die sogenannte Psycho-Analyse, weil hier mit der an das physische
Gehirn gebundenen Denkkraft das Leben der niederen Psyche zerstückelt
und analysiert und dann zu einer schauerlich, grotesken Gesamtheit combiniert
und zusammengeflickt oder zusammengesetzt wird. Die wahre Psyche kommt dabei
überhaupt nicht in Betracht, weil diese der genannten Denkkraft unerreichbar
bleibt, da letztere nur in dem unbewußten elementalischen Leben der
menschlichen Hüllennatur wühlt. Kein Wunder, daß diese analysierende
Denkkraft zunächst auf den untersten Schlamm des Elementenmeeres stößt
und die unsauberen Ergebnisse der Forschung ans Tageslicht bringt. Weil aber
die heutige Menschheit nicht versteht, mit welchen Mitteln hier gewirkt wird
und wo die Unrichtigkeit einer solchen sogenannten Wissenschaft (!) zu finden
ist, so können solche fatalen Irrtümer vorkommen, daß geglaubt
wird, man habe es hier mit einer positiven Heilmethode der Psyche zu tun.
Die wahre Psyche unterliegt keinen Krankheiten, und das, was hier unter dem
Namen Psyche analysiert wird, ist etwas, was sich auf die ungeläuterte
niedere Natur und die mit ihr verbundenen unbewußten Triebe und Instinkte
bezieht. Statt diese niedere Hüllennatur nun zu läutern und zu höherer
Seelenkraft umzugestalten, wobei die Denkkraft sich mit letzterer verbinden
wird, dringt die Denkkraft in die vom Bewußtseinscentrum nicht durchdrungenen
unreinen Kräfte ein, bringt dieselben aus der Tiefe in das Bewußtsein
herauf und macht sie schließlich zur Richtschnur für alles Denken,
Wollen und Fühlen, für alle Gedanken, Taten und Gefühle, die
der Mensch überhaupt auf Erden erlebt. Dergleichen Mißgriffe geschehen
entweder durch Mangel an einem bewußten Wissen und Erfassen des elementalischen
Lebens der Natur im Menschen, oder aber sie werden der Menschheit von seiten
jener Führer aufgebürdet, die den Untergang der Menschheit bewußt
bezwecken und als Verführer zugunsten des Widersachers1) wirken.
*) Eine esoterische Analyse der
sogenannten Psycho-Analyse zeigt, daß letztere eine quasi akademische
wissenschaftlich „psychologische" Anpassung von uralten, pseudo-esoterischen
Lehren, die auf sexueller Magie beruhen, wie z. B. Ophitismus, Basilidianismus
(Gnosticismus) und vorzugsweise Kabbalismus an die heutige intellektuallstische
Zeit ist. Die empirische, streng wissenschaftliche Bedeutung der sogen. Psychoanalyse
ist fraglich, weil das Objekt der Forschung über-empirisch und deshalb
für die empirische Methode unerreichbar ist.
Die große Gefahr, die in solchen
Dingen liegt, ist die, daß vor lauter Analysieren des elementalischen
Schlammes im unterbewußten Leben der niederen Natur im Menschen und
in seiner Umwelt die wahre, ewig reine Seelenkraft, das Übernatürliche
im Menschenwesen vergessen wird. Alles, was sich auf seinen himmlischen Ursprung,
seinen Fall, die Erlösung durch Christi Opfertod und Auferstehung, sowie
auf die Möglichkeit zur Rückkehr zum verlorenen Himmelreiche und
die Einswerdung mit Christus bezieht, kommt bei jenen Psycho-Analytikern keineswegs
in Betracht. Der Mensch ist einfach wie ein intelligentes Tier; unter der
Gewalt seiner Triebe und Instinkte (bewußt oder unbewußt) lebt
und handelt er; und diese niederen Naturkräfte sind die Triebfedern seines
ganzen Denkens, Wollens und Fühlens. Das innere Wesen der Natur wird
beim Einströmen des elementalischen Fühlens in die irdische Denkkraft
von letzterer als ein Unterbewußtes erlebt, in welchem, dunkel und
verborgen, jene Kräfte wirken, die mit der All-Mutter, als der Hervorbringerin
und Ernährerin alles Lebendigen, verbunden sind. Hier liegt die Gefahr
vor, daß dann der Mensch zu jenen alten Kulten zurückgreift, die
mit der Magna Mater einerseits und dem Shiva-Moloch und ähnlichen Göttern
andrerseits zu tun hatten und die grauenhaftesten Orgien und Bluttaten hervorbrachten.
Wenn sich ein Teil der christlichen Menschheit dazu verführen ließe,
die alten Kulte in moderner Weise zu wiederholen, so wäre der Unterschied,
daß einstmals unter der Gewalt dämonischer Mächte der Mensch
mit dumpfem Bewußtsein dem Schrecken jener Sünde unterlag, während
jetzt der Mensch, der mit seiner Denkkraft zu dem an den irdischen Körper
gefesselten Bewußtseinsleben zurückgreift, in ein inneres Centrum
gelangt, wo der Erlösungskeim verborgen liegt, durch Christi Opfertod
der Menschheit gegeben. Der Mensch von heute ist frei, denn die Übermacht
der Kräfte der Finsternis ist durch das Licht der Welt, Christus, gebrochen.
Wenn also in den Jahrhunderten nach Christus vorchristliche Greuel auftauchen,
so wird die Sünde gegen den Heiligen Geist und die Verleugnung Christi
im eigenen Innern freiwillig und bewußt begangen.
Es sind schon in der heutigen Zeit viele
Richtungen vorhanden, die den göttlichen Ursprung und die ewige Seele
des Menschen leugnen und letztere höchstens als ein bloß kosmisches
Produkt betrachten. Wenn es auch unbedingt notwendig ist, die an die kosmischen
Hüllen gebundene niedere Seelenkraft im Menschen zu kennen, sowie die
Natur des Kosmos und die drei Hüllen desselben (eben, damit keine gefährlichen
Irrtümer und keine Vermischung des höheren, überkosmischen
mit dem bloß kosmischen vorkommen), so ist und bleibt die ewige, reine
Seele des Menschen, der göttliche Geist und das Reich des Himmels das
Centrum, um das sich alles relativ Bestehende, alles was zur niederen Natur
und zum Kosmos gehört, bewegen soll.
Solange der Mensch sich nur innerhalb
der irdischen Hülle bewußt erleben kann, fühlt er sich selber
als ein Mikrokosmos und die ihm umringende Welt als den Makrokosmos, der aus
zahllosen Mikrokosmen zusammengesetzt erscheint. Letztere kann der Mensch
nur als physische, voneinander getrennte Formen erleben, zwischen denen zwar
Beziehungen bestehen, die aber in bezug auf das innere Leben verschieden sind.
Wird das menschliche Bewußtsein aber innerhalb der elementalischen Hülle
wach, so verstärken sich die Beziehungen zwischen Mikrokosmos und Makrokosmos,
denn das Leben des einzelnen wird von einem gemeinsamen Lebenselement durchdrungen
und umgeben. Die Forma Elementalis durchdringt und umschließt zugleich
alle Corpora Materialia des Kosmos, sodaß auch zwischen den verschiedenen
physischen Centren, als Gestirnen und Planeten, das einheitliche Lebenselement
waltet und flutet. Die elementalische Hülle des Menschen ist eng verbunden
mit der anderer Lebewesen und mit der elementalischen Erdenhülle, die
wiederum zur großen kosmischen Forma Elementalis gehört. Der Mensch,
der sich seiner elementalischen Hülle bewußt wird, kommt dadurch
tiefer in das Leben der Erde und des gesamten Kosmos hinein, sodaß
gesagt werden kann, das mikrokosmische Bewußtsein versetzt sich in
das des Makrokosmos hinein.
Durch seine ursprüngliche Ebenbildlichkeit
mit dem Logos kann vom Menschen gesagt werden, daß er seiner höheren
Seele und seinem Geiste nach der Mikrologos ist, daß er aber der Mikrokosmos
in bezug auf die niedere Seelenkraft und die Natur seiner kosmischen Hüllen
ist. Der Makrokosmos an sich ist nicht der Makrologos, weil dasjenige, was
Makrokosmos genannt wird, die drei Hüllen des Kosmos ausmacht. Das überkosmische
Sein, das Reich des Himmels und das Wesen Gottes ist mit der himmlischen Seele
und dem göttlichen Geiste zu vergleichen. Wenn der Mensch im inneren
Bewußtsein sieben den spirituellen Weg sucht und findet, so vereinigt
er sich mit dem Logo s und lebt sich in das Wesen Gottes ein durch die Einswerdung
mit Christus, der der Weg, die Wahrheit und das Leben selber ist. Dann aber
liegt der Makrokosmos zu seinen Füßen als das Gebiet des Kampfes
zwischen Gutem und Bösem; der Mensch überschaut und durchdringt
mit seinem Geiste das dualistische Wesen des Kosmos, und mit seiner von himmlischer
Weisheit erfüllten Seele erkennt er bis in die kleinsten Einzelheiten
die Gesetze, Kräfte und Strömungen, die das Leben des gesamten Kosmos
und das der unzähligen Wesen, die dort leben, bestimmen. Wenn von einem
bestimmten Lebewesen gesagt wird, daß es innerhalb des Kosmos lebt,
sei es in der Forma Sideralis, der Forma Elementalis oder an eine der vielen
Corpora Materialia gebunden, so heißt das, daß jenes Lebewesen
sein Bewußtseinsleben innerhalb des Kosmos und in eine der kosmischen
Hüllen verlegt und da gefestigt hat. So erlebt sich der Mensch bewußt
innerhalb der irdischen Hülle, da er sich mit seinem Bewußtsein
speziell auf das Corpus Materiale des Kosmos concentriert hat und dadurch
an dasselbe gefesselt worden ist. Die irdische Hülle, als physischer
Körper, könnte aber nicht bestehen, ohne daß die elementalische
und vorher schon eine siderische Hülle da wären.
Das menschliche Bewußtseinscentrum
hat sich aus dem überkosmischen Reiche in den Kosmos hineinversenkt und
sich deshalb an letzteren gefesselt. Als der gefallene Adam muß er,
der natürliche Mensch, das innere Bewußtsein aus der irdischen
Hülle in die elementalische und aus letzterer in die siderische Hülle
hinein verlegen, wobei er sich mit den entsprechenden Hüllen des Kosmos
vereinigt und so vom Mikrokosmos, zum Makrokosmos wird. Vom kleinen, kosmisch-irdischen,
natürlichen Menschen wird er dann zum universalen kosmischen Menschen,
zum Homo Universalis.
Das innere Bewußtseinscentrum des
Menschen ist aber wesentlich unabhängig von den kosmischen Hüllen
und kann deshalb, wenn es den verborgenen Keim in sich entfaltet, die innere
Einheit mit Christus unmittelbar erreichen. Dann aber wird im Bewußtsein
des Menschen der Mikrologos wach, der mit dem Logos eins wird, wodurch der
neue himmlische Adam im Menschen auferweckt ist Es hieße die Bedeutung
der materiellen Welt als Corpus Materiale und dichteste Hülle des Kosmos
wahrhaft stark überschätzen und für sich selber den Beweis
liefern, daß man völlig in jener Hülle, als im irdischen Leib,
versunken lebt, wenn ein Mensch die Erlösungstat Christi, des Gottessohnes,
nur auf die Erde und die irdischen Menschen beziehen und dabei den gesamten
Kosmos außer acht lassen würde. Eine derartig beschränkte
Auffassung würde die Allmacht und die universelle, allumfassende Gewalt
der Opfertat Christi nur in bezug auf den allerkleinsten Teil wiedergeben;
die eigene Wichtigkeit des irdischen Menschen würde dabei übermäßig
vergrößert und dem allumfassenden Opfer Christi dadurch Abbruch
getan werden, daß es nur in bezug auf die Erde und ihre Menschheit gesehen
würde.
Der kosmische Mensch, als Homo Universalis,
ist durch das Kommen Christi aus der Macht der im dualistischen Kosmos wirkenden
Kräfte der Finsternis ebenso erlöst worden, wie die irdische Menschheit
ans der Macht der Dämonen und Naturgewalten, denen sie seit dem Sündenfall
unterlag. Als der himmlische Mensch, als der dem Kosmos zugewandte Teil des
Urbildes (Imago Coclestis) sich vom Kosmos abhängig machte, weil das
Bewußtsein des himmlischen Menschen sich in den Kosmos hinein versenkte,
da war der kosmische Mensch entstanden. Als ein an den Kosmos gefesseltes
Wesen mit Menschenantlitz, doch mit tierischem Leibe ist es das Symbol des
Menschenwesens, das durch die kosmischen Gewalten eingefangen und gefesselt
wurde. Unter dem Bilde der Sphinx ist die Gestalt jenes makrokosmischen Menschen
auf Erden bewahrt geblieben aus jenen alten Zeiten, da die irdische Menschheit
mit den im Kosmos lebenden Wesen und Kräften noch eng verbunden war und
unter der Gewalt derselben stand.
Der makrokosmische Mensch ist, indem
die Erlösungskraft Christi in ihn einströmte, aus der Gewalt der
kosmischen Mächte befreit worden, insoweit es sein innerstes Wesen betrifft.
Diejenigen, die in Christi Geist auferweckt sind, werden auch den erweckten
Homo Universalis erblicken, der sich aufgerichtet und von den tierischen
Merkmalen befreit hat. Für diejenigen, die den psychischen Weg gegangen
und bis zum bewußten Erleben der Forma Elementalis und der Forma Sideralis
gekommen sind, wird der kosmische Mensch in der Gestalt der Sphinx erscheinen,
als Androgyn, mit dem Menschenantlitze, den Adlerflügeln, den Krallen
und dem Leibe, der die Eigenschaften des Stieres und die des Löwen in
sich vereint.
Die Sphinx ist das äußere
Bild des kosmischen Wesens, als der Hüllennatur desselben und wird als
Androgyn dargestellt, weil diejenigen kosmischen Kräfte, die im positiven
oder im negativen Sinne wirken, in den feineren Hüllen des Kosmos vereint
geblieben sind und nicht voneinander getrennt auftreten, so wie das an den
Körpern innerhalb der materiellen Welt der Fall ist. (Näheres darüber
siehe bei Intermediarius; Homo Coelestis.)
Der makrokosmische Mensch erlebt mit
dem Bewußtsein die drei kosmischen Hüllen, doch ist das Centrum
seines Bewußtseins innerhalb der kosmischen Forma Sideralis concentriert.
In letzterer wirken die Kräfte des Denkens, Wollens und Fühlens
einheitlich. Während sich die Kraft des Denkens dem über kosmischen
Reiche zuwendet, bleibt die Willenskraft central wirksam; die Kraft des Fühlens
richtet sich nach der dichteren kosmischen Hülle, der Forma Elementalis.
Auf ähnliche Weise erhebt sich die Denkkraft aus dem Willenscentrum,
das innerhalb der Forma Elementalis wirkt, zum siderischen Fühlen, während
sich die Kraft des Fühlens aus der Forma Elementalis zu der an das kosmische
Corpus Materiale gebundenen Denkkraft hinneigt. So hat eine jede der drei
kosmischen Hüllen eine obere Hälfte, in der die Denkkraft insbesondere
wirkt und eine untere Hälfte, wo die Kraft des Fühlens vorzugsweise
tätig ist. Der obere Teil jeder Hülle trägt einen positiven
Charakter, so wie die immer tätige, alles durchdringende Denkkraft, die
sich vom Willenscentrum aus mit der Erforschung und Überwindung seiner
Umwelt beschäftigt.
Diese obere Hälfte der kosmischen
Hüllen ist nicht nur auf das nächst Höhere hingewandt, sondern
die Denkkraft selber schätzt den Inhalt der Dinge mehr als die äußere
Form und sucht sich außerdem mit dem Lichte des alles erfüllenden
Weisheitsprinzipes zu durchdringen. Im Gegensatz zur oberen Hälfte und
der positiven Tätigkeit derselben, ist in der unteren Hälfte der
kosmischen Hüllen eine negative Wirkung bemerkbar. Die Kraft des Fühlens
steigt vom Willenscentrum aus hinab zur nächsten dichteren Hülle;
doch nicht mit einer tätigen Erforschung seiner Umwelt hält sich
das Fühlen auf, sondern es stellt sich negativ und empfänglich derselben
gegen über. Nicht zum Inhalt und Wesen der Dinge, sondern zu den äußeren
Formen und Gestalten derselben tritt diese Kraft zunächst in Beziehung,
und erst aus den äußeren Formen fühlt sie das innere Leben
heraus. Das
Fühlen erlebt an den äußeren Formen die Offenbarung des
inneren Lichtes, des Weisheitsprinzip es, als Schönheit und Harmonie.
Die Denkkraft ist mit der Weisheit, dem Innern der Wesen und Dinge und dem
positiven, oberen Teil der kosmischen Hüllen verbunden; die Kraft des
Fühlens hat Beziehung zur Schönheit, zur Form und Gestalt der Wesen
und Dinge und zum unteren Teil der kosmischen Hüllen im allgemeinen.
Die Kraft des Fühlens verhält sich aber auf eine positive Weise
gegenüber der Denkkraft aus der nächsten dichteren Hülle des
Kosmos, denn da vertritt die erstere das einheitliche Element, aus dem sich
die Vielheit der Lebensformen, die der dichteren Hülle angehören,
herausgestaltet. Als die erzeugende, erhaltende Kraft der All-Mutter wird
dann dieselbe betrachtet.
Die Kraft des Denkens und die des Fühlens
gehen von der Willenskraft aus und vereinigen sich wiederum in dem Willenscentrum
in einer jeden der drei kosmischen Hüllen. Doch bleibt die Einheit jener
drei Kräfte in der Forma Sideralis vollständig beibehalten, während
sich diese Einheit in der Forma Elementalis zu trennen beginnt, da diese kosmische
Hülle einen größeren Unterschied zwischen ihrer oberen und
ihrer unteren Hälfte aufweist. Im Corpus Materiale, als der materiellen
Welt des Corpus, ist die Abtrennung zwischen der Kraft des Denkens und der
des Fühlens so weit gekommen, daß eine jede dieser Kräfte
an sich wirksam ist, obwohl beide sich noch in dem Willens-centrum einigen
können. Als die Folge davon, daß die beiden Kräfte nicht mehr
einheitlich auf die materielle Welt und ihre Formen einwirken, entsteht auch
an den Lebensformen das Merkmal der Vorherrschaft einer der genannten Kräfte.
Die Denkkraft, die sich nur mittels der Willenskraft zur Kraft des Fühlens
in Beziehung setzen kann, gibt das Merkmal des positiven und männlichen
Typus; die Kraft des Fühlens, die wiederum nur mittelbar durch die des
Willens zur Denkkraft hinstrebt, zeigt sich im negativen, weiblichen Typus
an jenen Formen und Gestalten, die zur materiellen Welt gehören.
Die Ergänzung und der Ausgleich
beider einseitig wirkenden Kräfte ist im Centrum des Willens zu finden,
zu welchem beide Kräfte wiederkehren, um die verlorene Einheit zu finden.
Diese ursprüngliche Einheit kann aber nur durch das innere Bewußtseinscentrum
bewirkt werden, das imstande ist, dir, Willenskraft des natürlichen Menschen
zu bilden, zu veredeln und aus den niederen Naturtrieben herauszuheben. Diese
Willenskraft ist der Punkt, wo die Reinigung, Bildung und die Befreiung aus
der Hüllennatur den Anfang nimmt. Wo positive und negative Kräfte
sich innerhalb der Natur in den Willen einigen, da entsteht Neues in bezug
auf natürliche Dinge.
Wo die geläuterte, vom inneren Bewußtseinsleben
des Menschen durchleuchtete Willenskraft zum Centrum der Einigung des Denkens
und des Fühlens wird, da gehen jene Kräfte in das Licht ein, und
es entsteht die Regeneration des Natürlichen zum Übernatürlichen.
Dann erscheinen Denken, Wollen und Fühlen im Lichte des überkosmischen
Reiches, als die dreifache Seelenkraft des Lichtes, des Lebens und des Klanges.
Das Merkmal des Geschlechtes, das der
irdischen Menschheit so überaus wichtig vorkommt, daß ganze Kulte,
Lehren und die kompliziertesten Theorien darüber aufgestellt wurden (und
noch werden), hat nur Bedeutung für die materielle Welt und die irdischen
Körper. In dieser Welt lebt der Mensch mit seinem inneren Bewußtsein
während einiger Jahrzehnte — dann geht er in das Jenseits hinüber,
wo die Teilung der Geschlechter aufhört.
Wenn der Mensch sich innerhalb der elementalischen
Hülle bewußt erlebt, wird er die Ergänzung zwischen den positiven
und negativen Kräften im Willenscentrum bewirken müssen, bis er
das Bewußtseinsleben in die Forma Sideralis hineinverlegt hat, wo die
beiden Kräfte sich vollständig vereinigen.
Hat sich das menschliche Bewußtseinsleben
aus den kosmischen Hallen herausgehoben und ist es dadurch frei geworden,
im überkosmischen Reiche
sich zu erkennen, dann wird die höhere Seelenkraft ihm vorleuchten,
auf daß es sich in der Imago Coelestis, in dem himmlischen Urbilde des
Menschen, wiederfinde und als Mikrologos die Einigung mit dem Logos, Christus,
erleben werde.
Der Mensch ist auf Erden das einzige
Wesen, das die Kräfte des Denkens, des Wollens und des Fühlens
in seiner eigenen Hülle verinnerlicht und mit dem Centrum seines Bewußtseins
verbunden hat.
Das innere Denken hat sich von dem Bewußtsein
mehr durchdringen lassen, als das innere Fühlen, während sich die
Willenskraft teilweise in das bewußte, teilweise in das unbewußte
Seelenleben erstreckt. Die mit dem Denken ver-bundene Willenskraft ist bewußt
zu nennen, die mit dem Fühlen zusammen-wirkende Willenskraft aber nicht,
denn der Mensch denkt zwar bewußt, fühlt jedoch unbewußt.
Die an den physischen Körper gebundene Denkkraft erhebt sich vom Willenscentrum
aus bewußt aufwärts und kehrt dann zum Ausgangspunkt zurück,
wenn sie die Grenze, der materiellen Welt erreicht hat.
Die im physischen Körper wirkende
Kraft des Fühlens steigt; vom Willenscentrum ausgehend, herunter in das
eigene organische Leben der irdischen Form, in jenes Gebiet, das vom Bewußtseinscentrum
nicht durchleuchtet wird. Was dort an unbewußten Fühlen lebt und
sich regt, sind Naturinstinkte, die sich bloß auf die äußere
Hüllennatur beziehen, nicht auf das Leben selber.
Diese Kraft des unbewußten Fühlens
macht, daß der Mensch seine Empfindungen nicht in seiner Macht hat.
In vorchristlichen Zeiten bildete das
unbewußte Empfinden die Anknüpfung an die Naturgewalten und andere
Wesen, die auf jene dunklen Instinkte einwirken und die die mit letzteren
verbundene unbewußte Willenskraft ergriffen und knechteten. So fühlte
sich der Mensch damals im eigenen Wesen von fremden Gewalten angegriffen und
denselben hilflos ausgeliefert; das Wesen derselben konnte er weder mit seinem
Denken und seiner höheren Willenskraft erfassen, noch bewußt erleben.
Nur jene Menschen konnten sich aus dieser Sklaverei erheben, die, durch die
Katharsis zur Erleuchtung und zur Einswerdung mit dem Geiste der himmlischen
Weisheit gelangt, sich aus der Macht der kosmischen Natur befreit hatten,
die also ihrer dreifachen Hüllennatur nach gestorben und durch den Geist
erweckt waren, deshalb bewußt mit der höheren Seelenkraft verbunden
lebten.
Seitdem Christus, das Licht der Welt,
zur Erde gekommen war, und Sein Geist das Bewußtseinscentrum des Menschen
mit göttlicher Kraft erfüllte, ist jenes Bewußtseinscentrum
imstande, auch in die vorher unterbewußten Gefühle und Naturinstinkte
des Menschen einzudringen und den kosmischen Naturgewalten den Eintritt zu
wehren. Deshalb ist es insbesondere die Kraft des Fühlens, die, durch
Christus gereinigt und erlöst, nicht langer die Anknüpfung zu den
niederen Naturgewalten zu sein brauchte, sondern sich nun zur höheren
Willenskraft aufschwingen und, durch das Licht des Bewußt- seinscentrums
erleuchtet, zur seelischen Lichtkraft werden konnte.
Deshalb wurde es die Aufgabe der christlichen
Menschheit, zunächst die Kraft des Fühlens und die mit derselben
verbundene Willenskraft durch die Läuterung der niederen Natur des Menschen
umzugestalten, um dadurch die erste Stufe auf dem spirituellen Wege zur völligen
Regeneration menschlichen Wesens und seiner Einswerdung mit Christus zu erreichen.
Das Fühlen der vorchristlichen Menschheit war etwas anderes als es geworden
ist, nachdem Christus die Erde betreten hat. Wenn sich der heutige Mensch
mit seiner Denkkraft hinein versenkt in das, was in der ungereinigten niederen
Natur noch an unbewußtem Empfinden lebt, so stößt er auf
den Bodensatz und Schlamm, der sich seit dem Sündenfall des Menschen
innerhalb der niederen Seelennatur abgelagert hat. Erlösen kann er aber
nicht mit seiner Denkkraft, sondern bloß kritisch analysieren, während
er dadurch die ihrer Natur nach reine, aufwärts strebende Denkkraft nach
unten hin richtet und besudelt. Nur wenn die geistige Lichtkraft im innern
Bewußtsein des Menschen jenen Morast durchdringt, wird in dem unterbewußten
Gebiete der niederen Naturinstinkte die Kraft des Geistes reinigend wirken
und dort die trübe Finsternis verscheuchen. Das kann nur durch die Kraft
des gereinigten und mit Christus vereinigten Denkens geschehen, das sich
in seelische Lichtkraft verwandelt hat.
Der spirituelle Weg führt zum Absterben
des alten Adam im Menschen, der, in Christo gestorben und durch den Heiligen
Geist auferweckt, als der neue Adam die Eins-werdung mit Christus erlebt.
Der spirituelle Weg ist der welcher in den Evangelien gegeben wird, während
die Wiedergeburt im Geiste von Christus selber dem Nikodemus erklärt
und durch die Auferstehung des Lazarus vom Tode zur Tat gemacht wird. Dieser
Weg ist der ureigentlich christliche und führt den Menschen zum Nacherleben
dessen, was die Evangelien ihrem tiefsten Sinne nach, mit Worten angeben.
Durch die Einswerdung mit Christus wird
der Mensch als neuer Adam unmittelbar mit seinem himmlischen Urbilde vereinigt,
sodaß er über die Regionen des Kosmos hinaus in das Reich des Himmels
als ein geistig seiner selbst bewußt gewordenes Wesen eingereiht wird.
Der psychische Weg aber ist weder der
eigentlich christliche, noch überhaupt der menschliche Erlösungsweg,
sondern der Rückweg des gesamten kosmischen Lebens zu seinem Ausgangspunkte.
Der Kosmos hat einen Anfang und ein Ende, und den großen Lebensweg desselben
machen alle Lebewesen darin mit. Unter jenen Lebewesen werden auch die Menschen,
als zur kosmischen, gefallenen und natürlichen Menschheit gehörig,
auf jenem Wege mit geführt. Diese Menschheit wird auf natürlichem
Weg in den Homo Universalis zusammenfließen, innerhalb der Forma
Sideralis. Der psychische Weg verlangt vom Menschen keinen bewußten
Willensimpuls zum geistigen Leben, keine individuelle Wiedergeburt im Geiste,
kein Absterben des alten Adam und Entstehen des neuen Adam, denn der Mensch,
der sich von den in der Zeit und im Räume des Kosmos webenden Kräften
und Strömungen treiben und sein Denken, Wollen und Fühlen in jene
Strömungen untertauchen läßt, wird von selbst mit dem Lebenslauf
des gesamten Kosmos weitergeführt wie ein Naturwesen innerhalb der großen
Natur. Der Mensch ist aber seinem innersten Wesen nach nicht nur ein Naturwesen;
denn in seinem inneren Bewußtseinsleben liegt der ewige Keim verborgen,
der ihn zum Mikrologos macht. Wenn dieser Keim nicht aufblüht, wenn
nicht wie durch ein Wunder über alle Gesetze und Regionen des Kosmos
hinaus die Einswerdung mit Christus stattfindet, so bleibt dem Menschen doch
immer noch soviel Geisteskraft, daß er mit seinem Denken, Wollen und
Fühlen das rein organische Leben der kosmischen Natur allmählich
erkennen und bewußt beeinflussen kann. Der Mensch wird auch auf dem
psychischen Wege hinauswachsen müssen über das, was er als einzelner
Erdenmensch, gebunden an den physischen Körper, umgeben von der Welt
der festen Materie, darstellt. Was ihm auf diesem Wege als fernes Ziel zunächst
unbewußt, dann aber immer klarer und deutlicher vorschwebt, ist das
Hineinwachsen in eine größere mächtigere Einheit, in das
an den Kosmos gebundene, dann aber durch die Macht Christi, des Gottessohnes,
erlöste Menschenbild, das sich durch diese Erlösung mit dem himmlischen
Urbilde des Menschen wiederum verbinden konnte.
Die irdische Menschheit, als Gesamtheit,
befindet sich heute nicht auf dem spirituellen Wege, sondern auf dem psychischen;
sie wird deshalb als Gesamtheit Christus nicht unmittelbar zustreben und nicht
die innigste Einigung im Geiste mit dem Gottessohn erleben können, obwohl
diese Einswerdung von Einzelnen noch erlebt wird. Wenn diese Menschheit sich
aber bewußt wird, wonach sie strebt, wenn das Warum und das Wohin des
Strebens ihr klar wird, dann kann sie sich mit den erlösenden Lichtkräften
verbinden, die Christus innerhalb des großen Kosmos ausstrahlte, als
Er auch da erschien. Dann wird der psychische Weg nicht mehr ein Tasten und
Kriechen im Dunkeln innerhalb der kosmischen Hüllen sein, sondern ein
führendes Licht wird auf diesem mittelbaren Weg dennoch die Menschheit
zur Einigung mit dem erlösten makrokosmischen Menschen bringen, zum Menschenbilde,
dem der Weg zum über-kosmischen Reiche des Himmels eröffnet worden
ist.
So ist auch auf dem psychischen Wege
Christus wiederum Alles in Allem, und die Menschheit wird an der Erlösung
des makrokosmischen Menschenbildes Anteil nehmen können, wenn sie dem
mittelbaren Endziele im Lichte Christi bewußt zustrebt. Es kann deshalb
nicht oft und deutlich genug betont werden, daß das wahre Sein und
Leben des Menschenwesens in Christo beschlossen liegt, und daß die
Menschheit notwendigerweise untergehen muß, wenn sie einen geistigen
Selbstmord begeht dadurch, daß sie sich im innern Bewußtseinsleben,
im Denken, Wollen und Fühlen, von der Lebensquelle ihres geistigen Daseins
abwendet.
Der Glaube ist eine Kraft und Eigenschaft
des höheren Seelenlebens im Menschen, und wo die Menschheit sich in das
niedere Seelenleben vertieft hat und das Bewußtsein nur in der Hüllennatur
lebt, da wird die Glaubenskraft schwach werden und der Menschheit immer mehr
verloren gehen. Der psychische Weg führt nicht zum Glauben hin, da er
zwar in die feineren Hüllen des Kosmos hineinführt, doch nicht
unmittelbar mit dem Himmelreiche und der himmlischen Natur der Seele verbunden
ist.
Der wahre, lebendige Glaube an Christus,
als den Gottessohn, kann einer Menschheit, die nur mehr den psychischen Weg
anstatt des spirituellen gewählt hat, nicht erhalten bleiben. Zeitliche
und räumliche Verhältnisse werden das Verständnis für
die einzigartige und gewaltige Größe und Bedeutung des Opfers auf
Golgatha, am Anfang der heutigen Zeitrechnung, abschwächen, wenn nicht
das ewige allgegenwärtige und göttliche Wesen, „das Wort, das am
Anfang war", mit dem Opfertode und der Auferstehung des Gottmenschen Jesus
Christus mit dem Glauben und dem Seelenleben der Menschheit verbunden bleibt.
Auf dem psychischen Wege aber bleibt der Menschheit zunächst nichts
übrig als eine passive Bewunderung und eine Erinnerung an den vollkommenen
Menschen Jesus von Nazareth, der sich für das Heil der Menschheit opferte.
Sobald aber diese Menschheit auf ihrem psychischen Weg mit dem Bewußtsein
aus der irdischen Hülle und der materiellen Welt in das subtilere elementalische
Leben hineinkommt, verliert das, was mit dem bloßen Leben auf Erden
im physischen Körper verbunden ist, die Hauptbedeutung. Wenn dann die
Menschheit nicht mehr die starke Glaubenskraft des übernatürlichen,
höheren Seelenlebens besitzt, womit sie Christus als Gottessohn und
Gottmenschen erlebt und erkennt, wird auch die Bedeutung des Lebens Christi
auf Erden abnehmen, und nichts wird dann der seelisch verarmten Menschheit
an Geistesgut auf ihrer kosmischen Pilgerfahrt bleiben. Die Menschheit aber
soll Christus überall wieder finden, wo sie auch pilgert; in der feineren
kosmischen Hülle soll sie Ihn erleben als den Erlöser, den König
und Herrn des Himmels und des ganzen Universums. Die Erde soll der Ausgangspunkt
sein, von welchem aus Christus in stets mächtigerer, strahlender Gestalt
der Menschheit offenbar wird, und wenn das menschliche Bewußtsein sich
über den ganzen Kosmos endlich erstreckt haben wird, dann muß
dieser Kosmos mit seinen drei Hüllen durchleuchtet und erfüllt
erscheinen von dem göttlichen Geiste Christi und soll Sein Kleid sein,
wie es einstmals der Menschenleib auf Erden gewesen. Christus ist das Endziel
für jene, die den spirituellen Weg betreten, und Christus soll das Endziel
bilden für die, welche, dem großen Lebensstrome im Kosmos folgend,
den psychischen Weg gehen.
Die Menschheit kann nur eingehen in Christus
als in ihr eigenes, absolutes Urbild, sei es unmittelbar, spirituell oder
auch mittelbar durch den erlösten makrokosmischen Menschen, den Homo
Universalis. Es handelt sich hier um das Sein oder das Nichtsein, um das ewige
Leben oder den Untergang des Menschenwesen als Gesamtheit. Deshalb ist nur
Eins das wahre Notwendige für eine Menschheit, die auf dem psychischen
Weg fortschreitet und sich auf dem Wendepunkte befindet, wo die materielle
Welt ihre Bedeutung als einzige körperliche Lebensbedingung zu verlieren
beginnt, und die Erkenntnis eines subtileren Lebens innerhalb einer feineren
Hülle des Kosmos durchbrechen wird.
Dieses allernotwendigste ist: das Wissen,
daß die Erlösungstat Christi einmal geschah, als Er in mikrokosmischer
Gestalt, in menschlichem Erdenleibe, die Erlösung der Erde und der irdischen
Menschheit bewirkte, daß Christus aber auch in makrokosmischer Gestalt
die Erlösung des makrokosmischen Menschen und des gesamten Kosmos vollbracht
hat, sodaß die drei kosmischen Hüllen und alles, was innerhalb
derselben lebt, mit Seinem Geiste durchdrungen ist. Nicht nur in bezug auf
die Erde und ihre Menschheit gelten Christi Worte: „Ich bin bei euch bis ans
Ende der Erdentage", sondern für den ganzen Kosmos. Die Opfertat Christi
auf der Erde, die einen kleinsten Teil des kosmischen Corpus Materiale ausmacht,
hat für diese gesamte dichteste kosmische Hülle ihre Bedeutung.
Die Forma Elementalis und die Forma Sideralis, als die feineren einheitlicheren
kosmischen Hüllen, wurden aber mit dem göttlichen Geiste Christi
schon erfüllt, als Er aus dem Himmelreiche herunterstieg und sich in
die Regionen des Kosmos begab, um dort, mit den feineren Hüllen desselben
umkleidet, das Erlösungsopfer zu bringen. Beim Heruntersteigen aus dem
Himmelreiche und bei der Himmelfahrt von der Erden aus durchdrang Christus
die kosmischen Regionen und erfüllte dieselben mit Seinem lebendigen,
göttlichen Geiste, mit Seinem Licht und Leben.
Wenn das innere Bewußtsein des
Menschen in der elementalischen Hülle erwacht, muß es fähig
sein, das Licht Christi dort zu erleben. Da nun die Denkkraft zunächst
mit der im Elementenmeer wirkenden Kraft des Fühlens in Berührung
kommt, so muß schon in dem, an den physischen Körper des Menschen
gebundenen Bewußtsein die Erkenntnis von der Anwesenheit Christi und
vom makrokosmischen Erlösungsopfer vorhanden sein. Die Menschheit soll
erfahren und begreifen, daß nicht nur die Erde allein, die sie als
winzigsten Teil des Kosmos kennt, dem Gottessöhne als der Erlösung
würdig erschien, sondern daß die volle Grüße und Bedeutung
des Opfers Christi so unendlich viel umfassender, gewaltiger und mächtiger
ist, als zum Beispiel der gesamte physische Kosmos mit seinen unzähligen
Sonnensystemen groß umfassend und mächtig ist im Vergleich mit
dem winzigen, düsteren Erdenplaneten.
Zusammengefaßt: Wenn der Mensch
jenen Geisteskeim, der in der Verborgenheit seines innersten Bewußtseins
ruht, nicht unmittelbar erweckt, und wenn, er nicht durch die Einswerdung
mit Christus auf dem spirituellen Wege bewußt zum Reiche des Himmels
emporsteigen kann, so muß er auf dem psychischen Wege den Kosmos durchwandern
und dort bewußt erleben, daß der gesamte Kosmos mit dem göttlichen
Geist Christi durchdrungen ist, daß aber alles, was sich diesem Geiste
widersetzt und dennoch im Kosmos besteht, in Wahrheit schon dem Untergange
und dem Tode angehört.
Nicht allein den zur rechten Hand Gottes
thronenden Gottessohn,
Christus, nach der Himmelfahrt, und den auf Erden lebenden Gottesmenschen
Jesus Christus soll der Mensch kennen und erleben, sondern Christus auch als
Erlöser, Herrn und König des Universums, Herrn über Leben und
Tod, über alles, was in der gesamten Schöpfung besteht
Der kosmische Strom führt die Menschheit
dem elementalischen Leben
zu, deshalb kann dasjenige, was vorher gewesen, nicht mehr genügend
sein. In neue Lebensbedingungen und Lebenskräfte wird das menschliche
Bewußtsein sieben sich versetzt sehen, und auch in dem äußeren,
materiellen Leben werden neue Kräfte, Strömungen und kosmische Gesetze
erkannt werden. Die Menschheit soll aber wissen, daß es keine bisher
ungekannten Kräfte und Gesetze gibt, die nicht m Beziehung stehen zu
Christus, die nicht ein Mittel zur Offenbarung Seines Wesens sein können.
Wissen soll die
Menschheit aber auch, daß der Widersacher trotzdem auch im Kosmos
noch wirkt wie auf Erden, und daß deshalb auch der Kosmos seinen dualistischen
Charakter beibehält. Innerlich aber liegt im Leben des Kosmos jener geistige
Keim verborgen, den die Erlösung durch Christus gebracht hat und der
aufblühen wird für diejenigen, die Christus suchen, nicht nur auf
Erden, sondern auch im Makrokosmos.
«««««««
v.
Der geistige Mensch.
Das innere Bewußtseinscentrum kann
als die Projektion der geistigen Individualität des Menschen betrachtet
werden. Ursprünglich übte jenes Centrum seine Tätigkeit zwischen
dem Reiche des Himmels und der höchsten Region des Kosmos aus, indem
es himmlische Kräfte in sich centralisierte, um letztere dann in den
Kosmos hineinzustrahlen. Doch hatte sich das innere Bewußtsein dazu
verführen lassen, sich auf den Kosmos so stark zu concentrieren, daß
es das Band mit seinem himmlischen und geistigen Urbilde lockerte. Durch die
Kraft des Kosmos zuerst betäubt und dann überwältigt, sank
das Bewußtseinscentrum immer tiefer in die kosmischen Regionen herab,
umhüllte sich mit immer dichteren Hüllen, bis es sich an das kosmische
Corpus Materiale gekettet sah.
Gleichwie im Buche Enoch beschrieben
ist, wie himmlische Geister sich mit den Erdentöchtern verbanden, weil
letztere ihnen schön vorkamen, so ließ das innere Bewußtseinscentrum,
das aus dem Himmelreiche stammte, sich mit dem Wesen des Makrokosmos ein,
das einen trügerischen Schein von Weisheit und Schönheit hervorzaubern
konnte, weil der große Verführer, der gestürzte Lucifer, auf
jenes Gebiet einwirkte und sein falsches Licht dort einstrahlen ließ.
Das innere Bewußtseinscentrum war
einstmals der Anknüpfungspunkt zwischen Himmel und Makrokosmos; heute
kann es die Verbindung bewirken zwischen dem überkosmischen Mikrologos
und dem Mikrokosmos, weil Christus das vom Geiste abgerissene, durch kosmische
Kräfte überwältigte und betäubte Bewußtsein wiederum
dem göttlichen Geiste teilhaft gemacht,
und dadurch erneuert hat. Es steht dem Bewußtseinscentrum einerseits
das geistige Leben im Himmelreiche in Einheit mit Christus als Möglichkeit
bevor, andrerseits ist die Natur des Kosmos und der drei menschlichen Hüllen
mit dem Bewußtseinscentrum verbunden. Wenn sich das innere Bewußtsein
hauptsächlich auf den Keim des Mikrologos im Menschen concentriert, dann
wird der spirituelle Weg gefunden und wird das innere Bewusstseinsleben im
göttlichen Geiste auferweckt. Bleibt das Bewußtseinscentrum auf
die Hüllennatur concentriert, dann lebt dasselbe vorzugsweise in der
materiellen Welt. Es wird dann zwar von der Strömung des allgemeinen
kosmischen Lebens mitgeführt und aus der dichtesten Hülle in eine
feinere verlegt werden, doch wird es über den Kosmos und die dreifachen
Hüllen nicht hinauskommen können, es sei denn, daß es sich
des Geisteskeimes in sich bewußt wird und dann imstande ist, im Kosmos
und auch in der eigenen niederen Natur die Erlösungskraft Christi zu
erleben.
Die Mehrzahl der heutigen Menschheit
begeht den Fehler, die physisch-materielle Welt als die einzige Wirklichkeit
zu betrachten, und als Folge davon richtet sie das Denken, Wollen und Fühlen
ausschließlich auf diese Welt. Dadurch ist auch eine Überschätzung
aller, auf diese Welt Bezug habenden Erkenntnisse entstanden, wie auch aller
physischen Taten und aller Empfindungen, die mit dem physischen Körper
verbunden sind und durch die Sinnesorgane vermittelt werden. Zur Zeit der
sogenannten „Renaissance", als die christliche Menschheit sich wiederum zu
den alten, kosmischen Naturgöttern wandte, geriet sie zwar nicht wieder
völlig unter dasselbe Sklavenjoch, das einstmals in vorchristlichen Zeiten
bestanden hatte, doch wurde durch jene Verbindung mit den Naturkräften
im Kosmos das menschliche Bewußtsein durch die eigene niedere Natur
stark beeinflußt und deshalb sehr gehemmt in bezug auf die Möglichkeit
des Aufwärtsstrebens zum übernatürlichen, überkosmischen
Geistesleben. Auf der anderen Seite aber wurden jene Naturkräfte durch
diese Verbindung mit der Menschheit von der Macht des menschlichen Denkens,
Wollens und Fühlens umsomehr ergriffen, als das innere Bewußtseinsleben
durch den göttlichen Geist Christi gestärkt war und als mächtigeres
Centrum auf seine Umwelt einwirken konnte. Jene Naturkräfte hatten, insoweit
dieselben nicht mit Christi Licht durchsetzt waren, die Neigung zum Herabsinken
aus der feineren Hülle des Kosmos in die nächste dichtere Hülle,
um dann später, dem kosmischen Kreislaufe folgend, aus der dichtesten
Hülle wiederum hinaufzusteigen, bis der Höhepunkt erreicht wurde
und das Herabsteigen wieder anfing.
In der heutigen Menschheit, als Gesamtheit,
ist der verzweifelte Kampf um die materielle Welt zu sehen, und das menschliche
Bewußtsein klammert sich krampfhaft fest an das Leben auf Erden innerhalb
der irdischen Hülle, wie ein Sterbender tut, der das Leben noch liebt
und keinen Glauben an das Leben hat, das nach dem Tode des physischen Körpers
kommt. Doch unerbittlich, wie der Todesengel seinen Auftrag erfüllt,
führt der mächtige Lebensstrom des Kosmos das innere Bewußtsein
des Menschen aus der physischen in die elementalische Hülle hinüber,
wo er das neue Arbeitsfeld finden muß und einem intensiveren, umfassenderen
Dasein entgegengeht. Wie der Befreier aus dem irdischen Kerker wird der Tod
für diejenigen erscheinen, die sich mit dem Wesen desselben vertraut
machten und durch die Hoffnung und den Glauben zur Erkenntnis kamen, daß
ein höheres Leben da anfängt, wo die fleischliche Hülle abgestreift
werden darf.
Wenn die Menschheit verstehen wird, daß
eine weitere Entfaltung ihrer Kräfte möglich ist, wenn sie sich
mit dem inneren Bewußtsein innerhalb der elementalischen Hülle
erlebt und die Forma Elementalis ihre Umwelt darstellt, so wird sie freiwillig
dem Strome des Kosmos folgen und von dem Denken, Wollen und Empfinden innerhalb
der materiellen physischen Welt zur Anwendung jener Kräfte innerhalb
der elementalischen Welt übergehen. Einmal schwebten noch die kosmischen
Göttergestalten Griechenlands schattenhaft über die Erde, als die
„Renaissance"-Kultur blühte; dann aber erlosch dieser Abglanz einer früheren
Größe, und die Dämmerung trat ein. Diese kosmischen Göttergestalten
konnten der Erde damals noch Kräfte aus den Planetensphären schenken,
wenn auch nur im Abglanze. Es kam dann die Zeit, wo die Erdenmenschheit auf
die Kräfte des eigenen Planeten angewiesen war, insoweit sie sich nicht
unmittelbar dem geistigen, alles durch dringenden Liebte Christi hinzugeben
vermochte. Die Stoffe und Kräfte der Erde wurden das Gebiet, worauf sich
das menschliche Denken, Wollen und Fühlen concentrierte und es entstanden
engere Beziehungen zwischen der Materie, der Erde selbst und dem Mensch enge
schlechte überhaupt. Die irdischen Metalle wurden mit Hilfe der irdischen
Elemente, des Feuers, der Luft und des Wassers, in jene Formen gegossen,
die das menschliche Denken sich gestaltet hatte. Diese Formen aber waren
weniger dazu geeignet, jenen Kräften zu dienen, die, als Abglanz des
kosmischen Lichtes der Planeten-Sphären, die menschliche Kultur in Kunst
und Wissenschaft zur Zeit der „Renaissance" noch erfüllt hatten. Nur
irdischen wecken sollten jene Formen dienen und nur den sinnlichen Bedürfnissen
und Lebensbedingungen des irdischen Menschen angepaßt sein. Die Erde
selber wurde allmählich zur Werkstätte, wo sich die Menschheit mit
dem Bau von Maschinen,
oder auch zum Laboratorium, wo mau sich mit der Entdeckung neuer physikalischer
und chemischer Produkte beschäftigte.
Der Mensch sowie die Menschheit kann
aber nur solange wahrhaft und im besten Sinne menschlich bleiben, als das
innere Gleichgewicht nicht verloren geht. Es kann der Mensch, wenn er im
inneren Bewußtsein dem höheren Seelenleben und dem Geiste zustrebt,
zum Mikrologos werden. Wenn das Bewußtsein sich ausschließlich
der niederen Hüllennatur zuwendet und seinen göttlichen Ursprung
verleugnet, so wird das innere Gleichgewicht zerstört. Dann kann der
Mensch nicht mehr das Bindeglied sein zwischen Kosmos und Himmelreich, nicht
mehr der Mikrokosmos, der mit dem höheren Seelenleben dem überkosmischen
zugewandt bleibt; dem Menschen droht dann innerlich das gleiche Schicksal,
was einstmals Dionysos am Körper erlitt, da ihn die kosmischen Gewalten,
die Titanen, zerstückelten. Das einheitliche, innere Bewußtseinsleben
des Menschen kann zerrissen und zerstückelt werden, wenn es sich selbst
verleugnet und dadurch in die Gewalt der zerstörenden Kräfte des
Kosmos gerät. Diese Gefahr ist immer da, wo sich das innere Bewußtsein
ausschließlich der niederen Natur zuwendet, wie es die Mehrzahl der
Erdenmenschheit schon seit Jahrhunderten getan hat. Wie weit sich das zerstörende
Prinzip schon in dem inneren Bewußtseinsleben des Menschen eingebürgert
hat, und wie weit die Zerstückelung schon fortgerissen ist, das trägt
für einen jeden, der nicht völlig blind ist oder sein will, der
Zustand der heutigen Menschheit zur Schau, sowohl was ihr inneres wie ihr
äußeres Befinden betrifft.
Der Mensch sowie die Menschheit kann
aber nur solange wahrhaft und im besten Sinne menschlich bleiben, als das
innere Gleichgewicht nicht verloren geht. Es kann der Mensch, wenn er im
inneren Bewußtsein dem höheren Seelenleben und dem Geiste zustrebt,
zum Mikrologos werden. Wenn das Bewußtsein sich ausschließlich
der niederen Hüllennatur zuwendet und seinen göttlichen Ursprung
verleugnet, so wird das innere Gleichgewicht zerstört. Dann kann der
Mensch nicht mehr das Bindeglied sein zwischen Kosmos und Himmelreich, nicht
mehr der Mikrokosmos, der mit dem höheren Seelenleben dem überkosmischen
zugewandt bleibt; dem Menschen droht dann innerlich das gleiche Schicksal,
was einstmals Dionysos am Körper erlitt, da ihn die kosmischen Gewalten,
die Titanen, zerstückelten. Das einheitliche, innere Bewußtseinsleben
des Menschen kann zerrissen und zerstückelt werden, wenn es sich selbst
verleugnet und dadurch in die Gewalt der zerstörenden Kräfte des
Kosmos gerät. Diese Gefahr ist immer da, wo sich das innere Bewußtsein
ausschließlich der niederen Natur zuwendet, wie es die Mehrzahl der
Erdenmenschheit schon seit Jahrhunderten getan hat. Wie weit sich das zerstörende
Prinzip schon in dem inneren Bewußtseinsleben des Menschen eingebürgert
hat, und wie weit die Zerstückelung schon fortgerissen ist, das trägt
für einen jeden, der nicht völlig blind ist oder sein will, der
Zustand der heutigen Menschheit zur Schau, sowohl was ihr inneres wie ihr
äußeres Befinden betrifft.
Es ist ein großes Sterben über
die Erde gekommen, und das nicht nur in bezug auf die leiblichen Hüllen
der Menschen. Alles, was die Menschheit einmal zur geistigen Tätigkeit
führte, siecht dahin; kein Neues bietet sich im Kulturleben, kein Genius
strahlt sein Licht in die Öde Leere aus. Erschöpft und ausgelöscht
ist alles, was an innerem Seelenleben einstmals im Menschen lebte, und tief,
tief unter dem irdischen Schutt und Schlamm begraben blieb der Geisteskeim
im inneren Bewußtsein, wo derselbe sich nicht entfaltet hat. An jenes
tote, blasse Erdendasein in der irdischen Körperfülle klammert sich
dennoch das menschliche Denken, Wollen und Fühlen mit aller Macht fest,
denn es will dieses Leben auskosten und genießen, solange es noch möglich
ist.
Dessen, was angefangen hat, als Neues
in das materielle Leben einzuströmen, will sich der Mensch nur insoweit
bewußt werden, als es ihm neue Möglichkeiten zum intensiveren Genuß
des irdischen Lebens bieten kann. Daß sich die Menschheit am Wendepunkte
befindet, wo sie im Begriffe ist, eine wichtige Schwelle zu überschreiten,
daß sie mit Würde und Ernst die Bedeutung jener Erweiterung und
Verstärkung für das bewußte Innenleben als eine größere
Verantwortlichkeit und eine neue Aufgabe aufzufassen hat — das alles interessiert
die wenigsten, nur jene, die noch nicht aufgehört haben, in der düsteren
Stunde der Mitternacht an die geistige Sonne, Christus, zu glauben und das
Morgenrot eines neuen Tages zu erwarten. Die Mehrzahl aber tanzt und spielt
die Nacht hindurch, bis die völlige Erschöpfung und der Schlaf
sie gerade dann überfallen, wenn der neue Tag anbricht.
Die, welche die materielle Welt bis aufs
letzte in der Weise auszukosten versuchen, bleiben mit dem geschwächten
Bewußtseinsleben an dieselbe gebunden. Immer öder und grauer wird
sich diese Welt für sie ausnehmen, wie die leere Schale einer genossenen
Frucht. Das elementalische Leben, das sich über die materielle Welt ergießt
und dieselbe durchsetzt, wird das nicht erwachte Bewußtsein überraschen;
und das Denken, Wollen und Fühlen wird vom inneren Bewußtseinscentrum
im Menschen nicht erleuchtet sein, wenn es mit diesem elementalischen Leben
in nähere Berührung kommt. Letzteres wird sich dann in das dämmerhafte,
unterbewußte Seelenleben ergießen, wo es auf die unbewußte
Triebe und Instinkte der niederen Natur stößt und speziell mit
der Empfindungskraft, die an den physischen Körper gebunden ist, in
Berührung kommt. Die hereinströmende elementalische Kraft des Fühlens
wird das ungeläuterte Triebleben und die niederen Naturinstinkte mit
neuer Energie beleben und intensiver gestalten. Dieselben nehmen dann einen
abnormen Charakter an, weil sich die materielle Welt und der physische Körper
nicht dazu eignen, neben den in denselben wirkenden Naturtrieben und Instinkten
noch andere aufzunehmen und auszuleben, die zu dem elementalischen Empfindungsleben
gehören und sich deshalb einem innerhalb der elementalischen Hülle
erwachten Bewußtsein unterordnen sollten.
Wenn diese unterbewußten Naturtriebe,
auf jene anormale Weise verstärkt, im Menschen auftreten, so geschieht
das, weil das innere Bewußtseinscentrum, durch eine absolute Concentration
auf die materielle Welt und in den eigenen physischen Körper in bezug
auf das höhere Leben im Geiste abgeschwächt ist. Das innere Bewußtsein
nimmt zwar keinen unmittelbaren Anteil an dem anormal gewordenen Triebleben,
weil letzteres im unterbewußten Seelenleben verläuft; doch dieses
Leben wird durch seine Intensität und durch die Kraft des elementalischen
Fühlens das menschliche Bewußtsein stärker an die Hüllennatur
fesseln und es schließlich so betäuben, daß eine Wiederholung
jenes Zustandes auftritt, der war, als sich der Mensch noch unter der Herrschaft
der kosmischen Naturgewalten in vorchristlichen Zeiten befand. Wo das der
Fall ist, wird auch die Wiederholung jener Kulte folgen, die in vorchristlichen
Zeiten bestanden. Wenn die Kraft des elementalischen Naturlebens das geistig-geschwächte
Bewußtsein des Menschen erfaßt, wird dasselbe wiederum zur Anbetung
der Magna Mater, der produktiven und der destruktiven Kraft in der Allnatur
des elementalischen Lebens, kommen. Diese letzteren Kräfte werden dann
auch nicht säumen, das bittere Ende her beizuführen, nicht nur für
die menschlichen Hüllen, sondern auch für das an dieselben gekettete
Bewußtseinscentrum; letzteres wird zerstückelt werden und der
Mensch wird damit zu dem Dasein eines ausschließlichen Naturwesens verurteilt
sein, weil er sich dann nur seiner niederen Hüllennatur dämmerhaft
bewußt bleiben wird.
Jene, die an das Kommen der Morgenröte
eines neues Tages glauben, auch während der bittersten Stunden der dunklen
Nacht, werden die neue Lebenswelle bemerken, die sich anschickt, sich über
die materielle Welt zu ergießen. Im wachen Bewußtsein werden sie
derselben begegnen und mit ihr in Verbindung treten. Es wird für jene
Menschen auf Erden eine befreiende und belebende Empfindung sein, so etwa
wie das Kommen des Frühlings mit seiner leuchtenden, klingenden und
erwärmenden Lebenskraft, nachdem die Welt lange erstarrt, düster
und todähnlich während eines langen, strengen Winters erschien.
Die materielle Welt wird bleiben, wie sie war, so wie es auch derselbe Boden
ist, der aus seinem erfrorenen Zustande auftaut und sich dann mit dem Grün
der Frühlingspracht bedeckt. In neuer Gestalt wird die materielle Welt
erscheinen, die harten Schranken und die undurchsichtigen Formen werden ihre
Finsternis und Schwere verlieren, und wie erweitert, durchsichtig helle, von
einem intensiveren Leben erfüllt, wird die Natur dem Menschen vorkommen,
wenn er mit klarem Bewußtsein das neue Leben erfassen kann. Ein neuer
Lebensstrom wird sich über alles ergießen, es durchdringen und
umgeben, und das fließende Leben des Elementenmeeres wird, als einheitliches
Element, eine neue Verbindungskraft zwischen den verschiedenen voneinander
getrennten Formen der materiellen Welt herstellen.
Die materielle, physische Welt ist die
des Widerstandes, und zwar des extremsten Widerstandes, welchen die niedere,
an den Kosmos gefesselte Seelenkraft als Hüllen n a tu r dem übe
r kosmische n geistigen Prinzip entgegenzustellen vermag. Die Kraft des Widerstandes
hat sich dorthin ergossen und ist zur festen, dunklen Materie erstarrt. Die
materiellen Formen sind wie eingefroren zu Gebilden, denen das innere Leben
zerronnen ist, sodaß es im eisigen und finsteren Kerker, hart bedrängt
und scharf begrenzt, ein kümmerliches Dasein fristet. Das niedere Seelenleben
aber erstreckt sich über die drei kosmischen Hüllen, deshalb ist
stets im unterbewußten Leben des Menschen der Drang vorhanden, sich
in der Umwelt auszubreiten, sich mit den kosmischen Lebenskräften in
Verbindung zu fühlen. Solange aber das innere Bewußtsein des Menschen
sich auf die materielle Welt allein concentriert, kann das niedere Seelenleben
nicht bewußt zu den feineren kosmischen Hüllen in Beziehung treten,
sondern es bleibt in der eigenen physischen Hülle und an die materielle
Welt gebunden. Das bildet gerade einen Schutz für das niedere Seelenleben,
weil es sich, ohne diesen, wenn es nicht vom inneren Bewußtsein durchdrungen
ist, wie ein trübes Wasser, wie eine Peripherie ohne Centrum, in das
mächtige Leben des Kosmos ausgießen würde und dort an stärkeren
Kräften zerschellen müßte.
Das menschliche Bewußtsein ist
bis auf den Tiefpunkt des Kosmos in die materielle Welt her abgesunken
und soll wiederum aufsteigen in die höheren Regionen desselben, indem
es der großen aufwärtsgehenden Strömung im Kosmos folgt.
Bevor die Wellen des kosmischen Lebens
aber ihren Schaum bis in die Welt des größten Widerstandes hineinwerfen
können, ist schon innerhalb der höheren kosmischen Regionen die
Lebensströmung stark und mächtig in Bewegung. Erst später und
in abgeschwächter Weise wird die Nachwirkung kosmischer Ereignisse auch
in der materiellen Welt bemerkbar. Wenn die Menschheit sich heute vor die
Schwelle neuer Lebensmöglichkeiten gestellt sieht, so hat sich das Einströmen
der neuen, elementalischen Kräfte schon lange vorbereitet. Auch wirkten
jene Kräfte auf die Erde und ihre Menschheit ein, ehe der Zeitpunkt
anbricht, wo das menschliche Bewußtsein selbst sich mit denselben in
Verbindung setzen soll.
Während des Herabsteigens innerhalb
der kosmischen Regionen hat Christus dieselben mit Seinem göttlichen
Geiste durchdrungen und die Wirkungen feindlicher Naturgewalten abgeschwächt.
Dadurch war schon vor dem Kommen Christi auf Erden die Macht der niederen
Naturkräfte, auch innerhalb der menschlichen Hüllen, allmählich
geringer geworden; als Christus dann selber die Natur des Erdenmenschen annahm,
war die Gewalt jener kosmischen Naturgewalten gebrochen und der Mensch aus
diesem Sklaventum befreit.
Die Menschheit erhielt statt der gefürchteten
Tyrannen, die eine Schreckensherrschaft über sie ausübten, den guten
Hirten, der sein Leben gibt für das eines jeden einzelnen seiner Schafe.
Es mußte dann auch der große
Pan, der halbmenschliche, halbtierische Naturgott, auf Erden sterben, damit
der Menschensohn auf Erden sein Reich stiftete.
Von dem Momente an, da der alte Naturgott
starb und die kosmischen Naturgewalten ihre völlige Herrschaft über
die menschliche Natur verloren hatten, begann die Vorbereitung einer neuen
Beziehung der Erdenmenschheit zu den feineren Naturkräften, die nicht
die unbewußten Instinkte der menschlichen Hüllennatur erfassen
und sich derselben bemächtigen würden, sondern die, gleichwie von
außen her, aus höheren Regionen des Kosmos, dem menschlichen Bewußtseinscentrum
begegneten, um so den Weg in das Innere des Menschen zu finden.
Christus selber war es, der mit Seinem
Kommen auf Erden auch dasjenige vorbereitet hat, was heute für das menschliche
Bewußtsein als neues Arbeitsfeld, als ein auslösendes, befreiendes
und einigendes Element den Aufstieg innerhalb der kosmischen Regionen herbeiführen
kann. Das ist die zweite Möglichkeit, die Christus der Menschheit gab,
als einen mittelbaren Weg, worauf der Mensch dem großen kosmischen Strome
mit vollem Bewußtsein folgt und sich dann aus dem Kosmos zum überkosmischen
Leben erheben kann. Wenn sich das innere Bewußtsein innerhalb der feineren
kosmischen Hüllen erlebt, so wird es, wenn der Höhepunkt des Aufstieges
erreicht ist und sich der kosmische Lebensstrom wiederum abwärts neigt,
durch die dem Bewußtsein innewohnende Geisteskraft nicht länger
gezwungen sein, den Niedergang mitzumachen, es sei denn, daß es sich
nicht von der Hüllennatur befreit hatte. Der Mensch, der den unmittelbaren,
spirituellen Weg zu Christus nicht gehen will oder nicht zu gehen vermag,
kann auf dem mittelbaren psychischen Wege zu Christus kommen, wenn er jenem
Weg zu diesem bewußten Zwecke folgt. Die unaussprechliche Glückseligkeit
und die verborgenen Geheimnisse des spirituellen Weges der Läuterung,
der Erleuchtung und der Einswerdung mit Christus unmittelbar werden auf dem
mittelbaren psychischen Wege nicht erlebt werden, denn die Beziehung zu Christus
wird, wie der Weg zu Ihm, nicht unmittelbar sein; doch kann der Mensch auf
diesem längeren umständlicheren Weg auch zu Christus kommen. Es
könnte aber auch geschehen, daß jener mittelbare Weg dem Menschen
zum Verderben würde, wenn er die Gelegenheit auch dort verpaßte,
wenn er nicht bewußt und, von der Hüllennatur unabhängig
und frei, das große Ziel erreichte. Deshalb ist es so überaus
wichtig für die heutige Menschheit, die schon in der Mehrzahl den spirituellen
Weg ablehnte, daß sie nicht auch die zweite Möglichkeit von sich
weist und sich nicht durch Vorurteil, Mangel an Einsicht und Hängen
an der materiellen Welt, dem physischen Leib und Leben, mit dem inneren Bewußtseinsleben
von dem neuen Kommenden abwendet. Wer auf die Zeichen der Zeit achtet und
Wache halt, der wird schon bemerken, daß etwas Neues, bisher Ungeahntes
am Horizonte der materiellen Welt auftaucht. Derjenige, der sich nicht aus
Furcht, das Alte, Gewohnte und Bekannte und damit die bequemere Lebenshaltung
zu verlieren, passiv und gleichgültig abwendet, sondern mutig und mit
wachem Bewußtsein dem Kommenden entgegengeht, der ist in Wahrheit ein
Streiter für Christus und wird den Menschen ein Führer sein können.
Der erste Schritt auf diesem neuen Wege
ist überaus wichtig; die heutige Menschheit aber hat seit lange schon
die wahrhaft stärkende Seelennahrung verweigert und ist deshalb kränklich,
schwach und verkümmert in bezug auf alles, was das höhere, geistige
Leben betrifft. Deshalb wird ihr auch das richtige Vorwärtsschreiten
auf dem psychischen Wege schwer fallen, das heißt, sie wird die größte
Mühe haben, sich mit wachem Bewußtsein in das Kommende hineinzuleben,
weil sie die Neigung hat, am nur physischen Dasein zu haften. Dann aber wird
das neue Kommende statt einer Erweiterung und Befreiung des inneren Bewußtseinslebens
eine Betäubung und Abschwächung desselben bedeuten, indem die ganze
Kraft, der Strom des elementalischen Empfindungslebens, steh in die unterbewußte
niedere Hüllennatur des Menschen ergießen wird, an seinem höheren
Bewußtseinsleben vorbeigehend.
Das erste, was der heutigen Menschheit
not tut, ist die Einsicht, daß sie krank und seelisch verkümmert
ist, das zweite, der Entschluß, die Heilung zu suchen. Diese wird die
Menschheit nur finden, wenn sie den großen Heiler suchen will, der keine
menschliche Krankheit ungeheilt gelassen hat, und dessen Worte lauten: „Des
Menschen Sohn ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist"
(Lukas 19, V. 20).
«««««««
VI.
Die symbolische Weisheitssprache.
Die an die materielle Welt gebundene Denkkraft der heutigen Menschheit befaßt
sich ausschließlich mit dem buchstäblichen Sinn jener Ereignisse,
die aus allen religiösen Überlieferungen stammen, und bemüht
sich vorzugsweise damit nachzuforschen, inwieweit die mitgeteilten Geheimnisse
wirklich in den alten Zeiten vorgekommen sind oder auch, ob dieselben teilweise
der Phantasie älterer Völker zugeschrieben werden müssen. Ist
dann einmal wissenschaftlich festgestellt worden, daß es sich nm reale
Tatsachen handelt, dann bleibt die Denkkraft bei denselben stehen und sucht
sich die Bilder, die sich mit ihnen verbinden, so concret und materiell wie
möglich vorzustellen. Auf diese Weise wird auch die Heilige Schrift aufgefaßt,
und die Worte und Texte der Bibel (dazu manchmal noch mangelhaft übersetzt)
werden ihrem äußerlichsten, buchstäblichen Sinne nach erklärt
und zitiert. Wenn aber in der Bibel die Rede ist von göttlichen Dingen
sowohl wie von menschlichen, so sind dieselben doch nur in der Sprache der
irdischen Menschen aufgezeichnet worden, und jene menschliche Sprache hat
auf die materielle Welt Bezug und ist unfähig, geistige und göttliche
Dinge richtig zu bezeichnen. Eine rein buchstäbliche und wörtliche
Erklärung des Inhaltes der Heiligen Schrift kann deshalb nur auf die
äußeren Tatsachen innerhalb der materiellen Welt hinweisen.
Wenn der Mensch aber den buchstäblichen
Sinn der Worte der Heiligen Schrift als den einzig wahren betrachtet, so pflegt
er die gleiche materialistische Denkweise wie jene, die er in bezug auf sich
selbst anwendet, worin er sich mit seinem physischen Körper identifiziert
und die materielle Welt als die einzige reale Welt ansieht. Die Bibel aber
wäre nicht die Heilige Schrift, das Wort Gottes, zu nennen, wenn sie
nur eine Chronik alter Zeiten wäre, oder wenn sie nur die äußere
Geschichte des israelitischen Volkes enthalten würde. Von der Heiligen
Schrift aber muß gesagt werden, daß sie das bis in die materielle
Welt hineinklingende Wort Gottes zu den Menschen darstellt, und zwar in jener
festen Form, die der Welt der festbegrenzten Formen und des größten
Widerstandes entspricht. Diese feste Form besteht in der buchstäblichen
Bedeutung der concreten, äußeren Ereignisse, von der Schöpfung
des Himmels und der Erde an bis auf die Vollendung der Erdentage.
Über jener festen Form der buchstäblichen
Bedeutung, die, wie jede Form der materiellen Welt, tot sein würde ohne
das Leben, das, vermittelst der beiden feineren kosmischen Hüllen, mit
ersterer verbunden bleibt, steht die symbolische Bedeutung des zur Menschheit
klingenden Wortes Gottes. Die Heilige Schrift enthält als solche einen
symbolischen Sinn, und der In halt derselben besteht aus symbolischen Vorgängen,
die sich zwar mit den äußeren, geschichtlichen Ereignissen decken,
doch diese letzteren an Kraft, Bedeutung und Wirkung weit überragen.
Die Symbolik, die hinter und über
jenen äußeren Ereignissen steht _und dieselben
wie eine innere, belebende Strömung durchflutet, bezieht sich nicht nur
auf die Erde, sondern zugleich auf den ganzen Kosmos. Denn, wenn das Wort
Gottes auf Erden hörbar ist, hat dasselbe auch schon den Kosmosdurchdrungen,
wo der Klang desselben in jener
feineren Form, die den feineren kosmischen Hüllen
entspricht, wahrnehmbar wurde.
Im Himmelreiche offenbart sich Gott in
göttlicher Sprache; das Wort Gottes ist Er selber.
Im dualistischen Kosmos entsteht der
Schleier der Symbolik, der dem göttlichen Wort als Form und Hülle
dient.
Inmitten der Erdenmenschheit lebten die
Vermittler und Verkünder des Wortes Gottes, die dasselbe in die menschliche
Sprache übertrugen. Moses aber war derjenige, der, als Priester der Mysterien
Ägyptens, seine Kenntnis und seine Schreibkunst dazu verwandte, die
uralte Weisheitstradition mit der Mission des israelitischen Volkes zu verbinden.
Denn Moses wußte, daß die symbolischen Schriftzeichen des lebendigen
Wortes Gottes, Christus, schon innerhalb der Regionen des Kosmos leuchteten,
und daß die Zeit herankam, wo dieses Wort in bestimmterer Form erkannt
werden sollte, bis es innerhalb der Menschheit auf Erden leben würde.
Als Moses, als der Vertreter und Führer Israels, auf Sinai die Gesetzestafeln
erhalten durfte, da waren ihm jene göttlichen Schriftzeichen ein Symbol
der wahren Verkörperung Christi, ein Zeichen der Verheißung und
des Siegels des Bündnisses zwischen Gott und dem Volke, das er, Moses,
vertrat. Hier decken sich wiederum die äußeren Vorgänge mit
ihrer buchstäblichen Bedeutung und der symbolischen Deutung derselben
bis in die kleinsten Einzelheiten, wie zum Beispiel die Tatsache, daß
inzwischen das hebräische Volk sich dem alten Götzendienst ergab,
was in symbolischer Deutung auf die im Kosmos und auf Erden wirkenden Gegensätze
hinweist, die dem dualistischen Charakter derselben entsprechen.
Da die symbolische Sprache sich auf die
Ereignisse bezieht, die im .Kosmos stattfinden, und da letztere nur durch
eine symbolische Deutung der in irdisch-menschlicher Sprache ausgedrückten
Tatsachen zu erfassen sind, so ist es gerade heute außerordentlich wichtig,
daß die Menschheit sich neben der buchstäblichen Auffassung des
Inhaltes der Bibel ein Verständnis für die symbolische Bedeutung
jener kosmischen Vorgänge bildet, die den irdischen Ereignissen entsprechen.
Die Menschheit würde dadurch im Kosmos selber das Alphabet der Sprache
der Symbolik an der Hand derjenigen Schrift erlernen, die das von Gott gesprochene
Wort in der Form von irdischen Buchstaben wiedergibt. Von dieser sicheren
und untrügerischen Basis ausgehend, würde die Menschheit davor bewahrt
bleiben, sich eine falsche Symbolik anzueignen, die auf unwahrer Tradition
beruht, und zwar auf einer uralten Schrift, die nicht heilig und noch weniger
Gottes Wort genannt werden kann. Mittels solcher Traditionen, die sich auf
der Basis einer mit kosmischen Kräften wirkenden Magie aufgebaut haben,
kann sich eine Symbolik entfaltet die den Schein eines weisheitsvollen Systemes
in bezug auf den Kosmos und den Menschen besitzt. Da in jener Symbolik aber
das wahre Centrum, das Wort Gottes, als Christus nicht erkannt wird, hat
dieselbe nach dem Kommen Christi auf Erden vollständig ihre Bedeutung
für diejenigen verloren, die das Licht der Welt erkannt haben.
Wo aber Christus verleugnet oder nicht
erkannt wird, da taucht jene uralte Tradition, die aus Babel stammt, immer
unter irgendwelcher Form wieder auf und wirkt durch ihre Magie auf die unwissenden
Menschen ein. Das Geheimnis der starken Wirkung einer derartigen Magie besteht
darin, daß ein Kenner jener symbolischen Sprache und Zeichen — die nicht
Christus als Mittelpunkt haben, sondern auf den dualistisch wirkenden Kräften
des Kosmos (bestenfalls), oder auf dem Widersacher (schlimmstenfalls) beruhen
— diese Kräfte auf die feineren kosmischen Hüllen eines unwissenden
Menschen übertragen und denselben dadurch bis in den physischen Körper
beeinflussen kann. Auf diese Weise können ganze Gruppen und Völkerschaften
beeinflußt werden. Wenn eine solche Magie bis aufs äußerste
getrieben wird, kann die dreifache Hüllennatur, als niederes Seelenleben
eines Menschen, schließlich seinem inneren Bewußtseins leben
entrissen und dann als leeres Gefäß dem Willen des tätigen
Magiers vollständig untergeordnet werden, sodaß derselbe die dreifach-kosmische
Hülle eines Menschen als „lebendiges Instrument für seine Zwecke"
benützen kann.
Diese Übermacht des bösen Magiers
gründet sich gerade auf die ahnungslose Unwissenheit der Menschheit und
auf ihre absolute Unkenntnis in bezug auf die wahre symbolische Sprache und
die Deutung der Zeichen im Kosmos. Hätte die Menschheit das Unterscheidungsvermögen
zwischen jenen symbolischen Zeichen im Kosmos, die sich auf das Wort Gottes
beziehen, und jenen, die dem vernichtenden Prinzip und dem Widersacher entsprechen,
so könnte' sie sich selber ihren Weg und ihre Sprache wählen. Nicht
länger wären dann ein magischer Überfall und eine Zerstörung,
im Dunkeln ausgeführt, möglich, sodaß die Übermacht des
wissenden Magiers geschwächt wäre. Deshalb wird derjenige, der
durch sein Wissen den Unwissenden gewalttätig beherrschen will, immer
dagegen sein, daß die Menschheit in bezug auf Esoterik und Jenseitsweisheit
unterrichtet wird, und zwar wird er insbesondere gegen eine solche Weisheit
sein, die Christus als Gottessohn anerkannt und Ihn als Centrum betrachtet.
Denn dadurch würde die Möglichkeit, eine falsche Weisheitslehre
zu verbreiten und symbolische Zeichen zu geben, die auf anderen Kräften
beruhen, teilweise genommen sein.
Die Menschheit aber muß bei ihrem
unvermeidlichen Eintritt in das elementalische Leben
mit dem nötigen Wissen
ausgerüstet sein. Dieses Wissen wird sie erhalten,
wenn das Alphabet der Symbolik, auf Grund der Heiligen Schrift und des buchstäblichen
Inhalts derselben erlernt wird. Die buchstäbliche Erklärung dieser
Schrift allein kann nicht genügend sein und spricht nicht dasjenige aus,
was die Menschheit heute zu wissen braucht. Hier sind nur zwei
Dinge möglich: die symbolische Erklärung zur buchstäblichen
hinzufügen und der Menschheit, die auf dem psychischen Wege weiterschreitet,
das Licht der Weisheit in bezug auf den Kosmos, in den sie sich bewußt
einleben soll, anzuzünden oder: durch die Gewalt des Wortes selbst,
das unmittelbar aus einem Menschen zur
Menschheit redet, vom Geiste zum Geiste zu wirken und in das innere
Bewußtseinsleben andrer hineinzugreifen und das Geisteslicht dort zum
Aufleuchten zu bringen. Auf diesem letzteren Wege, der auch der spirituelle
Weg und deshalb heute für die große Mehrzahl unerreichbar ist,
kann nur der einzelne, als Prophet und als Gefäß des göttlichen
Wortes jene himmlische Sprache reden, die allen verständlich ist, so
wie es die Apostel nach der Ausgießung des Heiligen Geistes vermochten,
und nur ein solcher Mensch würde mit Paulus sagen können: „Nicht
ich, sondern Christus in mir."
Wer aber kann von sich selbst in der
heutigen Zeit wahrheitsgemäß sagen, daß er eine himmlische,
allen Völkern verständliche Sprache redet, daß das göttliche
Wort ihn unmittelbar erfüllt und durch ihn spricht? Ein solcher Mensch
würde für sich das Recht haben, auf die Symbolik als kosmische Sprache
zu verzichten und würde den buchstäblichen Inhalt der Heiligen Schrift
unmittelbar mit dem, was überkosmisch ist, verbinden können. Wo
aber nur der buchstäbliche Inhalt der Heiligen Schrift wörtlich
wiederholt und auf das irdische Leben angepaßt wird durch einen Menschen,
der nicht vom Geiste des Gotteswortes entflammt und völlig erfüllt
ist, sodaß allein der Geist, nicht mehr die Erde Geltung hat, da bleiben
diese Worte tote Buchstaben, die schwer wie Steine auf die Erde zurückfallen
und das innere Seelenleben des heutigen Menschen nicht berühren können.
Denn heute ist die Mehrzahl der Menschen in der traurigen Lage, daß
sie die unmittelbare, himmlische Sprache Gottes nicht vernehmen kann und von
der mittelbaren Sprache der Symbolik noch keine Ahnung hat. Ihr bleibt dann
nur die buchstäbliche Auffassung der Heiligen Schrift, die aber nicht
die Bedürfnisse der Seele befriedigen kann.
Christus selber hat zum Volke in Gleichnissen
gesprochen, damit diejenigen, die Seine Worte nicht unmittelbar dem Geiste
nach verstehen konnten, durch diese mittelbare Sprache einen symbolischen
Sinn aus dem, was Er mit schlichten, irdischen Tatsachen verglich, herauslesen
sollten. Hätte damals dem Volke das Verständnis für jene Sprache
in Gleichnissen vollständig gefehlt, so wären, um ein groteskes
Beispiel zu nennen, durch die Worte Christi: „Kommt alle zu mir, die ihr beladen
seid" nicht diejenigen berührt worden, die unter seelischem Leide gebückt
gingen, sondern die, welche irdische Lasten zu schleppen hatten.
Zu den Aposteln aber redete Christus
am Ende offen und klar, wie es im Hohepriesterlichen Gebet im Johannes-Evangelium
zu lesen ist. Hier konnte Christus unmittelbar vom Geist zum Geiste reden,
weil diese Menschen Ihm angehörten und nicht mehr von dieser Welt waren.
Derjenige, der aus einem Saulus ein Paulus
wurde, hat Christus nicht als Menschen auf Erden, sondern in Lichtgestalt
erblickt, so wie Er nach der Himmelfahrt vom Himmel aus den ganzen Kosmos
durchleuchtet bis zur Erde. Deshalb spricht Paulus (insbesondere in seinen
Hebräerbriefen) oft eine Sprache, die von den irdischen Tatsachen ausgeht,
doch auf die symbolische Bedeutung derselben hinweist. Besonders wo (in Hebr.
7) die Begegnung Abrahams mit dem ewigen Priester des allerhöchsten Gottes,
Melchisedek, erwähnt wird, erklärt Paulus das Wesen jenes ewigen
Priesters und seiner Begegnung mit Abraham als das Symbol des Kommens Christi,
jenes Hohenpriesters, der sich selbst zum Opfer bringen wird.
Wenn Paulus auch die Macht dazu besaß,
unmittelbar die himmlische Sprache an die irdischen Vorgänge zu knüpfen,
weil er dem Worte Gottes als erwähltes Gefäß diente, so sprach
er oft im Sinne der Symbolik zu denen, die, wie die Hebräer, mit symbolischen
Deutungen und Zeichen vertraut waren. Denn gerade hier wollte er die alte,
traditionelle Symbolik, die nur auf kosmische Vorgänge hinweisen konnte,
mit dem Lichte, das ihm vor Damaskus offenbar wurde, erleuchten und erklären.
Die überlieferten, kosmischen Symbole sollten eine geistige Deutung und
ein neues, himmlisches Leben erhalten, insoweit die ersteren nicht schon ihre
ursprüngliche Form und ihren wahren Charakter eingebüßt hatten
durch eine Vermischung mit Zeichen und Symbolen, die nach der babylonischen
Gefangenschaft in das hebräische Volk Eingang gefunden hatten, nämlich
bei einem Teil der Priesterschaft desselben.
Das Evangelium des Jüngers, den
der Herr lieb hatte, beginnt mit den Worten: „Im Anfang war das Wort, und
das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort" — und geht dann über zu
dem, was sich auf Erden ereignete, als das Wort, das Mensch geworden, dort
lebte. Dann bilden die Worte des Hohenpriesterlichen Gebetes den Abschluß
jenes Lebens: „Vom Vater bin ich ausgegangen, wiederum gehe ich zum Vater."
Die ganze Offenbarung des Wortes, das Herabsteigen desselben auf die Erde
und das Wiederaufsteigen zu Gott, dem Vater, ist in dem Johannes-Evangelium
verkündet, und zwar in unmittelbarer Geistessprache, die sich dann an
die Ereignisse auf Erden knüpft. Die symbolische Bedeutung letzterer
ist in diesem Evangelium leicht herauszulesen, weil dasselbe vom ganzen Wesen
Christi erfüllt ist, so wie Er Sich vom Himmel aus bis zur Erde neigt.
Als Ausgangspunkt für die symbolische Deutung dienen die irdischen Ereignisse
im Leben Jesu Christi, wie das auch in der ganzen Heiligen Schrift der Fall
ist, ausgenommen in der Apokalypse.
Die von Johannes, dem Apostel, niedergeschriebene
Offenbarung geht nicht mehr von irdischen Ereignissen aus, sondern es treten
da, umgekehrt, kosmische Zeichen und Symbole an die Erde heran. Hier ist das,
was auf Erden geschieht, nicht mehr Hauptsache, sondern das, was, vom Himmel
ausgehend, den gesamten Kosmos bewegt, in Wallung bringt und dann auf Erden
herabkommt. Die Gestirne, die Sonne, der Mond, die Elemente, alles gerät
in Aufruhr und furchtbare Zeichen erscheinen am Himmel. Diese Schrift der
Zukunft ist in symbolischer Sprache geschrieben und wird ihre wahre Bedeutung
nur denen eröffnen können, die das Haften an einer nur wörtlichbuchstäblichen
Auffassung und an der menschlichen Erdensprache von sich warfen, und sich
das Verständnis für die symbolisch-kosmische Sprache und für
die Zeichen derselben, die auf die Vorgänge im ganzen Kosmos hinweisen,
angeeignet haben. Nicht immer wird die Erdenmenschheit mit einem alten und
einem neuen Testament auskommen, die nur dem toten Buchstaben nach aufgefaßt
werden und derer tieferer Sinn dem menschlichen Verständnis deshalb
verschlossen bleibt; ebensowenig wird eine Apokalypse, die völlig unerklärt
bleibt, jener Menschheit immer genügen. Die Offenbarung des Johannes
ist nicht eine Schrift, deren Bedeutung der Menschheit unfaßbar und
unverständlich bleiben darf; und die Menschheit selber würde ihre
Erdenaufgabe nicht erfüllen, wenn sie sich nicht emporringt zum Verständnis
jenes heiligen Buches, das einen Teil der Heiligen Schrift ausmacht und das,
mehr noch als diese, einer symbolischen Deutung bedarf. Die Zeit schreitet
vorwärts, und es könnten jene kommen, welche die Unwissenheit
derer, die sich Christen nennen, ausnützend, eine falsche Deutung gäben,
die einer nach Seelenbrot hungernden Menschheit allzu begehrenswert vorkommen
würde. Die alte kosmisch-magische Tradition, in welcher Christus keinen
Platz findet, lebt immer noch und scheint gar klug und annehmbar da, wo die
wahre Symbolik unbekannt blieb und wo deshalb kein Vergleich zwischen beiden
gemacht werden kann. Deshalb tritt gerade heute, wo das menschliche Bewußtseinsleben
vor eine neue Aufgabe gestellt werden wird, die ernste Frage bei allen auf,
die das Wohl der Menschheit wahrhaft wollen: Wer wird die christliche Menschheit,
die in der Mehrzahl ihre unmittelbare Beziehung zu Christus nicht empfindet,
aus dem gefährlichen Dunkel ihrer Unwissenheit retten und sie vor Irrtümern
bewahren, wenn der Schein des falschen Leuchtens aufblitzt und das wahre
Licht ihr unbekannt geblieben ist, das sie wenigstens auf den mittelbaren,
kosmischen Weg zum geistigen Endziele führen könnte?
«««««««
VII.
Die heilige Weihnacht.
Die Bedeutung der heiligen Weihnacht
bleibt nicht nur an die buchstäbliche Auffassung der im neuen Testamente
erwähnten Tatsachen gebunden als ein Ereignis der Geburt Jesu Christi
auf einen gewissen Zeitpunkt und an einen gegebenen Ort auf Erden. Als ein
Ereignis, das sich auf Christus selber bezieht, hat es erstens Bedeutung
für das über Zeit und Raum erhabene Himmelreich, zweitens für
den ganzen Makrokosmos und drittens für die Erde selber. Die symbolische
Deutung jenes in der Heiligen Schrift erwähnten Ereignisses auf Erden
wird deshalb die umfassenderen, kosmischen Vorgänge bezeichnen, die
nicht an die irdische Zeit und den Raum gebunden bleiben, und deshalb für
weitere, umfangreichere Perioden gelten. Für dasjenige, was gerade während
der heutigen Zeit mit der Erdenmenschheit geschieht, hat eine symbolische
Erklärung der heiligen Weihnacht die größte Bedeutung, sie
wird den Menschen vorleuchten in der dunklen Mitternachtsstunde, die jetzt
erlebt wird.
In tiefer Mitternachtsstunde, ungeahnt
von der blinden Menge, erschien das neue Licht auf Erden in sichtbarer Gestalt,
und dieses ewige Licht, das, vom Himmel ausgehend, alle Regionen des Kosmos
durchleuchtete, ehe es auf Erden kam, bleibt auch ein Symbol für das,
was an wahrhaft lebendiger Kraft aus höheren Regionen der Erde zuströmt.
Trotzdem es sich im letzteren Falle nur um die feineren Hüllen des dualistischen
Kosmos handelt und nicht um das Geistesleben selber, so darf dennoch das Symbol
eines neuen Lichtes, das in die tiefste Mitternacht hereinbricht, mit dem
Ereignis in der heiligen Nacht verbunden werden. Denn Christus hat nicht
nur die kosmischen Regionen mit Seinem Leben durchdrungen, als Er dieselben
betrat, sondern das innere Bewußtseinscentrum des Menschen hat auch
den Geisteskeim durch Christus erhalten, sodaß dasselbe sich in bezug
auf das neue Licht, daß es innerlich durchdrang, mit dem Ereignis in
der heiligen Nacht verbinden darf, jener heiligen Nacht, als das neue Licht
auf Erden erschien.
Nicht als natürlicher, sinnlicher
Mensch darf sich der Mensch unmittelbar der symbolischen Deutung jenes heiligen
Ereignisses nähern, weil die tiefere Bedeutung und die inneren Vorgänge
dem der Außenwelt zugewandten Sinnesmenschen verschlossen bleiben. Der
Weg führt immer durch das innere Bewußtseinsleben hindurch, in
dem das äußerlich Wahrgenommene verinnerlicht werden muß,
aufdaß es dann, wiederum nach außen tretend, in das innere Leben
der Wesen und Dinge der Außenwelt eindringen könne und nicht nur
auf die äußeren Formen derselben stößt. So wird dann
der Mensch, in das tiefste Innere seines Bewußtseinslebens eindringend,
zunächst die dunkle Mitternacht erleben, die dort herrscht, wobei er
sich der Hoffnung auf das Kommen eines neuen Lichtes hingibt. Diese Hoffnung
entsteht aus dem Wissen, daß tief, tief verborgen in ihm der Geisteskeim
ruhen muß, aus dem ein neues Licht entstehen kann. Mit diesem Wissen
wird dann das Ereignis verbunden vom Kommen des Lichtes der Welt in der tiefsten
Mitternachtsstunde, ungeahnt von der Menge, doch von Engeln den Hirten verkündet
und vom Sterne den drei weisen Königen aus dem Morgenlande angezeigt.
Diese Botschaft der himmlischen Engelschar,
ihr Gesang aus der Höhe und die Weisung und Führung durch den strahlenden
Stern, dessen Weg durch den Kosmos von der östlichen zur westlichen Himmelsrichtung
lief, deuten, symbolisch erklärt, auf die Anteilnahme des Himmelreiches
und des Kosmos an dem, was sich auf Erden ereignete. Es kann auch der Mensch
diese Vorgänge und ihre Bedeutung im innern Bewußtseinscentrum
erleben und die Freude der Himmelsboten, die Führung des Sternes und
das Kommen des neuen Lichtes in die Finsternis als zu seinem innersten Wesen
gehörig empfinden. Wie eine Botschaft der himmlischen Seele an die natürliche
Selenkraft in ihm wird ihm der Engelgesang und die Verkündigung an die
Hirten erklingen und ihn zum Anschauen des neuen Lichtes in der Mitternachtsfinsternis
bringen. Der Stern als das Symbol des inneren Bewußtseinscentrums wird
die drei weisen Könige, als die Kräfte des Denkens, Wollens und
Fühlens, durch den Kosmos zum neuen Geisteslichte führen. Das neuentstandene
Leben auf Erden wird aber von den feindlichen, an irdischer Macht und dem
Leben der materiellen Welt haftenden Kräften, dem Fürsten dieser
Welt, bedroht und wird nach Ägypten gebracht, dem Lande der Weisheit,
aus welchem einstmals Moses ausgezogen war.
Zum Lande der Weisheit trägt es
die jungfräuliche Mutter, die selber dem Wesen der All-Einheit, der
höchsten Seelenkraft und der himmlischen Weisheit entspricht, aus welcher
sich das neue Leben gestalten konnte.
Dieses allerhöchste, all-einige
Wesen der Seele, das sich zunächst als die Urweisheit des Himmels offenbart
und, wo es Gestalt annimmt, als urbildliche Schönheit erscheint, neigt
das strahlende Antlitz über das aus ihm geborene neue Leben und ist auch
die erste Offenbarung der höheren, himmlischen Seelenkraft zum inneren
Bewußtsein des Menschen. Diese Urweisheit ist als das reinste Gefäß
des Heiligen Geistes zugleich die Peripherie des Gottessohnes, Christus,
wie die höhere Seele des Menschen es in Wahrheit sein muß. Ihr
Gegenbild im Kosmos ist die kosmische Weisheit, die sich in der dualistischen
Natur des Kosmos offenbart und die dort in der Lichtgestalt einer wahren und
einer falschen Schönheit erscheint. Sie ist die kosmische Allmutter,
im Gegensatz zur himmlischen, jungfräulichen Mutter, und bringt Gutes
und Böses hervor, um dasselbe wiederum zu zerstören. Das Wesen der
himmlischen Seelenkraft ist schöpferisch und gestaltend in bezug auf
das wahre Leben der Seele. Die kosmische Allmutter aber bringt Formen und
Hüllen hervor, die aus dem Kosmos selber gewoben sind und der feineren
siderischen, dann der elementalischen und endlich der dichtesten materiellen
Hülle desselben angepaßt werden. Diese Allmutter ist die große
Natur des Makrokosmos, die an denselben gefesselte niedere Seelenkraft, in
welcher sich die hohe Weisheit der höheren, himmlischen Seelenkraft teilweise
abspiegelt, wodurch die Gesetze, die in ihr walten, meistens weisheits-erfüllt
erscheinen.
Doch diese Gesetze wirken nie schöpferisch,
sondern sie sind immer gleichförmige Notwendigkeit, weil die Natur des
Kosmos zwar hervorbringend, nie aber seelisch-schöpferisch tätig
sein kann, denn sie bezieht sich nur auf die Formen, nie aber auf die Seele
selbst. Die himmlische Seele hat als Centrum den Geist Gottes, das Wort, durch
das alles geschaffen worden ist. Die kosmische Seele aber ist, weil sie an
den Kosmos gefesselt und dualistisch ist, nicht unmittelbar mit dem göttlichen
Geiste verbunden, sondern nur teilweise, nur mittelbar und nur insoweit sie
das treue Abbild der höheren Seele sein kann und die Weisheit und Schönheit
letzterer in sich spiegelt. Wenn nun die kosmische Natur, die dem Menschen
auf Erden bis jetzt nur in der blassen und starren Gestalt der irdischen
Natur bekannt war, zunächst in ihrer Wirkung in der elementalischen
Hülle auftritt, so wird die überaus stärkere Macht und das
licht-, klang- und lebensvolle Wesen derselben den Eindruck eines neuen Lebens,
einer Wiedergeburt der Natur hervorbringen. Der Mensch soll aber gerade mit
seinem inneren Bewußtsein fassen, daß diese Welle von Licht,
Leben, Weisheit und losender Gewalt zwar einen Schleier der großen
kosmischen Natur hebt, dock das dieselbe immer noch zum Kosmos, zum Reich
des Dualismus gehört und nicht zum Himmelreiche und zum höheren
Seelenleben.
Wer über jener überwältigenden
Naturkraft das wahre höhere Seelenleben erblickt, läuft keine Gefahr,
der stumpfsinnigen Naturvergötterung zu verfallen und dadurch sein, eigenes
höheres Wesen und Gott selber zu verleugnen. Der Anblick jener mächtigen
Spiegelung der himmlischen, überkosmischen Weisheitskraft innerhalb
des Kosmos kann das erwachte Bewußtseinsleben gerade zur Verehrung
jener Urweisheit bringen, die eine unmittelbare Peripherie der Schöpfungsmacht
Gottes ist. Und wenn die kosmische Allmutter dem Menschen gegenüber
ihren dichtesten Schleier löste und ihm einen tieferen Einblick in ihr
Wesen und Wirken gönnte, so soll der Mensch im innern Bewußtsein
der jungfräulichen Mutter, des alleinigen Wesens der himmlischen Seelenkraft
gedenken, aus der die höhere Seele in ihm stammt.
Der Allmutter im Kosmos verdankt der
Mensch die sterblichen Hüllen, die er an sich trägt, und auf die
niedere Seelenkraft, die kosmische Natur an ihm, hat sie Rechte. Den ewigen
Geisteskeim in sich, den wahren, ewigen Kern seines Wesens verdankt der Mensch
dem Wort, das Gott ist, Christus; und dem all-einigen Wesen der Seele, der
himmlischen Jungfrau, als der Peripherie des göttlichen Urcentrums,
verdankt der Mensch die höhere, unsterbliche Seele.
Bei solchen geistig-symbolischen Betrachtungen
wird die heilige Weihnacht ein Ausgangspunkt für dieselben und führt
den Menschen, von irdischen Ereignissen ausgehend, weit über dieselben
hinaus in jene Gebiete, die er gerade in der heutigen Zeit verstehen und kennen
lernen soll.
Am Anfang und am Ende des Erdenlebens
Jesu Christi steht die Gestalt eines Menschen, der in beiden Fällen den
Namen Joseph trägt. Mit diesem Namen wird jene Aufgabe verbunden, die
einem Erdenmenschen zuteil wird, der durch die höheren Seelenkräfte
der Reinheit, des Glaubens und der völligen Hingabe würdig ist als
ein Hüter und Beschützer der hohen, himmlischen Weisheit auf Erden
zu dienen.
Das Leben des göttlichen Kindes
und der jungfräulichen Mutter ist dem Pflegevater Joseph anvertraut
worden und wird von ihm gehütet und der drohenden Gefahr entzogen.
Im alten Testamente wird von einem Jüngling
Joseph gesprochen, der die Gabe der Traumdeutung besaß, der im Lande
der Weisheit, Ägypten, wohin er als Sklave verkauft wurde, zu hoher Stellung
emporstieg und dann sein eigenes Volk vor dem Hungertod bewahrte. Auch dieser
Joseph war der Schützer, der sein eigenes Volk vor drohender Gefahr
schützte.
Der Joseph des Neuen Testamentes erhält
selber ein Traumgesicht, in welchem ihm der Engelbote das Kommen Christi auf
Erden durch die Jungfrau Maria verkündet, auf daß er Hüter
und Pflegevater des Kindes der Jungfrau werde.
Symbolisch gedeutet, wird die Gestalt
des irdischen Pflegevaters im Dienste des Kindes und der Jungfrau zum Symbol
des Erdenmenschen selber, und zwar im Sinne seiner äußeren physischen
Gestalt und seines irdischen Daseins, die beide im Dienste des höheren
Seelenlebens und des Geistes stehen sollen. Der irdische Mensch soll durch
die Kraft des Glaubens, durch Reinheit und völlige Hingabe zum Pfleger
und Hüter der hohen, himmlischen Weisheit auf Erden werden; der himmlischen
Jungfrau, dem Urbild seiner höheren Seele, soll er dienen, denn durch
sie wird dann im inneren Bewußtsein der Geisteskeim erweckt werden.
Dieses neue Geisteswesen ist das Wertvollste, was der Mensch besitzt, und
deshalb soll er es pflegen und hüten. So wie der demütige, treue
Joseph das göttliche Kind und die jungfräuliche Mutter den drohenden
Gefahren entzog so soll der Mensch den Geisteskeim in sich und seine höhere
Seele vor den feindlichen Mächten, die auf Erden und im Kosmoswalten,
bewahren.
Der Pflegevater Joseph wußte vom
Kinde Jesu, ehe es auf Erden erschien, welche Aufgabe es erfüllen sollte,
und deshalb stellte er sein ganzes Leben auf Erden in den Dienst desselben.
So kann der Erdenmensch auch nichts Größeres tun als das, was Joseph,
der Pflegevater des göttlichen Kindes, tat, nämlich, sein ganzes
irdisches Dasein als physischer Mensch in den Dienst der höheren Seele
und des Geisteskeimes in seinem inneren Bewußtsein stellen.
Der zweite Joseph des Neuen Testamentes,
der vornehme Angehörige des Sanhedrins, war als ein heimlicher Jünger
Christi von Ihm in das Wesen der himmlischen Weisheit eingeweiht worden. Dem
Joseph von Arimathia trat der Erlöser als Mensch entgegen, und dieser
Joseph diente Ihm dem Geiste nach während seines Daseins auf Erden. Als
das Leben des Erlösers beendet und Sein Opfer auf Erden vollbracht war,
da wurde dieser zweite Joseph zum Hüter des heiligen Leichnams, der
in seinem eigenen Grabe während jener Tage zwischen dem Tode und der
Auferstehung Christi ruhte. Doch, ehe die Kreuzabnahme geschah, war Joseph
von Arimathia der Hüter geworden eines neuen geistigen Mittelpunktes
auf Erden, der als der Behälter des Herzblutes Christi seinem göttlichen
Geiste zur Hülle und Form dienen sollte.
Diese allerheiligste Reliquie, das aus
der Herzwunde Christi aufgefangene Blut in dem Gefäß, wurde der
Ausgangspunkt jener christlichen Mysterien, durch welche die esoterische Weisheit
bewahrt wird, die sich nicht nur auf die tiefe Bedeutung des Kommens Christi
als Erlöser auf Erden, sondern auch auf die Erlösung des Makrokosmos
mit seinen zahllosen Lebewesen und allen seinen Regionen bezieht. Der Hüter
und Pfleger jener heiligen Reliquie, der durch Christus selber, als Er noch
auf Erden lebte, als Jünger angenommen war, war ebenso Sein Jünger,
als er durch die Einsetzung des geheiligten Gefäßes diese esoterische
Tradition für die christlichen Mysterien weiterführte. So steht
dieser Joseph am Ende des Erdenlebens Christi als Hüter des heiligen
Leichnams; nach der Auferstehung Christi ist dieser Joseph derjenige, der
als Hüter jenes neuen Centrums auf treten darf, das auf Erden seinen
geheimen Platz hat, um von da aus die Verbindung zwischen Erde und Himmel
durch den gesamten Kosmos hin durch zu verstärken. So ist der Wiederaufstieg
von der Erde aus, durch den Kosmos bis zum Himmel, mit dem Gefäß
des heiligen Graal und dem ersten Priester desselben, Joseph von Arimathia,
verbunden. Bei einer symbolischen Deutung wird jener Joseph zum Symbol des
inneren Bewußtseins im Menschen, das sich zunächst zur höheren
Seelenkraft erhebt, um dann ein Jünger jenes göttlichen Geistes
zu werden, der den im inneren Wesen verborgenen Geisteskeim zum Erwachen bringt.
Denn dieser zweite Joseph ist ein Symbol des geistig wiedergeborenen Menschen,
der den Tod, die Grablegung und die Auferweckung geistig erlebte und selber
zum Hüter jenes Geheimnisses geworden ist. Der heilige Graal ist wie
die neue Form, in welcher das Herzblut Christi aufbewahrt wurde und vermittelst
welcher dasselbe immerfort seine Erlösungskraft auf Erden und im Kosmos
ausstrahlt. So auch wird der im Geiste wiedergeborene Mensch, der durch den
mystischen Tod gegangen, wie eine neue Form für das in ihm erweckte
Geistesleben, das von ihm ausstrahlt, zum Heil seiner Umwelt.
Es bilden die beiden Joseph-Gestalten
erhabene Symbole für das erwachte innere Bewußtseinsleben des Menschen.
Der erste Joseph, als der alleredelste Erdenmensch, der die höheren Seelenkräfte
zum Ausdruck bringt in der völligen Hingabe und Treue, mit denen er,
auf Erden lebend, der höheren Seele und dem göttlichen Geiste dient.
Der zweite Joseph, als der im inneren Bewußtsein wiedergeborene Mensch,
der mit gleicher Hingabe und Treue dem Dienste Christi und der himmlischen
Weisheit ergeben ist, und über die Grenze des Erdenlebens hinaus die
großen Zeichen und Symbole des Kosmos deutet. Das Herzblut Christi,
auf Erden vergossen, ist das neue Centrum, auf welches die kosmischen Symbole
und Zeichen bezogen werden, sodaß dieselben eine Deutung erhalten, die
auf die centrale Gestalt, Christus, hinweist. Die alte, vorchristliche Weisheit
wird in bezug auf den Kosmos dadurch in Christo erneuert, vertieft und geheiligt.
Der zweite Joseph, der weise Jünger Christi, der selber im Geiste wiedergeboren
war, wurde dann zum Hüter des heiligen Graal und der in Christo wiedergeborenen
Weisheit, die mit diesem Symbol des Herzens Christi, als Centrum des Alls,
verbunden ist.
«««««««
VIII.
Der innere Mensch.
Es wäre ausgeschlossen, daß
der irdische Mensch den Irrtum begehen könnte, sich selber mit seinem
physischen Körper gleichzusetzen und die niederen Instinkte seiner Hüllennatur
mit seiner wahren geistigen Seele zu verwechseln, wenn die Bedeutung der schon
auf der griechischen Tempelpforte angebrachten Worte: „Erkenne dich selbst"
auch nur einigermaßen vom Menschen bedacht oder verstanden würden.
Wenn der Mensch sich einmal ernsthaft in sein eigenes Wesen vertieft, so
wird es ihm klar, daß er eigentlich nur dasjenige wirklich ist, was
er sein inneres Bewußtseinscentrum nennen kann. In jenem inneren Centrum
ist der Mensch er selbst und erlebt er sich als ein individuelles Wesen im
Zustande des Seins. Insoweit der Mensch die unmittelbar mit jenem Centrum
verbundenen Kräfte des Denkens, Wollens und Fühlens mit seinem
Bewußtsein ergreift und beherrscht, gehören jene drei Kräfte
zu seinem Wesen. Insoweit dieselben aber nicht dem inneren Bewußtsein
gehorchen, sondern im dunklen Gebiete des Unbewußten wirksam sind, folgen
jene Kräfte nicht dem Menschen, sondern wirken nach Naturgesetzen des
Kosmos und gekoren deshalb nicht zum wahren individuellen Wesen des Menschen.
Alles, was das innere Bewußtsein sich zu eigen macht, durchleuchtet
und beherrscht, ist Eigentum des Menschen selber und gehört in Wahrheit
zu ihm. Was aber wohl scheinbar zum Menschen gehört und dennoch nicht
von seinem inneren Bewußtsein durchdrungen ist, hat nur eine mittelbare
Beziehung zu ihm selber, deshalb auch nur eine vorübergehende.
Nun ist der physische Körper aber
keineswegs vom inneren Bewußtsein des Menschen durchdrungen oder beherrscht,
denn, wäre dies der Fall, so würden die Funktionen jenes Körpers
sämtlich bewußt vom Menschen reguliert und herbeigeführt werden.
Der physische Körper aber lebt als Organismus nach den Gesetzen der
Natur und entsteht, besteht und vergeht, ohne daß das innere Bewußtseinscentrum
auch nur das geringste an jenen Naturgesetzen ändern kann, es sei denn,
daß es gewaltsam in dieselben einzugreifen versucht. Es ist deshalb
das Verhältnis des individuellen menschlichen Wesens zum physischen Körper
kein unmittelbares und bleibendes, sondern ein mittelbares und vorübergehendes.
Ware dieser physische Körper bis in die kleinsten Einzelheiten und Funktionen
der Ausdruck des bewußten Wirkens des menschlichen Wesens selber, so
könnte sich der Mensch erst sagen, daß dieser Körper ihm
völlig angehöre und ein Teil seines eigentlichen Wesens ausmache.
Die Funktionen des physischen Körpers
als Organismus sind eigentlich Spiegelbilder von dem, was sich an den größeren
Organismen, der Erde und des Kosmos, als Naturgesetze auswirkt; das innere
Bewußtseinscentrum ist nur der centrale Einigungspunkt, durch den der
ganze Organismus, als physischer Körper, in Einheit bestehen bleibt.
Als Centrum des Körpers ist das Herz die Stelle, wo sich das innere Bewußtseinscentrum
zunächst mit dem physischen Organismus verbindet. Von dort aus erstreckt
sich das Bewußtsein aufwärts durch die Kraft des Denkens in das
Gehirn, wo es ein Nebencentrum bildet.
Der Mensch erlebt nicht nur den physischen
Körper und das organische Leben desselben als etwas, was außerhalb
seines Bewußtseins besteht und wirksam ist, sondern auch die in seinem
Unterbewußtsein tätigen Kräfte, als Naturinstinkte und -triebe
haben nur eine indirekte Beziehung zu seinem eigentlichen Wesen. Die nicht
von dem Bewußtsein durchdrungenen Kräfte des Denkens, Wollens und
Fühlens, die sich in den überlegenden, wollenden und empfindenden
Instinkten und Trieben seiner niederen Natur ausleben, sind noch immer Kräfte,
die in der Natur der feineren kosmischen Hüllen des Menschen wirksam
sind, seinem eigentlichen Wesen aber nicht angehören. Deshalb sind dieselben
nur vorübergehend mit dem centralen individuellen Wesen des Menschen
verbunden, solange der Mensch nicht den verhängnisvollen Fehler begeht,
sein inneres Bewußtseinsleben mit denselben zu verknüpfen, ohne
daß es die Herrschaft behält.
Als kosmische Hüllennatur formen
die genannten Naturinstinkte und -triebe die niedere Seelenkraft, die an die
elementalische und an die feinere, siderische Hülle des Menschen gefesselt
ist und mittelbar zum Menschen gehört, soweit er ein kosmisches, natürliches
Geschöpf darstellt. Da der wahre Mensch jedoch überkosmisch ist,
und sein inneres Bewußtsein ein in den Kosmos versenktes Abbild des
göttlichen Geistes ist, das dem Urbild des Menschen im Himmelreiche entstammt,
so kann gesagt werden, daß dasjenige am Menschen, was von seinem Bewußtseinsleben
nicht durchdrungen ist, ihm eigentlich nur mittelbar und vorübergehend
angehört. Die niedere Natur am Menschen aber soll gerade vom inneren
Bewußtseinscentrum durchleuchtet werden und dadurch erhöht und
verwandelt sein, sodaß dieselbe zur Peripherie jenes Centrums und zum
Abbilde der übernatürlichen, höheren Seele werden kann. In
dieser Weise würde jene niedere Natur aus der Gewalt der kosmischen
Naturkräfte erlöst und unter der Herrschaft des menschlichen Bewußtseinslebens
erhöht und geläutert sein.
Es würde eine Degradation des menschlichen
Wesens bedeuten, wenn sich das innere Bewußtseinsleben jener niederen
Natur unterordnete, sich von ihr beherrschen ließe, statt sich als der
Herrscher und der Machtvollere derselben gegenüberzustellen. Denn dadurch
würde sich der Mensch die Seelenflügel selber nehmen und seinen
Aufschwung in die überkosmischen Reiche unmöglich machen.
Daß der Mensch nicht identisch
ist mit seiner gröbsten Hülle, dem physischen Körper, ist
leicht einzusehen; daß er aber auch nicht identisch ist mit seinen
inneren Naturtrieben und Instinkten, ist schwieriger zu unterscheiden. Hier
ist alles viel subtiler, und wenn die unbewußten Naturkräfte,
die in ihm wirken, noch eher in die Reihe des nicht zum inneren Bewußtsein
des Menschen Gehörenden zu stellen sind, so haben sich die mit Bewußtsein
durchdrungenen Kräfte des Denkens, Wollens und Fühlens auch öfters
dazu herabgelassen, der niederen Natur zu dienen und sie zu befriedigen. Dadurch
ist dann ein Bündnis entstanden, das es schwer macht, zu unterscheiden
zwischen dem, was zum bewußten Menschenwesen gehört, und dem, was
aus der Natur seiner Hüllen stammt und das Spiegelbild der kosmischen
Kräfte darstellt.
Der Mensch muß wohl zur Selbsterkenntnis
kommen, wenn er das innere Bewußtsein als das Centrum des Erdenmenschen
erlebt und sich infolgedessen sagen muß: „Nur jener Funke des individuellen
Bewußtseins unterscheidet mich von meiner Umwelt auf Erden and von der
im ganzen Kosmos waltenden Natur, welcher meine drei Hüllen entnommen
sind. Mit dem niedrigsten Teil meiner Seele bin ich in jenen Hüllen und
belebe dieselben, sodaß eine Beziehung und eine Wechsel- wirkung besteht
zwischen jener Natur meiner Hüllen und meinem inneren Bewußtsein.
Von mir selbst ist es abhängig, inwieweit ich mein Bewußtseinsleben
in die Natur jener Hüllen hineinversetzen will und welche Beziehung ich
zu diesen erhalte: ob ich der bewußte Herr bleibe, oder ob ich mich
von jenen kosmischen Naturkräften abhängig mache. Tue ich letzteres,
so lebe ich eher das Leben eines Tieres als das eines Menschen, denn gerade
das unterscheidet den Menschen vom Tiere, daß er ein inneres, bewußtes
Centrum hat, auf das er seine Sinnesempfindungen, sowie sein Denken, Wollen
und Fühlen bezieht."
Der Erdenmensch sagt sich also: „Meine
niederen Instinkte und Triebe sind Spiegelungen der Naturkräfte, die
im Kosmos walten, und haben deshalb keine direkte, sondern nur eine indirekte
Beziehung zu meinem eigentlichen Wesen. Der Tod ist mir der Beweis dafür,
und wenn die grobe physische Hülle abgefallen ist, so werde ich mich
zunächst von der niederen Natur der feineren Hülle reinigen müssen
und, statt auf Erden, im Kosmos leben. Auf Erden lebte ich bewußt in
meiner physischen Hülle, und mein Bewußtsein wird zuerst in den
feineren kosmischen Hüllen weiterleben, bis ich so weit geläutert
und gereinigt sein werde, daß mein wahres Wesen zu dem überkosmischen
Reiche aufsteigen kann."
Wenn das menschliche Bewußtsein
nach dem Tode des physischen Körpers dazu gezwungen ist, die materielle
Welt zurückzulassen und sich zunächst in der elementalischen Welt
zu erleben, erhält der Mensch eine ganz andere Beziehung zu jener elementalischen
Welt, als die sein wird, welche die Menschheit haben kann, wenn sie, dem aufwärtsgehenden
Strom des kosmischen Lebens folgend, sich zwar bewußt in jene Welt
hineinleben wird, doch ihre Beziehung zur materiellen Welt nicht aufzugeben
braucht. Der Tod bedeutet die Entkleidung des wahren Menschenwesens von seinen
Hüllen, die Lösung aus den Banden der niederen Natur und die Rückkehr
zur himmlischen Heimat — soweit der Mensch fähig ist, dem vorgeschriebenen
Weg der Läuterung und des Aufstieges zu folgen. Das bewußte Eintreten
der Menschheit in das elementalische Leben des Kosmos, während ihr das
Bewußtsein innerhalb der materiellen Welt bleibt und sie auf Erden
weiterlebt, bedeutet das Eindringen des menschlichen Bewußtseinslebens
in die feinere Hülle des Kosmos und in die eigene elementalische Hülle,
also nicht ein passives Ablegen der kosmischen Hüllen, sondern eine
neue Aufgabe im Kosmos selber, in positivem Sinne. Beim Tode erleidet der
Mensch die Läuterung der niederen Natur seiner Hüllen; beim Aufwachen
des Bewußtseinslebens des irdischen Menschen innerhalb der elementalischen
Hülle zunächst muß das innere Bewußtseinscentrum jene
Hüllen durchleuchten und umbilden, doch bleiben letztere ihm erhalten,
solange er das Leben auf Erden hat.
Auch nach dem Tode wird das Bewußtseinscentrum
des Menschen sich zunächst im Elementenmeere erleben, bis sich die Kräfte
seiner eigenen elementalischen Hülle, die er unbewußt an sich trug,
verfeinert haben. Jene Kräfte, die am tiefsten in die materielle Hülle
eingedrungen waren und in derselben lebten, halten das Bewußtseinsleben
nach dem physischen Tod solange an das Elementenmeer gebunden, bis dieselben
sich losgelöst und die Neigung, sich zur materiellen Welt hinzuwenden,
verloren haben. Dann erst kann das Bewußtseinscentrum zur oberen Hälfte
der kosmischen Forma Elementalis aufsteigen, und es tritt aus der Erdensphäre
in die des Makrokosmos ein. Die dichtere Erdensphäre erstreckt sich bis
zu der des Mondes, während sich der feinere Teil derselben bis zur Sonnensphäre
ausdehnt. Die Sonnensphäre selber liegt an der Oberfläche des Elementenmeeres
und strahlt ihr Licht und Leben unmittelbar der oberen Hälfte der Forma
Elementalis zu, während diese Kräfte erst durch die dichteren Stoffe
des Elementenmeeres hindurch gehen müssen, bevor sie die niederen Sphären
erreichen können.
Wenn der Mensch auf Erden stirbt, so
läßt er die physische Hülle dort zurück und nimmt nur
dasjenige aus seinem Erdenleben mit, was er sich bewußt angeeignet
hat und was durch die Kraft des Denkens, Wollens und Fühlens zu seinem
Eigentum geworden ist.
Verläßt der Mensch die
untere Hälfte der Forma Elementalis, so läßt er jene elementalischen
Kräfte im Elementenmeere zurück, die, wie das letztere, den Übergang
von dem höheren elementalischen Leben zur materiellen Welt bilden. Auch
hier kann der Mensch nur so viel behalten, als er mit seinem Bewußtsein
erfaßt und sich zu eigen gemacht hat. Es sind das Kräfte, die mit
der inneren Natur und dem sie belebenden Elemente zusammenhängen, deren
Nachwirkung sich dann innerhalb der Natur der materiellen Welt und der Erde
selber zeigt.
Wird dann auch das innere Bewußtseinscentrum
in der feinsten kosmischen Hülle, der Forma Sideralis, erwachen, so läßt
der Mensch wiederum die höheren elementalischen Kräfte in der Forma
Elementalis zurück und steigt mit dem, was er sich von jenem höchsten
elementalischen Leben bewußt angeeignet hat, in das siderische Leben
hinein. Hier wird das Bewußtseinscentrum zwölf verschiedene Phasen
nacheinander durchleben, die es selber, als das Centrum inmitten derselben,
in sich vereinigt. Dann erst ist das innere Bewußtsein eigentlich in
sich selbst zurückgekehrt und hat sich als das Centrum der kosmischen
Hüllennatur und des an dieselbe gefesselten niederen Seelenlebens erkannt.
Während des Aufsteigens des menschlichen
Bewußtseinscentrums aus der physischen Hülle bis in die siderische
hat dasselbe sich von der Natur jener drei Hüllen losgelöst und
sich aus dem niederen Seelenleben herausgehoben. Das aber, was sich der Mensch
dabei bewußt angeeignet hat, ist als bewußtes Leben der eigenen
Seele sein Eigentum geworden. Das, was aber an unterbewußten Naturkräften
in ihm walten blieb, hat er in den verschiedenen Hüllen des Kosmos zurückgelassen,
so wie er auf Erden den physischen Körper (dessen organisches Leben nicht
vom menschlichen Bewußtsein durchdrungen war) als Leichnam den Erdenelementen
und den Naturkräften überlassen mußte. Die Kräfte der
Erde und des Kosmos nehmen dasjenige zurück, was sie dem Menschen vorübergehend
überließen und sogar in gewisser Weise anvertrauten, damit der
Mensch mit seinem inneren Bewußtseinscentrum, dem Spiegelbilde des
Geistes, sich jener Kräfte annehme, um dieselben zu veredeln und zu
seinem Eigentum zu machen. Die niedere Hüllennatur am Menschen stirbt
langsam ab, indem sie in der Natur des Kosmos aufgeht. Ware es dem Menschen
möglich, die ganze Natur seiner drei Hüllen vollständig mit
der Kraft des inneren Bewußtseinscentrums zu erfüllen, so würde
seine niedere Hüllennatur nicht länger in der Natur dos Makrokosmos
aufgehen, sondern der Mensch würde die volle Herrschaft und Macht über
seine dreifache Hülle erhalten, sodaß der Tod ihm dieselbe nicht
entreißen könnte. Ein solcher Mensch wäre dann unsterblich,
nicht nur was seine ewige, höhere Seele und seinen Geist anbetrifft,
sondern auch in bezug auf das an den Kosmos gebundene Seelenleben, das er
durch die Kraft des inneren Bewußtseinscentrums durchleuchtete, verklärte
und sich zu eigen machte.
Das innere Bewußtseinscentrum ist
aber nur ein Spiegelbild des Geistes und kann nicht das vollbringen, was nur
der Geist und zwar der Gottessohn allein ausführen kann.
Das innere Bewußtseinscentrum im
Menschen schwebt zwischen dem niederen Seelenleben, das an den Kosmos gebunden
ist, und dem Leben der Seele, das über die Regionen des Kosmos weit erhaben
ist. Wenn das Bewußtsein sich inmitten der zwölf Phasen der Forma
Sideralis als Eingangspunkt und Centrum erkannt hat und auf sich selbst concentriert,
so wird sich auch die höhere Peripherie als himmlische Seelenkraft offenbaren.
Das innere Bewußtsein ist wie ein Funke, der nicht an sich bestehen
bleibt ohne die Nahrung, die aus der Umwelt kommt und ihm die Möglichkeit
gibt, zur Flamme zu werden. Wenn die untere Flamme des niederen Seelenlebens
gelöscht worden ist, so bleibt der Funke des Bewußtseins zwar
bestehen, doch braucht er dann den belebenden Hauch der himmlischen Seele,
aufdaß aus jenem Funken ein dem Himmelreich zustrebendes Feuer entfacht
werde. Die dreifache Kraft des Lichtes, des Klanges und des Lebens der himmlischen
Seele wird dem Bewußtsein offenbar und führt dasselbe zur Erkenntnis
des eigenen Wesens, sodaß es sich als Abbild des göttlichen Geistes
erkennt. Die Verbindung des Bewußtseinslebens des Menschen mit der
höheren Seelenkraft führt zum bewußten Erleben der All-Einheit,
der Urweisheit, Urschönheit und Urreinheit, jenes einheitlichen Seelenprinzines,
das als die Lichtjungfrau, die Urperipherie des centralen göttlichen
Geistes, des Urcentrums im Himmelreiche offenbar wird. In ihr ist alles seelische
Leben beschlossen, insoweit dasselbe das höhere überkosmische Seelenleben
betrifft, von welchem die an den Kosmos gebundene niedere Seelenkraft nur
das Zerrbild darstellt. Die Lichtjungfrau ist die göttliche Peripherie,
durch welche Christus, der Gottessohn, die Allseele des Geschaffenen als
Einheit, sowie jede einzelne Seele geistig berührt. Jede menschliche
Seele muß erst, zum Ebenbild dieses einen seelischen Urbildes werden,
bevor Christus sich als der göttliche Geist offenbaren wird und jene
menschliche Seele zu seiner Peripherie machen kann. Christus kann sich auf
verschiedene Weise offenbaren; jedoch unmittelbar und im Aspecte des göttlichen
Geistes selber wird Er sich nur der höheren Seele, dem Ebenbilde der
himmlischen Allseele, kundgeben. Vermittelst jener
höheren Seelenkraft im Menschen wird sein inneres
Bewußtseinscentrum sich als der Funke des großen, himmlischen
Feuers, des göttlichen Geistes selber, erkennen. Es wird sich als Eins
mit Christus dem Gottessohn erleben, da es aus Ihm hervorgegangen
ist, durch Ihn besteht und zu Ihm, der Eins ist mit dem Vater, wiederkehren
wird.
Das innere Bewußtsein, das sich
aus der kosmischen Hüllennatur gelöst hat, bleibt in sich selbst
concentriert in jener höchsten Region des Kosmos, die zum überkosmischen
Reiche des Archäums hinüberführt. Der Übergang in das
Archäum geht mit einer ersten Offenbarung der himmlischen Seelenkraft
zusammen; letztere steigert sich bis zum Eintritt in das Reich
des Himmels, wo die Lichtjungfrau in voller Majestät thront. In der
höchsten Region des Kosmos, wo das innere Bewußtsein auf sich selbst
concentriert bleibt, wird es die erste Offenbarung seines eigenen Urbildes
erleben können. Dieses Erleben nimmt zu an Intensität und führt
zuletzt zur Anschauung der Imago Coelestis, des Urbildes des Menschen, das
mit Christus Eins ist.
Der Weg der Einweihung ist das getreue
Abbild jener Erlebnisse, denn er führt das menschliche Bewußtseinsleben
zunächst zur Läuterung (Katharsis) und zur Lösung aus den Fesseln
des niederen Seelenlebens des eigenen Hüllennatur und der des Kosmos.
Die erste Stute, die der Katharsis, geht deshalb zusammen mit dem bewußten
Erleben der eigenen elementalischen und siderischen Hüllennatur. Dann
mußte sich das innere Bewußtsemsleben auf sich selbst concentrieren,
was in vorchristlichen Zeiten mit einem todähnlichen Zustande der dichtesten
Hülle, des physischen Körpers, aus dem sich das Bewußtseinsleben
teilweise zurückgezogen hatte, zusammenhing. Die zweite Stufe der Erleuchtung
des Bewußtsein ist die Belebung des Funkens durch die dreifache Kraft
der himmlischen Seele (des Lichtes, des Klanges und des Lebens) und führt
zur geistigen Erweckung des menschlichen Bewußtseins in überkosmischen
Reichen, im Archäum und im Himmelreiche, wo die Lichtjungfrau als Urbild
der Seele offenbar wird. Nach der Erleuchtung ist das Wesen des Menschen im
Geiste wiedergeboren und kann die dritte Stufe, die des bewußten Erkennens
seines himmlischen, Urbildes als Imago Coelestis und die der Einswerdung mit
dem Gottessohne Christus, erleben.
Das Kommen des Gottessohnes auf Erden
hat dem menschlichen Bewußtsein die Verbindung mit Ihm ermöglicht,
und zwar auch dann, wenn dasselbe sich noch innerhalb des physischen Körpers
befindet und erlebt. Bei jedem Übergang des Bewußtseins aus der
einen kosmischen Hülle in die nächste wird es dem Menschen, der
sich im Geiste mit Christus verbunden fühlt, möglich sein, das innere
Bündnis zwischen dem inneren Bewußtseinsleben und Christus zu
festigen. Wenn das Bewußtseinsleben sich dann aus dem niederen Seelenleben
gelöst hat und auf sich selbst angewiesen, ist, wird es im Innern jenen
Geisteskeim finden, den der Erlöser der Erdenmenschheit durch Seinen
Opfertod und Seine Auferstehung brachte. Weil das innere Bewußtsein
diese Stärkung und geistige Erneuerung erhalten hat, ist es imstande,
sich, während es die Katharsis durchmacht, auch innerhalb der dichtesten
Hülle, des physischen Körpers, aufrecht zu erhalten. Deshalb ist
jener todähnliche Zustand, der mit den vorchristlichen Einweihungen stets
verbunden war, nach dem Erscheinen Christi auf Erden nicht mehr notwendig,
denn es wurde der lebendige Übergang vom kosmischen zum himmlischen Bewußtsein
durch Christus selber geschaffen.
«««««««
IX.
Das Herz als Weisheitscentrum.
Wenn gesagt wurde, daß das innere
Bewußtseinsleben des Menschen, durch den Lebensstrom des Kosmos mitgeführt,
innerhalb der elementalischen Hülle aufwachen wird, so bedeutet das,
daß es heute die Aufgabe der gesamten Menschheit geworden ist, sich
mit dem inneren Bewußtsein in den Kosmos hineinzuleben und mit den Kräften
des Denkens, Wollens und Fühlens dasjenige, was dann als Umwelt erscheinen
wird, bewußt zu erfassen. Wenn man sich dieses Sicheinleben in die
elementalische Welt, zunächst das Elementenmeer, räumlich vorstellen
wollte, so könnte gesagt werden: das innere Bewußtseinsleben des
Menschen und sein Denken, Wollen und Fühlen erweitern sich in der Weise,
daß sie tiefer in das Wesen der materiellen Erdenwelt hineindringen
und gleichzeitig sich anschicken, sich in die Erdensphäre, die sich bis
zur Mondsphäre erstreckt, einzuleben.
Auf diesem psychischen Weg kann die unmittelbare
Einswerdung mit Christus nicht erreicht werden; doch ist es unbedingt notwendig,
daß eine mittelbare Beziehung zum Herrn und König des Universums
und des Himmels dem inneren Bewußtseinsleben des Menschen gegeben wird,
weil diese ihm allein die Kraft verleihen kann, die kosmische Pilgerfahrt
auf richtige Weise zu vollenden. Deshalb soll hier auf Erden schon die innere
Beziehung zu Christus der Ausgangspunkt sein, aufdaß dieselbe innerhalb
einer jeden weiteren Region des Kosmos bewußt aufrecht erhalten und
aufs neue besiegelt werden könne. Auf Erden erschien der Gottessohn als
Mensch unter den Menschen und offenbarte sich den Menschen, damit sie Ihn
als den Gottmenschen und den Menschensohn anerkennen und durch Ihn die Erlösung
erhalten sollten. In die Regionen des Kosmos kam Er zu Wesen aus den Hierarchien,
um diesen die Erlösung zu bringen und nahm für dieselben jene Gestalt
an, die der ihrigen entsprach. Deshalb wird es dem Erdenmenschen, der den
Gottessohn auf Erden, wo Er in menschlicher Gestalt erschien, nicht anerkannt
hat und sich im inneren Bewußtseinsleben nicht mit Ihm verbunden fühlte,
nicht möglich sein, Ihn innerhalb der kosmischen Regionen als den Erlöser,
Christus, zu erkennen, es sei denn, daß Er selber sich einem Menschen
offenbaren will, wie es dem heiligen Paulus geschah.
Da die gesamte Menschheit, wenn auch
noch unbewußt, den Weg betritt, der sonst zur Einweihung führte,
so muß der Hierophant anerkannt und beachtet werden, der jede Einweihung
immer geführt und geleitet hat. Heute ist Christus der große Hierophant,
der die Unwissenden zum Geisteslichte bringt, denn Er allein kann diese Menschheit
führen, sie von ihren Schwächen, Sünden und seelischen Krankheiten
heilen und sie zur Auferweckung im Geiste leiten. Die geistige Begegnung mit
diesem Hohenpriester and Hierophanten findet im Innern des Herzens, im Centrum
des physischen, organischen Lebens und des Lebens der feineren Hüllen
des Menschen statt. Im Herzen verbindet sich der centrale Ausgangspunkt des
physischen Lebens mit dem der elementalischen und der siderischen Hülle.
Das Herz vertritt auch das Centrum des inneren Bewußtseinslebens und
ist die Stätte, wo das Opfer auf dem Altar des Allerheiligsten in dem
Tempel des menschlichen Leibes gebracht wird. Der geistige Keim ist durch
das Opfer des Herzblutes Christi der Menschheit ins Herz gelegt worden,
um aus dem Acker des inneren Bewußtseinslebens die Nahrung zu erhalten
und dort aufzublühen. Das Herz ist ein verschlossenes Gefäß
der Gnade und der Heiligkeit, und wenn dasselbe sich öffnet, so strömen
die innere Gnade und das geistige Leben nach außen und vereinigen sich
wiederum mit dem göttlichen Geiste. Nicht nur der ganze Kosmos ist im
Herzen enthalten, sondern auch der ganze Himmel liegt ihm geschlossen; im
geistigen Keim liegt das wahre Wesen des Menschen, sein himmlisches Urbild,
verborgen.
Schon in vorchristlichen Zeiten wußten
die weisen Brahmanen des alten Indien, die in die Vedanta Weisheit eingeweiht
waren, daß in dem Herzen jener Keim des großen Atma verborgen
lag, durch den die Einigung des Djiwatmas, des menschlichen Ichwesens, mit
dem großen Atma aus dem es hervorgegangen war stattfinden konnte. Wenn
das Herz des Menschen rein geworden ist und in sich selbst aufgeht, so geht
es in die große All-Einheit des Atma ein, — so wurde damals gelehrt.
Über die individuelle geistige Beziehung
des menschlichen Wesens zu Christus konnte damals nicht gelehrt werden, als
die Person Christi noch nicht auf Erden bekannt war, da sich das göttliche
Lichtwesen, durch welches alles Geschaffene entstanden war, zwar innerhalb
der Regionen des Kosmos, aber noch nicht auf Erden offenbart hatte.
Die weisen Brahmanen betrachteten das
Denken auch wie eine Tätigkeit des Herzens, weil damals die Spaltung
zwischen dem Herzen und dem. Gehirn noch nicht so stark auftrat. Das Denken
geschah durch eine Kraft, die unmittelbar aus dem inneren Erleben des Herzens
hervorquoll und sich nach oben zum Gehirn wandte. Deshalb war dieses Denken
eine lebendige, schaffende Kraft, die aus dem inneren Bewußtseinscentrum
des Menschen aufsteigen konnte und dann vermittelst der Gehirntätigkeit
reguliert und differenziert wurde. Das Denken war eine Tätigkeit, wodurch
der aus dem Herzen hervorsprudelnde Strom der lebendigen Weisheit vermittelst
des Gehirns geregelt und geordnet wurde, aufdaß diese Weisheit in der
Form der concreten Gedanken der Außenwelt Überliefert und für
sie aufbewahrt werden konnte. Die überlieferten Gedanken sollten wiederum
das Gehirn anderer berühren, dann aber bis zum Herzen der Betreffenden
dringen, und so den umgekehrten Weg zurücklegen, um das innere Bewußtseinsleben
anderer zu stärken.
Die große Spaltung zwischen dem
Herzen und der Gehirntätigkeit bereitete sich erst in Ägypten vor,
wo nach einer jahrhundertelangen Blütezeit die Weisheitsquelle der wahren
Mysterien versiegen mußte, weil sich Idas Volk den niederen Kulten der
benachbarten Völkerschaften hingab und sie den wahren Weisheitsmysterien
vorzog.
Die griechische Kultur und ihre Mysterien
sind auf das gegründet, was eine Nachwirkung aus jenen Zeiten ist, wo
noch die Weisheitsquelle aus dem Herzen der ägyptischen Mysterien floß
und die Kraft des Denkens beleben konnte. Doch ist es hauptsächlich das
vom Gehirn erfaßte Schattenbild des mächtigen Stromes der lebendigen
Weisheit, das die Mysterien und die Kultur des alten Hellas hervorbrachte.
Der Strom selber floß nicht unmittelbar in jene Kultur ein, denn das
Herz der mächtigen Mysterien Ägyptens wurde vom letzten, wahren
Hohenpriester der alten Weisheit, Moses, hinausgetragen. Dieses innere Centrum
der Mysterien, in dem das große Zeichen, als das Symbol des allerheiligsten
Namens Gottes eingeschrieben war, bildete die Anknüpfung zwischen Gott
und der Menschheit. bis die Zeit kam, wo Christus, der Sohn Gottes, selber
auf Erden erschien, um Seinen göttlichen Geist mit der Menschheit zu
verbinden. Im alten Ägypten klang noch die Gewalt des göttlichen
Wortes, vermittelst der Mysterienweisheit, mit der nach außen hin gerichteten
Kultur zusammen, deshalb ist diese ägyptische Kultur so monumental, so
gewaltig, so tief und feinsinnig. Hier sind keine Unbestimmtheiten, denn alles
Denken geht aus dem inneren, centralen Erleben hervor, und alles Schaffen
ist aus dem Leben der Seele selbst entstanden. Die Wissenschaft ist kristallisierte
Weisheit, die Kunst ist kristallisierte Schönheit. Jede materielle Form
ist der Ausdruck eines weisheitsvollen Gedankens der Harmonie und des Ebenmaßes,
die sich zweckmäßig verkörpert haben. Sogar die einfachsten
Gegenstände, die für den alltäglichen Gebrauch angefertigt
wurden, trugen ein ähnliches Gepräge. Die Tragik des alten Hellas
besteht darin, daß nur das Schattenbild der lebendigen Weisheit aus
den ägyptischen Mysterienstätten die Basis der Mysterien und Kultur
Griechenlands bildete. Der eigentliche Lebensstrom fehlte; wohl konnte jenes
Schattenbild veredelt und verfeinert werden und klug und schön ausgearbeitet
sein, doch niemals hatte es jenes innere Leben, das nur unmittelbar vom Herzen
ausströmt und nicht aus dem Gehirn entstehen kann. Das ist der Unterschied
zwischen der Mysterienweisheit und der Kultur Ägyptens und der des Hellas,
daß die erstere mit dem inneren Lebensstrom, der aus dem göttlichen
Centrum hervorging, durchdrungen war, während die letztere nur von dem
schon Vorhandenen zehrte, das zwar bearbeitet und umgeformt wurde, doch nur
den schwachen Abglanz des inneren Lebens aufweisen konnte. Deshalb macht auch
das Allerbeste, was die Mysterien und die Kultur Griechenlands hervorbrachten,
immer den Eindruck eines sehr vollkommenen Abbildes der Weisheit, der Schönheit
und des inneren Lebens, jedoch nicht den des Wesens jener drei Prinzipien
selber, im Vergleich mit dem, was einmal in Ägypten war.
Die innere Kraft, die einstmals mit den
Mysterien Ägyptens verbunden war, als noch das große Zeichen seine
Gewalt innerhalb der letzteren ausübte, ist übertragen worden auf
das Allerheiligste, das mit der Bundeslade dem israelitischen Volke durch
Moses überliefert wurde. Auch in der Heiligen Schrift ist diese innere
Kraft, die nunmehr unmittelbar auf das innere Bewußtsein im Centrum
des Herzens einwirkt, ohne den Weg über das Denken und die Gehirntätigkeit
zu nehmen, zu finden. Nicht nur mit dem Denken, sondern unmittelbar mit der
im Herzen waltenden Weisheitskraft muß die Heilige Schrift erfaßt
werden, wenn der Inhalt derselben, dem inneren Wesen nach, verstanden sein
will. Wo die Heilige Schrift nicht in der Weise erfaßt worden ist, bleibt
die innere, tiefste Bedeutung derselben unverständlich, denn das Denken
vermittelst des Gehirns allein ist nicht dazu geeignet, so unmittelbar auf
das innere Herzensleben zur zurückzugreifen, daß es das dort eingeschriebene,
verborgene Zeichen Gottes zu deuten vermag.
Die Wiedervereinigung zwischen Herz und
Gehirntätigkeit im geistigen Sinne wurde wieder eingeleitet durch das
Kommen Christi, des geistigen Herzens der Menschheit, auf Erden. Dasselbe
machte zunächst den Weg nach dem Lande Ägyptens zurück, und
dann offenbarte es seine Gotteskraft im Lande und dem Volke der Hebräer,
wo der Menschensohn den Opfertod erleiden und vom Tode auferstehen sollte.
«««««««
X.
Das innere Herzensleben.
Während der ersten Jahrhunderte
nach Christus war es die Aufgabe der christlichen Menschheit, das innere
Seelenleben zu reinigen, auf daß das Herz, als das Centrum des inneren
Bewußtseins, in welchem der neue Geisteskeim im Verborgenen ruhte,
nun in sich selbst aufgehen konnte. Das Willens- und Gefühlsleben sollte
geläutert werden, auf daß die niedere Natur umgewandelt und zur
Dienerin des höheren Seelenlebens erhoben werden konnte. Dann konnte
sich auch der machtvolle Strom der lebendigen Weisheit und des inneren geistigen
Lebens von dem geläuterten Herzenscentrum aus zu dem Gehirn hinwenden,
um dort dem in den Menschen einstrahlenden Lichte der geistigen Erleuchtung
zu begegnen und dann wiederum zum Herzen zurückzukehren, um dort das
centrale Bewußtseinsleben zu ergreifen und zu durchleuchten.
Als dann die große Mehrzahl der
Menschen diese Aufgabe nicht erfüllt hatte und die Läuterung des
Herzens nicht eintrat, da konnte sich das innere Bewußtseinsleben jener
Menschen nicht vom Centrum aus zum einstrahlenden Geisteslicht erheben, weil
dieses Centrum starr und dunkel geblieben war und immer noch an der niederen
Hüllennatur haftete. Das Herz war nicht gereinigt, war nicht in sich
selbst aufgegangen, deshalb entstand dann wiederum eine Trennung zwischen
jenem inneren, centralen Herzensleben und der Gehirntätigkeit. Zwar
wirkte das von oben her abstrahlende Geisteslicht der Erleuchtung anregend
auf die Gehirntätigkeit, doch konnte letztere das hohe Geisteslicht nicht
verinnerlichen und nicht zum Herzen zurücksenden, weil die belebende
Strömung des inneren Lebens nicht stark genug auf die Gehirntätigkeit
einwirken konnte.
Das Geisteslicht leuchtete zwar in
das Denken hinein, doch konnte es dasselbe nicht erfüllen; es konnte
auch das schwere, ungeläuterte Herz nicht erreichen, nicht in die Dunkelheit
desselben hineinleuchten. Es wurde mit der Zeit diese geistige Spaltung zwischen
Gehirn- und Herztätigkeit immer größer, so daß die
spätere Kultur nicht einmal mehr die Höhe und Tiefe der des alten
Griechenlands erreichen konnte und nur zur Zeit der „Renaissance" ein schwaches
Abbild derselben wiederzugeben vermochte. Das vom Herzenscentrum abgetrennte
Denken führte die Menschheit immer tiefer in das Reich der Schatten
hinein, wo nur die blassen Abstractionen noch als dämmerhafte Gedanken
formen hin und her schwebten; denn die Erleuchtung drang nicht in das Wesen
des Menschen selber ein und konnte nur die an das Gehirn gebundene Denkkraft
von außen her anregen. Das Herz aber blieb starr und stumm, verschloß
das innere Leben in sich und wandte sich mehr zur niederen Natur hin.
Die Menschheit fühlt sich stolz und rühmt
sich ihres concreten, praktischen, rationalistischen Denkens, das kalt, kritisch
und mitleidslos der Außenwelt gegenüber, nur noch sich selbst
als Mittelpunkt und Ziel betrachtet. Das Herz aber wird verleugnet und das
innere Leben desselben erstickt, denn ebenso stolz wie die Menschheit auf
ihr Denken ist, als ebenso entwürdigend betrachtet sie es zu steigen,
daß ein inneres Herzensleben im geistigen Sinne noch in ihr verborgen
liegt.
Einst blühte die Mystik; die übernatürliche
Weisheit und die Schönheit bildeten sich in Wissenschaften und Künsten
ab. Das alles ging vorbei, denn die Mystik, die aus dem geistigen Herzensleben
der christlichen Kirche a1s der lebendige Weisheitsstrom hervorging und sich
erhob zur geistigen Denkkraft, durch deren Licht das innere Geistesleben
dann in Gedanken und Worten gebildet und geformt wurde, um sich der Außenwelt
kund zu tun, wurde immer seltener. Statt dessen erschien das vom Herzensleben
abgetrennte und abstracte Denken, das ohne die belebende Kraft des Herzens
nichts Lebendiges, daher auch nichts wesentlich Geistiges hervorbringen kann,
sondern nur schattenhafte Gedankenarmen bildet. Das Gehirn kann wohl das
Herzensleben spiegeln, abklären und ordnungsgemäß in bestimmte
Formen einteilen, doch nie von sich aus schaffend tätig sein, ohne die
Belebung jener Weisheitskraft und jenes inneren Bewußtseinslebens, das
an das Centrum des Menschenwesens, das Herz, geknüpft ist. Der Mensch
selber wird zwar die abstracten Gedanken mit seinem Gehirn aufnehmen und verarbeiten,
doch nie werden jene Gedankenformen, die ohne die belebende Kraft des Herzens
durch die bloße Gehirntätigkeit entstanden sind, das innere Wesen
eines Menschen ergreifen. Dieselben bleiben wohl am Menschen hängen,
als wären sie zu seiner Peripherie geworden, doch nie erreichen, sie
das Centrum des inneren Lebens selber.
Die übernatürliche Weisheit
verschwand aus der Wissenschaft, sowie auch die übersinnliche Schönheit
aus der Kunst; erstere wurde zur bloßen Erforschung irdischer, natürlicher
Dinge; letztere wurde zur Nachbildung derselben. So steht die Menschheit
heute an einem Punkte, wo es — mit wenigen Ausnahmen — keine wahre Mystik,
keine wahre Wissenschaft und keine wahre Kunst mehr gibt, und dieser Punkt
wird zum Wendepunkt werden müssen.
Die leere Wüste des seelischen
Lebens, der innere Tod des centralen Geistesleben im Menschen ist entstanden,
weil das Herz ungeläutert blieb und deshalb in sich verschlossen, dunkel
und der niederen Natur zugewandt ist. Beim Herzen muß der Mensch wiederum
anfangen und dieses innere Centrum als das verschlossene und kostbarste Heiligtum
des Tempels öffnen. Doch nur reine Hände vermögen es, jene
goldenen Tore zu berühren.
Alles Irren und Suchen in der Außenwelt
nach neuen, belebenden Kräften oder nach anderen Heiligtümern ist
nutzlos. Das schärfste Denken, der größte Tatendrang, die
gefühlvollste Schwärmerei, sie alle werden nur ablenken vom einigen
wahren Wege und weiter nichts erreichen können. Die Menschheit, die
ihr eigenes Innenleben seit Jahrhunderten vernachlässigte und dem innersten
Herzensleben den Rücken zuwendete, um nur in die Außenwelt hineinzuschauen,
sie soll sich umwenden und in das innerste Heiligtum eingehen, wo sie das
Allerhöchste, das Eine, was ihr nötig ist, finden wird. Dort ist
dann auch der Schlüssel zu finden, der dem Menschen die großen
Geheimnisse seiner Umwelt eröffnet. Nicht länger wird er a u f
diese Umwelt blicken, wenn er sich ihr wiederum zuwendet, sondern er wird
dann i n dieselbe hineinschauen und dadurch das richtige Verständnis
für sie erhalten. Denn wenn der Mensch sich selbst im Geiste gefunden
hat und das Geheimnis seines innersten Wesens ergründete, dann wird ihm
auch die Außenwelt ihr inneres Wesen erschließen.
Die Heilige Schrift spricht von dem
Bau des großen, mächtigen Tempels Salomos, des weisen Königs,
der die ihm innewohnende Weisheit in diesem wunderbaren Bauwerke abbilden
wollte. Dieser Tempel war das Symbol des gesamten Kosmos, des Archäums
und des Himmels, das auf Erden errichtet werden sollte, weil das göttliche
Wort, durch das alles geschaffen worden war, als der Erlöser der Menschheit
in Menschengestalt auf diese Erde kommen würde. Wie die Vorbereitung
zu Seinem Kommen, wie die Stätte, wo Sein Geist walten sollte, und wie
ein Vorbild desjenigen, was die Seele des Volkes, innerhalb dessen Christus
erscheinen würde, darstellen sollte, war der Bau jenes Weisheitstempels
gemeint. So wird im Alten Testament der Bau des Tempels der Vorbereitung
beschrieben.
Das Neue Testament spricht von dem
mächtigen Tempel zu Jerusalem zur Zeit, da Christus auf Erden lebte.
Es spricht vom Allerheiligsten mit seinen goldenen Toren, seinen Reichtümern
und von dem mächtigen Hohenpriester, von den Ältesten, Schriftgelehrten
und Pharisäern. Auch dieser Tempel ist der Ausdruck der Seele des Volkes,
in dessen Mitte Jesus Christus als Mensch geboren wurde und lebte. In diesem
Tempel redet zwar Christus, doch nicht wie an der Stätte, die für
Ihn errichtet worden war, nicht wie Einer, der das Recht erhielt, das Allerheiligste
im Tempel zu betreten. Wie ein Außenstehender, ein Fremder steht Er
diesem Tempel gegenüber, denn dieser mächtige Bau ist von einem
anderen Geiste erfüllt als dem Seinigen. Aus diesem entweihten Tempel
treibt Er die Wucherer, Wechsler und Händler aus wie unreine Elemente,
die dort eingedrungen sind. Den Priestern, Schriftgelehrten und Pharisäern,
die zum Tempel gehören, wirft Christus ihre Heuchelei, Würdelosigkeit,
ihren Stolz und ihre Machtgelüste vor, und an dem Maß und der
Größe Seiner Weisheit lernen sie den eigenen Mangel an Weisheit
kennen. Während Seines Lebens auf Erden blieb dem Menschensohne das Allerheiligste
im Tempel verschlossen; Christus selber war es nicht erlaubt, das innerste
Heiligtum zu betreten, wohl aber durfte es der Hohenpriester, der den Erlöser
kreuzigen ließ. Hier ist fürwahr der treffende Beweis dafür,
wie leer und hohl, wie trügerisch und lasterhaft jener Geist geworden
war, der den scheinbar so mächtigen und äußerlich imposanten
Tempel zu Jerusalem zur Zeit Jesu Christi beherrschte. An dieses zweite Bild
des Tempelgebäudes, das innerlich so gottverlassen war, so daß
Christus keinen Platz noch Würdigung darin fand, ist ein drittes Bild,
das des zerstörten Tempels, geknüpft. Diese Zerstörung beginnt
in dem Augenblicke, als der Erlöser am Kreuze stirbt, wie es der Hohenpriester
befohlen hat. Der Vorhang des Allerheiligsten zerriß; das Allerheiligste,
als das Herz des Tempels, in dem für Christus kein Platz gewesen, mußte
zerbrechen im Augenblicke, da das mächtige Herz der Menschheit und des
Alls den menschlichen Körper auf Erden verließ.
Das wahre Herz und der wahre Tempel
der Menschheit, als der auferstandene Leib Christi, der nach drei Tagen wiederum
erbaut war, blieben der Erdenmenschheit bewahrt. Das verdorbene Herz des
entweihten Tempels aber zerbrach, und der Tempel verlor damit sein Lebenscentrum,
so daß die gänzliche Zerstörung dann bald folgen mußte.
Mit drei Zuständen können
drei Epochen der Menschheit verglichen werden.
In den vorchristlichen Zeiten errichteten
diejenigen, die das Kommen Christi auf Erden voraussahen, da sie Ihn schon
innerhalb der kosmischen Regionen geistig schauen konnten, den Tempel der
esoterischen Weisheit, die .wahren Mysterienstätten. Innerhalb derselben
wurden die Menschen auf das größte aller Ereignisse vorbereitet,
bis auf die Zeit, wo das größte, das göttliche Mysterium
auf Erden erschien.
Christus kam als der reine, heilige
Tempel, in dessen innerstem Heiligtum die gefallene Erdenmenschheit ihr wahres,
himmlisches Urbild erkennen sollte, da Er dasselbe wiederum mit jener Menschheit
verbinden wollte. Diejenigen, die Ihn anerkannten und sich zu Ihm, als zu
dem Gottessohne, bekennen, bilden die wahre Menschheit auf Erden. Die Ihn
verworfen haben und nicht anerkennen wollen, stehen noch heute unter der
Herrschaft jenes verdorbenen Geistes, der einstmals innerhalb des scheinbar
unverwüstlichen Tempels zu Jerusalem und innerhalb dei Priesterschaft
desselben waltete; und dieser Geist führt auch noch heute zur Verwüstung
und zur Vernichtung derer, die ihm dienen.
Von dem physischen Körper, der
elementalischen und der siderischen Hülle des Menschen kann erst wie
von einem Tempel geredet werden, nachdem Christus, da Er in Menschengestalt
auf Erden lebte, die menschlichen Hüllen geweiht hat und seine göttliche
Kraft in das innerste Heiligtum, das Herz des Menschen, legte, Die dreifache
Hülle des Menschen ist kosmischirdisch, und die Natur derselben ist
dualistisch wie der Kosmos und deshalb nicht dem inneren, wahren Wesen des
Menschen entsprechend. Im Tempel des menschlichen Leibes wohnen deshalb niedere
Naturkräfte, als unreine Tierwesen, als Schacher und Wucherer, die
den Tempel verunreinigen, solange nicht der Geist Christi jene Dämonen
verjagt und den Tempel gesäubert hat. Erst nach der Reinigung des Tempels
kann Christi Geist denselben erleuchten und endlich in das innerste Heiligtum
desselben als der Erlöser, der Hohepriester und der Hierophant, eintreten.
Dann erst wird der Tempel zum Haus Gottes, wenn Christus im Herzen des Menschen
bleibend wohnt.
Doch soll dasjenige, was als Seiner
unwürdig befunden wird, absterben und vernichtet sein, auf daß
der neue Tempel erbaut werde. Der mystische Tod soll im inneren Menschen
stattfinden, auf daß die Auferweckung im göttlichen Geiste erlebt
werde. Doch wenn ein Mensch die Reinigung und die Erleuchtung des Tempels,
sowie der Einzug Christi in sein Herz, als die Einswerdung mit Ihm, nicht
erlebt hat, so bleibt die kosmisch-irdische Hülle des natürlichen
Menschen jenem unreinen Tempel gleich, dessen innerstes Heiligtum dem Gottessohne
verschlossen war, wahrend die Geister der Unreinheit und anderes Gesindel
einen freien Zutritt haben.
Das innere Bewußtseinscentrum
im Herzen des Menschen ist dem Hohenpriester gleich, der nur dann ein wahrer
Priester sein kann, wenn der Geist Christi ihn erfüllt. Auch das innerste
Heiligtum soll Christus völlig angehören, denn das Herz des Menschen
teilt das Schicksal seiner Hüllennatur und bleibt derselben teilweise
zugewendet, solange es an sich bleibt und der dualistischen Natur des Kosmos
unterworfen ist. Der Kosmos, so wie derselbe sieh gestaltet hat, ist ein
Kampfplatz, wo sich die Hierarchien der Engelwesen, die den Willen Gottes
ausführen, und andere Wesen, die sich jenem Willen widersetzen, begegnen.
Der Widerstand findet seinen Ausdruck in der immer dichter werdenden Materie
im Kosmos bis auf jene festere Materie der physischen Welt, die die letzte
Folgewirkung jenes Widerstandes innerhalb der niedersten Region des Kosmos
darstellt. Deshalb bildet jene physische Welt auch die letzte Grenze des Gebietes,
wo die gottergebenen Hierarchien wirksam sind. Was tiefer liegt, gehört
dem Reiche des Widersachers allein an und liegt in unterkosmischen Regionen.
Innerhalb der kosmischen Regionen leben solche Wesen, die zwar ihrer Natur
nach, doch nicht dem Geiste nach, teilweise vom göttlichen Leben abgefallen
sind. Für diese Wesen, zu denen die kosmisch-irdische Menschheit gehört,
führt der Weg aus der dichtesten materiellen Welt hinaus durch die Befreiung
von der dichtesten Hülle, vom physischen Körper. Für diese
Wesen, welche innerhalb der niedersten kosmischen Region verkörpert
leben müssen, ist der Tod die natürliche Befreiung von der dreifachen
Hülle, die ohne die Mitwirkung des Bewußtseinscentrums stattfindet.
Der innere, mystische Tod ist aber eine übernatürliche Befreiung,
eine Überwindung und eine Verwandlung der dreifachen Hüllennatur
als eine Verklärung jener Natur, ohne daß die Hülle selbst
dabei abgelegt wird und das innere Bewußtseinsleben sein Wirken innerhalb
der physischen Welt aufzugeben hat. Der natürliche Tod führt zur
Vernichtung des Tempels, weil derselbe unrein und dem wahren inneren Wesen
des Menschen nicht angepaßt war; es muß das Herz zerbrechen,
damit das im unerleuchteten, inneren Heiligtum weilende Geistesleben frei
werde. Der übernatürliche, mystische Tod bewirkt die Reinigung und
Erleuchtung des Tempels, damit der Geist Gottes in das innere Heiligtum des
menschlichen Herzens einziehen kann.
Das physische Herz des Menschen weist
eine Einteilung in vier Kammern auf, und diese entspricht demjenigen, was
im Kosmos die Teilung des Raumes in vier Richtungen darstellt. Das Herz als
Lebenscentrum des menschlichen Körpers, des Mikrokosmos, hat für
diesen Organismus dieselbe Bedeutung wie die centrale Sonne, das Lebenscentrum
des Kosmos, es für jenen großen Organismus, den Makrokosmos, hat.
Das Lebenscentrum der elementalischen und der siderischen Hülle fällt
mit dem physischen Lebenscentrum im menschlichen Körper zusammen. In
letzterem liegt der Anknüpfungspunkt zwischen den drei
genannten Hüllen des Menschen, und deshalb muß, in esoterischem
und symbolischem Sinne, das Herz immer als das Lebenscentrum des physischen
Körpers betrachtet werden, weil eben letzterer nur vermittels des Anknüpfungspunktes
mit der Lebenskraft der elementalischen und der siderischen Hülle als
lebendiger, einheitlicher Organismus bestehen bleibt.
Im Makrokosmos hat sich das physische
Centrum im Corpus Materiale des Kosmos in eine Vielheit von physisch wahrnehmbaren
Centren, als Sonne mit ihren Planetensystemen, zerspaltet, die sich doch
alle um ein Centrum bewegen. Dieses einheitliche Centrum ist in der Forum
Elementalis und in der Forma Sideralis wahrnehmbar und fällt in beiden
zusammen sowie im Herzen des Mikrokosmos. Den unmittelbaren Anblickt dieser
siderisch-elementalischen Sonne können die Geschöpfe, die in physischen
Hüllen leben, mit den Sinnesorganen ihres Körpers nicht wahrnehmen.
Der Mikrokosmos enthält, als Abbild
der verschiedenen, zur Sonne gehörigen Planeten, diejenigen Hauptorgane,
die unmittelbar um das Herz herum liegen. Der weitere Umkreis, der die Begrenzung
des menschlichen Organismus darstellt, ist mit der gesamten Welt der physisch
wahrnehmbaren Gestirne zu vergleichen. Der Kopf des Menschen als die nach
oben hin projizierte Spiegelung des centralen inneren Bewußtseins des
Herzens und das Organ der nach oben gerichteten Denkkraft hat die siebenfache
planetarische Einteilung nicht innerlich und central, sondern nach außen
gerichtet und peripherisch ausgebildet; diese zeigt sich in jenen sieben
Öffnungen, durch welche die Sinnesorgane zur Umwelt in Beziehung treten.
Das Herz des Menschen wird von einer
vertikalen und einer horizontalen Linie durchschnitten, wodurch die Einteilung
in die vier Kammern entsteht. In der Mitte jenes inneren Kreuzes, wo die
beiden Linien einander schneiden, liegt der winzig kleine und doch unermeßliche,
allumfassende Punkt, wo das innerste Bewußtsein lebt und webt. Dort
hat die centrale Willenskraft ihren Sitz, und dort ist auch der Geisteskeim
in das Herz versenkt worden, der den Menschen mit seinem Erlöser verbindet.
Wenn jene Linien im Herzen nach draußen
weitergezogen werden, erstreckt sich die vertikale Linie nach dem Kopfe und
nach den Füßen des menschlichen Körpers und zeigt die vertikale
Haltung desselben an.
Im Makrokosmos entspricht diese Linie
der Nord-Süd-Richtung und auf der Erde selber der Linie, die Nord- und
Südpol verbindet.
Wird die horizontale Linie durchgezogen,
so folgt diese der Richtung der ausgestreckten Arme des Menschen und entspricht
im Makrokosmos der Ost-West-Richtung, auf Erden der Äquatorlinie. Wenn
der Mensch sich so mit ausgebreiteten Armen aufstellt, dann wird an ihm die
Kreuzesform wiederum sichtbar, aber diesmal nicht im Innern, wie im Herzen,
sondern äußerlich.
Bei dieser äußeren Kreuzesform
bilden sich die inneren Kreuzeslinien mit dem Centrum in der Mitte derselben
ab und projizieren sich nach außen. Das Herz breitet sich über
die Umwelt aus, der Wille wird dabei zur Tat, das innere Bewußtseinsleben
erfaßt und umfaßt seine Umgebung, der Geist, der im Herzen lebt,
offenbart sich nach außen — das große Opfer, die Opferung des
innersten Wesens des Menschen in völliger Hingabe, zum Heile der Welt,
wird dadurch symbolisiert. Wenn noch die Verbindungslinie zwischen den vier
äußersten Punkten des menschlichen Körpers, dem Kopfe, den
beiden Händen und Füßen gezogen wird, dann ergibt diese Linie
eine ovale Form, die, wie das Gebilde eines großen, erweiterten Herzens,
den ganzen Körper des Menschen umschließt.
Dieses Symbol und die tiefere Bedeutung
desselben können den Menschen, der sich ernsthaft jene Linien in die
Seele schreiben will und das Vorbild und das Ziel des inneren Menschenwesens
damit vorgezeichnet sieht, mit neuem Geistesleben erfüllen. Nicht tote
Striche, sondern lebendige Strömungen sind die Linien des inneren Herzenskreuzes
und die des äußeren körperlichen Kreuzes am Menschen, Vom
inneren Herzenskreuze ausgebend, soll der Mensch mit diesem Kreuze sich nach
außen hin, sich selbst opfernd, sich hingebend für seine Umwelt,
erleben. Dadurch wird ihn ein neues, inneres Seelenleben erfüllen, so
daß allmählich (wenn es regelmäßig und täglich
betrachtet wird) eine innere Verwandlung im Menschen vorgeht. Er wird von
selbst ein unendlich tieferes Empfinden erhalten für das, was mit der
Kreuzigung Christi geschehen ist, wenn das innere Kreuz und das Centrum des
Herzens bezogen werden auf das Erlösungsopfer Christi, auf das Erbarmen,
die Liebe und das unendliche Mitgefühl, die Er im Herzen trug, als
Er sich zur Erlösung der Menschheit opferte und das Blut aus der Herzwunde
floß. Das Kreuz des Körpers, als das veräußerlichte
Kreuz, wird auf die Kreuzigung Christi auf Golgatha bezogen, wo das im Innern
des Herzens lebende Erbarmen und die Liebe zur Tat geworden sind, und wo
die Worte des Erlösers ausgesprochen werden: „Es ist vollbracht!"
Wenn das innere Wesen des Menschen
sich vom Herzen aus, wo es in der Verborgenheit das Kreuzeszeichen erlebt,
nach außen offenbart, wird der wahre innere Mensch sich innerhalb
der materiellen Welt immer wie an jenes Kreuzeszeichen, das durch den eigenen
physischen Körper dargestellt ist, gefesselt erleben.
Eine regelmäßig durchgeführte
Gedankenconcentration auf jenes Bild und eine Meditation der Seele darüber
bildet den Ausgangspunkt zu dem, was nicht mehr bloß auf Tatsachen
der materiellen Welt hinweist, sondern zu dem Gebiet des Übernatürlichen
hinüberführt. Der Mensch, der sich auf diese Weise auf sein eigenes
Innenleben besinnt und sich dabei für eine kurze Zeit der Sinneseindrücke
und der Umwelt verschließt, wird sich allmählich einer neuen inneren
Kraft bewußt werden, die, vom Herzen ausstrahlend, sein inneres Wesen
belebt, das innere Seelenleben durchleuchtet und den ganzen Organismus wie
mit innerer Warme und innerem Lichte durchflutet. Das Herz, als erster Ausgangspunkt
und als die Urquelle jener belebenden, neuen Kraft, teilt dieselbe dem äußeren
Körper mit, und diese „Äußere Projizierung des inneren Herzens
strahlt auch in die Umwelt jene starke Kraft weiter aus.
Wenn das geschehen ist, beginnt das
Herz sich zu öffnen, und es tritt eine neue Phase der Offenbarung
des inneren Lebens ein. Das innere Centrum, in der Mitte der Kreuzeslinien
des Herzens, durchbricht geistig die materielle Begrenzung und bahnt dem
inneren, an den physischen Körper gebundenen Bewußtseinsleben
des Menschen den Weg zu einer neuen Welt.
Gleich wie das materielle Samenkorn
sich öffnet, wenn die hervor-sprießende Gestalt der Pflanze sich
zu entfalten beginnt, eröffnet sich das Kreuz im Herzen und aus der
Mitte desselben geht eine neue Blüte hervor. Nicht wie die physische
Pflanzenform aus dem physischen Samen erscheint jene Herzensblüte in
materieller Gestalt, sondern sie ist das Gebilde des elementalischen Herzens,
das innerhalb der elementalischen Hülle des Menschen eine ähnliche
Stelle einnimmt wie die des physischen Herzens im physischen Organismus.
Das innere Bewußtseinsleben erhält dadurch ein neues Centrum,
mit dem es sich verbunden fühlt; das vorher an das physische Herz gebundene
Bewußtsein erwacht dann zum elementalischen Leben, in dem es eine neue
Welt vorfindet. Das elementalische Leben tritt aus dem materiellen hervor,
und das innere Bewußtsein des Menschen erstreckt sich über dieses
neue Gebiet. Dann wird der Mensch sich innerlich bewußt, daß
außer der materiellen Welt des größten Widerstandes und
der starren Formen noch eine andere Welt besteht, wo die Beweglichkeit und
die Durchdringlichkeit Haupteigenschaften bilden. Er wird erleben und verstehen,
daß alle Beweglichkeit, sei es innerliche oder äußerliche,
die in der materiellen Welt und den physischen Organismen vorhanden ist,
aus jener elementalischen Welt kommt, die, wie das große Elementenmeer,
das kleinere Gebiet des Physischmateriellen umspült und durchflutet.
Die Wellen jenes Meeres sind belebend,
erwärmend und leuchtend, so daß die erstarrte, kalte und finstere
Welt des größten Widerstandes nur deshalb zu den Lebewesen in
Beziehung treten kann, weil jene elementalischen Kräfte die Vermittler
sind zwischen den in der materiellen Welt verkörperten Lebewesen selber
und den physischen Hüllen, die sie bewohnen. Die materielle Welt, ohne
die belebenden elementalischen Kräfte, wäre wie die Erde, ohne die
ihr zuströmenden und die sie durchdringenden Lebenskräfte der Sonne;
kein Lebewesen würde auf jenem erstarrten, kalten, finsteren Klumpen
grauer, lebloser Materie bestehen können. Das Verhältnis zwischen
der Sonne und der Erde ist hier als Symbol genommen für die belebende,
licht- und wärmespendende Kraft der Sonne und die ohne dieselbe an sich
erstarrte, finstere Erde. Doch können die Sonne und ihre Kräfte
noch als zur materiellen Welt gehörig betrachtet werden, während
es sich mit der elementalischen Einströmung in die materielle Welt um
eine unendlich viel subtilere Kraft handelt, die deshalb auch nicht, wie das
Licht und die Wärme der Sonne, physisch wahrgenommen wird. Der physische
Ausdruck für das innere Zusammenwirken zwischen den Sonnen- und den Erdenkräften
ist das irdische Pflanzenreich. Wie ein Zwiegespräch, nicht in toten
Buchstaben und Worten, sondern in farbigen Gebilden geführt, nimmt sich
das Wunder der Pflanzenwelt aus. Es ist als ob die der Erde leise zugeflüsterten
Farbentöne, die mit den Sonnenstrahlen als Wärme, Licht und Leben
zu ihr kamen, nunmehr die Antwort erhielten in den aus der Erdentiefe hervortretenden
Pflanzengestalten, eine Antwort aber, die der Natur der Erde entspricht und
sich deshalb in materieller Gestalt offenbart. Das Leben, das Licht und die
glühende Pracht der Sonne strahlt die Erde auf ihre Weise zurück,
und wie ein leuchtender Strahl, der aus dem farblosen Boden der Erde emporschießt,
tritt das Pflanzengebilde hervor, das von einer kleinen, farbigen Sonne gekrönt
wird, der Elementalis erstrecken sich noch weiter über diese materiellen
Gründe hinaus, nachdem sie dieselben durchdrungen haben. Es könnte
jenes Durchdringen und Umringen verglichen werden mit dem Charakter eines
flüssigen und dem eines luftigen Elementes, die beide die feste Materie
durchdringen und umringen, obwohl das erstere gröber und schwerer, das
letztere feiner und leichter ist. Die oberen elementalischen Kräfte,
die mit dem Luftkreis verglichen wurden, bilden wiederum den Angriffspunkt
für die Durchdringung und Umringung der feineren, siderischen Kräfte,
wie das die unteren elementalischen Kräfte in bezug auf die gröberen
physischen tun. Der physische Körper des Menschen wird ebenso von den
elementalischen und siderischen Kräften umringt und durchdrungen, sodafi
auch der ihn unmittelbar umgebende Raum von jenen Kräften durchsetzt
ist.
Wenn das physische Herz mit seinen
Kreuzeslinien als das Symbol der physischen Welt betrachtet wird und die
Entstehung der leuchtenden Blüte im Centrum des Kreuzes als das Symbol
der elementalischen Welt, so wird das Licht der hauptsächlich nach
den vier Raumesrichtungen ausstrahlenden Blüte nicht zusammenfallen
mit den vier Kreuzeslinien. Die vier Ausstrahlungen der leuchtenden Blüte
sind elementalische Kräfte; die Kreuzeslinien bilden aber physische
Kräfte ab, deshalb offenbaren sich die elementalischen Licht- und Lebenskräfte
am stärksten da. wo der scheinbar leere Raum sich zwischen den vier
Kreuzeslinien befindet, denn dort wirken diese Kräfte ungehemmt und
außerhalb der physischen. Wie vier Licht- und Lebenscentren, durch
das Hauptcentrum ausgestrahlt, durchdringen diese elementalischen Kräfte
die vier Herzkammern und leuchten über diese hinaus, zwischen den Kreuzlinien
des Herzens. Wenn der Mensch die beiden Arme ausstreckt und das äußere
Kreuz bildet, strahlen jene vier Lichtcentren ebenso nach außen und
erfüllen den leeren Raum zwischen Kopf und Armen, Armen und Füßen,
während das Herz selbst mit der centralen Lichtblüte in seiner
Mitte auch als Centrum des äußeren körperlichen Kreuzes
betrachtet werden kann. So entsteht das Gebilde des physischen Kreuzes mit
den vier elementalischen Licht- und Lebenscentren, die vom Hauptcentrum
ausgestrahlt werden.
Wenn der Mensch sich jenes Gebilde
in Gedanken vorstellt, sich auf dasselbe concentriert und mit der ganzen
Seele sich in dasselbe vertieft, so wird ihm jenes Kreuz mit dem einen Lichtcentrum
und den vier Blüten, wie vier Rosen zwischen den Linien des Kreuzes,
zum Zeichen des Lebens werden. Durch diese erste, elementalische Deutung
jenes heiligen Zeichens wird der Mensch allmählich tiefer in das große
Geheimnis der Kreuzigung Christi eindringen, und die Wundem des Erlösers
werden zu Centren des neuen Lebens, das die Welt des größten Widerstandes
besiegte; aus jenen geheiligten Centren des Lichtes und des Lebens strömte
der Erdenmenschheit die allesbezwingende, allesbesiegende Macht und Gewalt
des Gottessohnes zu.
Christus, als Mensch ans Kreuz genagelt,
ist das Bild, das die Menschheit geistig aus der Gewalt der Erdenkräfte
befreit; Christus als Auferstandener, der noch nicht zum Vater aufgefahren
ist, wie Er sich Maria Magdala und den Aposteln und Jüngern zeigte,
ist das Bild des in der elementalischen Hülle der Erde noch weilenden
Erlösers, der die Kraft des Heiles und die Verklärung bringt. Auf
Erden wandelnd in verklärter Lichtgestalt, ist Er als leiblich von dem
Tode Auferstandener jedoch nicht als ein Bewohner der Erde oder als Mensch
unter der Erdenmenschheit zu betrachten. Bei der Himmelfahrt steigt Christus
aus der Erdensphäre heraus und in den großen Kosmos hinein, um
durch die höchste Region desselben zum Reiche des Himmels zurückzukehren.
Ein Übergang aus der elementalischen
Hülle in die siderische ist immer mit einem Aufsteigen und einem Hinübertreten
in eine weitumfassendere Region des Kosmos verbunden. In bezug auf die Erde
ist dieser Übergang ein Heraustreten aus der niederen elementalischen
Erdensphäre (die sich von der Erde bis zur Mondsphäre erstreckt)
in die höhere elementalische Sphäre (die bis zur Sonnensphäre
reicht). Die siderische Hülle der Erde (oder Sphäre) fließt
unmittelbar in die des großen Kosmos gleichwie das Wasser des Flusses
in den Ozean.
Die siderischen Kräfte durchdringen
und umringen die elementalischen und letztere wiederum die physischen; sobald
die siderischen Kräfte aber über die beiden ändern hinausrücken,
gehören sie unmittelbar zur siderischen Region des gesamten Kosmos,
wo jede Zerteilung und Zerstückelung aufhört, und wo alles in den
einen großen kosmischen Organismus, der nur noch eine zwölffache
Einteilung (keine Zerteilung) aufweist, Inbegriffen ist. Diese zwölffache
Einteilung gründet sich auf die vier Kreuzespunkte, die dann auf dreierlei
Art vorhanden sind.
Das Symbol des siderischen Lebens ist
nicht allein das Kreuz, sondern die Linie des Aufstieges innerhalb des Kosmos,
die von der Welt des größten Widerstandes ausgeht und bis in die
höchste kosmische Region hineinreicht. Diese Linie gestaltet sich bis
zum Lebensbaum, der in der materiellen « Welt wurzelt, seine Äste
innerhalb der höheren Regionen des Kosmos ausstreckt und mit dem Wipfel
den Höhepunkt des Kosmos erreicht. An jenem Punkte steht der mächtige
Erzengel, der die Pforte zum Eingang in das überkosmische Reich bewacht.
Zwischen den Ästen des Baumes bewegen sich jene Wesen, die zu den siderischen
und elementalischen Regionen des Kosmos gehören und in entsprechenden
Hüllen leben. Der Mensch aber und ! jene Wesen, die mit ihm innerhalb
der materiellen Welt ihr Leben verbringen, wandeln unten am Fuß des
Baumes und wissen nichts vom Dasein desselben, denn mit den physischen Augen
ist der Lebensbaum, der aus siderischen und nicht aus grob-physischen Stoffen
gewoben ist, nicht wahrzunehmen.
Wenn im Innern des Herzens die Fesseln
des materiellen Kreuzes seelisch durchbrochen werden und das Herz in sich
aufgeht und zum Blühen kommt, dann steigt aus der centralen Blüte
geheimnisvoll der leuchtende Strahl hervor, der sich zum Lebensmark des werdenden
Baumes gestaltet. Von der aus elementalischem Lichtstoffe gewobenen Blüte
steigt die, feinere siderische Lichtlinie auf, und das innere Bewußtseinsleben
erhebt sich auf jenem Lichtbaum aus dem elementalischen Leben in das siderische.
Dieser Lebensbaum, der in der Mitte
des menschlichen Herzens seine Wurzel hat, der aus dem elementalischen Leben
zum siderischen aufwächst, verzweigt sich innerhalb der entsprechenden
kosmischen Regionen, bis sein Wipfel den Höhepunkt im Kosmos erreicht
hat. Denn dieser Baum ist wie ein Sproß des großen makrokosmischen
Lebensbaumes und mit diesem auf das innigste verwachsen.
Dem inneren Bewußtseinsleben
des Menschen aber werden sich immer mehr Wesen und Welten offenbaren, die
alle zum Kosmos gehören und in diesem leben, wenn auch nicht in physischer
Gestalt. Die göttlichen Engelboten und die Diener des Widersachers,
mächtiger und größer als der irdische Mensch selber ist, wird
er erblicken und während seines bewußten Aufstieges in die höheren
kosmischen Regionen kennen lernen. Dabei wird es dem Menschen auch nicht
erspart bleiben, die Früchte des Guten und die des Bösen zu erblicken,
auf daß er selbst aus freier Wahll den richtigen Weg erkenne und ihm
folge bei seiner Pilgerfahrt durch den Kosmos. Wenn das innere Bewußtseinscentrum
im Herzen des Menschen erwacht und sich auf richtige Weise in diese höheren
kosmischen Regionen einlebt, so daß es gegenüber den verschiedenen
Wesen, denen es dort entgegentreten wird, die richtige Stellung einzunehmen
vermag, dann wird das positive Bild des Kosmos dem Menschen als das Abbild
des Archäums erscheinen, und die negative Schattenseite des Kosmos wird
zurücktreten. Der siderische Lebensbaum wird dann von dem Lichte, dem
Klingen und dem Lebenshauch, die aus den himmlischen Reichen in den Kosmos
einströmen, umgeben sein. Es sind dieselben Kräfte, die auch die
siderische Hülle des Menschen umwehen und beleben, wenn diese von den
dunklen Kräften der niederen Natur gereinigt worden ist. Die Einheit
aller Wesen, die der Lichtseite des Kosmos angehören, wird sich noch
stärker und intensiver fühlen lassen als im elementalischen Leben.
Jene Sehnsucht, die das Aufgehen der Herzensblüte und das Einströmen
des Lichtes aus der einheitlichen elementalischen Sonne bewirkte, hat sich
im Mark des aus der Herzensmitte herauswachsenden Lebensbaumes verinnerlicht
und ist zur Wirklichkeit des siderischen Lebens geworden.
«««««««
IX.
Die Reinigung (Katharsis) des Herzens.
Die drei Stufen der Einweihung sind
jenem Bewußtsein des Menschen anzupassen, das innerhalb der drei Hüllen
im Kosmos lebt. „Selig sind die reines Herzens sind, denn sie werden Gott
schauen", spricht Christus; nur das gereinigte Herz kann das kreuzförmige
Siegel seines inneren Lebens öffnen, und nur aus dem reinen, geläuterten
Herzen kann das Lichtcentrum als die Blüte einer inneren Verklärung
und Erleuchtung des Herzens her vorgehen. Nur aus jener inneren Erleuchtung
heraus kann der Aufschwung, der zu dem siderischen Leben führt, zur
Einigung mit der positiven Lichtseite des Kosmos stattfinden. Das Bild des
Kreuzes ist immer wieder der Ausgangspunkt für dag höhere Leben
im Menschen, sei es, daß es sich unmittelbar auf das Geistesleben, die
Einswerdung mit Christus auf dem spirituellen Weg, sei es, daß es sich
auf den mittelbaren Aufstieg des inneren Bewußtseinscentrums in den
Kosmos und in die eigenen Hüllen des Menschen auf dem psychischen Weg
bezieht. Das Kreuz wird zum Stamme des Lebensbaumes des Kosmos, nachdem die
Lichtblüten des neuen Lebens seinem dürren Holze entsprossen sind.
Die Reinigung des Herzens bedeutet
zugleich die Reinigung des Willenscentrums, der Denkkraft und des Empfindungslebens
im Menschen. Wenn das Herz die Fesseln des materiellen Erlebens innerlich
zersprengt und im elementalischen Leben aufblüht, so treten auch die
drei dem inneren Bewußtseinsleben verwandten Kräfte des Denkens,
Wollens und Fühlens in das elementalische Leben ein, um dort in einer
entsprechenden Weise tätig zu sein. Nicht länger durch jene Kräfte,
die in der Welt des größten Widerstandes mächtig sind, gebunden
und gehemmt, wird sich das von den Fesseln des physischen Organismus befreite
Denken, Wollen und Fühlen unendlich kraftvoller, intensiver und umfassender
gestalten können. Die aufwärtsstrebende Denkkraft, die aus dem
erwachten Bewußtseinsleben hervortritt, wird nicht mehr ein blasses,
abstraktes Spiegelbild vereinzelter Tatsachen abgeben und nicht mehr analysierend,
kombinierend und kritisierend wirken, sondern das Denken wird eine bewußte
Aufnahme und Verarbeitung jener Weisheit sein, die aus dem Leben der kosmischen
Forma Elementalis strömt und auch die elementalische Hülle des Menschen
durchflutet und umspült. Es wird nicht wie in der materiellen Welt über
ein bestimmtes Objekt gedacht, sondern das Denken wird von der Weisheit erfüllt
und ernährt werden, wodurch es zu einer schöpferischen, lebendigen
und harmonischen Kraft werden kann. Die durch das Denken hervorgebrachten
Formen und Gebilde sind farbige, leuchtende und belebte Wesen, die wie eine
elementalische Peripherie das schöpferische Denkcentrum um geben. Denn
alles blasse, farblose, durch die materiellen Bedingungen und starren Begrenzungen
eingeengte Leben blüht in dem elementalischen Leben zu intensiverem,
umfassenderem und freierem Dasein auf.
Die Willenskraft gestaltet sich im
elementalischen Dasein zu einem Centrum der Stärke, von dem die Kraft
des lebendigen Schaffens ausströmt. Diese Kraft bewirkt, daß
das Gewollte sich sogleich zur Realität gestaltet und zwar zu Formen,
Figuren und Gebilden, die machtvoll auf das Willenscentrum reagieren und
wie ausgesandte Diener sich dorthin bewegen, wohin der Wille es gebietet.
Deshalb kann eine ungereinigte Willenskraft, wenn diese in der elementalischen
Hülle des Menschen centralisiert wird und bewußt nach außen
tritt und in der entsprechenden Welt zu wirken anfängt, eine schreckliche
Verheerung anrichten, wenn auch zunächst nicht in der materiellen Welt
selber.
Der Mensch, der sich in der elementalischen
Hülle nicht bewußt erlebt, kann von der elementalischen Welt aus
leicht beeinflußt werden, und wenn die Einwirkung schädlich ist,
wird dieselbe mittelbar auch dem physischen Körper Nachteil verursachen.
Auf diese Gefahr ist schon hingewiesen, als von magischen Einwirkungen die
Rede war.
Im Lebenscentrum der elementalischen
Hülle, das als das elementalische Herz betrachtet werden kann, verbindet
sich das innere Bewußtseinsleben mit der Kraft des Wollens. Von diesem
Centrum aus wird die Verbindung mit anderen elementalischen Lebewesen hergestellt;
auch steigt von diesem Centrum aus die Kraft des Denkens aufwärts nach
jenem elementalischen Nebencentrum, das im physischen Körper dem Kopfe
entspricht.
Die Kraft des Fühlens bewegt sich,
vom Lebenscentrum ausgehend, zunächst abwärts und durchdringt dann
die ganze elementalische Hülle. Sowie das Denken in der elementalischen
Hülle zur lebendigen, schaffenden Kraft der Weisheit geworden ist, wird
das Fühlen zur gestaltenden, bildenden Kraft der Schönheit. Die
Harmonie, die Schönheit, als sich in der Form offenbarende Weisheit,
durchflutet und umringt das Fühlen in der elementalischen Hülle.
So ist das Elementenmeer dann ein von Weisheit, Kraft und Harmonie der Schönheit
durchdrungenes Lebenselement für jene Wesen, die bewußt die positive
Lichtseite dieser kosmischen Region erleben können. Doch ist dort auch
die Schattenseite vorhanden, die von den entgegengesetzten Kräften erfüllt
ist. In dieser werden die Wesen zum Bewußtsein kommen, die nicht die
lichten, sondern die dunklen Kräfte des Kosmos im eigenen Innenleben
entfaltet haben und diesen infolgedessen dann auch äußerlich begegnen
müssen, da sie mit denselben verbunden sind.
Die Offenbarungen der Weisheit, Lebenskraft
und Schönheit, die schon in der Natur und den Gestalten der materiellen
Welt zu finden sind, werden innerhalb des elementalischen Lebens unendlich
mächtiger und lichtvoller, denn der dichteste Schleier der Natur ist
dort gehoben worden. Das Schwere, Undurchdringliche und Finstere der gröbsten
Materie der physischen Welt wird in der elementalischen Hülle zu einem
feineren, lichtvolleren Stoff, und statt des starren, beharrlichen Widerstandes
der festen physischen Formen erscheint eine Beweglichkeit und Verwandlungsfähigkeit
in bezug auf Umfang und Form. Es kann dadurch auch zwischen den elementalischen
Hüllen und ihrer Umwelt eine inwendigere Verbindung bestehen, denn alles
lebt und webt mehr ineinander in dieser Welt. Deshalb tritt auch hier nicht
mehr das Gefühl der Absonderung, der Vereinsamung und des Abgeschlossenseins
so stark auf, wie das in der materiellen Welt und beim Leben im physischen
Körper der Fall ist.
Doch ebenso wie sich die Weisheit,
die Lebenskraft und die Schönheit an der Natur des elementalischen
Lebens intensiver und stärker offenbaren als an der Natur der materiellen
Welt, so treten auch in dem ersteren die entgegengesetzten Kräfte stärker
und unmittelbarer in die Erscheinung. Jene Kräfte, die in der irdischen
Natur als chaotisch, verheerend, als häßlich und disharmonisch
auftreten, steigern sich ins Unermeßliche, wo dieselben innerhalb der
elementalischen Natur wirken und dort, ungehindert durch den größten
Widerstand, weniger stark begrenzt durch die festen Formen der materiellen
Welt, ihr Spiel treiben können. Dann wird hinter dem gelüfteten
Schleier ein Schreckensbild offenbar, denn, wo einmal die physischen Hemmnisse
gefallen sind, ist auch ihr Schutz verschwunden, und die beweglichen und
wandelbaren Grenzen der elementalischen Formen bieten dem inneren Leben wenig
Sicherheit gegen das Einbrechen der tobenden, brausenden Wellen des in Aufruhr
geratenen Elementenmeeres. Wie eine Schnecke in ihr Gehäuse, kann sich
der innere Mensch in seine physische Hülle zurückziehen, wenn er
befürchtet, dem Anprall äußerer Ereignisse nicht gewachsen
zu sein. In der elementalischen Hülle kann sich der innere Mensch nicht
auf eine derartig äußere Weise schützen; da muß sich
das innere Bewußtseinsleben selbst den Schutz bilden; von innen heraus
muß es selbst Widerstand leisten und wie eine Art geistige Wand aufrichten,
an welcher dasjenige abprallt, was an das innere Leben nicht herankommen soll.
Das Denken, Wollen und Fühlen des Menschen soll von den chaotischen,
verheerenden und unharmonischen Kräften der elementalischen Natur nicht
überwältigt werden, wenn das Bewußtsein innerhalb der elementalischen
Hülle lebt. Der Mensch, der selber die dualistische Natur der dreifachen
Hülle des Kosmos in der Natur seiner physischen, elementalischen und
siderischen Hülle spiegelt, wird unbedingt die Kräfte der Lichtseite
sowie die der Schattenseite jener Natur an sich selbst und an seiner Umwelt
erleben müssen, so lange er die eigene Hüllennatur nicht geläutert
hat, so daß die dunkeln Kräfte dem Menschen nichts mehr anhaben
können.
Wenn der Mensch diese Läuterung
seiner niederen Natur bewußt durchmacht, während er in der physischen
Hülle lebt, wird er noch den äußeren Schutz jener festen,
starren Umhüllung und Begrenzung empfinden und sich unterdessen im Innern
die geistigen Kräfte aneignen, die dann von innen nach außen hin
die geistige Wand erbauen, die ihm als Abwehr gegen schädliche Einflüsse
von außen dienen wird. Da die siderische Hülle die elementalische
Hülle durchdringt, umringt und belebt, und beide die physische Hülle
beleben (sowohl im Kosmos wie in einem jeden physischen Körper), so
kann der Mensch, der im physischen Körper lebt, schon die Natur seiner
elementalischen und seiner irdischen Hülle reinigen und verklären.
Dadurch kommt er mit der Lichtseite des Kosmos, als der reinen Natur desselben
in Beziehung, und wenn das innere Bewußtseinsleben dann in den feineren
Hüllen des Menschen erwacht, ist er Herr über die eigene niedere
Natur geworden und hat die geistige Scheidewand zwischen sich und den zerstörenden
Naturgewalten errichtet.
Hieraus wird wohl ersichtlich sein,
wie außerordentlich wichtig es ist, daß sich der Mensch vorbereite
und nicht unwissend und unbewußt den Einflüssen der elementalischen
Strömungen, die heute in die materielle Welt hineinzufließen beginnen,
ausgesetzt bleibe. Wenn jene elementalischen Strömungen auf ein Herz
stoßen, das nicht in sich aufgegangen ist, sondern dem elementalischen
Leben verschlossen blieb, so gehen jene Strömungen an dem inneren Bewußtseinsleben
vorbei und fließen ungehemmt und unbewußt in jenes Denken, Wollen
und Fühlen hinein, das ungeläutert und an die materielle Welt gefesselt
geblieben ist. Dieses Denken, Wollen und Fühlen wird dann zwar beeinflußt
und belebt, doch kann es sich nur in der physischen Hülle, an die es
gebunden blieb, ausleben. Dadurch nimmt es eine abnorme Form an, die der
Natur der physischen Hülle nicht mehr angemessen ist und deshalb zerstörend
auf sie wirkt. Dieses pervers gewordene Denken, Wollen und Fühlen wird
dann auch im unterbewußten Leben im Menschen, verlaufen, da jene elementalischen
Kräfte das innere Bewußtseinsleben nicht berührt haben.
Die sonst von dem Bewnßtseinscentrum im physischen Körper aufwärtsstrebende
Denkkraft wird darin teilweise durch die aus der elementalisdien Strömung
auftauchende Kraft des Fühlens betäubt und in das unterbewußte
Leben heruntergezogen, wo sie zu bloßem Instinkte und abnormer Schlauheit
wird. Die Willenskraft verzerrt sich im unbewußten Leben zur abnormen
Vergnügungssucht und zum perversen Triebleben. Die Kraft des Fühlens
wird auf ähnliche Weise heruntergezogen und nimmt die widerlichsten
und wüstesten Formen auf dem Gebiete des abnormen Empfindungs-
und Sinnesleben an. Das Herz aber, das den elementalischen Licht- und Lebenskräften
verschlossen blieb, ist wie ein Stein, der in das Wasser des Meeres getaucht
und wohl äußerlich befeuchtet wird, doch innerlich das eigene,
trockene, finstere und starre Wesen des Mineralischen an sich behält.
Das Herz wird zwar durch die Wellen des Elementenmeeres umspült, doch
es bleibt dabei innerlich dem Steine ähnlich, der den Zustand des Physisch-Mineralischen
darstellt, und gleicht dem dürren Holze, das nicht ergrünen kann.
Anders ist es, wenn das Herz die leuchtenden
Blüten entfaltet und das Siegel des bloß physischen Daseins, als
die Kreuzeslinien im Innern desselben, seelisch durchbricht. Dann nehmen
jene Blüten die elementalischen Lebensströme in sich auf, ernähren
und tränken sich mit denselben und führen sie, der centralen Lichtquelle
des Herzens zu. Die vier Blüten und die centrale Lichtquelle entsprechen
den vier Hauptströmungen im Elementenmeere, die sich um die eine zentrale
Stromquelle bewegen. Diese fünf Strömungen fließen in die
elementalischen Hüllen jener Wesen, die im Elementenmeere leben, ein
und aus und stellen die Verbindung zwischen den einzelnen Hüllen und
dem gesamten elementalischen Leben dar. Im physischen Körper ist die
innere Wirkung der fünf Strömungen, mit der jener sieben Hauptorgane,
die um das Herz herum liegen, verbunden. Nach außen hin zeigen sich
jene fünf elementalischen Strömungen an dem physischen Körper
als die fünf Sinne, die eine Brücke zwischen der Außenwelt
und dem inneren Leben bilden. Diese fünf elementalischen Strömungen
bilden auch den Ausgangspunkt zu dem, was sich in der physischen Welt als
die vier Elemente zeigt, die von dem einen centralen Urelement ausgehen,
das nicht physisch wahrnehmbar sein kann.
Dieses centrale Element muß als
ein Centrum des Lichtes, des Klanges und des Lebens betrachtet werden, aus
welchem zunächst die beiden Elemente des Feuers und der Luft und dann
die des Wassers und der Erde entstehen. Im physischen Körper weist die
Lebenswärme, die im Herzen und im Blutumlauf besteht, auf das Element
des Feuers hin; der Atmungsprozeß steht mit dem Element der Luft in
Verbindung, während die Bewegung der Säfte, der Drüsen, der
Ausscheidung usw. Beziehung zum flüssigen Element des Wassers hat; die
festen Stoffe und das Knochensystem zeigen ihre Verbindung mit dem Elemente
der Erde oder dem festen Elemente.
Das elementalische Leben belebt und
durchdringt den physischen Körper, wenn auch unbewußt. Und der
Körper selber besteht aus jener Materie, die durch das Ineinanderweben
der vier physischen Elemente entstehen konnte. Das elementalische Centrum,
das dem physischen Herzen entspricht, ist für die elementalische Hülle
ebenso ein Lebenscentrum, das der Licht und Wärme ausstrahlenden Sonne
gleicht. Mit dieser elementalischen Herzenssonne ist jene elementalische Strömung,
die sich im physischen Körper durch das Organ der Augen und das Sehvermögen
kundgibt, am innigsten verbunden. Die elementalische Welt, insbesondere was
ihre obere über das Elementenmeer hinausragende Hälfte betrifft,
ist hauptsächlich eine Welt des Schauens und des Erkennens und Empfindens
des Geschauten, als Weisheit.
Das Leuchten dieser Welt ist ein Leben
in Farben, und die Farben sind da wiederum ein Ausdruck des Lebens.
Die Weisheit, die Stärke und die
Schönheit offenbaren, sich in jener Welt in strahlendem, farbigem Lichte;
das, was sich in der siderischen Welt mehr als Klang und als das Leben selbst
offenbart, wird in der elementalischen Welt zunächst in Licht und Farbenpracht
erlebt. Besonders dort, wo das Licht der elementalischen Sonne nicht mehr
mittelbar durch das Elementenmeer hindurch geschaut wird, sondern unmittelbar
und unverschleiert, wird das Leben in der elementalischen Welt zu seiner
Farbenharmonie, in die schon die Klänge der tönenden Weisheit aus
der siderischen Welt hineinströmen, um dort zu Lichtgestalten zu werden.
Wenn in der physischen Welt Farben
gesehen werden, so sind es die farbigen Oberflächen an den physischen
Formen und Gestalten, die dem Auge begegnen, und es ist immer das Äußere
der Dinge, an welchem sich die Farbe zeigt und auf welche das Auge stoßen
muß. Die elementalische Welt hat keine so scharfen Grenzscheidungen
zwischen ihren verschiedenen Formen und Gestalten und zwischen dem Inneren
und dem Äußeren der Dinge. Zwischen der äußeren Form
und dem inneren Leben ist der Unterschied weniger groß wie in der physischen
Welt; auch ist die Starrheit letzterer aufgehoben durch die Beweglichkeit,
Verwandlungsfähigkeit und Durchdringbarkeit der Formen und Gestalten.
Jene Farben, die in der elementalischen Welt gesehen werden, sind eigentlich
der Ausdruck des inneren Lebens selber, das mehr oder weniger stark in einer
bestimmten Farbennuance offenbar wird. Der individuelle Charakter des inneren
Lebens gibt sich nach außen als eine bestimmte Farbe kund, also als
eine besondere Strahlenbrechung des weißen Lichtes. In der elementalischen
Welt kommt hauptsächlich der bestimmte Typus der inneren Seelenempfindung
in den Lichtfarben zum Ausdruck, denn die Kräfte des Fühlens und
die des Lichtes stehen dort in einem innigen Zusammenhang. Weil in der elementalischen
Welt die Strahlenbrechung des einheitlichen weißen Lichtes nie so scharf
und abgegrenzt sein kann wie in der physischen Welt, so sind die elementalischen
Farben leuchtender, schillernder, durchsichtiger und zarter nuanciert als
die, welche mit dem physischen Auge gesehen werden. Auch strahlt das innere
Leben durch sie hindurch, so daß ein inneres Leuchten die Farben hell,
strahlend und lebendig macht. Die kosmische Forma Elementalis enthält
das Abbild der sieben Farben in den großen Planetensphären ihrer
oberen Hälfte, die über das Elementenmeer hinausragt. Von diesen
strahlen die drei unteren Sphären mit der Sonnensphäre hauptsächlich
ihr Licht in das Elementenmeer ein. In diesen sieben Planetensphären
bildet sich das Licht des siebenfarbigen Regenbogens des Archäums ab,
jenes Reiches, das überkosmisch ist, und das reine, ungetrübte
Urbild des ursprünglichen Kosmos (im Sinne der Bedeutung des Wortes
Schmuck) darstellt.
Der Mensch, der mit dem inneren Bewußtseinsleben
und dem Denken, Wollen und Fühlen an den physischen Körper gefesselt
bleibt, betrachtet die materielle Welt, die ihm vermittelst seiner fünf
Sinne zugänglich ist, als die einzige Wirklichkeit. Sobald ihm aber
das eigene Herz aufgeht, und die Lichtquelle desselben die materiellen Grenzen
seelisch durchbricht, wird dem Menschen die neue Welt des Lichtes eröffnet.
Das Licht im Herzen wird eine mehr innerliche Welt, als die physische ist,
erschließen, und wie das physische Herz dem Menschen dann vorkommen
wird wie die materielle Schale, aus welcher der innere Lichtkern hervorbrach,
so werden alle Formen, Grenzen und Gegenstände der physischen Welt wie
eine Art von äußeren Schalen, die das innere Leben einhüllen
und verbergen, erscheinen. Innerhalb der elementalischen steht die physische
Welt mit ihren starren, engen Formen und ihrer Begrenzung da, wie eine Art
von äußerer Bühne mit Kulissen, zwischen welchen die menschlichen
Schauspieler in verschiedenen Gestalten, ihren Rollen gemäß, auftreten
und abgehen. Diese relative, vergängliche Welt, die scheinbar bleibend
und fest, doch in Wirklichkeit immerfort im Werden und Vergehen ist, teilt
diese Eigenschaft auch den Körpern aller Lebewesen, die dort eine Zeitlang
leben müssen, mit.
Die Vedanta-Weisheit spricht vom physischen
Körper als: „Form der Nahrung" und „dichtestem der Schleier, der das
Innere des Menschen davon abhält, sich mit dem höchsten Wesen eins
zu wissen."
In allen Zeiten ist es das Ziel der
Weisen und Asketen gewesen, jenen Schleier durch innere Reinheit des Herzens
so durchsichtig und klar zu gestalten, daß die Undurchdringbarkeit und
Undurchsichtigkeit desselben überwunden wurden. Das vollständige
Heben dieses Schleiers geschieht nur auf dem spirituellen Wege, der durch
die Einswerdung mit Christus gekrönt wird. Die Mystiker und Eingeweihten
der christlichen Mysterien sind Beispiele für den unmittelbaren Aufstieg
aus der materiellen Welt zum geistigen Leben. Der heutigen Menschheit aber
steht ein. unbewußter, unfreiwilliger Eintritt in die elementalische
Welt bevor. Sie hat den spirituellen Weg nicht gewählt, sondern sich
der materiellen Welt derartig mit Herz und Seele verschrieben, daß sie
nicht einmal mehr verstehen kann, was ihr in der nächsten Zukunft bevorsteht.
Wenn sich der dichteste Schleier des materiellen Lebens einigermaßen
heben wird, tritt die irdische Menschheit in eine Welt, die ihrem Denken,
Wollen und Fühlen fremd ist, und wo sie andere Wahrnehmungsorgane braucht
als die, welche auf die physische Welt allein Bezug haben.
Wie die vier Lichtblüten aus dem
einen, centralen Lichte im Innern des Herzens heraus strahlen, so können
nur aus diesem Lichte diejenigen Centren in der elementalischen Hülle
des Menschen entstehen, durch welche ihm die elementalische Welt offenbar
wird; wie das innere seelische Leben das äußere physische Herz
durchdrang und darüber hin aus strahlte, so werden die Sinne, die der
elementalischen Welt angepaßt sind, mit jener mehr innerlichen und
umfassenderen Tätigkeit, die dieser Welt entspricht, wirksam sein. Doch
wie der Mensch im physischen Leben mit offenen Augen dastehen und dennoch
nichts wahrnehmen kann, solange das innere Bewußtseinsleben abwesend
ist, so werden auch alle Wahrnehmungen in der neuen Welt nur dann zum Menschen
durchdringen können, wenn sein Bewußtseinscentrum innerhalb jener
Welt und in der eigenen elementalischen Hülle erwacht ist und als Empfänger
jener Sinneseindrücke auftritt.
Von den physischen Sinnen können
der Geschmack und Geruch als die zwei niedrigsten und gröbsten betrachtet
werden, weil sie sich auf die Aufnahme einer gröberen Materie, wie das
mit den andren Sinnen der Fall ist, beziehen. Der Geschmack ist mit den
Bedürfnissen des physischen Körpers betreffs der Ernährung
verbunden, also mit dem Auswechseln der gröberen Materie, sei es in
fester oder flüssiger Form, zwischen den verschiedenen Körpern.
Der Geruch hat mit einer feineren Art des Auswechselns zu tun, nämlich
mit dem der Stoffe in luftförmigem Zustande, sowie mit dem Bedürfnis
des Atmens in bezug auf den physischen Körper. Auf diese beiden Sinne
folgt der Tastsinn, im Sinne der äußeren Berührung der grobstofflichen
Formen und Gegenstände untereinander, sowie diese in der Welt des größten
Widerstandes und der festen, starren Formen empfunden werden. Weil diese
drei Sinne als die niedrigsten betrachtet werden können, so sind sie
auch die ersten, auf welche der Mensch beim ersten Eintritt in den unteren
Teil der elementalischen Welt, dem Elementenmeere, stoßen muß.
Diese Sinneseindrücke verinnerlichen
sich dort und werden zu einem Kosten, Prüfen und Empfinden, der Umwelt
und den Lebewesen gegenüber. Dies führt zur Anziehung oder Abstoßung,
zur Verbindung in Sympathie oder zur Entfernung aus Antipathie in bezug auf
die Lebewesen und ihre elementalischen Hüllen untereinander. Das innere
Gefühl, als Empfindung der Sympathie oder Antipathie bei einer äußeren
Berührung, bildet die Brücke zwischen äußerem und innerem
Empfinden; und der Gefühlssinn kann deshalb als der äußerlichste
und zugleich als der innerlichste Sinn betrachtet werden. Gerade da, wo die
harten Grenzen der festeren Materie in ein bewegliches flüssiges Element
übergehen, wird der äußere Gefühlssinn sich von selbst
einigermaßen verinnerlichen, und das ist der Fall innerhalb der elementalischen
Welt.
In der oberen Hälfte der Forma Elementalis wird dieses Gefühl
intimer, feiner und unmittelbarer, wie auch die beiden höheren Sinne
des Sehens und des Hörens des physischen Körpers im Elementenmeere
und erst recht über dasselbe hinaus zu einer ungehemmten stärkeren
Wahrnehmungskraft werden.
Das Erleben der Licht- und Farbenwelt,
das wie ein inneres Schauen in der elementalischen Hülle des Menschen
auftritt, entfaltet sich erst völlig über dem Elementenmeere, in
der höheren elementalischen Welt. Dasselbe gilt für das Wahrnehmen
des tönenden, klingenden Lebens in jener Welt, das ein inneres Hören
auf die äußeren Harmonien der Sphären und auf das innere
Seelenleben der Lebewesen in denselben bedeutet. Dieses tönende Leben
strömt aus einer höheren Region des Kosmos in die Forma Elementalis
ein und wird deshalb nur im höheren Teil derselben unmittelbar vernommen.
Es ist die Lebenssymphonie der Forma Sideralis, die sich kundgibt, denn das
siderische Leben ist feiner, umfassender und mächtiger als das elementalische
und durchdringt und umgibt letzteres, so wie dieses wiederum das physische
umgibt. Die auf Erden wahrnehmbaren Töne sind in materielle und in elementalische
Stoffe gehüllte, siderische Klänge, denn auf Erden ist nicht einmal
der nur in elementalischem Stoff gehüllte Ton hörbar. Wie die Wesen
der physischen Welt blind sind für die elementalische Lichtwelt, so
sind sie taub für die siderische Welt des Lebensklanges, und das zwar
einmal für den Widerhall jenes Klanges in der elementalischen Welt und
doppelt für den Klang der siderischen Welt selber.
Dennoch gibt es keinen Organismus,
keine Form und keine Gestalt innerhalb des Kosmos und somit auch in der
physischen Welt, die nicht durch jene siderische Lebenssymphonie und Harmonie
der Sphären gebildet und aufgebaut worden sind. Lange bevor eine physische
Form in der materiellen Welt wahrnehmbar wird, haben sich in den höheren
Regionen des Kosmos die siderischen und die elementalischen Atome zusammengefunden,
um den Grund zu jener Form zu legen, die sich später verdichtet bis
zum Physischen und dann erst den Gestalten dieser Welt entspricht.
Nur deshalb kann die Lichtquelle aus
dem inneren Herzen herausbrechen, nur deshalb kann aus jener elementalischen
Lichtquelle der siderische Lebensbaum hervorsprießen, sich zum Himmel
richten und mit seinen Ästen alle kosmischen Sphären durchdringen,
weil sowohl das siderische wie auch das elementalische Leben im Herzen, dem
Centrum des physischen Lebens, verborgen liegen und einmal wieder hervorwachsen
müssen, sei es auch erst nach dem Tode beim Ablegen der physischen Hülle
oder bei der freiwilligen Aufgabe des nur materiellen Lebens durch das Bewußtwerden
in der elementalischen Hülle und der entsprechenden Welt.
In der elementalischen Hülle des
Menschen spiegeln sich die sieben planetarischen Sphären als sieben
Hauptkräfte, die ihre Wirkungen um das Centrum, das elementalische Herz,
herum ausüben. Dieses Herz ist die centrale Lichtquelle, deren Ausstrahlung
durch genannte Kräfte differenziert wird, wie das weiße Licht sich
in Farben zerteilen läßt. Jene Kräfte sind wie eine innerlich
wirkende Sinnestätigkeit, die sich der Außenwelt nicht unmittelbar
zuwendet, sondern im Organismus selber verläuft. Jene sieben Kräfte
entsprechen den sieben Hauptorganen des physischen Körpers, die auch
das physische Herz umgeben. Dieses innere Planetarium, das in der elementalischen
Hülle ein reges, bewegliches Farbenspiel hervorruft, erhält seine
Lebenskraft aus dem großen Planetarium der Forma Elementalis. So wie
die physischen Organe die physische Nahrung als feste, flüssige und
luftförmige Stoffe aus der materiellen Welt brauchen, um sie zu verarbeiten
und sich zu erhalten, so sind jene elementalischen Organe auf jene elementalischen
Lebenskräfte, die aus der Forma Elementalis durch sie hindurch strömen,
angewiesen.
Das sind organische Wirkungen, die
mit dem Centrum der Willenskraft, dem Herzen, verbunden bleiben, und die,
sowohl in der physischen wie in der elementalischen Hülle des Menschen
und andrer Lebewesen, eher die entsprechende Innenwelt als die Umwelt berühren.
In der physischen Hülle des Menschen
wirkt die mit der Denkkraft verbundene Tätigkeit der Sinne vermittels
jener Organe, die sich im Nebencentrum des Körpers, dem Kopfe, befinden.
Die aus dem Willenscentrum nach aufwärts gerichtete Denkkraft hat sich
ihren Thron in dem obersten Teil der menschlichen Hülle mit den ihr
verbundenen Sinnen, die dort ihre Organe erhielten, errichtet. Das, was im
Innern des Körpers dumpf und unbewußt geschieht, ist hier zu klarer,
bewußter Empfindung durch die Sinne und zur Erkenntnis durch das Gehirn
als Organ des Denkens geworden. Der Spiegel und Reflektor des Herzens und
der Außenwelt zugleich steht hell und klar wie das Licht auf dem Berge
der Außenwelt gegenüber. Aus dem Herzen muß dieser helle
Spiegel Licht und Leben erhalten; aus dem inneren Herzensleben muß das
Öl der Nahrung kommen, denn ohne dieses Öl und seine Verbindung
mit dem Dochte muß die Flamme, die den Spiegel wie eine Lampe hell und
brennend erhält, erlöschen. So sind das Antlitz und das Gehirn des
menschlichen Kopfes das Wahrzeichen und das Symbol der aufwärtsstrebenden,
im Herzen wurzelnden Denkkraft, die sich nach den höheren Regionen hinrichtet.
Die Gedanken und die Sinnesempfindungen, die der Mensch vermittelst des Gehirnes
und der Sinnesorgane im Kopfe verarbeiten kann, bilden die Nahrung für
das natürliche Seelenleben, das an den Kosmos gebunden bleibt. Wenn auch
jene Seelennahrung dem Menschen nur aus der physischen Welt zukommt, solange
sein Bewußtseinsleben noch am physischen Körper allein haftet,
so kann dieselbe doch (im Gegensatz zur physisch-stofflichen Nahrung, die
durch die inneren Organe verarbeitet wird) als eine kosmische Nahrung betrachtet
werden. Die Tätigkeit der sieben Hauptorgane im physischen Körper
des Menschen bewirkt die physische Ernährung, während die Sinnesorgane
und das Denken im Kopfe ihm eine kosmische Nahrung zuführen, wenn auch
zunächst noch vermittelst der physischen Erdenwelt.
Die physische Welt erweitert sich und
wird zu einer elementalischen und tatsächlich schon kosmischen Welt,
wenn der Mensch sich in seiner elementalischen Hülle bewußt erlebt
und dort die entsprechende Denkkraft anwendet. Wenn der Mensch sich dann
mit der Lichtseite des kosmischen Daseins verbunden hat, so kann von ihm wahrlich
gesagt werden, daß sein Antlitz wie eine Sonne leuchtet, über der
centralen Lichtquelle des Herzens erhebt sich dann die nach oben geöffnete
Lichtschale, und, wie sich das Farbenspiel des inneren Planetariums um das
gestaltet, so strahlt jene Lichtschale in siebenfacher Farbenbildung ihren
Lichtkranz aus, der weit in die Regionen des Kosmos hineinleuchtet. Die kosmische
Nahrung besteht hier in der elementalischen Welt aus dem Licht- und Farbenleben,
durch welches dann allmählich der innere Lebensklang der höheren,
siderischen Region hindurchtönt. Dieser bildende Klang der Lebenssymphonie
in der Sphärenharmonie ist die höchste Form der kosmischen Nahrung,
die den Lebewesen vermittelst ihrer entsprechenden Hülle und der Organe
derselben zuströmen kann.
Was hier in kurzen Zügen geschildert
wurde, gehört noch dem natürlichen Seelenleben des Menschen und
dem Kosmos an, wenn auch in bezug auf die positive Lichtseite derselben.
Das höhere übernatürliche Seelenleben und der Geisteskern im
Menschen sind mit dem Reiche des Himmels verbunden, das unendlich erhaben
ist über alles, was zum dualistischen, vergänglichen und relativen
Kosmos gehört, wenn auch die Lichtseite des letzteren ein Abbild der
überkosmischen Reiche aufweist. Im Vergleich zu jener materiellen Welt,
die nur wahrnehmbar ist für das an den physischen Körper gefesselte
Bewußtseinsleben des Erdenmenschen, hat der Makrokosmos jedoch eine
allerwichtigste, allergrößte Bedeutung. Alles, was in der materiellen
Welt in starrer, schwerer, undurchsichtiger und undurchdringlicher Gestalt
lebt, ist aus dem Makrokosmos heraus geformt und verdichtet worden und trägt
noch immer seine kosmische, lichtere Gestalt unter dem schweren Bleimantel
des physischen Daseins verborgen. Wenn jener Mantel zersprengt wird und das
mächtige Leben des Makrokosmos dem Menschen, in neue Gestalt und Form
gehüllt, entgegentritt, dann ist es wohl geraten, sich zu rüsten,
auf daß nicht blöde, unwissende Schwächlinge, sondern mit
Bewußtsein, Geisteskraft und Kenntnis ausgestattete, starkmutige Kämpfer
da seien, die jenen dualistischen Kräften, die machtvoll eindringen werden,
in richtiger Weise zu begegnen wissen und die Wahl zwischen Gutem und Bösem
entsprechend treffen werden.
Im dualistischen Kosmos gibt es keine
neue Möglichkeit des Aufstieges in eine höhere Region desselben,
ohne daß gleichzeitig die Möglichkeit eines Absturzes in bisher
ungekannte Tiefen erscheint. Wenn das Bewußtseinsleben des Menschen
in der elementalischen Hülle erwacht, und er sein Denken, Wollen und
Fühlen zur elementalischen Welt in Beziehung bringt, so werden ihm nicht
bloß die hellen Lichtkräfte, sondern auch die entgegengesetzten
dunklen Kräfte in der entsprechenden Welt und in seiner eigenen Hülle
begegnen. Dann geht es um das innere Bewußtseinsleben im Menschen selber,
weil darin der Anknüpfungspunkt zum überkosmischen Dasein liegt
und dort der Geisteskeim verborgen ruht. Weil das einzige, was der eigentliche
Mensch an sich genannt werden kann, gerade dieses sein inneres Bewußtseinsleben
ist, so geht der Kampf zwischen den lichten und den dunkeln Kräften
des Kosmos, zunächst in der elementalischen Welt, eigentlich um das
Sein oder Nichtsein des Menschen selber, so wie er als kosmisches Wesen dasteht.
Je höher und feiner die kosmische Hülle des Menschen und die entsprechende
kosmische Region, in welcher dieser Kampf vorgeht, ist, desto intensiver
und unmittelbarer muß sich derselbe gestalten. Wenn die dichteren Hüllen
dem inneren Bewußtseinsleben nicht länger als Schanze und Schutz
dienen, dann steht es den feindlichen Mächten unmittelbarer gegenüber.
Die Verführungen der dunklen Kräfte durch falsche Lichtschimmer,
die den Anschein eines glänzenden, farbigen Leuchtens zeigen, die falschen
Töne, Klänge und Worte, die wie eine scheinbar wahre Lebenssymphonie
aus höheren Sphären die siderische Welt durchbeben, sie werden
auf das in jenen Welten neu erwachte Bewußtseinscentrum des Menschen
mächtig wirken, es betäuben, berauschen und schließlich zerreißen,
wenn die Geisteskraft im Menschen nicht von innen nach außen hin die
Scheidewand errichtet hat, die als Prüfstein und Schutz dienen soll,
damit der Feind erkannt und zurückgewiesen werde. Es braucht wohl kaum
gesagt zu werden, daß dazu die einfach menschlichen Kräfte nicht
ausreichen, daß nur aus dem verborgenen Geisteskeim heraus die Kraft
erwachsen kann, die hier den Sieg verspricht, und dies bedeutet, daß
ohne Christus und Seine Hilfe keine Rettung oder Überwindung möglich
ist.
Die Apokalypse schildert die entgegengesetzten
Kräfte des Kosmos, so wie diese in ihrer wahren Gestalt offenbar werden
am letzten Tage, an dem Christus als das geopferte Lamm die sieben Siegel
des kosmischen Lebensbuches öffnet. Es werden da zugleich die vier lebendigen
Wesen um den Thron herum und die vier Reiter sichtbar; es treten die erhabenen
Engel und die Tier- und Drachengestalten auf; das große Zeichen —
als die mit der Sonne bekleidete Frau — erscheint am Himmel, und es erscheint
die babylonische Sünderin auf Erden; Michael, der mächtige Engel
vor dem Angesichte Gottes, führt den Kampf gegen den Widersacher und
seine Scharen sichtbar und wahrnehmbar für alle.
Der prophetische Seher auf Patmos schaute
zuerst Christus in kosmischer Gestalt, als Denjenigen, der die sieben Sterne
in seiner Hand hält, als Herrscher über die sieben Planetensphären
des Kosmos. Dann wird das Lamm sichtbar, das allein die sieben Siegel des
geheimnisvollen Buches öffnen kann. Nachdem dieses kosmische Buch „Liber
mundi" gelesen und die Bilder desselben offenbart worden sind, wird auch
die Erde und ihre Menschheit gerichtet. Christus erscheint in der Gestalt
des Einen, des Siegers und Reiters auf dem weißen Pferde, dessen Name
ist: das Wort Gottes, der König der Könige, Herr aller Herren.
Diese drei Erscheinungen Christi ereignen
sich im Kosmos zwischen Himmel und Erde und sind als symbolische und reale
Gestalten, unter welchen Christus in den Regionen des Kosmos geschaut wird,
zu betrachten, im Gegensatz zur Gestalt Christi auf Erden als Menschensohn
und zu Seiner ewigen Gestalt im Himmelreiche als Gottessohn, der zur rechten
Hand des Vaters sitzt.
Der Seher auf Patmos geht dann auch
unmittelbar über zur Beschreibung seiner Vision des Himmelreiches selber,
nachdem er den Herrn der Herren, den König der Könige, das Wort
Gottes geschildert hat. Die himmlische Stadt ist jenes Reich, das nur von
himmlischen Wesen bewohnt und von himmlischen Kräften erfüllt ist;
es stellt das unmittelbare Bild des Reiches Gottes dar, die Stadt, deren Tempel
der allmächtige Gott selber ist. Es ist das Bild des Archäums, des
Urkosmos, der reinen Spiegelung der Himmelsrose, deren lebendige Blätter
die Hierarchien darstellen und deren strahlende Peripherie, als das Auge Gottes,
die himmlische Lichtjungfrau, die himmlische Allseele ist. Vom Herzen Gottes,
dem Urcentrum der Himmelsrose, ausgehend, durchlebt, durchklingt und durchleuchtet
das Wort Gottes, als Christus, der Gottessohn, diese Himmelsrose, welche
die erste und höchste Schöpfung des dreieinigen Gottes ist.
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XII.
Die Verklärung der Sinne.
Auf dem spirituellen Weg, auf
dem der Mensch sich unmittelbar aus dem irdischen Dasein zum geistigen Leben
erheben will, ist es eine erste Bedingung, dasjenige, was zum irdischen Leben
und Erleben gehört, am Eindringen in das innere Seelenleben zu hindern,
damit letzteres sich ungestört und unbehelligt in aller Ruhe and Stille
läutern und vorbereiten kann für den hohen Aufschwung zum Reiche
des Himmels und zum bewußten Erleben der höheren Seele in sich.
Der schwere Kampf mit der niederen Seelenkraft
als der Hüllennatur, aus deren Fesseln das innere Bewußtsein
des Menschen sich befreien soll, kann nur in aller Stille und ohne die Anregungen
der Außenwelt geführt werden. Die inneren Feinde sind schon stark
genug, um alle höheren Seelenkräfte in Anspruch zu nehmen; deshalb
sollen die Anregungen, die durch eine Wechselwirkung mit Kräften aus
der Außenwelt entstehen, nicht stattfinden. Die Mystiker pflegten
die Askese, sie reinigten ihr Sinnesleben, indem sie sich alles dessen,
was durch die Vermittlung der Sinnesorgane das innere Erleben übersinnlicher
Art störend beeinflussen konnte, enthielten. Die Gewalt und die Erhabenheit
ihrer übersinnlichen Erlebnisse, die sich auf ein überirdisches,
himmlisches Dasein bezogen, machten jene Asketen schließlich wie blind,
taub und unempfindlich für das, was das bloße Sinnesleben des
natürlichen Menschen ausmacht. Derjenige, der das Licht des Himmels
zu schauen vermag, das Wort Gottes vernehmen kann und mit dem göttlichen
Leben selber Eins geworden ist, der sehnt sich nicht nach dem Lichte, dem
Klange und dem Leben eines nur irdischen Daseins mit seinen Empfindungen
vermittelst der Sinne. Diesen vergeistigten, in Christo lebenden Menschen
war es kein Zwang, sich vom rein irdischen Sinnesleben eines natürlichen
Menschen abzuwenden, sondern es war nur die Folge ihres geistigen Aufstieges,
daß sie sich mit Freude und einem Gefühl der Befreiung von dem
nur natürlichen Erdendasein abwandten, um die ganze Seele dauernd auf
ein übernatürliches, in Gott ruhendes Leben, das sie sich durch
die Überwindung und Läuterung ihrer niederen Hüllennatur erobert
hatten, zu concentrieren. Diese geistige Heldentat, nämlich der Sieg
über sich selbst als kosmisch-irdischen und deshalb natürlichen
Menschen, wurde durch diese Großen unter den Menschen vollbracht, und
immer noch sind einzelne da, die jene geistige Höhe erreichen. Die Mehrzahl
aber schreitet auf dem mittelbaren, psychischen Weg langsam vorwärts
und das zwar weniger wegen ihres bewußten Wollens, als durch die natürlichen
kosmischen Vorgänge und Gesetze dazu bewogen. Deshalb kann auf diesem
Wege nicht unmittelbar auf das, was die materielle Welt dem Menschen in bezug
auf Sinneserlebnisse bringt, verzichtet werden, denn es muß eher der
Übergang von den physischen zu den feineren elementalischen Sinnesorganen
gefunden werden. Die an den physischen Körper gebundene Sinnestätigkeit
muß verfeinert und vertieft werden, damit dieselbe dem Leben in der
elementalischen Hülle entsprechen kann; deshalb muß der Mensch
sich dazu erziehen, durch die materielle Welt hindurch die elementalische
zu empfinden.
Solange die Menschheit nichts weiß
von dem Dasein einer elementalischen Welt und sich dessen nicht bewußt
ist, daß der Übergang von dem nur materiellen Bewußtseinsleben
zu einem elementalischen bevorsteht, wird das Wichtige einer solchen Selbsterziehung
kaum verstanden werden, und es werden dann auch wenige dafür zu finden
sein, sich auf guten Glauben hin eine derart schwierige Aufgabe zu stellen.
Es wäre jedoch' schon etwas getan, wenn man sich einmal mit der Frage
beschäftigen wollte: Was bedeutet eigentlich die Sinnestätigkeit
und wozu führt dieselbe?
Da nun der Mensch, dessen Bewußtseinsleben
in seiner elementalischen Hülle erwacht, über das Nur-Irdische
und Materielle hinauswächst und sich in das kosmische und elementalische
Leben hineinversetzt, so muß zunächst dasjenige, was vorher als
zur materiellen Welt der Erde gehörig angesehen wurde, dann auch eine
kosmische Erweiterung erleben. Das gilt ebenso für jene Kräfte,
die mit der Sinnestätigkeit des physischen Körpers verbunden sind
und durch die physischen Sinnesorgane wirken. Dieselben müssen nach
außen hin erweitert und zugleich nach innen vertieft werden, weil das
elementalische Leben selber sich über das physische hinaus erstreckt
und zugleich das physische auch durchdringt und belebt. Bei dieser Erweiterung
und Vertiefung oder Verinnerlichung muß immer an dem, was in bezug
auf das Centrum des menschlichen Daseins, das Herz, gesagt wurde, festgehalten
werden. Die Sinnestätigkeit muß in entsprechender Weise zunächst
auf jenes Centrum zurückgeführt werden, damit diese Tätigkeit
der Sinne zum inneren Bewußtseinsleben im Menschen in Beziehung treten
kann und dann gesammelt wird. Wenn sich das Herz dem elementalischen Leben
geöffnet hat, dann können auch die Sinnestätigkeiten in jener
neuen Welt eine richtige Beziehung zur positiven Lichtseite derselben erhalten
und ihre Aufgaben dort erfüllen; wenn diese Tätigkeit der Sinne
nicht auf das Herz zurückgreifen kann, dann bleiben die Sinneseindrücke
aus der elementalischen Welt chaotisch und können das bewußte,
innere Leben des Menschen kaum berühren.
Die Sinnestätigkeit besteht aus
dem Empfinden des Lichtes, des Tones, des Geruchs, des Geschmacks und dem
der äußeren Berührung. Dieses Empfinden ist eine Art von Fühlen,
das sich auf fünf verschiedene Weisen vermittels der entsprechenden
Organe kundgibt. Diese Sinnesorgane könnten auch Tastorgane genannt
werden, weil sie die verschiedenen Anregungen aus der Außenwelt teilweise
zurückstoßen, teilweise durch ein Empfinden aufnehmen, das jenem
des Tastens ähnlich ist. Diese Art des Empfindens ist nicht eine solche
seelische Kraft wie jenes innere Fühlen, das sich als dritte Kraft zu
der des Denkens und des Wollens gesellt. Dieses Empfinden besteht aus einer
Zusammenwirkung von kosmischen Kräften, die in der menschlichen Hüllennatur
wirken, sodaß gesagt werden kann, daß ein siderisches und ein
elementalisches Empfinden sich zuletzt durch das physisch-sinnliche Empfinden
offenbaren. Die Sinnestätigkeit des physischen Körpers bildet die
Brücke zwischen der physischen, der elementalischen und zuletzt der
siderischen Hüllennatur des Menschen. Die physischen Sinnesorgane sind
aus dem Elementenmeere herauskristallisiert worden und bilden bei ihrer Tätigkeit
die fünf Hauptströmungen desselben ab. Durch das Hineinfließen
und das Durchdringen der physischen Organe mit der Kraft jener lebendigen
Strömungen des Elementenmeeres werden erst die Empfindungen, die sich
als Sinneseindrücke kundgeben, möglich. Deshalb sind auch fünf
verschiedene Sinnestätigkeiten bemerkbar; von diesen kann das Empfinden
des Berührens als Tastsinn central betrachtet werden, weil dieser der
Ausgangspunkt und Grund aller bildet, und weil die übrigen vier sich
als verschiedene Modifikationen des Empfindens ausnehmen. Wenn diese Sinnestätigkeit
keine Brücke zwischen den drei kosmischen Hüllen des Menschen bildete,
wäre es nicht möglich in der Welt des größten Widerstandes,
die an sich genommen düster, schwer, stumm und regungslos sein würde,
das Licht, den Klang, das Aroma, die Essenz und das Leben der Wesen und
Dinge zu empfinden.
Diese Empfindungen können entstehen,
weil die Lebensäußerungen aus der siderischen Welt in die elementalische
hineintönen, wo sie sich in Licht und Farben kundgeben und von dort
aus in die materielle Welt eindringen; dann rufen sie die entsprechenden
Empfindungen vermittelst der Tätigkeit der physischen Sinnesorgane auch
dort hervor.
Wenn der Mensch wiederum den Weg zurückgehen
muß, um von der materiellen Welt und den physischen Sinnes Wahrnehmungen
aus mit der elementalischen Welt und den fünf Lebensströmungen
in Verbindung zu treten, und zwar bewußt, so soll er sich zunächst
auf das Centrum seines inneren Bewußtseins concentrieren. Wenn das
Herz und die drei Kräfte des Denkens, Wollens und Fühlens sieb
dem elementalischen Licht und Leben eröffnet haben, werden die fünf
elementalischen Strömungen auch das Empfinden und Erleben der elementalischen
Welt vermitteln, so wie die physischen Sinnesorgane es in bezug auf das Leben
in der physischen Welt tun.
Die Sinnestätigkeit steht auch
in Beziehung zu den vier Elementen und dem centralen Urelement, und diese
bilden wiederum die Eigenschaften der kosmischen Hüllen ab.
Das Gefühl, als Tastsinn, hat eine
centrale Bedeutung und ist das Symbol des an die Hülle gebundenen Lebens.
Als solches bildet es den Übergang zu dein inneren Lebenscentrum des
Herzens selber, besonders in dem elementalischen Leben, wo das innere und
das äußere Empfinden und Erleben enger verbunden sind als im
physischen Dasein.
Der Sinn des Geschmackes ist mit der
materiellen Welt, die mit dem Element des Festen und dem Symbol der Erde übereinstimmt,
verbunden. Dieser Sinn sucht aus den materiellen Stoffen die innere Essenzen
herauszuprüfen und zu unterscheiden zwischen den Eigenschaften derselben
als: bitter, sauer, herb, salzig, süß usw.
Der Geruchssinn beschäftigt sich
mit einem mehr feinen, beweglichen und verflüchtigten Zustand des Stofflichen,
das nicht mehr in einer bestimmten, festen Form vorhanden ist, und sucht
das Aroma als eine feinere, weniger an das Materielle gefesselte Lebensäußerung
herauszufinden. Während der Geschmack am Stoffe selber haftet und in
demselben verborgen liegt wie der Funke im Stein, entstellt der Geruch aus
einer Ausdünstung, als ein sich Herauslösen des Lebens aus dem
Banne der festen Form. Dieses Herauswachsen des feineren, obwohl noch materiellen
Aromas aus dem festen Stoffe wird sich am besten mit dem Pflanzenreiche
und den aus der Erde hervorspringenden Pflanzen, die wie zarte, farbige
Dunstgebilde ihr feines Lebensaroma auf Erden aushauchen, vergleichen lassen.
Das flüssige Element des Wassers und das Symbol des Mondes wird als
mit dem Geruchssinn verbunden betrachtet, denn dieses Element ist von der
Starrheit, Undurchsichtigkeit und Gebanntheit des Festen befreit, da es
klar und beweglich ist und außerdem die Möglichkeit hat, sich
in Form des Dunstes noch weiter über die feste Form der physischen Materie
zu erheben.
Das Sehvermögen wird mit dem kosmischen
Symbol der leuchtenden Sonne und dem Lichte des Feuerelementes verglichen.
Das Licht der Sonne spiegelt sich in jener kleinen Sonne, dem Auge, das
unmittelbar mit jenem inneren Sonnencentrum verbunden ist, das im Herzen
abgebildet ist. Das innere Leben des Feuers ist das Licht, wie der Rauch
die grobe materielle Form desselben darstellt. Das Auge sucht an jeder materiellen
Gestalt das Licht und die Farbe als ihre besondere Lebensäußerung
herauszufühlen, und deshalb sind das Sehvermögen, sowie auch der
Gehörsinn jene Sinne, die schon aus der materiellen, irdischen Welt
in das elementalische und kosmische Leben hinüber führen. Das
Sehvermögen hat deshalb Beziehung zur elementalischen Welt. Der Gehörsinn
läßt die aus der Umwelt herankommenden Klänge und Töne
auf sich einwirken und fühlt aus letzteren das innere Leben, durch
das sie gestaltet wurden, heraus. Durch die Klänge und Töne erhält
das Gehör die Kunde und Botschaft aus dem umfassenden Raum, der die
Erde umgibt. Aus weiten Gebieten kommend, erreicht das innere Leben in jenem
äußerlich wahrnehmbaren Klang den menschlichen Gehörsinn,
und letzterer sucht aus diesem Klang jenes innere Leben herauszuhören.
Das Leben und Weben desjenigen Elementes, das hier auf Erden Luft genannt
wird und dessen lebendiger Hauch der Wind ist, wird mit dem Sinn des Hörens
verbunden. Das entsprechende kosmische Symbol ist der unermeßlich
ausgedehnte, mit unzähligen Sternen besäte Raum, die Welt der
Gestirne, und der Gehörsinn hat deshalb auch eine Beziehung zur siderischen
Welt.
Der Kopf des Menschen, der wie ein Nebencentrum
des einen Herzens-centrums zu betrachten ist, und der das Gehirn und die
Sinnesorgane enthält, ist wie eine sich vom inneren Centrum aus erhebende
Brücke, die von dem innersten Bewußtseinsleben im physischen Körper
zur Außenwelt der Erde und des Kosmos hinüberführt. Vom Willenscentrum
im Herzen aus bewegt sich die Denkkraft nach oben zum Gehirn und zur elementalischen
Welt hin. Die Sinnestätigkeit ist mit der Kraft des Empfindens oder
des. Fühlens, die sich von der elementalischen Welt aus zur physischen
hinneigt, verbunden. Gerade in den Sinnesorganen begegnet das Empfinden,
das noch der physischen Welt angehört, jener Kraft des Fühlens,
die schon zum elementalischen Leben zu rechnen ist.
Im Kopf selber ist das Kreuz, das auf
das Herz und auf den physischen Körper bezogen wurde, so aufzufassen,
das sich die vertikale Linie durch das Gehirn hindurch bis zum Halse abzeichnet,
während die horizontale Linie direkt durch die beiden Ohren hindurchgeht
und die obere Hälfte des Kopfes mit den beiden höheren Sinnesorganen
des Sehens und des Hörens von denen des Geruches und des Geschmackes
trennt. Wie am Körper die untere Hälfte nur dem Prozesse des Ernährens
und der Produktion, die beide mehr direkt mit dem niederen, materiellen
Leben verbunden sind, dienen kann, so auch hat am Kopfe der untere Teil
mit dem Geschmack und dem Geruchsinn zu tun, die sich beide eher auf das
Materielle und niedere elementalische Leben, als auf das höhere elementalische
und das siderische beziehen. Doch ist die Tätigkeit der Sinne, wenn
auch verschieden und den verschiedenen Elementen und Hüllen des Kosmos
entsprechend, nur eine Äußerung des einen Empfindens und des einen
Lebens, das sich mittels des Nebencentrums des einen Herzenscentrums, wo
das innere Bewußtseinsleben des Menschen ruht, dem Kosmos eröffnet.
Vom Herzenscentrum aus steigt das bewußte Leben auf zum Nebencentrum
mit seinen der Umwelt offenen Sinnesorganen. Dann kehrt dieses Leben wieder
zum Herzen zurück und findet dort allein den Kern des eigenen Daseins.
Deshalb ist es von dem Herzen abhängig, ob der Mensch ein bewußtes
und richtiges Erleben der elementalischen und der siderischen Welt erreicht,
oder ob der Strom des elementalischen Lebens in das unterbewußte Gebiet
seiner niederen Natur hineinfließt, weil sich das Herz und damit auch
das Bewußtseinscentrum der elementalischen Lichtwelt nicht eröffnet
haben.
Die vier lebendigen Blüten und
die Lichtquelle im Centrum des Herzens sind die Urtypen für das, was
schließlich als die verschiedenen Sinnestätigkeiten in den Hüllen
des Menschen auftritt, sowohl in der physischen wie in der elementalischen
Welt. Über dieselben erhebt sich der Lebensbaum, der aus dem Centrum
des Herzens hervorsprießt und sich in die siderische Welt erhebt.
Auf diese Weise werden die Sinne des
Menschen für ihn zu Elementen und Gestirnen, zu kosmischen Welten, die
ihn weiter über sich selbst als physischer Erdenmensch hinausführen
in das große Gebiet des makrokosmischen Lebens. Wenn der Mensch sich
nicht nur im buchstäblichen Sinne an die hier bezeichneten Symbole hält,
sondern aus jenen kosmischen Symbolen das innere, überkosmische Leben
herauszulesen versucht, dann werden jene Symbole zu sakramentalen Zeichen,
zu einer kosmischen Sprache, deren innerer Sinn und verborgenes Wesen dem
Menschen offenbar werden kann, weil er selber einen Anteil an denselben
hat, selber einen geheimnisvollen Buchstaben der kosmischen Symbolik darstellt.
Der Mensch ist der in das kosmische Lebensbuch eingeschriebene Buchstabe,
der selber ein eigenes Lebensbuch zu schreiben vermag. Im Innern des Herzens,
im Centrum seines Bewußtseinslebens ist der Inhalt jenes Buches eingeprägt:
doch bleibt derselbe ungelesen und unverstanden und ruhet in der Verborgenheit,
bis daß, das innere Licht des Herzens hervorbricht, und jener Geisteskeim,
den Christus dem Menschen brachte, aufblüht. Dann erst wird der Mensch
imstande sein, das eigene Buch des Lebens zu enträtseln und dann auch
das kosmische Lebensbuch (Liber mundi) zu verstehen, dessen Siegel nur von
Dem eröffnet werden kann, der die Welt sowie den ganzen Kosmos erlöst
und demselben das Siegel Seines ewigen, göttlichen Namens aufgeprägt
hat.
F i n i s.
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