Wer wüßte nicht gerne, was Jesus mit seinen Jüngern besprochen, wie er sie be- und gelehrt hat.

Nichts Geringeres als diese ausführliche Kommunikation enthält das Große Evangelium Johannes nach Jakob Lorber. Manche Themen werden in Dialogform besprochen, wobei auch Engel und darunter vornehmlich der Erzengel Raphael zu Wort kommen.

Nicht jeder kommt mit der etwas altertümlich, blumigen Sprache zurecht, aber für denjenigen, der „auf den Geschmack“ gekommen ist, gibt es nicht großartigeres als die Offenbarung nach J. Lorber.


Aus diesem grandiosen Werk hier ein kleiner Auszug


1. Kapitel – Geistige Auslegung der Eingangsworte des Johannesevangeliums. (Kap.1-5) –

2. August 1851

Ev.Joh.1,1. Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort.

[GEJ.01_001,01] Dieser Vers hat schon eine große Menge von allerleigestaltigen Irrdeutungen und Auslegungen zur Folge gehabt; ja, es bedienten sich sogar barste Gottesleugner eben dieses Textes, um mit dessen Hilfe Meine Gottheit um so sicherer zu bestreiten, da sie die Gottheit im allgemeinen verwarfen. Wir wollen aber nun solche Finten nicht wieder vorführen, wodurch die Verwirrung nur noch größer statt kleiner würde, sondern sogleich mit der möglich kürzesten Erklärung ans Tageslicht treten; diese, als selbst Licht im Lichte des Lichtes, wird von selbst die Irrtümer bekämpfen und besiegen.

[GEJ.01_001,02] Ein Hauptgrund des Unverständnisses solcher Texte liegt freilich wohl leider in der sehr mangelhaften und unrichtigen Übersetzung der Schrift aus der Urzunge in die Zungen der gegenwärtigen Zeit; allein es ist gut also. Denn wäre der Geist solcher Texte nicht so wohl verborgen, als er es ist, so wäre das Heiligste darin schon lange allertiefst entheiligt worden, was da von größtem Übel wäre für die gesamte Erde; so aber hat man nur an der Rinde genagt und konnte zum lebendigen Heiligtume nicht gelangen.

[GEJ.01_001,03] Nun aber ist es an der Zeit, den wahren innern Sinn solcher Texte zu zeigen allen, die da würdig sind, daran teilzunehmen; dem Unwürdigen aber soll es teuer zu stehen kommen, denn Ich lasse bei solcher Gelegenheit mit Mir durchaus keinen Scherz treiben und werde nie einen Handel annehmen.

[GEJ.01_001,04] Nach dieser nötigen Vorerinnerung aber folge nun die Erläuterung; nur bemerke Ich noch das hinzu und sage, daß hier nur der innere, seelisch- geistige Sinn zu verstehen ist, nicht aber auch der allerinnerste, reinste Himmelssinn. Dieser ist zu heilig und kann für die Welt unschädlich nur solchen erteilt werden, die ihn suchen durch ihren Lebenswandel nach dem Worte des Evangeliums. Der bloß innere, seelisch-geistige Sinn aber läßt sich leicht finden, manchmal schon durch die richtige, zeitgemäß entsprechende Übersetzung, was nun sogleich bei der Erläuterung des ersten Verses sich zeigen soll.

[GEJ.01_001,05] Sehr unrichtig und den innern Sinn sehr verhüllend ist der Ausdruck „Im Anfange“; denn dadurch könnte sogar der Gottheit ewiges Dasein bestritten und in Zweifel gezogen werden, was auch von einigen älteren Weltweisen geschehen ist, aus deren Schule die Gottesleugner dieser Zeit auch so ganz eigentlich hervorgegangen sind. So wir aber nun diesen Text recht geben werden, da wird die Hülle nur sehr dünn erscheinen, und es wird nicht schwer sein, den inneren Sinn durch solche leichte Hülle recht wohl und manchmal sehr genau zu erspähen.

[GEJ.01_001,06] Also aber laute die richtige Übersetzung: Im Urgrunde, oder auch in der Grundursache (alles Seins), war das Licht (der große heilige Schöpfungsgedanke, die wesenhafte Idee). Dieses Licht war nicht nur in, sondern auch bei Gott, das heißt, das Licht trat als wesenhaft beschaulich aus Gott und war somit nicht nur in, sondern auch bei Gott und umfloß gewisserart das urgöttliche Sein, wodurch schon der Grund zu der einstigen Menschwerdung Gottes gelegt erscheint, was im nächstfolgenden Texte auch schon von selbst ganz hell ersichtlich wird.

[GEJ.01_001,07] Wer oder was war denn so ganz eigentlich dieses Licht, dieser große Gedanke, diese heiligste Grundidee alles künftigen, wesenhaften, freiesten Seins? – Es war unmöglich etwas anderes als eben Gott Selbst, weil in Gott, durch Gott und aus Gott unmöglich etwas anderes als Gott Selbst nur Sich in Seinem ewig vollkommensten Sein darstellte; und so mag dieser Text auch also lauten:

[GEJ.01_001,08] In Gott war das Licht, das Licht durchfloß und umfloß Gott, und Gott Selbst war das Licht.

Ev.Joh.1,2. Dasselbe war im Anfange bei Gott.

[GEJ.01_001,09] So nun der erste Vers zur Genüge erleuchtet, von jedermann einigen Lichtes leicht begriffen werden kann, so erklärt sich der zweite Vers von selbst und besagt nur zeugnisweise, daß das obbeschriebene Wort oder Licht oder der große Schöpfungsgedanke nicht ein in der Folge des Urgottseins entstandener, sondern ein mit Gott als Selbst Gott gleich ewiger ist und somit nimmer irgend einen einstigen Entstehungsprozeß in sich birgt, darum es denn auch gewisserart zeugnisweise erklärend heißt: Dasselbe war im Anfange oder im Urgrunde alles Seins und alles späteren Werdens als Urgrund selbst bei, in und aus Gott, also Selbst durch und durch Gott.

Ev.Joh.1,3. Alle Dinge sind durch Dasselbe gemacht, und ohne Dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist.

[GEJ.01_001,10] In diesem Verse bezeugt sich das nur gewisserart als betätigt und handgreiflich, was da schon im ersten Verse sich als das „Wort“ oder „Licht“ im Urgrunde alles Seins und Werdens völlig gegenwärtig, aber noch nicht als schon ausgegangen bewerkstelligt, klar dargestellt hatte.

[GEJ.01_001,11] Es soll demnach dieser dritte Vers rein gegeben auch also lauten: Alles Sein ward aus diesem Ursein, welches in Sich Selbst ist der ewige Urgrund Seines Seins durch und durch. Dieses Seins Licht, Wort und Wille stellte Sein höchst eigen Licht, Seine urewige Schöpfungsidee aus Sich Selbst ins feste beschauliche Dasein, und nichts gibt es in der ganzen ewigen Unendlichkeit, was nicht aus demselben Urgrunde und auf demselben Wege ins erscheinliche und beschauliche Dasein getreten wäre.

[GEJ.01_001,12] Wer nun diese drei ganz klar erläuterten Verse vollends aufgefaßt hat, dem ist der Vers 4 schon von selbst notwendig einleuchtend klar.

Ev.Joh.1,4. In Ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen.

[GEJ.01_001,13] Es versteht sich ja schon bei weitem von selbst, daß ein Urgrundsein alles Seins, das Licht alles Lichtes, der Urgedanke aller Gedanken und Ideen, die Urform als der ewige Urgrund aller Formen fürs erste nicht formlos und fürs zweite nicht Tod sein konnte, da dieser den vollsten Gegensatz alles wie immer gearteten Seins im Grunde des Grundes bezeichnet. In diesem Worte oder Lichte oder in diesem großen Gedanken Gottes in Gott, und im Grunde des Grundes Gott Selbst, war sonach ein vollkommenstes Leben. Gott war also das urewigste, vollkommenste Grundleben in und aus Sich Selbst durch und durch, und dieses Licht oder Leben rief aus Sich die Wesen, und dieses Licht oder dieses Leben war das Licht und also auch das Leben in den Wesen, in den aus Ihm hervorgegangenen Menschen; und diese Wesen und Menschen waren sonach völlig ein Ebenmaß des Urlichtes, das in ihnen das Sein, Licht und also auch ein dem ewigen Ursein völlig ähnliches Leben bedingte.

[GEJ.01_001,14] Da aber das Urleben Gottes ein ganz vollkommen freies ist und sein muß, da es sonst so gut wie gar kein Leben wäre, dieses gleiche Leben aber in den geschaffenen Wesen ein und dasselbe Leben sein muß, ansonst es auch kein Leben und als sonach Nichtleben auch kein Sein wäre, so ist es ja nur zu handgreiflich klar, daß den geschaffenen Wesen, Menschen, nur ein vollkommen allerfreiestes Leben gegeben werden konnte, das sich selbst als ein vollständiges fühlen, aber aus eben diesem Gefühle auch ersehen mußte, daß es kein aus sich selbst hervorgehendes, sondern nur als ein völlig ebenmäßiges aus Gott nach Dessen ewig allmächtigem Willen hervorgegangen ist.

[GEJ.01_001,15] Diese Wahrnehmung mußte in allen geschaffenen Wesen vorhanden sein gleich der, daß ihr Leben und Sein ein völlig Gott ebenmäßiges sein muß, ansonst sie wieder weder ein Leben noch irgend ein Sein hätten.

[GEJ.01_001,16] So wir aber diesen Umstand näher betrachten, so ergibt es sich, daß sich in den geschaffenen Wesen notwendig zwei Gefühle begegnen müssen, und zwar erstens und zunächst das Gefühl der göttlichen Ebenmäßigkeit oder des Urlichtes Gottes in ihnen und zweitens aus eben diesem Lichte aber dann auch notwendig das Gefühl des zeitgemäßen Werdens durch den Urwillen des Schöpfers.

[GEJ.01_001,17] Das erste Gefühl stellt das Geschöpf unbedingt dem Schöpfer gleich und wie aus sich hervorgehend völlig unabhängig von dem ewigen Urgrunde, als gleichsam solchen in sich selbst fassend und bergend; das zweite aus diesem ersten notwendig hervorgehende Lebensgefühl aber muß sich dennoch als ein vom eigentlichen Urgrunde aus sich hervorgerufenes und erst in der Zeitenfolge als in sich selbst als frei manifestiertes und somit vom Haupturgrunde sehr abhängiges ansehen und betrachten.

[GEJ.01_001,18] Dieses demütigende Gefühl aber macht das erste Hoheitsgefühl ebenfalls zu einem Demutsgefühle, was fürs Hoheitsgefühl freilich wohl eine höchst und unumgänglich nötige Sache ist, wie es in der Folge ganz klar gezeigt wird.

[GEJ.01_001,19] Das Hoheitsgefühl streitet ganz gewaltig gegen solch eine Erniedrigung und will das zweite Gefühl erdrücken.

[GEJ.01_001,20] Durch solchen Kampf aber entsteht dann Groll und am Ende Haß gegen den Urgrund alles Seins und aus dem gegen das niedere Demuts- oder Abhängigkeitsgefühl; dadurch erlahmt und verfinstert sich aber dann das Hoheitsgefühl, und es wird aus dem Urlicht im geschaffenen Wesen Nacht und Finsternis. Diese Nacht und diese Finsternis erkennt dann kaum mehr das Urlicht in sich und entfernt sich also, als blind und dabei dennoch selbständig, vom Urgrunde seines Seins und Werdens und erkennt solchen nicht in seiner Verblendung.

Ev.Joh.1,5. Und das Licht scheinet in der Finsternis, und die Finsternis begreift es nicht.

[GEJ.01_001,21] Daher mag dann dieses Urlicht leuchten in solcher Nacht, wie es auch leuchten mag; da aber die Nacht, die wohl auch aus dem Lichte entstanden ist, keine ordentliche Sehe mehr hat, so erkennt sie das Licht nicht, das da kommt in solche Nacht, um selbige wieder ins rechte Urlicht umzugestalten.

[GEJ.01_001,22] Sogestaltig kam denn auch Ich als das ewige Ursein alles Seins und als das Urlicht alles Lichtes und Lebens in die Welt der Finsternis zu denen, die aus Mir waren; aber sie erkannten Mich nicht in der Nacht ihres ermatteten Hoheitsgefühls!

[GEJ.01_001,23] Denn dieser 5. Vers deutet eben darauf hin, wie nach und in den ursprünglichen Maßen und Verhältnissen Ich als ganz Derselbe, Der Ich von Ewigkeit war, in diese von Mir und aus Mir geschaffene Welt komme und diese Mich nicht erkennt als ihr eigenstes Grundsein.

[GEJ.01_001,24] Aber Ich als der Urgrund alles Seins mußte ja aus Meinem urewigen Allichte sehen, wie das Hoheitsgefühl als Urlicht in den Menschen durch den fortwährenden Kampf stets matter und schwächer und sonach als Lebenslicht auch dunkler und am Ende gar finster ward, und daß demnach die Menschen, so Ich zu ihnen in dem ihnen aus Mir gegebenen Ebenmaße käme, Mich nicht erkennen würden, wenigstens gar sehr viele nicht, besonders so Ich als ein reiner Deus ex machina ganz unerwartet und unvorbereitet in beschränkter Menschenform zu ihnen käme, und Ich es Mir dann Selbst zuzuschreiben hätte, daß Mich die Menschen als unvorbereitet auf solch Meine Ankunft unmöglich erkennen könnten.

[GEJ.01_001,25] Ja, wohl sah Ich das von Ewigkeit ein und ließ daher den Menschen schon von ihrem ersten aus Mir geschiedenen Entstehen angefangen bis zu Meiner wirklichen Ankunft durch viele tausend Seher, die im Kampfe das Licht nicht verloren, eben solche Meine Ankunft vorhersagen und die Art und Weise und sogar den Ort und die Zeit Meiner Ankunft treulich bezeichnen, und bei Meiner wirklich erfolgten Ankunft ließ Ich große Zeichen geschehen und erweckte einen Mann, in dem ein hoher Urgeist Wohnung nahm, daß er den Blinden verkünde Meine Ankunft und volle Gegenwart auf der Erde.


2. Kapitel

Ev.Joh.1,6. Es ward aber ein Mann von Gott gesandt, der hieß Johannes.

[GEJ.01_002,01] Dieser Mann hieß Johannes, der am Jordan die Buße predigte und die Bekehrten mit dem Wasser taufte. In diesem Manne wohnte der Geist des Propheten Elias, und dieser war ebenderselbe Engelsgeist, der den Luzifer im Urbeginn besiegte und später auf dem bekannten Berge um den Leichnam Mosis mit ebendem Luzifer rang (also Michael).

Ev.Joh.1,7. Dieser kam als ein Zeuge (von oben), auf daß er vom Lichte ein Zeugnis gäbe, damit sie alle (die lichtlosen Menschen) durch ihn glaubeten (d.h. durch sein Licht das zu ihnen gekommene Urlicht erkenneten).

[GEJ.01_002,02] Dieser kam als ein alter und neuer Zeuge von oben, das heißt vom Urlichte als Licht, auf daß er zeugete vom Urlichte, vom Ursein Gottes, Das nun Selbst das Fleisch annahm und in vollgleicher Menschenform als Selbst Mensch zu Seinen Menschen, die aus Ihm sind, kam, um sie in ihrer Nacht neu zu erleuchten und sie sogestaltig Seinem Urlichte wieder zurückzugeben.

Ev.Joh.1,8. Er war nicht das Licht (aus sich), sondern er war ein Zeugnis des Lichtes (d.h. er zeugete dem verfinsterten Hoheitsgefühle der Menschen gegenüber, daß nun das Urlicht Selbst von Seiner ewigen Höhe herabkam als ein Lamm in der Demut zu den Menschen und nähme freiwillig alle ihre Schwächen (Sünden) auf Sich, um dadurch den Menschen das Urlicht wiederzugeben und sie Ihm gleichzumachen und –zustellen).

[GEJ.01_002,03] Dieser Mann war freilich wohl das eigentliche Urlicht nicht Selbst, sondern gleich allen Wesen nur ein Teillicht aus dem Urlichte. Aber ihm ward es also gegeben, im Verbande mit dem Urlichte zu verbleiben durch seine überwiegende Demut.

[GEJ.01_002,04] Da er aber also im steten Verbande mit dem Urlichte sich befand und Dieses wohl unterschied von seinem Lichte – da er wohl auch aus dem Urlichte hervorgegangen ist, aber dennoch nicht das Urlicht, sondern nur ein Ablicht Desselben war, auf daß er Dasselbe erkennete und Demselben ein rechtes Zeugnis gäbe –, so gab er denn auch ein vollgültiges Zeugnis dem Urlichte und erweckte dadurch so viel des rechten Lichtes in den Herzen der Menschen, daß diese dann, wenn schon anfangs nur sehr schwach, aber mit der Zeit doch stets stärker und heller erkennen konnten, daß das Urlicht, Das nun im Fleische eingehüllt, dennoch Dasselbe ist, Dem alle Wesen und Menschen ihr selbständiges Dasein verdanken und es als selbständig für ewig behalten können, so sie es wollen.

Ev.Joh.1,9. Das war das wahrhafte Licht, Das alle Menschen erleuchtet, die in diese Welt kommen.

[GEJ.01_002,05] Nicht der Zeuge, sondern sein Zeugnis und Der, von Dem er zeugete, waren das rechte Urlicht, Das vom Urbeginn an alle Menschen, die in diese Welt kommen, erleuchtet und belebt hat und nun noch stets mehr belebt und erleuchtet; darum heißt es denn auch im 9. Verse, daß eben Das das wahre und rechte Licht ist und war, Das alle Menschen in ihrem Urbeginne zum freien Dasein gestaltete und nun kam, um dasselbe in aller Fülle zu erleuchten und es Ihm Selbst wieder ähnlich zu machen.

Ev.Joh.1,10. Es war in der Welt, und diese ist durch Dasselbe gemacht, aber sie erkannte Es nicht.

[GEJ.01_002,06] Wiegestaltig Ich oder das Urlicht von dieser Welt, das heißt von den verfinsterten Menschen, die in allem ihrem Sein aus Mir oder, was Eines ist, aus dem Urlichte (Worte) hervorgegangen sind, habe verkannt werden können trotz all den Vorboten und Verkündern Meiner Ankunft, ist bereits schon im 5. Verse klar erörtert worden; nur ist noch ganz besonders zu erwähnen, daß hier unter „Welt“ nicht die Erde als die Trägerin gerichteter Seelen, die eigentlich die Materie ausmachen, sondern bloß nur die Menschen, die zwar wohl zu einem Teile aus dieser Materie genommen sind, aber als einmal freigestellte Wesen nicht mehr dieser urgerichteten Seelenmaterie angehören oder angehören dürfen, zu verstehen sind; denn welch eine Zumutung wäre das auch, so Ich von dem noch im tiefsten Gerichte liegenden Steine verlangte, daß er Mich erkennete!? Solches kann nur von einer freigewordenen Seele, die Meinen Geist in sich hat, voll rechtlich verlangt werden.

Ev.Joh.1,11. Er kam in sein Eigentum, und die Seinen nahmen Ihn nicht auf.

[GEJ.01_002,07] Also nicht die Erde, wie vorerwähnt, sondern lediglich nur die Menschen ihrem seelisch-geistigen Wesen nach sind hier als das eigentliche Eigentum des Herrn anzusehen und zu betrachten, und darum Eigentum, weil sie sogestaltig selbst Urlicht aus Meinem ewigen Urlichte sind und somit mit Meinem Urgrundwesen in Eins zusammenfallen.

[GEJ.01_002,08] Aber da sie in ebendiesem Wesen, das sich in ihnen als das Hoheitsgefühl ausspricht, geschwächt sind, welcher Schwäche halber Ich auch zu ihnen als in Mein Ureigentum kam und noch immer gleichwegs komme, so erkannten sie Mich nicht und somit auch nicht sich selbst und ihr höchsteigenes Urgrundsein, das da nimmer vernichtet werden kann, weil es im Grunde des Grundes Mein Wesen ist.

Ev.Joh.1,12. Wieviele Ihn aber aufnahmen, denen gab Er Macht, Kinder Gottes zu werden, da sie an Seinen Namen glauben.

[GEJ.01_002,09] Es versteht sich aber so gut wie von selbst, daß bei allen jenen, die Mich nicht aufnahmen oder nicht erkannten, die Urordnung gestört blieb und mit dieser Störung ein leidender Zustand, das sogenannte „Übel“ oder die „Sünde“ blieb; wogegen bei vielen andern aber, die Mich aufnahmen, das heißt, die Mich in ihren Herzen erkannten, sich dieses Übel notwendig verlieren mußte, da sie wieder mit Mir als mit der Urordnung und Urmacht alles Seins vereint wurden, sich darinnen selbst und Mein Urlicht als das gestellte ihrige in ihnen und in diesem das ewige, unvertilgbare Leben fanden.

[GEJ.01_002,10] In solchem Leben aber fanden sie auch, daß sie dadurch notwendig nicht nur Meine Geschöpfe, was sich aus ihrem niederen Lebensgefühle nur herausstellt, sondern, weil sie Mein Selbst in sich bergen, was nur durch Meine Willensmacht aus Mir frei hinausgestellt ward, unfehlbar Meine höchsteigenen Kinder sind, da ihr Licht (ihr Glaube) gleich ist Meinem höchsteigenen Urlichte und daher in sich selbst die volle Macht und Kraft hat, die in Mir Selbst ist, und aus solcher Macht heraus auch das vollste Recht, Mein Kind nicht nur zu heißen, sondern auch in aller Fülle zu sein!

[GEJ.01_002,11] Denn der Glaube ist eben ein solches Licht, und Mein Name, an den die mächtigen Strahlen dieses Lichtes gerichtet sind, ist die Kraft und die Macht und das eigentliche Wesen Meines Urseins, durch die jeder in sich selbst die vollrechtliche und vollgültige Kindschaft Gottes bewerkstelligt. Darum heißt es denn auch im 12. Verse, daß alle, die Mich aufnehmen und an Meinen Namen glauben werden, sage – die Macht in sich haben sollen, vollrechtlich „Kinder Gottes“ zu heißen!

Ev.Joh.1,13. Welche nicht von dem Geblüte, noch von dem Willen des Fleiches, noch von dem Willen eines Mannes, sondern von Gott geboren sind.

[GEJ.01_002,12] Dieser Vers ist nichts als eine nähere Bestimmung und Erläuterung des früheren Verses, und es könnten in einer mehr verbundenen Sprache die beiden Verse nebeneinander auch also lauten: Die Ihn aber aufnahmen und an Seinen Namen glaubten, denen gab Er die Macht, „Kinder Gottes“ zu heißen, die nicht von dem Geblüte, noch vom Willen des Fleisches (Begierde des Fleisches), noch von dem Willen eines Mannes, sondern von Gott geboren sind.

[GEJ.01_002,13] Es versteht sich aber schon von selbst, daß hier nicht von einer ersten Geburt als Fleisch aus dem Fleische, sondern lediglich nur von einer zweiten Geburt aus dem Geiste der Liebe zu Gott und aus der Wahrheit des lebendigen Glaubens an den lebendigen Namen Gottes, der da heißet Jesus-Jehova-Zebaoth, die Rede sein kann, welch zweite Geburt auch gut definiert „die Wiedergeburt des Geistes durch die Taufe aus den Himmeln“ heißet.

[GEJ.01_002,14] Die „Taufe aus den Himmeln“ aber ist der volle Übergang des Geistes und der Seele samt allen ihren Begierden in den lebendigen Geist der Liebe zu Gott und der Liebe in Gott Selbst.

[GEJ.01_002,15] Ist solcher Übergang einmal aus des Menschen freiestem Willen geschehen und befindet sich nun alle Liebe des Menschen in Gott, so befindet sich durch solche heilige Liebe auch der ganze Mensch in Gott und wird allda zu einem neuen Wesen ausgezeitigt, gekräftet und gestärkt und also nach Erlangung der gerechten Vollreife von Gott wiedergeboren; nach solcher zweiten Geburt, der weder des Fleisches Begierde noch des Mannes Zeugungswille vorangeht, ist dann der Mensch erst ein wahres Gotteskind, das er geworden ist durch die Gnade, die da ist eine freie Macht der Gottesliebe im Herzen des Menschen.

[GEJ.01_002,16] Diese Gnade aber ist auch eben der mächtige Zug Gottes im Geiste des Menschen, durch den er, als vom Vater gezogen zum Sohne, das heißt zum göttlichen Urlichte, oder, was eines ist, zu der rechten und lebendig mächtigen Weisheit Gottes gelangt.


3. Kapitel

Ev.Joh.1,14. Und das Wort ward Fleisch und wohnete unter uns, und wir sahen Seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater voll Gnade und Wahrheit.

[GEJ.01_003,01] Wenn der Mensch alsogestaltig durch die Wiedergeburt zur wahren Kindschaft Gottes gelangt, in die er von Gott, dem Vater, oder von der Liebe in Gott förmlich eingeboren wird, so gelangt er zur Herrlichkeit des Urlichtes in Gott, das da eigentlich das göttliche Urgrundsein Selbst ist; dieses Sein ist der eigentliche, eingeborene Sohn des Vaters also, wie das Licht in der Wärme der Liebe inwendig verborgen ruht, solange die Liebe es nicht erregt und aus sich hinausstrahlen läßt. Dieses heilige Licht ist sonach aber auch die eigentliche Herrlichkeit des Sohnes vom Vater, zu der jeder Wiedergeborene gelangt und allda selbst gleich wird dieser Herrlichkeit, die da ist ewig voll Gnade (Gottes- Lichtes) und voll Wahrheit, die da ist die wahre Wirklichkeit oder das Fleisch gewordene Wort. – –

Ev.Joh.1,15. Johannes zeuget von Ihm, ruft und spricht: „Dieser war es, von Dem ich gesagt habe: Nach mir wird kommen, Der vor mir gewesen ist, denn Er war eher denn ich.“

[GEJ.01_003,02] Davon gibt wieder Johannes ein rechtes Zeugnis und macht die Menschen gleich nach der Taufe im Flusse Jordan darauf aufmerksam, daß eben der Mensch, den er nun getauft hatte, Derjenige ist, von Dem er schon die ganze Zeit seiner Predigt zur Buße, um Ihn würdig aufzunehmen, zu dem Volke geredet hatte, daß Er, Der nach ihm (Johannes) kommen werde, vor ihm gewesen, also eher war denn er. Was im tieferen Sinne wieder soviel heißt als: Dies ist das Urgrundlicht und Urgrundsein alles Lichtes und Seins, Das allem Sein voran war, und alles Sein aus diesem Sein hervorging.

Ev.Joh.1,16. Von Seiner Fülle haben wir alle genommen Gnade um Gnade.

[GEJ.01_003,03] Dieses Urlicht aber ist auch die ewig große Herrlichkeit in Gott, und Gott Selbst ist diese Herrlichkeit; diese Herrlichkeit war von Ewigkeit Gott Selbst in Gott, und von der Fülle dieser Herrlichkeit haben alle Wesen ihr Sein und ihr Licht und freies Leben genommen.

[GEJ.01_003,04] Alles Leben ist daher eine Gnade aus Gott und erfüllt die lebentragende Form durch und durch. Das Urleben in jedem Menschen ist daher, weil es in sich die gleiche Herrlichkeit Gottes ist, eine erste Gnade Gottes; diese aber hatte Schaden gelitten durch die bekannte Schwächung des Hoheitsgefühles mit dem niederen Gefühle des Werdens und der dadurch erfolgten notwendigen Abhängigkeit von dem Urlichte und Urgrunde alles Seins.

[GEJ.01_003,05] Da sonach diese erste Gnade im Menschen nahe völlig untergehen wollte, so kam das Urlicht Selbst in die Welt und lehrte die Menschen dahin, daß sie diese erste Gnade dem Urlichte wieder anheimstellen oder eigentlich in dies Ursein völlig zurücktreten sollen und allda nehmen für das alte Licht ein neues Leben; und dieser Umtausch ist das Nehmen der Gnade um Gnade, oder gleichsam das Hingeben des alten, geschwächten, für nichts mehr tauglichen Lebens um ein neues, unvertilgbares Leben in und aus Gott in der Fülle.

[GEJ.01_003,06] Die erste Gnade ist eine Notwendigkeit gewesen, in der keine Freiheit, daher auch keine Beständigkeit waltet; die zweite Gnade aber ist eine volle Freiheit, jeder Nötigung ledig, und daher – weil durch nichts gedrängt und gezwängt – auch für ewig unverwüstbar. Denn wo es keinen Feind gibt, da gibt es auch keine Zerstörung; unter Feind aber wird alles verstanden, was auf ein freies Sein, wie immer gestaltig, hemmend einwirkt.


4. Kapitel

Ev.Joh.1,17. Denn das Gesetz ist durch Moses gegeben; die Gnade und Wahrheit ist durch Christum geworden.

[GEJ.01_004,01] So ist das Gesetz, das dem ersten Leben gegeben werden mußte, und zwar im Anfange schon dem ersten Menschen und im Verfolge der Dinge durch Moses, der hier in diesem Verse auch als ein Repräsentant des Gesetzes angeführt wird. Aus dem Gesetze aber konnte wohl niemand je die wahre Lebensfreiheit erlangen, da das Gesetz eine Hemmung, nicht aber eine Förderung des Lebens ist.

[GEJ.01_004,02] Durch ein positives Muß aus der Urmacht unwandelbarem Wollen wurden die ersten Schöpfungsideen in ein isoliertes, wie selbständiges Sein hinausgestellt; was sonach die Trennung und das Formen des durch Raum und Zeit beschränkten Seins betrifft, so war dieses durch ein unwandelbares Muß bewerkstelligt.

[GEJ.01_004,03] Nun war das Wesen, der Mensch, da, in sich gewisserart die Gottheit Selbst, oder was eines und dasselbe ist: das Ursein Gottes Selbst, nur getrennt von seinem Urgrunde, sich aber dennoch Dessen bewußt, nebst dem aber dennoch gebunden in begrenzter Form und gehalten durch ein unwandelbares Muß. Dieser Zustand wollte dem also gestellten Wesen nicht munden, und sein Hoheitsgefühl kam in einen gewaltigen Kampf mit seiner notwendigen Beschränkung und Hinausstellung.

[GEJ.01_004,04] Da in der urersten Wesenreihe der Kampf immer heftiger ward, so mußte das große Grundgesetz verschärft werden und die Wesen in ein zeitweiliges, festes Gericht fassen; darin bestand die Darstellung der materiellen, festen Weltkörper und die dadurch bewirkte größere Teilung der Urwesen.

[GEJ.01_004,05] In der zweiten Reihe der Wesen erscheint dann der Mensch ins Fleisch gehüllt, stehend auf dem Boden seines ersten Gerichtes. Trotz der nun dreifachen Trennung von seinem Urgrunde erkannte er in sich doch bald Denselben wieder und ward trotzig, hochmütig und ungehorsam einem leichten und nicht mehr mit „Muß“, sondern nur mit „Du sollst“ gegebenen Gesetze.

[GEJ.01_004,06] Weil er aber dies leichte Sollst sich nicht wollte gefallen lassen, so ward ihm dafür ein schwereres und gewaltig sanktioniertes gegeben und die Sanktion bei Nichtachtung dieses zweiten Sollst pünktlich ausgeführt (siehe die Sündflut und Weiteres der Art!).

[GEJ.01_004,07] Nach dieser Zucht begab sich das Gottwesen in Melchisedek zur Erde und führte die Menschen; aber die fingen bald wieder zu kämpfen an und mußten durch neue Gesetze gebunden und zur Ordnung geführt werden, so, daß ihnen nur eine maschinenartige Bewegung, nahe gegen alle ihre Neigungen stehend, übrigblieb.

[GEJ.01_004,08] Durch das Gesetz war demnach eine weite Kluft gestellt, über die kein Geist und kein Wesen mehr einen Sprung machen konnte, wodurch denn auch die Aussicht und das innere Bewußtsein von einer ewigen Fortdauer des inneren, sogestaltig sehr eingeschränkten Lebens in eine sehr zweifelhafte Frage gestellt wurde.

[GEJ.01_004,09] Auf solch eine Einschränkung erscheint dann das göttliche Ursein in Seiner eigenen Urfülle, und zwar in der Person Christi.

[GEJ.01_004,10] Hier kommt also die Urgnade wieder, nimmt auf Sich alle Schwächen des Lebens der Menschen und gibt ihnen dafür eine neue Gnade, ein neues Leben, voll des wahren Lichtes und zeigt ihnen in diesem und durch Sich Selbst den rechten Weg und den rechten Zweck ihres Seins.

Ev.Joh.1,18. Niemand hat Gott je gesehen; der eingeborene Sohn, Der in des Vaters Schoß ist, Der hat es uns verkündiget.

[GEJ.01_004,11] Jetzt erst bekamen, die Ihn erkannten, eine wahre Kenntnis von Gott und konnten nun zum ersten Male Gott, Den vorher nie ein Wesen in Seiner Fülle schauen konnte, neben sich und außer sich beschauen und erkennen und durch Ihn auch sich selbst und die eigene allerfreieste Lebensbestimmung.

[GEJ.01_004,12] Und nun ist auch die unübersteigbare Kluft, die durch das Gesetz gestellt wurde, wieder aufgehoben worden, und jeder Mensch konnte und kann nun immer aus dem Joche des Gesetzes treten, so er seinen alten Menschen gegen den neuen aus Christo umtauscht, darum es denn auch heißt, daß man den alten Menschen ausziehen und den neuen anlegen solle, oder: wer das alte Leben lieb hat, der wird es verlieren; wer es aber fliehet, der wird es, als nämlich ein neues, erhalten. Das ist denn die Verkündigung aus dem Schoße des Vaters und das lebendige Evangelium Gottes.

[GEJ.01_004,13] Der Ausdruck aber, wo es heißt: „Der in des Vaters Schoße ist“, besagt soviel als: Die Urweisheit Gottes oder das eigentliche innerste Gottwesen ist in der Liebe, gleichwie das Licht in der Wärme zu Hause ist, ursprünglich aus der Liebe mächtigen Wärme entsteht und entspringt und endlich durch sein Dasein abermals Wärme erzeugt, und diese allzeit wieder Licht. Ebenalso entsteht aus der Liebe, die gleich ist dem Vater und im Grunde des Grundes der Vater Selbst, das Licht der göttlichen Weisheit, das da gleich ist dem Sohne oder der eigentliche Sohn Selbst, der aber nicht Zwei, sondern völlig Eins ist mit Dem, das da „Vater“ heißt, gleichwie da Licht und Wärme oder Wärme und Licht eines sind, indem die Wärme fortwährend das Licht und das Licht fortwährend die Wärme erzeugt.


5. Kapitel

Ev.Joh.1,19. Und dies ist das Zeugnis Johannis an die Juden, als diese von Jerusalem an ihn sandten Priester und Leviten, daß sie Ihn fragten: „Wer bist du?“

[GEJ.01_005,01] Dieser Vers stellt eine pure äußere Tatsache dar und hat daher keinen inneren Sinn; nur das läßt sich aus dieser Mission leicht entnehmen, daß das Hoheitsgefühl der Juden in dieser Zeit schon zu ahnen begann, daß das Urlicht oder das Urleben Gottes sich den Erdenmenschen zu nahen beginne und schon auf der Erde sein müsse, und es mutmaßte, daß dieses Urleben alles Lebens sich in dem Johannes befinde und er etwa der verheißene Messias sei.

[GEJ.01_005,02] Darum sandten sie denn auch, aus obbesprochener Ahnung mehr als durch den Predigerruf Johannis genötigt, Auskundschafter zu ihm, auf daß sie ihn fragten, wer er sei, ob Christus, ob Elias, oder ob ein anderer Prophet.

Ev.Joh.1,20. Und er bekannte und leugnete es nicht, sagend: „Ich bin nicht Christus, der verheißene Messias.“

Ev.Joh.1,21. Sie aber fragten ihn weiter: „Was bist du denn? Bist du Elias?“ – Und er sprach: „Ich bin es nicht!“ – Und weiter fragten sie: „Bist du ein Prophet?“ – Er antwortete: „Nein!“

[GEJ.01_005,03] Der Grund aber, warum sie den Johannes auch fragten, ob er entweder Elias oder ein anderer neuer Prophet sei, lag darin, weil es in ihren prophetischen Schriften hieß, Elias werde vor dem verheißenen Messias kommen und ganz Israel auf die große Ankunft des Messias vorbereiten! – Also sollten in solcher Zeit auch noch andere Propheten erstehen, die gleichfalls auch als Herolde dem Messias vorangehen werden. Solches also wußten die der Schrift kundigen Abgesandten aus Jerusalem und fragten den Johannes also; dieser aber bekannte, daß er das alles nicht sei.

Ev.Joh.1,22. Und sie sprachen weiter zu ihm: „Was bist du denn, daß wir eine Antwort bringen denen, die uns gesandt haben?!“ – „Was sagst du denn von dir selbst?“

[GEJ.01_005,04] Und so mußten sie ihn denn natürlich weiter fragen, wer er alsonach denn wäre.

Ev.Joh.1,23. Johannes aber sprach: „Ich bin die Stimme eines Rufers in der Wüste und bereite dem Herrn den Weg, wie es der Prophet Jesajas geweissagt hat.“

[GEJ.01_005,05] Worauf Johannes dann erst bekannte, daß er bloß nur ein Rufer in der Wüste sei und bereite – nach Jesajas' Vorhersage – dem Herrn den Weg!

[GEJ.01_005,06] Man kann hier ganz füglich fragen, warum Johannes solches tue in der Wüste, von der man doch voraussetzen kann, daß in ihr sicher sehr wenig Menschen wohnen werden; daß es demnach wohl angezeigter wäre, an solchen Orten einen derartigen Vorläufer zu machen, die reichlich von Menschen bewohnt sind. Was kann in der toten Wüste ein solches, wenn auch noch so kräftiges Rufen nützen, wo des Rufes Schall lange eher verhallt, als bis er an irgend ein Ohr gelangt? Und gelangt er auch zufälligerweise an irgend ein Menschenohr, so genügt das ja doch lange nicht bei einer Sache, die für alle Menschen doch von der allerwichtigsten Art ist!

[GEJ.01_005,07] Auf diese vorleitende Frage sei das gesagt, daß da unter dem Ausdruck „Wüste“ nicht so sehr die kleine Wüste von Bethabara, jenseits des Jordans gelegen, zu verstehen sei, als vielmehr die geistige Wüste in den Herzen der Menschen. Die Wüste von Bethabara, allwo Johannes wirklich lebte, predigte und taufte, war daher nur darum gewählt worden, auf daß sie ein Vorbild dem Menschen wäre, wie es aussähe in seinem Herzen, nämlich ebenso öde, leer, ohne edle Früchte, nur voll Dornen und Disteln, allerlei Unkrautes und voll Nattern und anderen schmeißlichen Gewürms; und in solch einer Wüste der Menschen tritt Johannes wie ein erwachtes Gewissen, das er in rein geistiger Beziehung auch vorstellt, auf und predigt Buße zur Vergebung der Sünden und bereitet also dem Herrn den Weg zu den Herzen ganz wüste gewordener Menschen.

[GEJ.01_005,08] Es bleibt hier nur noch die Frage übrig, warum sich Johannes nicht als Elias oder als ein Prophet bekannte, da er sowohl das eine wie sicher auch das andere nach Meinem höchst eigenen Zeugnisse war, denn Ich Selbst habe es ja bei einer wohl schicklichen Gelegenheit den Aposteln wie auch anderen Anhörern Meiner Lehre geradeheraus gesagt: Johannes war der Elias, der vor Mir kommen sollte, so ihr es annehmen wollt.

[GEJ.01_005,09] Der Grund solch einer Negation liegt darin, daß Johannes sich hier nur nach der tätigen neuen Bestimmung und nicht nach der alten, so seinem Geiste im Elias gegeben ward zu seiner Erdzeit, benennet. Elias mußte strafen und zerstören den Moloch; Johannes aber rufen zur rechten Buße, erteilen der Sünde Vergebung durch die Wassertaufe und also Mir den Weg bereiten. Und nach solcher Tätigkeit gab er sich denn auch nur als das aus, was er nun der Tat nach war.

Ev.Joh.1,24. Und die gesandt waren, waren von den Pharisäern.

Ev.Joh.1,25. Und diese fragten ihn weiter noch und sprachen zu ihm: „Warum taufest du denn, so du nicht Christus, auch nicht Elias und sonst auch kein Prophet bist?“

[GEJ.01_005,10] Da er aber dennoch taufte, was sonst nur den Priestern und den erwiesen dazu berufenen Propheten gestattet war, so fragten ihn die von den eifersüchtigen Pharisäern abgesandten Priester und Leviten, warum er denn hernach die Menschen taufe, da er weder das eine noch das andere sei.

Ev.Joh.1,26. Johannes aber antwortete ihnen und sprach: „Ich taufe nur mit Wasser; Er (der Christus, nach Dem ihr fraget) ist mitten unter euch getreten; aber ihr kennet Ihn nicht.“

[GEJ.01_005,11] Johannes aber sagt: „Ich taufe nur mit Wasser, das heißt, ich wasche nur und bin ein Wäscher unrein gewordener Herzen zum würdigen Empfange des Einen, Der gewisserart schon lange in eurer Mitte sich aufhält, Den ihr aber eurer Blindheit wegen nicht erkennet!“

[GEJ.01_005,12] Hier werden auch alle jene Mich, den Herrn, äußerlich wo Suchenden durch diese Forscher dargestellt, die Länder und Meere durchziehen und da alle Weisen fragen: „Wo ist Christus, wann und wo kommt Er?“ – Den wahren, Der inmitten ihrer Herzen eine Wohnstätte für Sich erbaute, und Der nur da zu finden ist, (O – solcher Irrsucher!) Den suchen sie nicht, wenigstens dort nicht, wo Er einzig und allein zu suchen und zu finden ist!

Ev.Joh.1,27. „Der ist es, Der nach mir kommen wird, Der vor mir war, Des ich nicht wert bin, daß ich Seine Schuhriemen auflösete.“

Ev.Joh.1,28. Dies geschah zu Bethabara, jenseits des Jordans, allwo Johannes taufte.

[GEJ.01_005,13] Wie sehr doch gibt Johannes ein allerdemutsvollstes Zeugnis vor den Priestern und Leviten, da er es wohl weiß, Wer in Christo die Erde betreten hat; aber was kümmert dies das hochweltweise Priestertum! Das allerwahrste Zeugnis des Johannes ließ sie unangefochten; denn sie wollten keinen demutsvollen, armen und glanzlosen Messias, sondern einen solchen, vor dem sogleich alles vor Furcht und Schreck hätte zusammenfahren sollen!

[GEJ.01_005,14] Der Messias hätte gleich beim ersten Erscheinen – natürlich nirgends anders als in Jerusalem – und linea recta sichtbarlich mit mehr denn Sonnenglanz feurig strahlend, von Myriaden Engeln begleitet vom Himmel herabkommend und nur im Tempel Wohnung nehmend, alle damaligen Potentaten aufheben und vernichten sollen, – und hätte darauf die Juden auch sogleich völlig unsterblich machen, ihnen alles Geld der Erde verschaffen, wenigstens etliche Hunderte von überflüssig scheinenden Bergen mit starkem Gekrache ins Meer schleudern und dabei aber auch das arme schmutzige Gesindel sogleich hinrichten sollen! Dann hätten sie an Ihn geglaubt und auch gesagt: „Herr, Du bist gar entsetzlich stark und mächtig, alles muß sich vor Dir tiefst beugen und in den Staub werfen, und der Hohepriester ist nicht würdig, Dir die Schuhriemen zu lösen.“

[GEJ.01_005,15] Aber Christus kam ganz arm und klein und anscheinend schwach zur Erde, gab nahe volle dreißig Jahre (außer bis zu seinem zwölften) kein Zeichen vor den Augen der Großen von Sich, sondern arbeitete schwere Arbeiten, war samt Josef ein Zimmermann und gab Sich nachher auch noch mit dem gemeinen Proletariat ab; wie konnte in den Augen der stolzen und hochweisen Juden das der so lange erwartete Messias sein? „Weg mit solch einem Gotteslästerer, mit solch einem Magier, der seine Taten nur mit der Hilfe des Obersten der Teufel ausführt! Solch ein allergemeinster, übers Eichenholz grober und roher Zimmermannsgeselle, der irgendwo mit der Satanshilfe zaubern gelernt hat, barfuß einhergeht und des allerhundsgemeinsten Gesindels Freund ist, mit ihm herumgeht, Huren annimmt und mit öffentlich zu bekannten Sündern ißt und trinkt und somit durch sein Tun und Lassen dem Gesetze offenbarlichst widerstrebt, der soll Christus, der verheißene Messias sein?! – Nein, nimmermehr sei eine solch gotteslästerliche Idee in uns!“

[GEJ.01_005,16] Das war das Urteil der hohen und weisen Juden über Mich bei Meiner fleischlichen Vollgegenwart auf der Erde; und das haargleiche Urteil besteht noch zur Stunde über Mich unter Millionen, die durchaus von einem sanftmütigen, herablassenden und Sein Wort haltenden Gott nichts hören wollen!

[GEJ.01_005,17] Ihr Gott muß erstens sehr hoch über allen Sternen wohnen und vor lauter endlosester Erhabenheit nahe gar nicht existieren; geringere Dinge als Sonnen darf Er gar nicht erschaffen, so Er ein würdiger Gott sein will! Zweitens darf Er Sich nicht unterstehen, irgend eine und schon am allerwenigsten die menschliche Gestalt zu haben, sondern muß bloß so irgend ein unbegreifliches Unding sein!

[GEJ.01_005,18] Drittens darf, so doch Christus Gott sein könnte, Er Sich nur Menschen vom Fache, nur gewissen Sozietäten, Konzilien, außerordentlichen Pietisten, mit einem sogenannten Heiligenschein umgebenen Zeloten und vollendeten Tugendhelden durchs innere lebendige Wort mitteilen, und einem also Beglückten aber auch alsogleich die Macht, Berge zu versetzen, erteilen; sonst ist es rein nichts mit der göttlichen Mitteilung und Offenbarung Christi!

[GEJ.01_005,19] Einem Laien oder etwa gar einem Sünder darf Sich der Herr Jesus nimmer mitteilen; denn in solchem Falle ist dann die Offenbarung schon verdächtig und wird nicht angenommen gleicherweise, wie auch Ich Selbst von den hohen Juden nicht angenommen ward, weil Ich vor ihren stolzen und ruhmsüchtigen Augen viel zu wenig göttlich nobel aufgetreten bin; aber – das tut nichts! Nur das Zeugnis Johannis ist gültig!

[GEJ.01_005,20] Die Welt bleibt sich stets gleich und ist fort und fort die Wüste zu Bethabara, allwo Johannes sein Zeugnis gab. – Aber auch Ich bleibe Mir stets gleich und erscheine allzeit bei den Menschen zur Unterdrückung ihres Hochmuts und zur Belebung der wahren Demut und Liebe stets so, wie Ich den Juden erschienen bin. Wohl allen, die Mich also erkennen und aufnehmen, wie Mich der Johannes erkannt und aufgenommen hat laut seines Zeugnisses, das er Mir vor den Augen und Ohren der stolzen Priester und Leviten aus Jerusalem gab zu ihrem großen Ärger!

Ev.Joh.1,29. Des anderen Tages sieht Johannes Jesum zu sich kommen und spricht: „Siehe, Das ist Gottes Lamm, Das der Welt Sünden trägt!“

[GEJ.01_005,21] Er zeuget ihnen des nächsten Tages darauf, als diese Forscher noch zu Bethabara sich aufhielten und allda Erkundigungen machten, was alles dieser Johannes tue und worin hauptsächlich seine Predigten beständen, noch einmal von Mir, und zwar gerade bei der bekannten Gelegenheit, als Ich aus der Wüste zu ihm komme und von ihm verlange, daß er Mich taufe mit dem Wasser des Stromes.

[GEJ.01_005,22] Schon als Ich Mich ihm nähere, macht er den Führer dieser Forscher, der über die Nacht das, was er von Johannes tags vorher vernommen hatte, in eine beachtenswerte Erwägung zog, auf Mich aufmerksam und sagt: „Sieh', Der dorther Kommende ist das Gottes-Lamm, Das alle Schwäche der Menschen auf Seine Schultern gelegt hat, auf daß die Menschen, die Ihn aufnehmen werden, ein neues Leben aus Ihm nehmen und in sich die Macht haben werden, aus solchem neuen Leben Gottes Kinder zu heißen; denn weder im Sturme noch im Feuer kommt Jehova, sondern im sanftesten Wehen nur kommt er.“

Ev.Joh.1,30. „Dieser ist es, von Dem ich (gestern) gesagt habe: Nach mir kommt ein Mann, Der vor mir gewesen ist; denn Er war eher denn ich.“

[GEJ.01_005,23] Johannes wiederholt hier noch einmal das, was er schon tags vorher zu den Forschern über Mich ausgesagt hatte, und zeugt einerseits von Mir, daß Ich gleichsam als ein Spiegel wahrer und notwendiger Demut des Menschen zu den Menschen komme und in solcher Demut zeuge, daß Ich den Menschen in ihrer Schwäche zu Hilfe komme, nicht aber in ihrer vermeintlichen Stärke, die sie freilich wohl nimmer besitzen; andererseits aber zeuget Johannes auch, daß das von ihm also benannte Gotteslamm dennoch Der ist, Der vor allem Sein war; denn der Ausdruck „Er war eher denn ich“ besagt soviel als: Johannes – seinen hohen Geist auf einen Moment in sich selbst erkennend – gibt dies den Forschern also zu verstehen, daß, obschon auch in ihm der gleiche Urgeist wohne einer und derselben Art und Beschaffenheit, er aber dennoch nur aus dem Grundurgeiste, Der allein in diesem Lamme wohne, nicht aus eigener Macht, sondern aus der alleinigen Macht dieses Urgrundgeistes in ein freies und völlig selbständiges Dasein hinausgestellt wurde; mit solcher Hinausstellung, da sie eine wirkliche Werktat des Urgrundgeistes ist, beginne dann auch eine erste Zeitperiode, vor welcher nichts war in der ganzen Unendlichkeit denn allein der Urgrundgeist Jehova, und zwar ganz also und Derselbe, als Der Er nun in diesem Gotteslamme vor ihnen sichtbar Sich befinde und von ihm (Johannes) getauft zu werden wünsche.


6. Kapitel – Taufe. In der Wüste. Erste Jüngeraufnahme. (Kap.6-9)

Ev.Joh.1,31. „Ich aber kannte Ihn auch früher nicht; sondern um Ihn zu offenbaren in Israel bin ich gekommen, mit Wasser zu taufen (die Seiner Harrenden).“

[GEJ.01_006,01] Natürlich fragten die Forscher darauf Johannes: „Seit wann kennst denn du diesen merkwürdigen Mann schon, und wie überkamst du das, was du nun von Ihm aussagst?“ – Hier antwortete Johannes ganz naturgemäß, daß auch er als Mensch Ihn früher nicht gekannt habe, sondern Sein Geist habe ihm solches geoffenbart und ihn auch getrieben, die Menschen auf Diesen vorzubereiten und sie zu waschen von ihren groben Sündenflecken mit dem Wasser des Jordans.

Ev.Joh.1,32. Und Johannes zeugete und sprach (nach der Taufe) weiter: „(Als ich Ihn nun taufte,) sah ich, daß der Geist Gottes (zum Zeugnisse für mich) herabfuhr vom Himmel, gleichwie eine Taube sanft sich herabläßt, und dieser Geist blieb über Ihm.“

[GEJ.01_006,02] Johannes gibt hier kund, daß auch er Mich zum ersten Male sieht leibhaftig vor ihm, und daß Mein Geist in ihm – ihm solches geoffenbart hat. Die Forscher sahen sich natürlich diesen Mann wohl an und beobachteten Ihn während der kurz dauernden Handlung der Wassertaufe, die an Mir zu begehen sich Johannes anfangs weigerte, und zwar mit dem wichtigen Bemerken: Ich solle wohl füglicher ihn taufen, denn er Mich; – aber auf Mein ausdrückliches Begehren, daß es also geschehen müsse, gab er nach und taufte Mich dennoch, sah aber, was Ich Selbst ihm durch Meinen Geist in seinem Geiste geoffenbart hatte, da Ich ihn nach Bethabara trieb, wie Gottes, das heißt Mein ewig ureigenster Geist Sich in der Erscheinlichkeit eines lichten Wölkchens, und zwar in der Art, wie eine Taube sich herabläßt, aus den lichtvollen Himmeln über Mich herabließ und also blieb über Meinem Haupte. Und dazu vernahm er zugleich die bekannten Worte:

[GEJ.01_006,03] „Dies ist Mein geliebter Sohn, oder dies ist Mein Licht, Mein eigenes Urgrundsein, an Dem Ich als die urewige wesenhafte Liebe Mein Wohlgefallen habe, Diesen sollet ihr hören!“

Ev.Joh.1,33. „Ich hätte Ihn sonst auch nicht erkannt; aber – Der mich sandte, zu taufen mit dem Wasser, sprach zu mir: Über Den du sehen wirst den Geist Gottes herabfahren und auf Ihm bleiben, Der ist er , Der mit dem heiligen Geist taufen wird.“

[GEJ.01_006,04] Darum sagt Johannes: „Ich hätte Ihn sonst auch nicht erkannt!“

Ev.Joh.1,34. „Ich sah es und zeuge nun, daß dieser ist wahrhaft Gottes Sohn.“

[GEJ.01_006,05] Nach dieser Taufhandlung erzählte erst Johannes den Forschern, was er gesehen und gehört hatte, und behauptete auf Tod und Leben, daß der Getaufte, Den er schon bei Dessen Annäherung als das ihm geoffenbarte Gottes-Lamm angekündigt hatte, wahrhaftigst der von ganz Israel erwartete Messias ist; Dieser ist wahrhaft Gottes Sohn, das heißt, das urewige eigentliche Grundsein Gottes in Gott!

[GEJ.01_006,06] Er, Johannes, habe selbst mit eigenen Augen Dessen Geist über Ihn Sich herablassen und über Ihm bleiben sehen, nicht als ob dieser Mann dadurch solchen Geist erst empfangen hätte, sondern die Erscheinung geschah nur ihm selbst zu einem Zeugnisse, da auch er Ihn eher nicht gekannt hatte.

[GEJ.01_006,07] Es wirft sich hier aber von selbst die Frage auf, ob denn diese Boten aus Jerusalem von all dem mit ihren Augen und Ohren nichts bemerkt haben. Darauf diene zur stets und ewig gleichen Antwort: Nur den Unmündigen und Einfältigen wird es geoffenbart; den Weisen der Welt aber bleibt es verborgen und verhüllt.

[GEJ.01_006,08] Also sahen hier die Boten aus Jerusalem auch nichts als nur die Wassertaufe allein und ärgerten sich nicht wenig, als ihnen Johannes kundgab, was er gesehen und vernommen hatte, sie aber von all dem nichts wahrnehmen konnten und daher den Johannes auch schmähten, daß er sie anlüge; aber da traten mehrere anwesende Jünger des Johannes hinzu und bezeugten, daß Johannes völlig die Wahrheit geredet hatte.

[GEJ.01_006,09] Aber die Boten schüttelten die Köpfe und sprachen: „Johannes ist euer Meister, und ihr seid seine Jünger; darum bezeuget auch ihr seine Aussage. Wir aber sind gelehrt und weise in allen Dingen aus der Schrift, die von Gott ist durch Moses und durch die Propheten, und erkennen aus eurem Reden und Handeln, daß ihr samt eurem Meister Narren seid, nichts sehet und nichts wisset und mit eurer Narrheit viele Menschen verrückt machet, also, daß die Sache höchst mißfällig schon eine Zeitlang in den Ohren der Höchsten des Tempels liegt. Das Beste wird sein, euch mit Gewalt das Handwerk zu legen.“

[GEJ.01_006,10] Johannes aber erregte sich und sprach: „Ihr Otterngezüchte, ihr Natternbrut! Meinet ihr dadurch dem Gerichte zu entgehen!? – Sehet, die Axt, mit der ihr uns vernichten möchtet, ist bereits an eure Wurzel gelegt; sehet zu, wie ihr dem Verderben entrinnen werdet! So ihr nicht in Sack und Asche Buße tut und euch nicht werdet taufen lassen, so werdet ihr zugrunde gerichtet werden!

[GEJ.01_006,11] Denn wahrlich! Dieser war es, von Dem ich zu euch geredet habe: Nach mir wird kommen, Der vor mir gewesen; denn Er war eher denn ich. – Von Seiner Fülle haben wir alle genommen Gnade um Gnade.“ (Dieses wird zum voraus schon im 15. und 16. Verse dieses Kapitels angeführt, aber noch nicht näher historisch beleuchtet.)

[GEJ.01_006,12] Auf diese energischen Worte Johannis verbleiben einige und lassen sich von ihm taufen; der größte Teil aber zieht ganz ergrimmt von dannen.

[GEJ.01_006,13] Diese Verse berichten ganz rein nur etwas Historisches und haben wenig inneren Sinn, der sich aber schon aus den vorhergehenden Erläuterungen gar leicht erkennen läßt. Nur muß hier erwähnt werden, daß solche Verse um so leichter gefaßt werden, wenn sie mit den damals von selbst sich verstehenden Umständen gegeben werden; denn in der Zeit, als der Evangelist das Evangelium niederschrieb, war es die Art und Weise, daß man alle möglichen Umstände, die sich irgend von selbst verstehen und annehmen ließen, als unnötige Sätze ausließ und bloß nur die Hauptsätze aufzeichnete und alle Nebenumstände, wie man heutzutage sagt, „zwischen den Zeilen lesen“ ließ. Um diese für diese Zeit sehr zu beachtende Sache näher zu beleuchten, wollen wir eben die hiernach angesetzten drei Verse in dieser Art etwas näher betrachten, und es wird sich die damalige Schreibart (Syntax) ganz genau ersehen und wohl erkennen lassen.


7. Kapitel

Ev.Joh.1,35. Des folgenden Tages stand abermals Johannes (am Flusse des Jordan) und zwei seiner Jünger mit ihm.

[GEJ.01_007,01] Ganz urtextlich lautet zum Beispiel der 35. Vers also: „Des andern Tages stand abermals Johannes und zween seiner Jünger.“ Hier fragt es sich: Wo stand er, und waren die zwei Jünger bei ihm, oder standen sie irgendwo auf einem andern Platze, nur zu gleicher Zeit? – Es muß hier jedem sogleich in die Augen fallen, daß hier weder der Standpunkt und noch weniger die Handlung der beiden Jünger bezeichnet ist.

[GEJ.01_007,02] Ja warum hat denn der Evangelist solches Umstandes nicht erwähnt?

[GEJ.01_007,03] Der Grund ist schon oben angedeutet worden; denn es versteht sich ja von selbst und hat sich besonders für jene Zeit, in der also zu schreiben Regel war, ganz bestimmt von selbst verstehen lassen müssen, daß Johannes am Flusse Jordan und daselbst unter einer Weide stand und allda harrete, ob jemand käme und sich von ihm taufen ließe. Und da er mehrere Jünger hatte, die seine Lehre hörten und sie auch aufzeichneten, so waren gewöhnlich zwei, manchmal, so es viel zu tun gab, auch mehrere ihm zur Seite und waren ihm bei seinen vielen Taufhandlungen behilflich und tauften wohl auch in seinem Namen und in seiner Art.

[GEJ.01_007,04] Da also für die damalige Zeit alle solche Umstände bei denen, die um Johannes waren, zu bekannt waren, so wurden sie auch nicht aufgezeichnet; es war in dieser Zeit Regel, also zu schreiben, und einesteils auch Notwendigkeit ob Mangels des Schreibmaterials, und man zeichnete daher nur die Hauptsache auf und gab durch das einem Satze vorgesetzte Bindewort „und“ zu verstehen, ob die wie vereinzelt dastehenden Sätze zueinander in einer Beziehung stehen oder nicht. Aus dem Grunde hat man solche Bindewörter auch selten in Buchstaben, sondern in gewissen bekannten Zeichen den aufeinander Bezug habenden Hauptsätzen vorgesetzt.

[GEJ.01_007,05] Diese hier gegebene Erklärung ist zwar keine an sich evangelische Erklärung; aber sie ist dennoch sehr notwendig, indem ohne sie sowohl die Evangelien in ihrem äußeren historischen Sinne in dieser Zeit kaum zu verstehen sind und somit noch weniger in ihrem inneren geistigen Sinne, am allerwenigsten aber die prophetischen Bücher des alten Testamentes, in denen statt ausgeführter Sätze bloß nur entsprechende Bilder vorkommen und natürlich von wie immer gearteten Umständeangaben keine Rede sein kann. Da wir nun aber solche Regeln des Altertums kennen, so wird es uns für die Folge auch nicht schwerfallen können, alle nachfolgenden Verse und Texte leichter zu verbinden, richtiger zu lesen und wenigstens den natürlichen, historischen Teil in ein helleres Licht zu stellen. Wir wollen solch eine kurze Analyse noch mit dem 36. und 37. Verse vornehmen und die gegebene Regel wird dadurch klarwerden.

Ev.Joh.1,36. Und da er wieder Jesum (am Ufer des Jordan) wandeln sah, sprach er: „Siehe, Das ist Gottes Lamm!“

[GEJ.01_007,06] Der 36. Vers heißt urtextlich: „Und als er sah Jesum wandeln, sprach er: Siehe, Das ist Gottes Lamm!“ Das „Und“ zeigt hier an, daß dieser Text mit dem vorhergehenden in irgendeiner Beziehung steht und historisch angibt, daß Jesus nach der erlangten Wassertaufe Sich noch einige Zeit in der Nähe des Johannes aufgehalten hat und daher sowohl von seinen zwei Jüngern wie von ihm selbst am Ufer des Jordans wandelnd gesehen ward.

[GEJ.01_007,07] Als Johannes Seiner ansichtig wird, so faßt er sogleich alle seine Gedanken in eins zusammen und spricht in einer Art hoher Begeisterung wie für sich hin: „Siehe, Das ist Gottes Lamm!“ In dieser Zeit würde er ungefähr sich also ausgedrückt haben: „Da sehet hin! Am Ufer des Flusses wandelt noch heute der allerhöchste Gottmensch so anspruchslos und so demütig wie ein Lamm.“ Johannes aber übergeht alle diese näheren Bezeichnungen und sagt bloß, wie es im Verse steht.

Ev.Joh.1,37. Und als die zwei Jünger Johannes also reden hörten, (verließen sie alsbald Johannes) und folgten Jesu nach.

[GEJ.01_007,08] Der 37. Vers, der eigentlich die Folge der beiden vorhergehenden darstellt, fängt aus oben gezeigter Ursache wieder mit „Und“ an und zeigt nur ganz einfach das Geschehene an, nur höchst kurz den Grund berührend.

[GEJ.01_007,09] Der Urtext heißt allereinfachst also: „Und zween seiner Jünger höreten ihn reden und folgten Jesu nach.“ In dieser Zeit könnte der Vers unbeschadet seines Verständnisses und Sinnes also lauten: Als aber die beiden Jünger, die bei ihm (Johannes) waren, ihren Meister also reden hörten, verließen sie ihn sogleich und begaben sich zu Jesu hin, und da Jesus sich nun von diesem Ort zu entfernen begann, so folgten sie Ihm nach.

[GEJ.01_007,10] Alles das in dieser Texterweiterung Angeführte muß bei dieser Begebenheit mitgeschehen sein, da sonst das Faktum nicht ausführbar wäre. Aber, wie gesagt, nach der damaligen Schreibart werden bloß die zwei Begriffe „Hören“ und darauf das sogleiche „Nachfolgen“ berührt, alle Übergangs- und Bindesätze aber als von selbst sich verstehend ausgelassen. Wer diese gegebene Regel wohl auffaßt, der wird wenigstens den historischen Teil der Urschrift in einen verständlicheren Sinn zusammenfassen und dadurch auch den inneren Sinn sich leichter vorstellen können.


8. Kapitel

Ev.Joh.1,38. Jesus aber wandte Sich um, sah die beiden nachfolgen und sprach zu ihnen: „Was suchet ihr?“ Sie aber sprachen zu Ihm: „Rabbi (d. i. verdolmetscht: Meister), wo bist Du zur Herberge?“

[GEJ.01_008,01] Auch dieser Text erscheint als eine Folge der vorhergehenden und ist mehr historisch als geistig; denn damit beginnt vorderhand die bekannte, in ihrer Art noch ganz materielle Aufnahme der Apostel, und zwar in derselben Gegend, wo Johannes sein Wesen hatte, und zwar zu Bethabara, einem allerarmseligsten Flecken, den arme Fischer bewohnten, aus welchem Grunde sich die beiden Jünger auch alsobald nach der Herberge erkundigen und gewisserart fragen, welche Hütte Ich bewohne.

[GEJ.01_008,02] Denn da Ich Mich Selbst vor der Taufe bei vierzig Tage in dieser Gegend aufgehalten hatte und Mein menschliches Wesen durch Fasten und sonstige Übungen für das beginnende Lehramt vorbereitete, so ist es historisch auch klar und gewiß, daß Ich zu dem Behufe in diesem Flecken irgend eine Herberge haben mußte, die in ebenderselben wüsten und höchst unwirtlichen Gegend lag, die Ich für Mein Vorhaben als die tauglichste erkannte.

[GEJ.01_008,03] Die beiden Jünger wußten das wohl, daß Ich schon einige Zeit in dieser Gegend zu Hause war; denn sie mochten Mich wohl schon etliche Male allda gesehen haben, ohne jedoch eine Ahnung zu haben, wer Ich sei; daher erkundigten sie sich auch alsbald nicht nach Meiner eigentlichen Geburtsheimat, sondern nur nach der Herberge im Orte zu Bethabara, der zumeist aus den allerdürftigsten Fischerhütten bestand, die aus Lehm und Schilf erbaut waren und oft kaum die Höhe hatten, daß ein Mann darin aufrecht stehen konnte.

[GEJ.01_008,04] Und eine ähnliche Hütte, ziemlich tief in der Wüste, bewohnte denn auch Ich, die ein Werk Meiner Hände war. Von daher datieren sich noch heutzutage die fast in allen christlichen Landen vorkommenden Eremitagen.

Ev.Joh.1,39. Er sprach zu ihnen: „Kommet und sehet es!“ Sie gingen mit Ihm und sahen es und blieben denselben Tag bei Ihm. Es war um die zehnte Stunde.

[GEJ.01_008,05] Es war solche Herberge sonach nicht ferne von dem Orte, wo Johannes sein Wesen trieb; daher sagte Ich denn auch zu den beiden Jüngern: „Kommet und sehet!“, worauf die beiden Mir auch unbedingt folgten, mit Mir bald Meine Herberge erreichten und sich allda nicht wenig wunderten, daß der Gesalbte Gottes beinahe die allerunansehnlichste Hütte bewohne, die dazu noch in einer allerunwirtlichsten Gegend dieser Wüste sich befinde!

[GEJ.01_008,06] Es geschah aber dies nicht etwa in der Zeit, innerhalb der in der Gegenwart die christlichen Gemeinden gewöhnlich die 40tägigen Fasten halten, sondern um zwei Monde später, und nach des Tages Zeit, als wir die Herberge erreichten, war es um die zehnte Stunde, also nach gegenwärtiger Zeitrechnung ungefähr um die dritte Stunde nachmittags; denn damals bestimmte der Aufgang der Sonne die erste Stunde des Tages. Da aber dieser nicht stets um die gleiche Zeit erfolgt, so können die damals angegebenen Tagzeiten, Stunden genannt, mit der gegenwärtigen Tageszeiteneinteilung in keine genaue, sondern nur in eine ungefähre Übereinstimmung gebracht werden; darum Ich denn auch oben sagte: Es war ungefähr um die dritte Stunde nachmittags, als Ich mit den beiden Jüngern die Herberge erreichte. – Da diese beiden Jünger diesen Tag bis zum Sonnenuntergang bei Mir zubrachten, so wird gewiß in eines jeden forschenden Lesers Gemüte die Frage entstehen, was wir drei in und bei Meiner Herberge in der Zeit von drei bis gegen acht Uhr gemacht haben. Denn geschrieben steht davon nirgends etwas. Diese Sache läßt sich ganz einfach sozusagen schon von selbst verstehen: daß Ich diese beiden von ihrer künftigen Bestimmung unterwies und ihnen auch zeigte, wie und wo Ich Mein Lehramt zuerst beginnen und wie Ich in dieser Gegend noch mehrere ihres Geistes und Willens zu Meinen Jüngern auf- und annehmen werde. Zugleich erteilte Ich ihnen auch den Auftrag, daß sie sich unter ihren Kollegen, die zumeist auch Fischer waren, erkundigen und beraten sollten, ob nicht welche geneigt wären, sich Mir anzuschließen. Das war diese Zeit hindurch unsere Unterhaltung. Als aber der Abend kam, entließ Ich die beiden, und sie begaben sich, zum Teil sehr heiter, zum Teil aber auch sehr nachdenkend, zu den Ihrigen zurück; denn sie hatten Weiber und Kinder und wußten nicht, was sie mit denselben machen sollten.

Ev.Joh.1,40. Einer aus den zweien, die von Johannes (über Jesum) also reden hörten und darauf Jesus nachfolgten, war Andreas, ein Bruder Simon Petri.

[GEJ.01_008,07] Einer aus den zweien mit Namen Andreas ist mit seinem Entschlusse bald fertig und will Mir um jeden Preis folgen; er sucht daher auch sogleich seinen Bruder Simon, der irgendwo noch mit seinen Fischnetzen zu tun hatte.

Ev.Joh.1,41. Derselbe findet am ersten eben diesen Bruder Simon und sagt zu ihm: „Wir haben den Messias gefunden!“ (Messias heißt soviel als: der Gesalbte.)

[GEJ.01_008,08] Als er ihn nach einigem Suchen findet, so hat er nichts Wichtigeres zu tun, als dem Simon über Hals und Kopf zu erzählen anzufangen, daß er den verheißenen Messias gefunden habe mit noch einem Jünger, dessen Entschluß kein so fester war, Mir zu folgen.

Ev.Joh.1,42. (Simon wünscht Jesum zu sehen,) und Andreas führt in zu Jesus. Da ihn Jesus sah, sprach Er: „Du bist Simon, des Jonas Sohn; von nun an aber sollst du Kephas heißen (d.h. verdolmetscht: ein Fels)!“

[GEJ.01_008,09] Als Simon von Mir also reden hört, äußert er lebhaft den Wunsch, Mich sobald als möglich zu sehen; denn er war bei der Taufe nicht zugegen gewesen. Andreas spricht: „Heute kann es nicht füglich mehr geschehen, aber morgen sollst du bei Tagesanbruch bei Ihm sein!“

[GEJ.01_008,10] Spricht darauf Simon, der stets bei allem Tun vom Messias phantasierte und der Meinung war, daß der Messias der Armut helfen und die hartherzigen Reichen völlig vertilgen werde: „Bruder, da ist kein Augenblick zu verlieren; ich verlasse augenblicklich alles und folge Ihm bis ans Ende der Welt, so Er es verlangt. Führe mich daher nur sogleich zu Ihm hin; denn mich drängt es gewaltig, und ich muß Ihn heute noch sehen und sprechen. Die Nacht ist hell, und weit ist es bis zu Dessen Hütte nicht; daher machen wir uns nur sogleich auf den Weg zu Ihm hin! – Wer weiß es denn, ob wir Ihn morgen noch träfen?!“

[GEJ.01_008,11] Auf solches Drängen führt ihn Andreas zu Mir hin. Als sich aber beide schon ziemlich spät in der Nacht Meiner Herberge nahen, bleibt Petrus vor süßer Entzückung bei dreißig Schritt vor derselben stehen und sagt zum Andreas: „Es wird mir sonderbar zumute! Mich ergreift ein erhaben süßes Bangen; kaum getraue ich mir noch einen Schritt fürbaß zu tun, und doch ist in mir, Ihn zu sehen, ein so heißes Verlangen!“

[GEJ.01_008,12] Hier komme Ich aus Meiner Hütte den beiden Brüdern entgegen, was damit gesagt und gezeigt ist, daß Ich ihn sah; – es versteht sich von selbst, daß unter dem Von-Mir-Gesehen-Werden Mein Entgegenkommen bezeichnet ist, so jemand wie Simon vorzüglich im Herzen zu Mir kommt. Er wird deshalb von Mir auch sogleich erkannt, das heißt, angenommen, und ein neuer Name ist der erste Anteil für ihn an Meinem Reiche. Simon bekommt hier auch sogleich den Namen Kephas oder ein Fels im Glauben an Mich; denn Ich sah es schon lange, von welch einem Geiste Petrus belebt ist und war.

[GEJ.01_008,13] Dem Petrus oder Simon war diese Meine Anrede ein hinreichender Beweis, daß Ich unfehlbar der verheißene Messias sei; er gab hinfort auch keinem Zweifel über Mich in seinem Herzen mehr Raum und fragte Mich auch mit keiner Silbe je, ob Ich wohl der Rechte wäre, denn sein Herz war ihm der allein sichere und gültige Bürge. – Beide blieben nun bis zum Morgen bei Mir und verließen Mich nachher nicht mehr.


9. Kapitel

Ev.Joh.1,43. Des anderen Tages wollte Jesus wieder nach Galiläa ziehen, und findet Philippus und sagt zu ihm: „Folge Mir nach!“

[GEJ.01_009,01] Am Morgen sage Ich zu den beiden: „Meine Zeit in dieser Wüste ist zu Ende; Ich werde nach Galiläa ziehen, von wo Ich hierher kam. Wollet ihr mitziehen? Ich stelle es euch frei; denn Ich weiß es, daß ihr Weib und Kind habt und diese nicht leicht verlasset. Doch niemand, der Meinetwegen etwas verläßt, wird das Verlassene verlieren, sondern es nur vielfach wieder gewinnen.“

[GEJ.01_009,02] Spricht darauf Petrus: „Herr! Dir zuliebe verlasse ich mein Leben, geschweige denn mein Weib und Kind! – Die werden leben auch ohne mich; denn ich bin ein Bettler und kann ihnen wenig Brotes schaffen; unsere Fischerei trägt kaum für den halben Mund eines Menschen, geschweige für eine Familie eine ersprießliche Nahrung! Mein Bruder Andreas ist mir ein guter Zeuge. Zu Bethsaida sind wir wohl geboren; aber die Nahrung mußten wir hier an diesen wüsten, aber dennoch ziemlich fischreichen Ufern des Jordans suchen, allwo wir nun auch vom Johannes getauft wurden. Unser Vater Jonas aber ist wohl bei Kräften und unsere Weiber und Schwestern auch; dazu den Segen von oben, und sie werden sich schon durchbringen!“ – Ich belobe darum beide, und wir machen uns auf den Weg.

Ev.Joh.1,44. Philippus aber war von Bethsaida, aus der Stadt des Andreas und Petrus.

[GEJ.01_009,03] Auf dem Wege, der sich eine Zeitlang noch an den Ufern des Jordans hinzog, treffen wir Philippus, der, ebenfalls aus Bethsaida gebürtig, sich mit einem schlechten Netze schon in aller Frühe in den Wellen des Jordans ein Frühstück suchte. – Petrus machte Mich auf ihn aufmerksam und sprach: „O Herr! Dieser Mann leidet viel und ist sehr arm, aber dabei der ehrlichste und redlichste Mensch, voll wahrer Gottesfurcht in seinem Herzen! Wie wäre es denn, so Du ihn auch mitziehen ließest?“

[GEJ.01_009,04] Auf solch lieblichen Antrag Petri aber sage Ich nichts als: „Philippus, folge Mir nach!“ Dieser läßt sich die Sache nicht zweimal sagen, wirft sein Netzwerk vor sich hin und folgt Mir, ohne zu fragen wohin. Am Wege erst sagt zu ihm Petrus: „Dem wir folgen, ist – der Messias!“ Philippus aber sagt: „Das hat mir schon mein Herz gesagt in dem Augenblick, als Er mich allerliebreichst berufen hat.“

[GEJ.01_009,05] Philippus aber war ledig und bei den armen Fischern ein Lehrer, da er sich auf die Schrift so ziemlich verstand, und war mit Joseph von Nazareth persönlich bekannt, kannte somit auch Mich und wußte so manches, das sich bei Meiner Geburt und in Meiner Jugend zugetragen hatte. Er war auch einer von den wenigen, die in Meiner Person heimlich den Messias erhofften; aber da Ich von Meinem zwölften Jahre an nichts Wunderbares mehr verrichtete, sondern also lebte und arbeitete wie ein jeder andere ganz gewöhnliche Mensch, so verlor sich auch bei gar vielen Menschen der erste wunderbare Eindruck, den Meine Geburt bewirkte, ganz und gar; selbst die damals am meisten Erregten sagten, Meine Geburt sei bloß durch ein an sich selbst merkwürdiges Zusammentreffen aller möglichen Umstände und Erscheinungen also wunderlich berühmt geworden, mit denen aber Meine Geburt sicher in keinem Verbande stehe; auch habe sich das geniale Wesen Meiner Jugend derart gänzlich verloren, daß von selbem in Meinen männlicheren Jahren keine Spur irgend mehr anzutreffen sei! – Aber Philippus und noch einige wenige hielten bei sich eine gewisse Hoffnung auf Mich fest; denn sie wußten um die Weissagung Simeons und der Anna, die bei Meiner Beschneidung im Tempel geschah, und hielten darauf große Stücke.

Ev.Joh.1,45. Philippus findet Nathanael und spricht zu ihm: „Wir haben Den gefunden, von Welchem Moses im Gesetze und die Propheten geschrieben haben; es ist Jesus, Josephs Sohn von Nazareth.“

[GEJ.01_009,06] Als nun Philippus, der Mir folgte, auf dem Wege eigens suchend den Nathanael antrifft, als dieser unter einem Feigenbaume sitzend sein Fischergerät ausbessert, sagt er voll Inbrunst zu ihm: „Bruder, ich habe dich mit meinen Augen längs des schon ziemlich gestreckten Weges gesucht und bin nun von ganzem Herzen froh, dich gefunden zu haben; denn sieh', wir haben Den gefunden, von welchem Moses im Gesetze und die Propheten geschrieben haben; es ist dennoch Jesus, Josephs Sohn von Nazareth!“

Ev.Joh.1,46. Und Nathanael sprach zu ihm: „Was kann von Nazareth Gutes kommen?!“ Spricht darauf Philippus: „Komm und schau es selbst!“

[GEJ.01_009,07] Nathanael wird darauf fast ein wenig unwillig und sagt: „Wer kennt das schlechte Nest Nazareth nicht?! – Was Gutes kann wohl von diesem Neste kommen?! – Und (gewisserart von selbst verständlich) der Messias schon am allerwenigsten!“ Philippus aber sagt: „Ich weiß wohl, daß du in dieser Hinsicht stets mein Gegner warst, obschon ich dir meine Gründe dafür hundertmal vorgestellt habe. Aber komme nun und überzeuge dich selbst, und du wirst es selbst sagen, daß ich vollends recht gehabt habe!“

[GEJ.01_009,08] Nathanael erhebt sich nachdenkend und sagt: „Bruder, das wäre ein Wunder der Wunder! Denn das Gesindel von Nazareth ist doch sicher das schlechteste von der ganzen Welt! Kann man mit einem Stücke römischen Blechs aus einem Nazaräer nicht alles machen, was man nur will?! In diesem Neste ist ja lange schon kein Glaube mehr, weder an Moses noch an die Propheten! Kurz, aus einem Nazaräer kannst du machen, was du willst, und es ist ja schon zu einem alten Sprichwort geworden, daß man sagt: Dieser oder jener ist noch schlechter als ein Nazaräer! Und du sagst, von dort ist der Messias, zu Dem du mich führen willst, daß ich Ihn sähe?! – Nun, nun, bei Gott ist wohl kein Ding unmöglich! Wir wollen es sehen!“

Ev.Joh.1,47. Als Jesus den Nathanael zu Ihm kommen sieht, spricht Er laut zu ihm: „Sieh', ein rechter Israelite, in welchem kein Falsch ist!“

[GEJ.01_009,09] Mit diesen Worten begibt sich Nathanael mit Philippus zu Jesus hin, Der unterdessen bei hundert Schritte dem Orte entlang ein wenig Ruhe genommen hatte. Als aber beide sich schon in der Nähe Jesu befinden, sagt Dieser laut: „Sehet, ein rechter Israelite, in welchem kein Falsch ist!“

Ev.Joh.1,48. Nathanael spricht zu Ihm: „Woher kennst du mich denn?“ – Jesus antwortet und spricht zu ihm: „Ehe dich Philippus rief, da du unter dem Feigenbaume warst sah Ich dich.“

[GEJ.01_009,10] Nathanael verwundert sich höchlichst über diese höchst wahre Zumutung, die ihm aus Meinem Munde laut entgegenkommt, und fragt sogleich: „Woher kennst du mich denn, daß du solches von mir aussagen kannst? Denn mein Inneres kann nur Gott und ich allein kennen; ich aber war niemals ein Prahler und ein offener Lobredner meiner Tugenden. Woher alsonach weißt du denn, wie ich beschaffen bin?“ – Ich aber sehe ihn an und sage: „Eher, als dich Philippus rief, da du unter dem Feigenbaume warst, sah Ich dich!“

Ev.Joh.1,49. Nathanael antwortet und spricht zu Jesus: „Rabbi! – Du bist wahrhaft Gottes Sohn! Du bist der König von Israel!“

[GEJ.01_009,11] Diese Meine Aussage über ihn setzt den Nathanael ins höchste Erstaunen, und alsogleich sagt er, durch und durch erregt in seinem Herzen: „Meister! Ganz abgesehen von dem, daß Du ein Nazaräer bist, bist Du dennoch wahrhaftig Gottes Sohn! Ja, Du bist unfehlbar der lange sehnsüchtigst erwartete König Israels, Der Sein Volk aus den Klauen der Feinde befreien wird! O Nazareth, o Nazareth, wie klein warst du, und wie groß wirst du nun! Die Letzte wird zur Ersten erhoben werden! O Herr! Wie schnell gabst Du mir den Glauben! – Wie ist das nun, daß aus mir jeder Zweifel wich und ich nun glaube in der Fülle, daß Du der verheißene Messias bist!“

Ev.Joh.1,50. Jesus antwortet und spricht zu Nathanael: „Du glaubst, weil Ich dir gesagt habe: unter dem Feigenbaume (eher als dich Philippus rief) sah Ich dich. (Ich aber sage dir), du wirst noch Größeres denn das sehen!“

[GEJ.01_009,12] Auf diese Frage Nathanaels antworte Ich erst also, wie es der vorliegende 50. Vers angibt, und zeige dadurch dem Nathanael, daß er zwar nun wohl glaubt, daß Ich der verheißene Messias bin; aber zu solchem Glauben ist er nun genötigt durch die in Mir entdeckte Allwissenheit, die nur in Gott sein kann, bemerke aber zu dem noch hinzu, wie er in der Folge noch Größeres sehen werde, womit Ich ihm aber soviel sagen will als: Du glaubst nun durch ein Wunder, in der Folge aber wirst du frei glauben!

Ev.Joh.1,51. Und Jesus spricht weiter zu ihm: „Wahrlich, wahrlich, Ich sage es euch, – von nun an werdet ihr die Himmel offen und die Engel Gottes hinauf- und herabfahren sehen auf des Menschen Sohn!“

[GEJ.01_009,13] Und wahrlich, wahrlich, Ich sage es euch: Von nun an werdet ihr alle die Himmel offen sehen und die Engel Gottes hinauf- und herabfahren auf des Menschen Sohn, – was alles soviel sagen will als: In der Folge, so ihr aus Mir die Wiedergeburt eures Geistes werdet erlangen, dann werden die Pforten des Lebens aufgetan werden, und ihr werdet dann, als selbst Engel, eben die durch Mich in der Wiedergeburt zu Engeln und somit auch in diesen Engeln zu „Kindern Gottes“ gemachten Menschen vom Tode zum ewigen Leben (hinauf-)wandeln sehen, im Gegensatze auch viele urgeschaffene Engelsgeister aus allen Himmeln herab zu Mir, dem Herrn alles Lebens, fahren sehen und allda treten in Meine, in des Menschensohnes Fußstapfen, – folgend Meinem Beispiel und Zeugnis.

[GEJ.01_009,14] Das ist demnach nun ein rechtes Verständnis des ersten Kapitels; aber darnach glaube ja niemand, als sei das Verständnis, das hier gegeben ist, ein schon alles erschöpfendes! Oh, das ist es nicht; wohl aber ist diese Gabe ein praktischer Wegweiser, nach dem ein jeder, der eines guten Willens ist, in allerlei Tiefen der göttlichen Weisheit eingeführt werden und allda ersehen und erkennen kann allerlei Lebenssinn in jedem einzelnen Verse. Zu allem dem aber ist, wie gesagt, diese Gabe eine wahre Hauptrichtschnur, nach der alles bemessen und gerichtet werden kann.


10. Kapitel – Im Elternhaus zu Nazareth. Die Hochzeit zu Kana. Reise nach Jerusalem zum Osterfest. (Kap.10-12)

Ev.Joh.2,1. Und am dritten Tage ward eine Hochzeit zu Kana in Galiläa gehalten, und die Mutter Jesu war dabei.

[GEJ.01_010,01] Durch das hier gleich im Anfange des ersten Verses vom zweiten Kapitel vorkommende „Und“ wird beurkundet, daß die beiden Kapitel ganz untereinander verbunden sind; denn es erhellt dies schon aus dem Umstand, daß diese Hochzeit in einer dem Hause Josephs sehr befreundeten Familie schon am erwähnten dritten Tage stattfindet, und zwar vom Tage an gerechnet, als Ich mit Meinen – bis zu dieser Begebenheit nur vier Jüngern Bethabara verließ und darauf einen vollen Tag in Gesellschaft dieser Meiner vier Jünger im Hause Josephs, der aber nicht mehr lebte, bei der Mutter Meines Leibes zubrachte, die sich mit Meinen andern Brüdern natürlich die größte Mühe und Sorgfalt nahm, uns nach Möglichkeit bestens zu bewirten.

[GEJ.01_010,02] Denn Maria wußte es wohl in ihrem Herzen, daß nun Meine Zeit gekommen sei, als der verheißene Messias aufzutreten und zu wirken anzufangen; aber sie wußte die Art und Weise auch nicht, worin Mein Wirken bestehen werde. Auch sie glaubte vorderhand noch immer an die volle Vertreibung der Römer und an die Herstellung des mächtigen Thrones Davids und dessen darauf ruhenden, unverrückbaren und unbesiegbaren, göttlich herrlichen Ansehens, das von da an nimmer ein Ende nehmen werde.

[GEJ.01_010,03] Die gute Maria und Meine ganze irdische Verwandtschaft stellte sich unter dem Messias auch noch gleichfort einen Besieger der Römer und anderer Feinde des gelobten Landes vor; ja, die Besten hatten von dem verheißenen Messias nahe dieselbe Vorstellung, wie in dieser Zeit viele aus der Zahl sonst ehrenhafter Menschen sich eine ganz verkehrte Vorstellung vom Tausendjährigen Reiche machen. Aber es war noch nicht an der Zeit, ihnen eine andere Vorstellung zu geben.

[GEJ.01_010,04] Da alsonach Mein eigenes Haus, von der Maria angefangen, von solch einer Vorstellung vom künftigen Messias beseelt war, so ist es auch vollrechtlich anzunehmen, daß dann andere befreundete Familien keine bessere haben konnten.

[GEJ.01_010,05] Aus eben dem Grunde aber ward Mir denn auch in vielen Familien die größte Aufmerksamkeit geschenkt, wie natürlich auch allen denen, die Ich als Meine Jünger bezeichnete, und es entschlossen sich daher auch Jakobus und Johannes, Meine Jünger zu werden, um dann mit Mir die Völker der Erde zu beherrschen! Denn sie hatten auch schon so manches vergessen, was Ich ihnen in Meiner Kindheit oft und so ziemlich deutlich vorausgesagt hatte.

Ev.Joh.2,2. Jesus aber und seine Jünger wurden auch auf die Hochzeit geladen.

[GEJ.01_010,06] Da Ich alsonach als ein bald auftretender Befreier vom römischen Joche in nahe allen besseren Häusern der ganzen Umgebung von Nazareth, ja in nahe ganz Galiläa, in solchem Rufe stand – obschon erst seit etlichen Monden, in denen Ich wieder einige dahin deutende Vorkehrungen zu treffen angefangen hatte, wodurch, wie so manches seit achtzehn Jahren Eingeschlafene und Vergessene, auch an Meiner Person hängende Verheißungen in den befreundeten Häusern wieder ein Leben zu gewinnen begannen, – so wurde Ich auch mit Meinen Jüngern, Meiner Mutter Maria und einer Menge von andern Verwandten und Bekannten sogar nach Kana, einem alten Städtchen in Galiläa, das eben nicht sehr ferne von Nazareth lag, zu einer sehr ansehnlichen Hochzeit geladen, bei der es recht heiter und fröhlich zuging, so daß die vier Jünger aus Bethabara zu Mir die Bemerkung machten:

[GEJ.01_010,07] „Herr! Hier lebt es sich bedeutend besser als in Bethabara! Der arme Johannes wäre vielleicht auch sehr froh, wenn er an Stelle seiner ganz verzweifelt schlechten Kost, die zumeist in etwas überbrühten Heuschrecken und dem Honig wilder Bienen besteht, so ein Mahl einmal in seinem Leben einnehmen könnte?!“ (Es besteht in dieser Gegend wie auch in Arabien eine taubengroße Gattung von Heuschrecken, die so wie hierzulande die Krebse zubereitet und gegessen werden.)

[GEJ.01_010,08] Worauf Ich ihnen antwortete: „Warum Johannes also leben muß, könnet ihr jetzt noch nicht fassen; denn er muß also leben, sonst würde die Schrift nicht erfüllt. Er wird aber bald in ein besseres Leben kommen. Jerusalem wird ihn nicht mehr lange in der Wüste sein Wesen treiben lassen; er wird von nun an abnehmen, damit dafür ein Anderer wachse!

[GEJ.01_010,09] Was aber ist mit dem Jünger, der mit dir, Andreas, zuerst bei Mir war? Wird er nachkommen, oder wird er bleiben zu Bethabara?“ Spricht Andreas: „Siehe, er kommt schon, er hatte noch manches zu ordnen.“ – Sage Ich: „Also ist es gut! Denn wo es einen Kephas gibt, da muß es auch einen Thomas geben.“ Spricht Andreas: „Ja, das ist sein Name! Eine ehrliche Seele, aber dabei stets voll Skrupel und Zweifel; was er aber einmal erfaßt, das läßt er auch nimmer fahren, obschon er von einem allerfreigebigsten Herzen ist. Wegen solcher seiner Freigebigkeit hat er auch diesen Beinamen bekommen. – Er kommt, Herr, soll ich ihn hereinrufen, diesen Zwieling?“ Sage Ich: „Ja, tue das! – Denn wer in Meinem Namen kommt, soll bei der Hochzeit zu Gaste geladen sein!“

Ev.Joh.2,3. Und da es am Weine gebrach, spricht die Maria zu Jesus: „Sie haben keinen Wein!“

[GEJ.01_010,10] Nach der damaligen Sitte sollte ein ankommender neuer Gast mit einem Becher Weines bewillkommnet werden. Maria aber hatte schon einige Zeit bemerkt, daß der Weinvorrat bereits aufgezehrt war, und also auch sah sie, daß man den neuangekommenen Gast nach ordentlicher Sitte gar nicht werde bewillkommnen können; deshalb sagt sie insgeheim zu Mir: „Aber mein lieber Sohn, das wird gewisserart eine schöne Geschichte werden! Sie haben keinen Wein mehr! Du könntest wohl einen schaffen (wenigstens für diesen Neuangekommenen)?“

Ev.Joh.2,4. Jesus spricht zu ihr: „Weib, was hast du mit Mir zu schaffen? Meine Stunde ist noch nicht gekommen.“

[GEJ.01_010,11] Worauf Ich der Maria eine sehr doppelsinnige Antwort vor allen Gästen, aber freilich in einer sehr sanften Sprache, gebe und ihr der damaligen, besonders um Nazareth üblichen Sitte wegen sage: „Weib (Mutter), was kümmert Mich und dich das?! – Ich als geladener Gast bin noch nicht an der Reihe, für den Wein Sorge zu tragen, Meine Zeit ist noch nicht gekommen!“ – (In dieser Zeit und Gegend mußte nämlich ein jeder geladene männliche Gast der Hochzeit eine freiwillige Gabe von Wein zur Steuer bringen. Es war aber eine gewisse Ordnung darin zu beachten, dernach der ersten Anverwandten Gaben zuerst verzehrt wurden, und waren diese zu Ende, so wurden nach dem Range erst die Gaben der nicht blutsverwandten Geladenen hergenommen.) Maria aber wußte, daß bereits aller Weinvorrat aufgezehrt war; so wandte sie sich denn an Mich, besonders, da nun ein neuer Gast ankäme und zu dessen Bewillkommnung nun kein Tropfen Weines mehr vorrätig sei, und forderte Mich gleichsam auf, diesmal die übliche Ordnung zu überspringen! Denn die Mutter hielt bei solchen Gelegenheiten viel auf die alte übliche gute Sitte. Obschon Ich Mich aber dazu nicht besonders geneigt zeigte, so kannte sie Mich aber dennoch, daß Ich ihr nie etwas unerfüllt gelassen habe, was sie einmal gewünscht hatte.

Ev.Joh.2,5. Seine Mutter spricht zu den Dienern: „Was Er euch sagen wird, das tuet!“

[GEJ.01_010,12] Und so wandte sie sich denn auch an die Tafeldiener in gutem Vertrauen auf Mich und sagte zu ihnen: „Was mein Sohn euch sagen wird, das tuet!“ –

[GEJ.01_010,13] Soweit geht das eigentlich Historische dieser Verse des zweiten Kapitels; innerhalb dieser historischen Begebenheit oder – wie man sagt – über solche Historie hinaus aber erwahrt sich schon ein geistiger und deshalb prophetischer Sinn, der aber bei innerem Denkvermögen sich überaus leicht finden läßt.

[GEJ.01_010,14] Wem kann es entgehen, daß zwischen dieser Hochzeit, die am dritten Tage nach Meiner Rückkunft aus der Wüste Bethabara geschah, und zwischen Meiner Auferstehung, die eben auch am dritten Tage nach Meiner Kreuzigung geschah, eine der auffallendsten Entsprechungen obwaltet?

[GEJ.01_010,15] Es ward alsonach durch diese Hochzeit im prophetischen Geiste angezeigt, was nach drei Jahren sich mit Mir ereignen werde, und eben also auch, im etwas weiteren Sinne, daß Ich nach drei Jahren mit allen Meinen Bekennern und wahren Liebhabern als ein ewiger Bräutigam eine wahre Hochzeit in ihrer Wiedergeburt zum ewigen Leben gewiß und sicher halten werde!

[GEJ.01_010,16] Im allgemeinen praktischen Sinn aber bezeugt diese Hochzeitsgeschichte, die – wohlverstanden – drei Tage nach Meiner Rückkunft aus der Wüste erfolgte, auch die drei Stadien, die ein jeder Mensch durchzumachen hat, um zur Wiedergeburt des Geistes oder zu der ewigen Lebenshochzeit im großen Kana des himmlischen Galiläa zu gelangen.

[GEJ.01_010,17] Die drei Stadien aber sind: zuerst die Bezähmung des Fleisches, dann die Reinigung der Seele durch den lebendigen Glauben, der sich natürlich durch die Werke der Liebe als lebendig erweisen muß, ansonst er tot ist, und endlich die Erweckung des Geistes aus dem Grabe des Gerichtes, wozu in der Erweckung des Lazarus sicher das vollsinnigst entsprechende Bild gegeben ist. Wer über diese Beleuchtung ein wenig nachdenkt, der wird sich in allem folgenden leicht zurechtfinden.

[GEJ.01_010,18] Da wir hier sonach den geistigen Sinn entwickelt haben, und zwar in dem, was diese Hochzeitsgeschichte im allgemeinen besagt, so wollen wir wieder zum weiteren Verlaufe dieser Hochzeit zurückkehren und am Ende dieser Geschichte die sonderheitlichen Entsprechungen durchgehen.


11. Kapitel

Ev.Joh.2,6. Es waren allda sechs steinerne Wasserkrüge, gesetzt nach der Weise der jüdischen Reinigung; es faßte aber ein jeder dieser Krüge 2 bis 3 Maß.

[GEJ.01_011,01] Nachdem die Maria zu den Dienern gesagt hatte: „Was Er euch sagen wird, das tuet!“, so sagte Ich denn auch zu den Dienern, daß sie die sechs steinernen Wasserkrüge, die da zur Reinigung der Juden bestimmt waren, auf die aber eben die Nazaräer und Kanaiter nicht mehr viel hielten, darum diese Krüge hier auch mehr zur Parade als zum bestimmten Gebrauch aufgestellt waren und je 2 bis 3 Maß hielten, mit Wasser voll anfüllen sollten.

Ev.Joh.2,7. Jesus spricht: „Füllet die Krüge mit Wasser!“ – Und sie fülleten sie bis oben an.

[GEJ.01_011,02] Die Diener taten das sogleich, aber mehr in der Meinung, daß sich der neuangekommene Gast nach altem Brauche waschen und reinigen könnte. – Der Gast trat ein und ward zur Tafel gesetzt, ohne sich vorher die Hände gereinigt zu haben. Solches fällt nun den Dienern auf, daß sie sich untereinander fragten: „Warum haben wir denn diese schweren Krüge mit Wasser füllen müssen? Dieser Gast macht keinen Gebrauch davon, und uns hat es eine unnötige Arbeit gemacht!“ – Sage darauf Ich zu ihnen: „Warum fragtet ihr denn früher nicht, daß ihr nun murret ob solcher Arbeit?! Habt ihr denn nicht zuvor gehört, was Maria zu Mir geredet hatte, nämlich, daß die Gäste keinen Wein mehr haben? Obschon aber Meine Zeit, weder nach der Gebrauchsordnung noch geistig völlig da ist, so habe Ich aber doch, um die Herrlichkeit Dessen, von Dem sie sagen, daß Er ihr Gott sei, Ihn aber noch nie erkannt haben, zu offenbaren, das Wasser in den Krügen, nicht etwa durch eine Art Zauberei, sondern lediglich durch die Kraft Gottes, die in Mir ist, in Wein umgestaltet.“

Ev.Joh.2,8. Und Jesus spricht weiter zu den Dienern: „Schöpfet nun und bringet es dem Speisemeister!“ Und die Diener taten dies sogleich.

[GEJ.01_011,03] „Nehmet nun einen Becher voll und traget ihn zuvor zum Speisemeister (Koch) zum Verkosten; er solle darüber sein Urteil abgeben!“ – Die Diener, ganz verblüfft über solche Umwandlung des Wassers, bringen diesen Wein sogleich dem Koche zum Verkosten.

Ev.Joh.2,9. Als der Speisemeister kostete den Wein, der Wasser gewesen war, und also nicht, wie die Diener, es wußte, von wannen er kam, rufet er den Bräutigam.

[GEJ.01_011,04] Der Koch macht große Augen und läßt sogleich den Bräutigam zu sich kommen und sagt zu ihm: „Aber du weißt von der Ordnung wohl noch nichts!?“

Ev.Joh.,10. Und sagt zu ihm: „Jedermann gibt zuerst den guten Wein, und so die Gäste trunken geworden sind, alsdann erst den geringeren; du aber hast den guten bisher behalten!“

[GEJ.01_011,05] „Setzet denn nicht jedermann zuerst den guten Wein den Gästen vor und erst, wann sie etwas trunken geworden sind und ihr Gaumen schon mehr abgestumpft ist, einen geringen? – Du aber machst es gerade umgekehrt!“

[GEJ.01_011,06] Der Bräutigam aber erwiderte: „Du redest hier wie ein Blinder von der Farbe! Sieh, dieser Wein ist nie irgendwo auf der Erde gekeltert worden, sondern kam, wie einst das Manna, aus den Himmeln auf unsern Tisch; und deshalb muß er freilich wohl besser sein als jeder irgendwo auf der Erde vorkommende Wein!“

[GEJ.01_011,07] Sagt der Koch: „Hältst du mich für einen Narren, oder bist du selber einer?! Wie kann denn ein Wein aus den Himmeln auf deinen Tisch kommen?! Es müßte Jehova Selbst oder doch Sein Knecht Moses zu Tische sitzen!“

[GEJ.01_011,08] Der Bräutigam aber sprach: „Komm und überzeuge dich von allem selbst!“

[GEJ.01_011,09] Der Koch geht sogleich mit dem Bräutigam in den Speisesaal und beschaut die sechs Krüge, daß sie voll Weines bester Art waren. Als er sich also von dem Wunder überzeugt, spricht er: „Herr, vergib mir meine Sünden! So etwas kann nur Gott tun, und Gott muß hier unter uns sein! Denn so etwas ist keinem Menschen möglich.“

[GEJ.01_011,10] Es wurde aber nun der Wein den Gästen vorgesetzt, und als diese ihn verkosteten, sprachen sie alle: „Solcher Wein wird in unseren Landen nicht gekeltert! – Das ist wahrhaft ein Himmelswein! Ehre dem, welchem Gott solche Macht gegeben hat!“

[GEJ.01_011,11] Darauf tranken sie Mir und dem neuangekommenen Gaste Thomas Glück und Willkommen zu.

[GEJ.01_011,12] Alle aber, die da waren bei dieser Hochzeit, glaubten nun vollends, daß Ich unfehlbar der verheißene Messias bin.

[GEJ.01_011,13] Petrus aber sagte zu Mir insgeheim: „Herr, laß mich wieder von dannen ziehen! – Denn Du bist Jehova Selbst, wie Dein Knecht David von Dir geweissagt hat in seinen Psalmen; ich aber bin ein armer Sünder und Deiner durch und durch unwert!“

[GEJ.01_011,14] Sage Ich zu ihm: „So du dich für unwürdig hältst, an Meiner Seite zu wandeln, wen hältst du dann für würdig? Sieh, Ich bin nicht gekommen zu den Starken, so sie irgendwo seien, sondern nur zu den Schwachen und Kranken kam Ich. So jemand gesund ist, bedarf er des Arztes wohl nicht; nur der Kranke und Schwache bedarf des Arztes. Bleibe du daher nur ganz guten Mutes bei Mir, denn Ich habe dir deine Sünden schon lange vergeben, und so du auch an Meiner Seite sündigen wirst, werde Ich dir es auch vergeben; denn nicht in deiner Stärke, sondern in deiner Schwäche, darum du Mich erkannt hast und nun schon ein Fels im Glauben bist, sollst du vollendet werden durch die alleinige Gnade von oben!“

[GEJ.01_011,15] Auf solche Meine Belehrung kommen Petrus die Tränen, und er sagt mit großer Begeisterung: „Herr, – so Dich alle verlassen sollten, da werde ich Dich dennoch nicht verlassen; denn Deine heiligen Worte sind Wahrheit und Leben!“

[GEJ.01_011,16] Nach diesen Worten erhebt sich Petrus, nimmt den Becher und spricht: „Heil dir, Israel, und dreimal Heil uns! Denn wir sind Zeugen der erfüllten Verheißung. Gott hat Sein Volk heimgesucht. Was schwer zu glauben war, ist nun vor unseren Sinnen erfüllt! Nun dürfen wir nicht mehr schreien aus der Tiefe zur Höhe; denn die Höhe der Höhe ist zu uns in die Tiefe der Tiefe unseres Elends gekommen! – Darum alle Ehre Dem, Der unter uns ist und uns aus Seiner Macht und Gnade diesen Wein gegeben hat, auf daß wir an Ihn glauben und von nun an in Ihm Gott die Ehre geben sollen!“ – Darauf trinkt Petrus, und alle trinken ihm zu und sagen: „Dies ist ein rechter Mann!“

[GEJ.01_011,17] Ich aber sage mehr insgeheim zu Petrus: „Dein Fleisch hat dir das nicht gegeben; sondern der Vater, Der in Mir ist, hat es deinem Geiste geoffenbart. Aber von nun an halte mit deiner Stimme noch zurück; es wird aber eine Zeit kommen, in der du also schreien sollst, daß dich alle Welt vernehmen möge!“ – Darauf trat wieder Ruhe unter die Gäste, und durch diese Tat glaubten nun alle an Mich und sahen in Mir den wahren Messias, Der gekommen sei, um sie von allen Feinden loszumachen.

Ev.Joh.2,11. Das ist das erste Zeichen, das Jesus tat, und es also geschehen ist zu Kana in Galiläa, und Er Seine Herrlichkeit offenbarte. Und Seine Jünger glaubten nun fest an Ihn.

[GEJ.01_011,18] Es war dies auch das erste außerordentliche Zeichen, das Ich beim Antritt des großen Erlösungswerkes vor den Augen vieler verrichtet hatte und zeigte in diesem Zeichen, wenn auch verhüllt, das folgende große Werk; aber das begriff von der ganzen Gesellschaft auch nicht einer. – Denn wie Mein Fasten in der Wüste die Verfolgung, die Mir in Jerusalem vom Tempel aus zuteil ward, und die Taufe Johannis Meinen Kreuzestod vorandeutete, also deutete diese Hochzeit Meine Auferstehung an, und das Zeichen ward ein Vorbild der Wiedergeburt des Geistes zum ewigen Leben.

[GEJ.01_011,19] Denn also wie Ich das Wasser in den Wein verkehrte, wird auch des Menschen naturmäßig Sinnliches in den Geist verwandelt werden durch das Wort aus Meinem Munde, so er danach lebet!

[GEJ.01_011,20] Aber es solle auch ein jeder den Rat in seinem Herzen genau befolgen, den Maria den Dienern gab, indem sie sagte: „Was Er sagen wird zu euch, das tuet!“, dann werde Ich auch an einem jeden das tun, was Ich zu Kana in Galiläa getan habe, nämlich ein rechtes Zeichen, an und aus dem nun ein jeder, der nach Meinem Worte lebt, die Wiedergeburt des Geistes in sich selbst leichter erkennen wird.


12. Kapitel

Ev.Joh.2,12. Danach zog Er hinab gen Kapernaum, und Seine Mutter, Seine Brüder und Seine Jünger zogen mit Ihm, blieben aber nicht lange daselbst.

[GEJ.01_012,01] In sieben Tagen nach dieser Hochzeit verließ Ich Nazareth und zog mit Maria, Meinen fünf Brüdern, von denen zwei zu Meinen Jüngern gehörten, und mit den bis dahin aufgenommenen Jüngern hinab gen Kapernaum, einer damals ziemlich bedeutenden Handelsstadt, die an der Grenze von Zebulon und Naphthalim und also inmitten dieser zwei Provinzen am Galiläischen Meere liegt, und das nicht ferne von dem Orte, wo Johannes am jenseitigen Ufer des Jordans in der Gegend Bethabara taufte, solange dieser oft ganz wasserleere Fluß eine rechte Menge Wassers hatte.

[GEJ.01_012,02] Man würde hier fragen, was Ich denn so ganz eigentlich in dieser schon nahe ganz heidnisch gewordenen Stadt suchte. – Man lese nur den Propheten Jesajas 9,1 usw.; allda wird man finden, wie es also geschrieben stehet: „Das Land Zebulon und das Land Naphthalim am Wege des Meeres, jenseits des Jordans, und das heidnische Galiläa, dies Volk, das in der Finsternis saß, hat ein großes Licht gesehen, und allen, die da saßen am Orte und im Schatten des Todes, ist ein mächtig Licht aufgegangen.“

[GEJ.01_012,03] Und so man das im Jesajas gefunden hat und weiß, daß Ich die Schrift von A bis Z erfüllen mußte, so wird man auch ganz leicht einsehen, warum Ich Mich von Nazareth gen Kapernaum begeben habe. Zudem waren in dieser Gegend auch noch zwei Jünger, ein Jakobus und ein Johannes, Söhne Zebedäi, aufzunehmen; diese waren auch Fischer und fischten im Galiläischen Meer, nicht ferne von der Mündung des Jordans und auch nicht ferne vom Fischerplatze Petri und Andreä, welche beide auch im Meere zu fischen berechtigt waren.

[GEJ.01_012,04] Als diese Jünger auch aufgenommen waren und Mich erkannt hatten aus Meinen Worten und aus dem gewaltigen Zeugnisse derer, die mit Mir waren, so begann Ich denn auch alsobald ordentlich die Menschen zu lehren und ermahnte sie zur Buße, dieweil das Gottesreich nahe herbeigekommen sei. Ich ging in ihre Synagogen und lehrte darinnen. Mehrere glaubten, aber viele ärgerten sich und wollten ihre Hände an Mich legen und Mich von einem Berge ins Meer stürzen. Ich aber entging ihnen mit allen, die mit Mir waren, und besuchte einige kleine Orte am Galiläischen Meer, verkündigte das Gottesreich und machte viele Kranke gesund, und die Armen und Gemeinen glaubten und nahmen Mich wohlgefällig auf; und mehrere aus ihnen schlossen sich an Mich an und folgten Mir, wie die Lämmer ihrem Hirten, allerorts nach.

[GEJ.01_012,05] In Kapernaum hielt Ich Mich daher nur kurze Zeit auf, indem allda nahe kein Glaube und noch weniger Liebe daheim war; denn diese Stadt war ein Ort des Handels und des Krämertums. Wo aber Handel und Krämerei getrieben wird, da haben Glaube und Liebe den Abschied im Vollmaße erhalten. Wo aber diese beiden verabschiedet sind, da gibt es für Mich wenig oder nichts zu tun.

Ev.Joh.2,13. Und der Juden Ostern war nahe, und Jesus zog hinauf nach Jerusalem.

[GEJ.01_012,06] Es war aber ohnehin das Osterfest der Juden herangekommen, und Ich zog dann mit allen, die bei Mir waren, hinauf nach Jerusalem. Aber man stelle sich das Osterfest der eigentlichen Juden nicht in der Zeit vor, wie sie nun in dieser Zeit in den verschiedenen christlichen Gemeinden für dies ähnliche Fest bestimmt wird, manchmal schon sogar im Monat März, sondern um nahe ein ganzes Vierteljahr später hinaus! Denn bei dem Osterfeste ward für des Jahres erste Fechsung (Ernte), die in Gerste, Korn und Weizen bestand, dem Jehova gedankt, und man aß da schon das neue Brot, das aber nach dem Gesetze ungesäuert war, und niemand in dem Lande durfte in dieser Zeit ein gesäuertes Brot essen.

[GEJ.01_012,07] Es konnte daher dieses Fest der ungesäuerten Brote erst dann stattfinden, wenn das neugeerntete Getreide schon zu Mehl gemacht werden konnte, nicht aber in einer Zeit, in der das Getreide sozusagen erst gesät wird. Es wird zwar das Getreide in Judäa wohl, wenn das Jahr gut dienet, um 14-20 Tage eher reif als hier; aber vor Ende des Monats Mai wird das Korn und der Weizen sogar in Ägypten selten ganz hereingebracht, geschweige in Judäa, allda es schon bedeutend kühler ist als in Ägypten.

[GEJ.01_012,08] Es war aber die Zeit der ungesäuerten Brote alsonach da, und wie oben gezeigt, zog Ich denn mit allen, die bei Mir waren, hinauf nach der Hauptstadt der Juden, die auch „die Stadt Gottes“ hieß; denn Jerusalem heißt eben verdolmetscht soviel als „die Stadt Gottes“.

[GEJ.01_012,09] Da aber in der Zeit stets viel Volkes nach Jerusalem kam, auch viele Heiden, die da kauften und verkauften allerlei Waren, als Gerätschaften, Webereien, Vieh und Früchte aller Art, so hatte dieses Fest in der Zeit das geheiligte Ansehen ganz verloren, und die Gewinnsucht nötigte sogar das Priestertum, die Höfe und Vorhallen des Tempels für diese Zeit an die Kaufleute, ob Juden oder Heiden, um einen ganz bedeutenden Betrag zu vermieten, so daß solch eine Tempelmiete für die Festdauer über tausend Silberlinge ausmachte, was in der Zeit eine ungeheuer große und gewichtige Summe war und gegenüber den Sachen mehr galt, als in der gegenwärtigen Zeit hunderttausend Gulden.

[GEJ.01_012,10] In der letzteren Zeit, unter dem Hohenpriester Kaiphas, zog Ich hinauf nach Jerusalem. – Der verstand es, diese Würde, die natürlich sehr einträglich war, auf mehr als ein Jahr an sich zu bringen; denn die Beachtung des Mosaischen Gesetzes war in der Zeit zu einer allerleersten Zeremonie herabgesunken, und kein Priester hielt in der Wahrheit mehr darauf als auf einen vor hundert Jahren gefallenen Schnee; aber was dafür die eitel leerste Zeremonie betrifft, so war diese, um das arme Volk so recht bergdick breitzuschlagen, auf den höchsten Punkt gediehen.

[GEJ.01_012,11] Er vermietete sogar im innern Teile des Tempels gewisse Plätze an die Taubenkrämer und einige kleine Wechsler. Denn diese kleinen Wechsler hatten kleine Münzen, als Groschen und Stater, und gaben denen, die kleinerer Münzen bedurften, gegen ein gewisses Agio diese für die Silberlinge, für römische Goldstücke und fürs römische Viehgeld (pecunia); denn die Römer hatten, um das Vieh zu kaufen, ein eigenes Geld. Je nachdem ein oder das andere Tier auf einer solchen Münze geprägt war, mußte man dasselbe Tier auch um eine solche Münze zum Kaufe bekommen, vorausgesetzt, daß dem Inhaber das Vieh verkäuflich war. Für solches Viehgeld konnte man bei den großen und kleinen Wechslern aber auch ein anderes Kursgeld bekommen; nur war das Agio stärker als bei anderen Geldsorten.


13. Kapitel – Die Tempelreinigung. (Kap.13-16)

Ev.Joh.2,14. Und er fand im Tempel sitzen, die da Ochsen Schafe und Tauben feil hatten, und die Wechsler.

[GEJ.01_013,01] Als Ich sonach bei dieser Meiner Ankunft in Jerusalem die Sache also fand, daß die Menschen sich vor lauter Vieh und deren Verkäufern kaum mehr in den Tempel getrauten, da manchmal ein oder der andere Ochs wild wurde und dabei Menschen und gottgeweihte Sachen beschädigte, und weil fast jeder Mensch, der den Tempel besuchte, oft vor Gestank und Lärm es nicht aushalten konnte, dabei nicht selten um alle seine nötige Habe kam, so mußte solche Schändlichkeit Mich endlich denn doch nahe ordentlich zu verzehren beginnen, und Petrus und Nathanael sagten zu Mir: „Herr, hast Du denn keine Blitze und keine Donner mehr?! Da sieh hin! Die armen Menschen weinen vor dem Tempel; sie kommen weither, um Gott die Ehre zu geben, und können vor lauter Ochsen und Schafen, mit denen der Tempel angestopft ist, gar nicht hineinkommen, und viele klagen, die mit Mühe und Gefahr in den Tempel und wieder aus demselben kamen, daß sie darin völlig ausgeraubt worden und vor Gestank nahe erstickt wären! – Ah, das ist denn doch zu stark arg und schlecht! – Solch einem gar zu argen Unfuge muß um jeden Preis Einhalt gemacht werden; denn das ist ja bei weitem über Sodom und Gomorrha!“

[GEJ.01_013,02] Solche Rede behorcht ein fremder alter Jude, tritt hinzu und spricht: „Liebe Freunde, ihr wißt nicht alles; ich aber war vor drei Jahren selbst ein gemeiner Knecht im Tempel und habe da Dinge erfahren, vor denen mir Haut und Bein erschauderte!“

[GEJ.01_013,03] Sage Ich: „Freund, behalte es bei dir, denn Ich weiß um alles, was da vorgegangen ist. Aber sei versichert, das Maß ist voll geworden, und heute noch sollet ihr Gottes Macht und Zorn durch den Tempel walten sehen. Entfernet euch aber auf eine Weile von den Toren des Tempels, auf daß ihr nicht beschädigt werdet, wenn nun bald Gottes Macht die Frevler aus dem Tempel treiben wird; sie werden nachher solchen Frevel nicht mehr wagen.“

[GEJ.01_013,04] Hierauf entfernte sich dieser Jude und lobte Gott; denn er hielt Mich nach solcher Rede für einen Propheten, ging zu seiner Schar und erzählte ihr das, was er von Mir vernommen hatte; und die Schar, aus etlichen hundert Menschen, jung und alt, bestehend, frohlockte und fing an, laut Gott zu preisen, daß Er wieder einen mächtigen Propheten erweckt habe.

Ev.Joh.2,15. Und er machte eine Geißel aus Stricken und trieb sie alle aus dem Tempel hinaus, samt den Schafen und Ochsen und verschüttete den Wechslern ihr Geld und stieß ihre Tische um.

[GEJ.01_013,05] Ich aber sagte zum Petrus: „Gehe hin dort zu dem Seiler, kaufe ihm drei starke Stricke ab und bringe sie hierher!“ – Petrus tat das sogleich und brachte Mir drei starke Stricke, die Ich schnell zusammenflocht und Mir sonach eine starke Geißel anfertigte. Mit dieser Geißel in Meiner Rechten sagte Ich zu allen, die mit Mir waren, und zu Meinen Jüngern: „Kommt nun mit Mir in den Tempel und seid Zeugen; denn es soll sich nun Gottes Macht und Herrlichkeit an Mir abermals vor euren Augen bewähren!“

[GEJ.01_013,06] Nach diesen Worten ging Ich natürlich voran in den Tempel, und wie Ich ging, wich alles zurück, und die Mir folgten, hatten nach Mir einen guten Weg; freilich war der Boden voll Geflades und Unrats.

[GEJ.01_013,07] In der letzten Vorhalle des Tempels angelangt, in der die vorzüglichsten Ochsen- und Schafhändler ihr Vieh zum Verkauf aufgestellt hatten, und zwar auf der linken Seite, während die rechte Seite durch alle drei Hallen die Wechsler im Beschlage hatten, stellte Ich Mich auf die Torstufen und sagte mit einer donnerähnlich starken Stimme: „Es stehet geschrieben: Mein Haus ist ein Bethaus; ihr aber machet es zu einer Mördergrube! – Wer hat euch dazu ein Recht erteilt, den Gottestempel also zu entheiligen!?“

[GEJ.01_013,08] Sie aber schrieen: „Wir haben unser Recht vom Hohenpriester teuer erkauft und stehen unter seinem Schutze und unter dem Schutze Roms.“

[GEJ.01_013,09] Sage Ich: „Unter solchem Schutze stehet ihr wohl; aber Gottes Arm ist wider euch und eure Schutzmeister. Wer wird euch vor Diesem in Schutz nehmen, so Er über euch und eure Schutzmeister ausgestreckt wird?!“

[GEJ.01_013,10] Sagen die Verkäufer und Wechsler: „Im Tempel wohnet Gott, und die Priester sind Gottes; können diese wider Seinen Rat etwas tun? – Wen sie schützen, den schützt auch Gott!“

[GEJ.01_013,11] Sage Ich mit einer sehr lauten Stimme: „Was redet ihr unsinnigen Frevler? Die Priester sitzen wohl noch auf den Stühlen Mosis und Aarons; aber sie dienen nicht mehr Gott, sondern dem Mammon, dem Teufel dienen sie, und ihr Recht und euer Recht ist ein Recht der Teufel und ewig nie ein Gottesrecht! Darum erhebet euch nun augenblicklich und räumet die Hallen, sonst soll es euch übel ergehen!“

[GEJ.01_013,12] Da fingen sie an zu lachen und sagten: „Da seht einmal die Keckheit dieses gemeinsten Nazaräers an! – Werfet ihn doch geschwinde zum Tempel hinaus!“ Darauf erhoben sie sich und wollten Hand an Mich legen.

[GEJ.01_013,13] Hier erhob Ich Meine Rechte mit der Strickgeißel und fing an, sie über ihre Köpfe mit göttlicher Gewalt zu schwingen; wen die Geißel traf, der wurde augenblicklich von heftigsten, nahe unaushaltbaren Schmerzen befallen, und eben also auch das Vieh. Es entstand im Augenblick ein fürchterliches Menschen- und Viehgeheul, und das Vieh floh gewaltig und stieß, was ihm in den Weg trat, nieder, und ebenalso flohen auch die Verkäufer und Käufer unter furchtbarem Schmerzgeschrei; Ich aber stieß alle Wechselbuden um und verschüttete alles Geld, das auf denselben lag, bei welcher Arbeit Mir auch die Jünger behilflich waren.

Ev.Joh.2,16. Und sprach zu denen, die Tauben feil hatten: „Traget das von dannen und machet nicht Meines Vaters Haus zu einem Kaufhaus!“

[GEJ.01_013,14] Ich trat darauf in den Tempel, allwo noch eine Menge Taubenkrämer mit ihren Taubenkäfigen voll Tauben aller Art und Gattung auf die Käufer harrten. Weil diese Krämer gewöhnlich Arme waren und gerade auf keinen Gewinn ausgingen und der Taubenverkauf im Tempel schon eine alte Sache war, freilich in alter Zeit nur im ersten Vorhofe des Tempels üblich, so ermahnte Ich diese Armen bloß und sagte: „Traget das hinaus und machet Meines Vaters Haus nicht zu einem Kaufhause; im äußersten Vorhofe ist der Ort für dergleichen!“ – Diese Armen entfernten sich darauf auch ohne Widerrede und nahmen im äußersten Vorhofe ihren alten Platz ein. – Auf diese Weise war nun der Tempel gereinigt.

Ev.Joh.2,17. Seine Jünger aber gedachten danach daran, daß es geschrieben stehet: „Der Eifer um Dein Haus hat Mich gefressen.“

[GEJ.01_013,15] Aber die Reinigung machte ein großes Aufsehen, und die Jünger befürchteten heimlich, daß nun bald die Priesterschaft uns als Aufwiegler werde durch die römische Wache gefangennehmen lassen und wir der schmählichsten Verantwortung und Züchtigung kaum entgehen dürften; denn es stehe geschrieben: „Der Eifer um Dein Haus hat Mich gefressen.“

[GEJ.01_013,16] Ich aber sagte zu ihnen: „Sorget euch nicht! Sehet hinaus in die Vorhallen, und ihr werdet es erschauen, wie die Diener und Priester allertätigst bemüht sind, das verschüttete viele Geld der Wechsler aufzulesen und in ihre Säckel zu schieben! Sie werden uns der Beschädigten wegen wohl befragen, aus welcher Macht wir das getan haben, aber heimlich wird es ihnen ganz recht sein; denn die Tat trägt ihnen bei 1000 Säckel Goldes und Silbers und eine große Menge anderen Geldes, das sie nimmer den Eigentümern zurückerstatten werden. Sie sind nun auch zu beschäftigt und haben keine Zeit, uns zur Verantwortung zu ziehen; auch werden sie in dieser Sache nicht leichtlich eine Klage anhören, so wie die Beschädigten, durch diese Lektion zu mächtig gewitzigt, auch nicht leichtlich so bald eine Klage wider Mich erheben werden. Seid daher nun nur ganz ruhig.

[GEJ.01_013,17] Der Eifer um Mein Haus wird Mich vor diesen wohl fressen, aber jetzt noch lange nicht! Es werden Mich höchstens einige hier anwesende Juden befragen, wer Ich sei und aus welcher Macht Ich so etwas tat, und werden sich von Mir ein Beglaubigungszeichen erbitten. Ich aber weiß schon, daß es also geschehen muß, und das wird von keiner Gefahr für uns sein. Da sehet nur hin gegen den Vorhang, dort stehen schon einige, die sich den Anwand nehmen, in ihrem höchsteigenen Interesse Mich darüber zu befragen; es soll ihnen aber auch sogleich eine rechte Antwort zuteil werden!“


14. Kapitel

Ev.Joh.2,18. Da sprachen die Juden: „Was zeigest du uns für ein Zeichen, daß du solches tun mögest?“

[GEJ.01_014,01] Als Ich noch also mit den furchtsamen Jüngern solches redete, da traten schon etliche Juden zu Mir hin und sprachen: „Du hast nun eine mächtige Tat verübt, Menschen und Vieh flohen vor deiner Hand wie Spreu im Sturme, und es kam keiner zurück, um sein verstreutes Geld zu holen! Wer bist du, und welch ein Zeichen (vom Kaiser meinten sie) kannst du uns vorzeigen, weshalb du solches tun magst?! – Kennst du denn nicht die eiserne Strenge der Gesetze, die dich darum verderben können?!“

Ev.Joh.2,19. Jesus antwortete und sprach zu ihnen: „Brechet diesen Tempel ab, und am dritten Tage will Ich ihn aufrichten!“

[GEJ.01_014,02] Sage Ich: „So Ich sie nicht kennete und Mich vor ihnen fürchtete, würde Ich das nicht getan haben. – Ihr aber verlanget von Mir ein amtliches Zeichen, und Ich sage es euch, daß Ich ein solches nicht habe; aber brechet ab diesen Tempel, und am dritten Tage soll er wieder vollendet dastehen!“

Ev.Joh.2,20. Da sprachen die Juden: „Zur Erbauung dieses Tempels waren 46 Jahre vonnöten, und du willst das allein in drei Tagen tun!?“

Ev.Joh.2,21. Denn sie wußten nicht, daß Er vom Tempel Seines Leibes redete.

[GEJ.01_014,03] Bei dieser Meiner entschiedenen Aussage machten die Juden ganz sonderbar große Augen und wußten sich nicht gleich zu fassen. Nach einer Weile erst fiel es einem von ihnen ein, daß zum Bau des Tempels volle 46 Jahre nötig waren und er vielen tausend Händen eine unausgesetzte Arbeit gab; daher wendet sich dieser historisch erfahrene Jude zu Mir und sagt: „Junger Mann! Bedachtest du wohl auch, was Dummes du nun geredet hast? Siehe, 46 volle Jahre waren zum Aufbau dieses Tempels erforderlich und gaben vielen tausend Händen vollste Arbeit, und du willst das ganz allein tun ohne Beihilfe anderer Hände in drei Tagen!? Oh, oh, oh, was hast du, und das dazu noch im Tempel, da man doch am meisten vernünftig reden sollte, von dir für ein Zeugnis ausgesprochen?!

[GEJ.01_014,04] Deine frühere Tat hatte uns sehr überrascht, und schon fingen wir an, unter uns als Älteste von Jerusalem zu beraten, aus welcher Macht du diese an sich wirklich sehr lobenswerte Tat verübt hast, ob aus einer weltlichen oder ob aus einer prophetischen. Und wir befragten dich denn auch deshalb. Und hättest du zu uns gesagt in weiser Rede, die wir wohl verstehen, daß du ein von Gott erweckter Prophet seiest und solches durch die Macht Gottes verübest, wir hätten es dir geglaubt; aber so gabst du uns statt einer weisen Rede wider alles Erwarten eine kaum beschreiblich frevelhaft prahlerische dumme Antwort, in der nicht eine wahre Silbe steckt, und wir sehen in dir nun einen Menschen, der allenfalls in irgend einer heidnischen Schule ein wenig das Zaubern erlernt hat und sich damit nun hier in der Stadt Davids ein wenig batzig machen will, entweder im Solde Roms oder geheim im Solde der Pharisäer, Priester und Leviten stehend; denn diese möchten heute die beste Tempelernte zufolge deiner Zaubertat gemacht haben! Es tut uns allen wahrhaft leid, daß wir uns an dir nun gar so verkannt haben.“

[GEJ.01_014,05] Sagte Ich darauf: „Es tut auch Mir von ganzem Herzen leid, daß Ich euch gar so entsetzlich blind und taub antreffen mußte! Denn wer blind ist, der sieht nichts, und wer taub und stumm ist, der vernimmt nichts! Ich tue vor euren Augen ein Zeichen, das vor Mir keiner getan hat, und rede die vollste Wahrheit, und ihr saget, Ich sei entweder ein dummer, in der heidnischen Zauberei bewanderter Prahler und wolle Mich hier vor euch batzig machen, oder Ich sei als Zauberer im Solde Roms oder im schnöden Solde der Tempelpfaffen. O welch ein schmählich Ansinnen! – Da sehet hin, dort steht eine ganz bedeutende Schar, die Mir aus Galiläa hierher gefolgt ist! Sie hat Mich erkannt, obschon ihr saget, daß die Galiläer das glaubensloseste und schlechteste Judenvolk seien. Diese aber erkannten Mich dennoch und folgen Mir; wie ist es denn, daß ihr Mich nicht erkennen möget?“

[GEJ.01_014,06] Sagen die Juden: „Wir wollten dich ja auch erkennen und forschten dich darum aus; denn wir sind weder blind noch taub, wie du meinst. Du aber gabst uns eine Antwort, aus der man natürlichen Verstandes denn doch nichts anderes machen kann, als was wir offen dir ins Gesicht bekannt haben! Wir haben einen guten Willen; warum, so du allenfalls ein Prophet bist, verkennst du diesen? Wir sind Ehrenmänner von Jerusalem und haben viele Güter. So du ein rechter Prophet wärest, da hättest du gut sein in unserer Mitte; du aber erkennst solches nicht und bist daher auch kein Prophet, sondern ein purer Magier, der den Tempel mehr entheiligt als jene, die von dir früher hinausgetrieben worden sind!“

[GEJ.01_014,07] Sage Ich: „Gehet hin und beratet euch mit denen, die mit Mir gekommen sind; diese werden es euch sagen, Wer Ich bin!“

[GEJ.01_014,08] Die Juden gehen nun zu den Jüngern und befragen sie; diese aber sagen, was sie von Mir am Jordan gehört, das Zeugnis Johannis, und was sie an Meiner Seite gesehen und erlebt haben, gestehen aber dabei auch, daß sie das nicht fassen, was Ich zu den Juden gesagt habe.

Ev.Joh.2,22. Da Er auferstanden war von den Toten, gedachten Seine Jünger daran, daß Er dies gesagt hatte, und glaubten der Schrift und der Rede, die Er gesprochen hatte.

[GEJ.01_014,09] Denn sie selbst begriffen das erst nach Meiner, nach drei Jahren, erfolgten allerwunderbarsten Auferstehung und also auch die Schrift, die solches von Mir geweissagt hatte.

[GEJ.01_014,10] Als die Juden alles das erfuhren von den Jüngern, kamen sie abermals zu Mir und sagten: „Nach allem dem, was wir nun von Deiner sehr treuherzigen Schar über Dich in Erfahrung gebracht haben, so wärest Du offenbar der Verheißene! – Das Zeugnis Johannis, den wir kennen, spricht gewaltig für Dich, und Deine Taten nicht minder; aber Deine Rede ist gerade das Gegenteil von all dem andern. – Wie kann der Messias in den Taten ein Gott und in der Rede ein Narr sein! – Erkläre uns das, und wir alle nehmen Dich an und wollen Dich mit allem Möglichen unterstützen!“

[GEJ.01_014,11] Sage Ich: „Was möget ihr Mir geben, das ihr nicht zuvor empfangen hättet von Meinem Vater, Der im Himmel ist? So ihr es aber empfangen habt, wie möget ihr nun also reden, als ob ihr es nicht empfangen hättet?! Was wollt ihr Mir geben, das da nicht Mein wäre?! Denn was des Vaters ist, das ist auch Mein; denn Ich und der Vater sind nicht Zwei, sondern Eins! Ich sage euch: Nichts als der Wille allein ist euer, alles andere aber ist Mein. Gebet ihr Mir euren Willen in der rechten Liebe eures Herzens und glaubet ihr, daß Ich und der Vater vollkommen Eins sind, dann habt ihr Mir alles gegeben, was Ich von euch verlangen kann!“

[GEJ.01_014,12] Sagen die Juden: „So verrichte ein Zeichen, und wir glauben, daß Du der Verheißene bist!“

[GEJ.01_014,13] Sage Ich: „Warum wollt ihr denn Zeichen? O du verkehrte Art! Wisset ihr denn nicht, daß die Zeichen niemanden erwecken, sondern nur richten?! Ich aber kam nicht euch zum Gerichte, sondern auf daß ihr das ewige Leben empfangen sollet, so ihr an Mich glaubet in euren Herzen! Es werden zwar noch viele Zeichen geschehen, und ihr werdet deren etliche sehen; aber diese werden euch nicht beleben, sondern töten auf eine lange Zeit.“


15. Kapitel

Ev.Joh.2,23. Als er aber zu Jerusalem war in den Ostern auf dem Feste, glaubten viele an Seinen Namen, da sie die Zeichen sahen, die Er tat.

[GEJ.01_015,01] Ich sage es euch: „Es ist nun Ostern, und Ich werde Mich diese Zeit durch hier in Jerusalem aufhalten; gehet dahin, wo Ich sein werde, und ihr werdet der rechten Zeichen sehen in großer Menge! Aber sehet selbst zu, ob euch die Zeichen nicht töten werden!“

[GEJ.01_015,02] Auf diese Rede machten die Juden große Augen; Ich aber verließ sie und ging mit Meinen Jüngern aus dem Tempel ins Freie. Die Juden aber folgten Mir ganz heimlich nach, denn gar zu offenbar getrauten sie sich nicht, Mir nachzufolgen, da Ich vom Töten durch Meine Zeichen geredet hatte. Sie aber verstanden darunter nicht das Töten des geistigen Elements, sondern das Töten des Leibes, und sie waren, wie alle Reichen der Erde, große Freunde des irdischen Lebens.

[GEJ.01_015,03] Einer jedoch ging außerhalb des Tempels zu Mir hin und sagte: „Meister, ich habe Dich erkannt und möchte um Dich sein; wo bist Du zur Herberge?“

Ev.Joh.2,24. Aber Jesus vertraute sich ihnen nicht; denn Er kannte sie alle.

Ev.Joh.2,25. Und bedurfte nicht, daß da jemand Zeugnis gäbe von einem Menschen; denn Er wußte es wohl, was im Menschen war.

[GEJ.01_015,04] Ich aber sah, daß in ihm kein Ernst und seine Absicht, Meine Herberge auszukundschaften, keine redliche war, darum sagte Ich zu ihm, wie hernach noch zu manchen ähnlichen unlauteren Forschern den bekannten Aphorismus: „Die Vögel haben ihre Nester und die Füchse ihre Löcher; aber des Menschen Sohn hat nicht einen Stein, daß er darauf hinlege Sein Haupt, und hier in dieser Stadt schon am allerwenigsten. Gehe aber hin und mache zuvor rein dein Herz; dann komme mit einer redlichen, aber mit keiner verräterischen Absicht und magst dann zusehen, wie du an Meiner Seite bestehen wirst!“

[GEJ.01_015,05] Dieser aber sagte: „Meister, Du irrest Dich an mir und Meinen Freunden; so Du keine Herberge hast, da komme zu uns, und wir wollen Dir und Deinen Jüngern und sonstigen Freunden Herberge schaffen und euch verpflegen, so lange ihr wollt!“

[GEJ.01_015,06] Ich aber sah am besten, daß dieser keines redlichen Sinnes war, und sagte: „Euch können wir uns wohl nicht anvertrauen; denn ihr seid Herodis Freunde und seid samt ihm spektakelsüchtige Menschen, besonders so ihr Spektakel umsonst schauen könnt. Deshalb aber bin Ich nicht nach dieser Stadt gekommen, um die Herodianer durch Komödien zu unterhalten, sondern hier zu verkünden, daß das Gottesreich nahe herbeigekommen ist, und daß ihr deshalb eine wahre Buße tun sollet, auf daß ihr dieses Reiches teilhaftig werden möget! Sieh, das ist der Zweck Meines Hierseins in dieser Zeit, und dazu bedarf es eurer Herberge nicht! Denn wer in einem Hause wohnt, kann nicht aus demselben kommen denn durch die Türe, die mit Schloß und Riegel versehen ist, durch die man einen Gast auch zu einem Gefangenen machen kann. Wer aber in der Freie seine Herberge nimmt, der ist auch frei und kann ziehen, wohin er will!“

[GEJ.01_015,07] Spricht der Jude: „Wie kannst Du uns also beschimpfen! Meinst denn Du, daß wir von der Heiligkeit des Gastrechtes keine Kenntnis mehr haben? So wir Dich zu Gaste laden und Du als Gast in unser Haus einziehest, so bist Du das Heiligste im Hause, und wehe dem, der sich vergriffe an Dir! Und also wird bei uns vor allem das Gastrecht gehalten und geehrt. Wie magst Du dann solche Einrichtung in unseren Häusern verdächtigen?!“

[GEJ.01_015,08] Sage Ich: „Diese Einrichtung eures Hauswesens kenne Ich wohl; aber darum ist Mir die andere nicht fremd: Solange ein Gast in eurem Hause ist, genießt er wohl das Gastrecht; so er aber dann aus dem Hause ziehen will, da harren vor der Türe bestellte Schergen und Lanzenknechte, nehmen den Gast in Empfang und legen ihm Ketten und Fesseln an! Sage, gehört das auch in den Bereich der alten Gastfreundschaft?!“

[GEJ.01_015,09] Spricht der Jude etwas verlegen: „Wer kann das unseren Häusern mit gutem Gewissen nachsagen?“

[GEJ.01_015,10] Sage Ich: „Der, Der es weiß! Ist nicht vor etlichen Tagen also ein Mensch in die Hände des Gerichtes überliefert worden?“

[GEJ.01_015,11] Spricht der Jude noch verlegener: „Meister, wer sagte Dir das? So es geschehen, sage, hat es jener Verbrecher nicht also verdient?“

[GEJ.01_015,12] Sage Ich: „Bei euch aber ist vieles ein Verbrechen, was bei Gott und Mir kein Verbrechen ist; denn vor der Härte eurer Herzen gibt es viele Verbrechen, gegen die Moses kein Gesetz gegeben hat. Das sind eure Satzungen, und die machen vor Mir keinen Menschen zu einem Verbrecher! Denn eure Satzungen sind eine Sünde gegen die Gesetze Mosis; wie ist demnach der ein Verbrecher, so er sich an euren Satzungen versündigt, wenn er Mosis Gesetze hält?! O Ich sage es euch: Ihr alle seid voll Tücke und voll schmählicher Arglist!“

[GEJ.01_015,13] Spricht der Jude: „Wie kann das sein? Moses hat uns ein Recht gegeben, für besondere Fälle Gesetze zu schaffen, und sonach sind unsere wohlberatenen Satzungen so gut wie Mosis Gesetze selbst! Wer sie sonach nicht beachtet, ist der nicht so gut ein Verbrecher als einer, der sich am unmittelbaren Gesetze Mosis versündigt?“

[GEJ.01_015,14] Sage Ich: „Bei euch ja, aber bei Mir nicht! – Moses befahl, daß ihr eure Eltern lieben und ehren sollet; ihr aber saget, und die Priester gebieten es sogar: Wer dafür opfert im Tempel, dem ist es besser, da er sich dafür von diesem Gesetze loskauft. So aber nun ein Mensch zu euch tritt und sagt: Ihr seid Gottesleugner und elende Betrüger, da ihr das Gesetz Mosis infolge eurer Habsucht aufhebt und dafür ein anderes Gesetz gebt und damit die arme Menschheit quälet! – sieh', darin hatte sich auch jener Mensch gegen euch verbrochen, und ihr habt ihn an der Türschwelle dem Gericht überliefert –, sage, hat es dieser würdige Mensch also verdient, oder seid ihr gegen Moses nicht die bei weitem größeren Verbrecher?“

[GEJ.01_015,15] Hier ward der Jude unwillig und ging von dannen zu seinen anderen Genossen, denen er alles erzählte, was er von Mir vernommen hatte. Diese aber schüttelten die Köpfe und sagten: „Sonderbar! Wie kann dieser Mensch das wissen?“ – Ich aber verließ diese Stelle und begab Mich mit den Meinen in eine kleine Herberge außerhalb der Stadt und blieb daselbst etliche Tage.


16. Kapitel

[GEJ.01_016,01] Wie es hier erzählt ist, ist dies der freilich nicht sehr umständlich dargestellte historisch natürliche Verlauf der beiden im zweiten Kapitel vorkommenden Begebenheiten; denn es hatte sich noch hie und da so manches zugetragen und ereignet, was hier der Geringfügigkeit wegen nicht erzählt zu werden braucht, da es fürs erste eine ganz unnötige Verlängerung der Arbeit verursachen und fürs zweite der Wichtigkeit der Sache keinen höheren Wert und keine tiefere Erkenntnis geben würde. Es bleibt nur noch übrig, von der zweiten Begebenheit den geistigen Sinn ganz kurz darzutun, und dies zweite Kapitel ist insoweit als beendet anzusehen, als inwieweit es in sich abgeschlossen nur zwei Hauptbegebenheiten vor die Augen des Lesers und Hörers stellt.

[GEJ.01_016,02] Von der ersten Begebenheit zu Kana in Galiläa ist der geistige Sinn bereits gegeben worden; somit haben wir nur noch den geistigen Sinn der zweiten Begebenheit darzutun, und dieser ist folgend also gestaltig:

[GEJ.01_016,03] Der Tempel stellt den Menschen dar in seiner naturmäßig-weltlichen Sphäre. In dem Tempel aber wie im Menschen befindet sich ein Allerheiligstes; deshalb soll aber auch das Äußere des Tempels geheiligt und lauter gehalten werden, auf daß das Innerste als Allerheiligstes des Tempels wie des Menschen nicht entheiligt werde!

[GEJ.01_016,04] Es ist das Allerheiligste des Tempels zwar wohl durch einen starken Vorhang bedeckt, und es darf nur zu gewissen Zeiten der oberste Priester allein in das Allerheiligste treten. Aber der Vorhang und ebensowenig der nur selten gestattete Besuch des Allerheiligsten ist ein Schutz vor der Entheiligung des Allerheiligsten; denn so da jemand mit seinem Leibe sündigt, da verunreinigt er nicht nur den Leib, sondern auch seine Seele und durch sie auch seinen Geist, der in jedem Menschen das Innerste und Allerheiligste darstellt und es auch wirklich ist. Es ist im Menschen dieses Allerheiligste, so wie ebendasselbe entsprechend im Tempel, tiefst hinter einen starken Vorhang gestellt, und nur der alleinigen Liebe zu Gott, die ein echtester Oberpriester Gottes in jeglichem Menschen ist, ist es gestattet, straflos in dies Allerheiligste zu dringen und zu lüften den Vorhang; so aber dieser einzige Oberpriester im Menschen selbst unrein wird, indem er sich an unreine weltliche Dinge hängt und mit ihnen eine gemeine Sache macht, wie soll da das Allerheiligste unentheiligt bleiben, so es von einem unreinen Oberpriester besucht wird?!

[GEJ.01_016,05] Wenn sonach im Tempel wie im Menschen alles unrein geworden ist, dann kann es vom Menschen aus auch nicht mehr gereinigt werden; denn so der Besen voll Kot und Unflates ist, wie soll es taugen zur Reinigung eines Gemachs?! Da muß dann leider Ich Selbst die Hand ans Werk legen und mit Gewalt den Tempel reinigen, und zwar durch allerlei schmerzliche Dinge, als da sind Krankheiten aller Art und andere scheinbare Unglücksfälle, auf daß der Tempel rein werde.

[GEJ.01_016,06] „Verkäufer“ und „Käufer“ sind die niederen, unreinen Leidenschaften im Menschen; das zum Verkauf gebotene Vieh stellt die unterste Stufe tierischer Sinnlichkeit dar und zugleich auch die dadurch erzeugte große Dummheit und Blindheit der Seele, deren Liebe gleich der eines Ochsen ist, dem sogar die sinnliche Zeugungs- und Geschlechtsliebe mangelt, und den allein noch die allergröbste polypenartige Freßliebe belebt, und dessen Erkenntnis gleich ist dem bekannten Erkenntnisvermögen der Schafe!

[GEJ.01_016,07] Was besagen denn hernach die Wechsler und ihre Geldgeschäfte? – Diese besagen und bezeigen im Menschen alles das, was da hervorgeht aus der schon ganz tierisch gewordenen Eigenliebe des Menschen; denn das Tier liebt nur sich, und ein Wolf frißt den andern auf, so er Hunger hat. Diese „Wechsler“ oder solche tierische Eigenliebe muß sonach auch mit aller schmerzlichen Gewalt hinausgeschafft werden aus dem Menschen, und alles das, was diese Liebe belebt, muß umgeworfen und verschüttet werden!

[GEJ.01_016,08] Ja, warum denn nicht ganz vernichtet? – Weil auch solcher Liebe nicht die Freiheit benommen werden darf; denn der edle Same oder das Weizenkorn wird in einem mit tierischem Unrat wohlgedüngten Acker am besten fortkommen und eine reiche Ernte geben. Würde man aber dem Acker den Dünger ganz nehmen, um ihn gleichsam von allem Unrat vollends rein zu machen, so würde dadurch das edle Weizenkorn nur schlecht fortkommen und sicher eine sehr mißliche Ernte abgeben.

[GEJ.01_016,09] Der Unrat, der anfangs haufenweise auf den Acker gebracht wird, muß auseinandergeworfen und verschüttet werden, so wird er dann dem Acker dienen; würde man ihn aber im großen Haufen beisammen lassen, da würde er, wo er liegt, alles ersticken und den anderen Ackerteilen nichts nützen.

[GEJ.01_016,10] Darinnen liegt daher der entsprechende Grund in der evangelischen Tempelreinigungsgeschichte, dem zufolge Ich der Wechsler Geld nur verschüttet und nicht völlig vernichtet habe, was Mir wohl auch sehr leicht möglich gewesen wäre.

[GEJ.01_016,11] Was stellen aber dann die im Innern des Tempels befindlichen Taubenkrämer vor, die auch hinaus und auf ihre alten angewiesenen Plätze weichen müssen?

[GEJ.01_016,12] Darunter wird begriffen die äußere Tugend, die da besteht in allerlei Zeremonie, Anstand, Höflichkeit, Artigkeit u. a. m. in rein weltlicher Beziehung, die aber die Blindheit der Menschen zu einem innern Lebenswert erheben und darin das wahre Leben des Menschen wurzeln machen will.

[GEJ.01_016,13] Die Taube ist ein Lufttier, und da sie im Orient häufig als Briefbote, besonders in Sachen der Liebe, benutzt ward und daher auch entsprechend schon bei den alten Ägyptern als Hieroglyphe die zärtliche und zierliche Konversation bedeutete, so diente sie als Zeichen solcher Konversation im Tempel und war auch ein gewöhnliches und entsprechend sinnbildliches Opfertier, das gewöhnlich junge Eheleute bei der Erstgeburt im Tempel als ein Zeichen zum Opfer brachten, daß sie nun solcher äußerer Botschaften, Artigkeiten und zeremoniellen Zierereien ledig geworden und nun in die wahre, innere, lebengebende Liebe eingegangen sind.

[GEJ.01_016,14] Nun aber gehört – der Ordnung aller Dinge nach – das Äußerste ins Äußerste; die Rinde darf nie im Mark des Baumes sich befinden, da sie an und für sich etwas ganz Totes ist, sondern alles, was zur Rinde gehört, muß sich auch in der Rinde lagern. Die Rinde aber ist dem Baume von großem Nutzen, so sie auf ihrem Platze in gerechtem Maße vorkommt. So aber jemand wollte die Rinde ins Mark des Baumes schieben, indem er zuvor dem Baume das Mark nähme, da müßte dann der Baum ja auch sobald verdorren und sterben.

[GEJ.01_016,15] Und also werden zum Zeichen, daß die Menschen alle die äußerlichen Tugenden nicht zur Sache des inneren Lebens machen sollen, wodurch der edle Mensch bloß zu einer Konversationspuppe (Kaufhaus) wird, diese Taubenkrämer als im weiten Sinne alle Äußerlichkeiten, und im engeren Sinne alle die Meister dieser Äußerlichkeiten, die ihre Ware zur inneren Lebensware zu erheben bemüht sind, von Mir ebenfalls, nur etwas artiger, aus dem Tempel geschafft und auf ihren ordentlichen Platz verwiesen.

[GEJ.01_016,16] Das ist demnach der geistige Sinn der vorliegenden Tempelreinigung; und aus der richtigen und unwandelbaren Entsprechung zwischen dem Menschen und Tempel läßt sich auch erkennen, daß derart nie ein Mensch, sondern nur Gott allein als die ewige Weisheit, die alles sieht und kennt, also handeln und reden kann.

[GEJ.01_016,17] Warum aber bleibt nach solcher Fegung der Herr noch nicht im Tempel?

[GEJ.01_016,18] Weil Er allein weiß, wie das Innere des Menschen bestellt sein muß, damit Er im Menschen eine bleibende Wohnstätte nehmen kann. Zugleich darf dem Menschen nach einer solchen Fegung die Freiheit nicht genommen werden, da er sonst zu einer Puppe würde.

[GEJ.01_016,19] Der Herr darf Sich sonach dem gewaltsam gefegten inneren Menschen noch nicht anvertrauen; denn Er allein weiß es, was zur vollen Herstellung des inneren Menschen nötig ist. Daher geht der Feger wieder aus dem Tempel und fließt wie zufällig von außen herein in das Innere des Menschen ein und fügt sich nicht den Anforderungen des Menschen, daß Er bei und in ihm bliebe und ihn unterstützete in der Trägheit, sondern da muß der Mensch wieder zur vollen Selbsttätigkeit erwachen und durch sie erst ein vollkommener Mensch werden, wie solches im nächsten Kapitel auch näher dargestellt wird.


17. Kapitel – Das Nachtgespräch mit Nikodemus. (Kap.17-22)

Ev.Joh.3,1. Es war aber ein Mensch unter den Pharisäern mit Namen Nikodemus, der war ein Oberster unter den Juden.

[GEJ.01_017,01] Daß Ich Mich nach der Tempelreinigung mit allen denen, die Mir gefolgt sind, außerhalb der Stadt in einer kleinen Herberge aufhielt, ist schon im vorigen Kapitel gezeigt worden; aber jeder dürfte denn doch sicher mit der Frage kommen und sagen:

[GEJ.01_017,02] „Was hast Du, Herr, denn allda getan? Denn Du hast diese Zeit von doch wenigstens acht Tagen sicher nicht müßig zugebracht?“

[GEJ.01_017,03] Da sage Ich: Ganz gewiß nicht! Denn es kamen sozusagen bei Tag und Nacht in Masse Menschen aller Klassen aus der Stadt zu Mir. Die Armen kamen gewöhnlich am Tage, die Großen, Vornehmen und Reichen aber gewöhnlich in der Nacht, denn sie wollten sich vor ihresgleichen nicht schwach und verfänglich zeigen.

[GEJ.01_017,04] Da sie aber doch zum Teil ihre Neugierde und zum Teil eine Art gläubiger Ahnung für die Möglichkeit, daß Ich etwa doch der Messias sein könnte, antrieb, mit Mir eine nähere Bekanntschaft zu machen, so gingen sie in der Nacht hinaus und machten Mir Besuche, die gewöhnlich mit starkem Schmollen endigten; denn es rauchte diesen Vornehmen, Großen und Reichen ganz gewaltig in die Nase, daß Ich mit ihnen nicht wenigstens nur so gut und artig umging wie mit den vielen Armen, die Meine Güte und Freundlichkeit nicht genug rühmen konnten.

[GEJ.01_017,05] Auch wirkte Ich als Arzt bei den Armen viele Wunder, befreite die Besessenen von ihren Plagegeistern, machte die Lahmen gehend, die Gichtbrüchigen gerade, die Aussätzigen rein, die Stummen hörend und redend, die Blinden sehend, und das alles zumeist durchs Wort.

[GEJ.01_017,06] Das wußten die wohl, so in der Nacht zu Mir kamen, und verlangten von Mir auch ähnliche Zeichen, wogegen Ich ihnen stets bemerkte: „Der Tag hat zwölf Stunden und die Nacht ebenfalls zwölf. Der Tag ist bestimmt zur Arbeit, die Nacht aber zur Ruhe. Wer am Tage arbeitet, der stößt sich nirgends an, wer aber in der Nacht arbeitet, der stößt sich leicht an; denn er sieht es nicht, wohin er seinen Fuß setzt.“

[GEJ.01_017,07] Es fragten Mich etliche, aus welcher Macht und Kraft Ich solche Wunder verrichte. Die Antwort war ganz kurz diese: „Aus Meiner höchst eigenen, und Ich benötige hierzu keines Menschen Hilfe!“

[GEJ.01_017,08] Wieder fragten sie Mich, warum Ich nicht lieber in der Stadt eine Herberge nähme; denn zu so großen Taten gehöre ein großer Ort, nicht aber ein letztes Dörflein, das wohl in der Nähe der großen Weltstadt läge, aber von dieser ganz unbeachtet sei.

[GEJ.01_017,09] Ich sagte darauf wieder: „In einem Orte, wo vor den Toren der sich großdünkenden Bewohner Lanzenknechte Wache halten und nur den Glänzenden Einlaß geben, die Armen aber ohne Gnade abweisen, und wo man in jeder Gasse, so man ein fremdes Gesicht hat und nicht genug prächtig gekleidet ist, wenigstens siebenmal angehalten und befragt wird, wer und woher man sei, und was man hier tue, bleibe Ich nicht. Zudem liebe Ich nur, was vor der Welt klein und von ihr verachtet ist, denn es steht geschrieben: Was vor der Welt groß ist, ist vor Gott ein Greuel!“

[GEJ.01_017,10] Und sie fragten und sagten: „Ist der Tempel nicht groß und herrlich, in dem Jehova wohnt?“ – Sage Ich: „Er sollte drinnen wohnen; aber da ihr den Tempel entheiligt habt, verließ Er diesen und wohnt nicht mehr darin, und die Lade Mosis ist leer und tot!“

[GEJ.01_017,11] Sagen die Nachtwandler: „Was redest Du hier für frevelhaftes Zeug zusammen? Weißt Du denn nicht, was Gott zu David und Salomon geredet hat? Kann das, was Gott geredet, je unwahr werden? Wer bist Du denn, daß Du Dich getrauest, solches vor uns zu reden?!“

[GEJ.01_017,12] Sage Ich: „So gut Ich in und aus Mir Selbst die Macht und Kraft habe, bloß durch Meinen Willen und durch Mein Wort alle Kranken zu heilen, die zu Mir kommen, ebenso habe Ich auch die Macht und die Kraft und das vollste Recht, solches vom Tempel vor euch zu reden, und sage euch nochmals, daß nun auch euer Tempel vor Gott ein Greuel ist!“

[GEJ.01_017,13] Hier fingen einige an zu murren, andere aber sagten: „Das ist offenbar ein Prophet, und diese haben sich über den Tempel noch allezeit ungünstig geäußert! Lassen wir ihn gehen!“ Und so zogen diese Nachtwandler wieder ab.


18. Kapitel

[GEJ.01_018,01] Es kam aber in der vorletzten Nacht Meines Aufenthaltes in der Nähe von Jerusalem ein gewisser Nikodemus ebenfalls in der Nacht zu Mir, weil er auch ein Vornehmer Jerusalems war; denn er war fürs erste ein Pharisäer, also ungefähr in Amt, Würde und Ansehen das, was gegenwärtig in Rom ein Kardinal ist, und fürs zweite war er als ein reichster Großbürger Jerusalems auch der Oberste der Juden in dieser Stadt; er war der oberste Bürgermeister über die ganze Stadt, von Rom aus dazu bestimmt.

Ev.Joh.3,2. Der kam zu Jesus in der Nacht und sagte zu Ihm: „Meister, wir wissen, daß Du als ein Lehrer (Prophet) von Gott gekommen bist, denn niemand kann die Zeichen tun, die Du tust, es sei denn Gott mit ihm.“

[GEJ.01_018,02] Dieser, als der Chef Jerusalems in bürgerlicher Hinsicht, kam also selbst in der Nacht zu Mir hinaus und sprach sogleich zu Mir: „Meister! Vergib es mir, daß ich so spät in der Nacht zu Dir komme und Dich störe in Deiner Ruhe; da ich aber vernahm, daß Du diese Gegend verlassen wirst schon des morgigen Tages, so konnte ich nicht umhin, Dir meine gebührende Achtung zu bezeugen. Denn siehe, ich und mehrere meines Amtes wissen es nun, nachdem wir Deine Taten beobachtet haben, daß Du als ein ganz echter Prophet, von Gott gesandt, zu uns gekommen bist! Denn die Zeichen, die Du tust, kann niemand verrichten, außer es ist Jehova mit ihm! Da Du sonach ein offenbarer Prophet bist und sehen mußt, wie sehr wir im argen liegen, uns aber dennoch durch Deine Vorgänger das Gottesreich verheißen ist, so sage mir gefälligst, wann dieses kommen wird, und so es kommt, wie man beschaffen sein muß, um in dasselbe zu gelangen?“

Ev.Joh.3,3. Jesus antwortete und sprach zu ihm: „Wahrlich, wahrlich sage Ich dir: Es sei denn, daß jemand von neuem geboren werde, sonst kann er das Reich Gottes nicht sehen.“

[GEJ.01_018,03] Auf diese Frage des Nikodemus antwortete Ich ebenso kurz, wie es der Vers angibt, nämlich: „Wahrlich, wahrlich sage Ich dir: Es sei denn, daß jemand von neuem geboren werde, sonst kann er das Reich Gottes weder sehen und noch weniger in dasselbe kommen!“, was soviel sagen will als: „So du deinen Geist nicht durch Wege, die Ich dir mit Meiner Lehre und Tat zeige, erweckest, kannst du das göttlich Lebendige Meines Wortes nicht einmal erkennen, geschweige in dessen lebengebende Tiefen eindringen!“

[GEJ.01_018,04] Daß der sonst biedere Nikodemus solche Meine Rede, wie der Verfolg es zeigen wird, nicht begriffen hat und sich an ihm alsogleich bewahrheitete, daß man nämlich das göttlich Lebendige Meines Wortes nicht von ferne hin fassen kann, so man nicht geweckten Geistes ist, zeigt klar und deutlich der nächste Vers, laut dem Mich Nikodemus, ganz verblüfft ob solcher Meiner Rede, fragt und sagt:

Ev.Joh.3,4. Nikodemus spricht zu Ihm: „Wie kann ein Mensch denn noch einmal geboren werden, so er alt geworden ist? Kann er wieder in seiner Mutter Leib gehen und daraus zum anderen Male geboren werden?“

[GEJ.01_018,05] „Aber, lieber Meister, was Sonderbares doch sprachst Du vor meinen Ohren? Wie möglich wohl kann ein Mensch noch einmal geboren werden? Kann denn ein Mensch, der groß, alt und steif geworden ist, durch das enge Pförtchen in seiner Mutter Leib steigen und sodann daraus zum zweiten Male geboren werden?! Sieh, sieh, lieber Meister, das ist eine völlig unmögliche Sache! Entweder weißt Du vom kommenden Gottesreiche nichts oder wenigstens nicht das Rechte, oder Du weißt darum und willst es aber mir nicht sagen aus Furcht, daß ich Dich aufgreifen und ins Gefängnis werfen ließe. Oh, des sei du völlig unbesorgt; denn ich habe noch nie jemanden seiner Freiheit beraubt, außer er war ein Mörder oder ein großer Dieb. – Du aber bist ein großer Wohltäter der armen Menschheit und hast nahe alle Kranken von Jerusalem geheilt, wunderbar durch die Kraft Gottes in Dir; wie sollte ich dann mich an Dir vergreifen können?!

[GEJ.01_018,06] Aber glaub es mir, lieber Meister, mir ist es ernst um das kommen sollende Gottesreich! Darum, so Du davon etwas Näheres kennst, sage es mir auf eine Weise, daß ich's fassen kann! Gib Himmlisches mit himmlischen und Irdisches mit irdischen Worten, aber in wohlverständlichen Bildern, sonst nützt mir Deine Belehrung noch weniger als die altägyptische Vögelschrift (Hieroglyphen), die ich weder lesen und sonach noch weniger verstehen kann. Ich weiß es nur zu bestimmt aus meinen Berechnungen, daß das Reich Gottes schon da sein muß, nur weiß ich noch nicht, wo und wie man in dasselbe kommt und in dasselbe aufgenommen wird. Diese Frage möchte ich von Dir ganz verständlich und klar beantwortet haben.“

Ev.Joh.3,5. Jesus antwortet: „Wahrlich, wahrlich, Ich sage es dir: Es sei denn, daß jemand geboren werde aus dem Wasser und aus dem Geiste, sonst kann er nicht in das Reich Gottes kommen!“

[GEJ.01_018,07] Auf diese abermalige Frage gab Ich dem Nikodemus genau wieder die Antwort, wie sie in vorstehendem 5. Verse vorkommt; sie ist von der ersten nur dadurch unterschieden, daß es hier näher bestimmt wird, woraus man eigentlich wiedergeboren werden muß, um ins Gottesreich zu kommen, nämlich aus dem Wasser und aus dem Geiste, was soviel sagen will als:

[GEJ.01_018,08] Die Seele muß mit dem Wasser der Demut und Selbstverleugnung gereinigt werden (denn das Wasser ist das urälteste Symbol der Demut; es läßt alles aus sich machen, ist zu allem dienstfertig und sucht sich stets die niedersten Stellen der Erde aus und fliehet die Höhen) und dann erst aus dem Geiste der Wahrheit, die eine unreine Seele nie fassen kann, da eine unreine Seele gleich ist der Nacht, während die Wahrheit eine Sonne voll Lichtes ist, die allenthalben Tag um sich verbreitet.

[GEJ.01_018,09] Wer demnach in seine durch die Demut gereinigte Seele die Wahrheit aufnimmt und diese tatsächlich als solche erkennt, den macht dann ebensolche Wahrheit im Geiste frei, und diese Freiheit des Geistes oder das Eingehen des Geistes in solche Freiheit ist dann auch das eigentliche Eingehen in das Reich Gottes.

[GEJ.01_018,10] Aber eine solche Erklärung gab Ich freilich dem Nikodemus nicht, und das darum nicht, weil er sie in seiner Erkenntnissphäre noch weniger begriffen hätte als den kurzen verhüllten Grundsatz selbst. Er fragte Mich daher auch wieder, wie solches zu verstehen wäre.


19. Kapitel

Ev.Joh.3,6. „Was vom Fleische geboren wird, das ist Fleisch, und was vom Geiste geboren wird, das ist Geist.“

[GEJ.01_019,01] Ich aber gab ihm zur Antwort, wie es im vorstehenden 6. Verse geschrieben steht, nämlich: „Es nehme dich nicht wunder, daß Ich also zu dir rede! Denn sieh, was aus dem Fleische kommt, das ist wieder Fleisch, also tote Materie oder äußerste Umhüllung des Lebens; was aber aus dem Geiste kommt, das ist auch Geist oder das ewige Leben und die Wahrheit in sich selbst!“

[GEJ.01_019,02] Aber dem Nikodemus geht die Sache noch immer nicht ein. Er zuckt mit den Achseln und wundert sich immer mehr, weniger über die Sache, als vielmehr, daß er als ein weisester Pharisäer, der doch in aller Schrift bewandert ist, solcher Rede Sinn nicht zu fassen imstande sei; denn er hielt große Stücke auf seine Weisheit und war auch seiner großen Weisheit wegen zum Obersten der Juden erhoben worden.

[GEJ.01_019,03] Darum wunderte es ihn um so gewaltiger, daß er nun in Mir ganz unerwartet einen Meister gefunden hatte, der ihm ganz sonderbare Weisheitsnüsse zum Aufknacken biete! Da er sich durchaus nicht zurechtfinden konnte, so fragte er Mich abermals: „Ja – wie ist das wieder zu nehmen? Kann denn auch ein Geist schwanger werden und dann gebären seinesgleichen?!“

Ev.Joh.3,7. „Laß dich's nicht wundern, daß Ich dir gesagt habe: Ihr müsset von neuem geboren werden!“

[GEJ.01_019,04] Sage Ich zu ihm: „Ich habe zu dir schon gesagt, daß du dich dessen nicht gar so wundern sollst, so Ich zu dir gesagt habe: Ihr müsset alle von neuem geboren werden!“

Ev.Joh.3,8. „Der Wind wehet, wo er will, und du hörest sein Sausen wohl; aber du weißt es nicht, von wannen er kommt und wohin er fährt. Also ist ein jeglicher, der aus dem Geiste geboren ist.“

[GEJ.01_019,05] „Denn sieh, der Wind wehet, wo er will, du hörest sein Sausen, aber du weißt es dennoch nicht, von wo er ursprünglich herkommt; also steht es auch mit einem jeden, der aus dem Geiste kommt und spricht dir gegenüber. Du siehst und hörest ihn wohl; aber da er in seiner geistigen Weise zu dir spricht, so fassest und verstehest du solches nicht, woher er's hat und was er damit sagt und bezeichnet. Da du aber ein redlicher Weiser bist, so wird es dir zur rechten Zeit schon auch gegeben werden, daß du solche Dinge fassen und verstehen wirst.“

Ev.Joh.3,09. Nikodemus antwortete und sprach zu Ihm: „Meister, wie mag solches zugehen?“

[GEJ.01_019,06] Hier schüttelt Nikodemus bedenklich den Kopf und sagt nach einer Weile: „Da möchte ich es von Dir wohl erfahren, wie so etwas zugehen würde! Denn was ich weiß und verstehe, das weiß und verstehe ich in meinem Fleische; wird das Fleisch mir genommen, da werde ich wohl kaum mehr etwas fassen und verstehen! – – Wie, wie – werde ich als Fleisch zu einem Geist, und wie wird meinen Geist dann ein anderer Geist in sich aufnehmen und dann von neuem gebären?! – Wie, wie möglich wird das zugehen?!“

Ev.Joh.3,10. Jesus antwortete und sprach zu ihm: „Bist du doch ein Meister in Israel und weißt das nicht?!“

[GEJ.01_019,07] Sage Ich zu ihm: „Aber – ein weisester Meister in Israel bist du und kannst solches nicht fassen und begreifen?! – Wenn aber du das nicht fassen kannst als ein Meister der Schrift, was soll dann erst mit vielen anderen werden, die von der Schrift kaum so viel wissen, daß es einst einen Abraham, Isaak und Jakob gegeben habe?“

Ev.Joh.3,11. „Wahrlich, wahrlich, Ich sage es Dir: Wir (Geistigen) reden (ganz natürlich), das wir wissen, und zeugen (von dem), was wir gesehen haben, und ihr möget unser Zeugnis nicht (verstehen) und annehmen!“

[GEJ.01_019,08] „Wahrlich, wahrlich glaube es Mir! Wir, d.i. Ich und Meine Jünger, die wir vom Geiste hergekommen sind, reden hier mit dir nicht etwa rein geistig, sondern ganz naturgemäß und geben dir in Naturbildern der Erde das kund, was wir wissen und gesehen haben im Geiste, und ihr könnet das nicht fassen und annehmen!

Ev.Joh.3,12. „So ihr aber schon nicht glauben (annehmen) könnet, so Ich von irdischen Dingen mit euch rede, wie würdet ihr dann glauben, so Ich mit euch von rein himmlischen Dingen reden möchte?!“

[GEJ.01_019,09] „So ihr aber schon so etwas Leichtes in faßlicher Rede nicht fassen und begreifen möget, da Ich doch in ganz irdischer Weise mit euch rede von geistigen Dingen, die dadurch ordentlich zu irdischen Dingen werden, nun so möchte Ich wissen, wie euer Glaube sich gebärden würde, so Ich von himmlischen Dingen rein himmlisch zu euch reden möchte!

[GEJ.01_019,10] Ich sage dir: Der Geist, der in und aus sich selbst Geist ist, weiß es allein, was im Geiste ist und was sein Leben! Das Fleisch aber ist nur eine äußerste Rinde und weiß nichts vom Geiste, außer der Geist offenbart es der Hülle, der Rinde; dein Geist aber ist noch zu sehr von deinem Fleische beherrscht und verdeckt, und es weiß daher nichts von ihm. Es wird aber die Zeit kommen, in der dein Geist, wie Ich dir schon gesagt habe, frei wird; dann wirst du unser Zeugnis begreifen und annehmen!“

[GEJ.01_019,11] Spricht Nikodemus: „Lieber Meister, Du Weiser der Weisesten! O sage es mir verständlich, wann, wann diese so sehnlichst erwünschte Zeit kommen wird!“

[GEJ.01_019,12] Darauf antwortete Ich und sprach: „Mein Freund, daß Ich dir Zeit, Tag und Stunde geben soll, dazu bist du noch zu wenig reif! Sieh, solange der neue Wein nicht gehörig ausgegoren hat, bleibt er trübe, und so du ihn tust in einen kristallenen Becher und hältst dann den Becher auch gegen die Sonne, so wird ihr mächtigstes Licht aber dennoch nicht durch die Trübe des Neuweines zu dringen vermögen, und gerade also geht es auch mit dem Menschen. Bevor er nicht gehörig durchgegoren ist und durch den Gärungsprozeß alles Unreine aus sich geschafft hat, kann das Licht der Himmel sein Wesen nicht durchdringen. Ich werde dir aber nun etwas sagen; wirst du es verstehen, so wirst du über die Zeit im klaren sein! Und so höre Mich.“


20. Kapitel

Ev.Joh.3,13. „Und niemand fährt gen Himmel, außer Der vom Himmel herniedergekommen ist, nämlich des Menschen Sohn, Der gleichfort im Himmel ist.

Ev.Joh.3,14. Und wie Moses in der Wüste eine Schlange erhöht hatte, also muß auch des Menschen Sohn erhöht werden,

Ev.Joh.3,15. auf daß alle, die an Ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben!“

[GEJ.01_020,01] (Der Herr:) „Sieh, niemand fährt gen Himmel als allein Der, Der vom Himmel herniedergekommen ist, nämlich des Menschen Sohn, Der gleichfort im Himmel ist. Und wie Moses in der Wüste eine Schlange erhöhet hat, also muß auch des Menschen Sohn erhöhet werden, auf daß alle, die an Ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben! Sage Mir, fassest du das?“

[GEJ.01_020,02] Sagt Nikodemus: „Lieber Meister! Wie sollte, wie könnte ich das?! In Dir ist eine eigene Art Weisheit; wie ich Dir schon einmal bemerkt habe, so könnte ich leichter die alte ägyptische Vögelschrift lesen als verstehen Deine Weisheit! Ich muß es Dir nun offen bekennen, daß ich, so mich nicht Deine gewaltigen Taten an Dich fesselten, Dich für einen Narren oder Streichmacher halten müßte; denn in Deiner Weise hat doch nie ein vernünftiger Mensch geredet! Aber Deine Taten zeigen, daß Du als ein Lehrer von Gott zu uns gekommen bist und in Dir eine Fülle göttlicher Macht und Weisheit vorhanden sein muß, ohne die es niemand möglich ist, solche Taten zu vollführen.

[GEJ.01_020,03] Wo aber das Eins rein göttlich ist, da muß auch das Zwei göttlich sein. Deine Taten, lieber Meister, sind göttlich, und so muß auch Deine Lehre vom Gottesreich auf Erden göttlich sein, ob ich sie fasse oder nicht! Betrachte ich aber nur ein wenig weltlich die Thesis Niemand fährt gen Himmel, außer Der vom Himmel herniedergekommen ist! – das sei nämlich des Menschen Sohn, der gleichfort im Himmel ist –, so bin ich rein verloren! Lieber Meister, seit Henoch und Elias ist wohl noch keinem Menschen der Erde das Glück widerfahren, sichtbar aufzufahren in die Himmel; Du kannst vielleicht der dritte werden!? Und so Du vielleicht der dritte würdest, möchte das wohl etwas nützen allen anderen Menschen, die, weil sie nicht aus den Himmeln herabgekommen sind, somit auch nicht in die Himmel je gelangen können?!

[GEJ.01_020,04] Zudem sagtest Du noch, daß Der, so vom Himmel herabgekommen, eigentlich nur zum Schein auf der Erde sich befindet, in der Wahrheit aber dennoch gleichfort in den Himmeln ist! Demnach hätten also an dem kommensollenden Gottesreiche vorderhand nur Henoch und Elias und nachderhand vielleicht auch Du teil, alle anderen millionenmal Millionen aber können sich ins feuchte finstere Grab für alle Ewigkeiten der Ewigkeiten legen und aus Gottes Gnade und Barmherzigkeit wieder zu Erde und endlich zu nichts werden!?

[GEJ.01_020,05] Lieber Meister, für solch ein Gottesreich auf Erden bedanken sich die armen Erdenwürmer, die in jeder Hinsicht lächerlich genug Menschen heißen! Wer weiß es nicht, daß es also ist und allzeit also war? Eine oder auch drei Schwalben machen den Sommer nicht aus! Was hatte Henoch und was Elias getan, daß sie von der Erde in den Himmel aufgenommen worden sind? Im Grunde nichts, als was ihrer himmlischen Natur eigen war! Sie hatten somit kein Verdienst und sind nach Deiner nunmaligen Erklärung rein nur deshalb in die Himmel von der Erde weg aufgenommen worden, weil sie gleich Dir von den Himmeln zur Erde herniedergekommen sind!

[GEJ.01_020,06] Siehe, darin liegt ganz entsetzlich wenig Hoffnung und nahe gar kein Trost für die arme Menschheit dieser harten Erde! Aber wie ich Dir schon früher gesagt habe, es bleibt dabei, daß ich Deine Lehre dennoch für göttlich und überweise halte, obgleich sie, wie ich in einer Deiner Thesen bewies, mit dem natürlichen Verstande betrachtet, eine barste Narrheit ist und sein muß, was Du ebensogut als ich einsehen wirst.

[GEJ.01_020,07] Was Du aber mit der Erhöhung des Menschensohnes, die gleich jener der ehernen Schlange Mosis in der Wüste sein soll, meinst, und wie und warum alle das ewige Leben haben sollen, die an diesen schlangenartig erhöhten Menschensohn glauben, das geht schon ins Parabolische über, das heißt, in ein Etwas, das in sich der barste Unsinn ist! Wer ist dieser Menschensohn? – Wo ist Er nun? – Was macht Er? – Kommt auch Er gleich Henoch und Elias aus den Himmeln? – Wird Er erst geboren werden? – Was sollen die Menschen, die Ihn sicher ebensowenig als ich je gesehen haben, von diesem Menschensohne glauben? – Wie kann Er auf diese Erde kommen, so Er gleichfort im Himmel ist? – Wo wird Er erhöht werden und wann? – Wird Er dadurch zu einem unüberwindlich mächtigsten Könige der Juden?

[GEJ.01_020,08] Siehe, lieber Meister, das klingt doch sicher sehr seltsam aus dem Munde eines Mannes, Der es durch Seine Taten zeigt, daß Er voll göttlicher Kraft und Macht sein müsse! Aber, wie gesagt, ich will mich von all dem nicht irreleiten lassen und halte Dich gleichfort für einen von Gott erweckten großen Propheten.

[GEJ.01_020,09] Du siehst aus dem, daß ich keiner von denen bin, die eine Lehre alsobald verwerfen, so sie dieselbe nicht fassen; aber darum möchte ich Dich dennoch bitten, daß Du mir nur ein wenig Erklärung hinzutätest; denn sogestaltig kann ich Dich unmöglich fassen und verstehen. – Siehe, an mir liegt im Judenlande sehr viel, und ganz besonders in der Stadt Salems, allda ich der Oberste bin aller Juden! Führe ich Dich und Deine Lehre ein, so wird sie angenommen und eingeführt sein; wo ich sie aber fallen lasse, dann wird sie auch fallen und wird keine Annahme finden. Sei daher so gut und gib mir nur ein wenig mehr Licht!“

[GEJ.01_020,10] Sage Ich: „Du hast nun viele Worte gemacht und hast geredet wie ein Mensch, der von himmlischen Dingen keine Ahnung hat; aber es kann auch nicht anders sein, denn du bist in der Nacht der Welt und magst nicht erschauen das Licht, das aus den Himmeln gekommen ist, um zu erleuchten die Finsternis der Nacht dieser Welt. Einen Dämmerschein hast du wohl, aber dennoch erschauest du das nicht, was dir sozusagen auf der Nase sitzt!“


21. Kapitel

Ev.Joh.3,16. „Also hat Gott die Welt geliebt, daß Er Seinen eingeborenen Sohn gab, auf daß alle, die an Ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben sollen!“

[GEJ.01_021,01] (Der Herr:) „Ich sage es dir: Gott ist die Liebe und der Sohn ist Dessen Weisheit. Also aber liebte Gott die Welt, daß Er Seinen eingeborenen Sohn, d.h. Seine aus Ihm Selbst von Ewigkeit hervorgehende Weisheit, in diese Welt gab, auf daß alle, die an Ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben sollen! – Sage Mir, verstehst du auch dieses nicht?!“

[GEJ.01_021,02] Sagt Nikodemus: „Es kommt mir wohl vor, als sollte ich es verstehen, aber im Grunde verstehe ich es doch nicht. Wenn ich nur wüßte, was ich aus dem Menschensohn machen sollte, da wäre ich dann schon so ziemlich in der Ordnung! Du sprachst nun auch vom eingeborenen Sohne Gottes, Den die Liebe Gottes in die Welt gab. Ist der Menschensohn und der eingeborene Gottessohn eine und dieselbe Individualität?“

[GEJ.01_021,03] Sage Ich: „Sieh her! Ich habe einen Kopf, einen Leib und Hände und Füße. Der Kopf, der Leib, die Hände und Füße sind Fleisch, und dieses Fleisch ist ein Sohn des Menschen; denn was da ist Fleisch, das kommt vom Fleische. Aber in diesem Menschensohne, Der Fleisch ist, wohnet Gottes Weisheit, und das ist der eingeborene Sohn Gottes. Aber nicht der eingeborene Sohn Gottes, sondern nur des Menschen Sohn wird gleich der ehernen Mosis-Schlange in der Wüste erhöhet werden, daran sich viele stoßen werden; die sich aber nicht stoßen, sondern glauben und sich halten werden an Seinen Namen, denen wird Er die Macht geben, Kinder Gottes zu heißen, und ihres Lebens und Reiches wird kein Ende sein fürder ewig.“

Ev.Joh.3,17. „Denn Gott hat Seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, daß Er diese richte, sondern daß sie durch Ihn selig werde.“

[GEJ.01_021,04] „Du mußt aber nun nicht irgend ein Gericht dieser Welt erwarten, als etwa Kriege, Wasserflut oder gar ein alle Heiden verzehrendes Feuer aus den Himmeln; denn sieh, Gott hat Seinen eingeborenen Sohn (die göttliche Weisheit) nicht in die Welt (in dieses Menschenfleisch) gesandt, daß Er diese Welt richte (verderbe), sondern daß sie durch Ihn vollauf selig werde, das heißt, daß auch alles Fleisch nicht verderbe, sondern mit dem Geiste auferstehe zum ewigen Leben. (Unter Fleisch wird hier nicht so sehr das eigentliche Leibfleisch als vielmehr die fleischlichen Gelüste der Seele verstanden.) Aber um das zu erreichen, muß der Glaube in dem Fleische die materiellen Hoheitsgefühle zunichte machen, und zwar der Glaube an den Menschensohn, daß dieser aus Gott von Ewigkeit her geboren in diese Welt gekommen ist, auf daß alle das ewige Leben haben sollen, die an Seinen Namen glauben und halten werden!“

Ev.Joh.3,18. „Wer an Ihn glaubt, der wird nicht gerichtet; wer aber nicht glaubt, der ist schon gerichtet; denn er glaubt nicht an den Namen des eingeborenen Sohnes Gottes.“

[GEJ.01_021,05] „Wer immer, ob Jude oder Heide, an Ihn glauben wird, der wird ewig nimmer gerichtet und dadurch verdorben werden; wer sich aber an dem Menschensohne stoßen wird und wird nicht glauben an Ihn, der ist dann aber auch schon gerichtet. Denn eben das, daß er nicht glauben will und glauben kann, weil er sich zufolge seines Hoheitsgefühls an dem Namen und Wesen des Menschensohnes stößt, ist schon das Gericht eines solchen Menschen. Verstehst du nun das? Ich habe es dir nun überklar vor die Augen gestellt!“

[GEJ.01_021,06] Sagt Nikodemus: „Ja, ja, ich verstehe so halbwegs den Sinn Deiner höchst mystisch gehaltenen Rede; aber sie erscheint für so lange wie in die Luft gesprochen, solange der von Dir so hoch gestellte Menschensohn, in Dem die Fülle der göttlichen Weisheit wohnt, nicht da ist, und Du auch die Zeit und den Ort entweder nicht näher bestimmen kannst oder willst, wann Er kommen wird und wo des Ortes.

[GEJ.01_021,07] Also klingt auch Dein Gericht, das Du eigentlich lediglich in den Unglauben setzest, sehr rätselhaft! So das Gericht weder eine Flut, noch Krieg oder Pest und ebensowenig ein verzehrendes Feuer ist, sondern bloß nur der Unglaube an und in sich selbst, so muß ich Dir's, lieber Meister, offen gestehen, daß ich den Sinn Deiner Rede noch immer nicht fassen kann! Denn wer von einer Rede einen oder auch zwei Begriffe nicht faßt, der faßt im Grunde des Grundes die ganze Rede nicht. Was ist denn so ganz eigentlich Dein Gericht? Was für einen neuen Sinn verbindest Du mit diesem Begriff?“

[GEJ.01_021,08] Sage Ich: „Mein Freund, bald könnte auch Ich zu dir sagen: Ich begreife es kaum mehr, worin es liegen mag, daß du den völlig klaren Sinn Meiner Rede nicht zu fassen imstande bist! Den Begriff Gericht magst du nicht verstehen, und Ich habe ihn dir doch überklar und vollauf erörtert.“

Ev.Joh.3,19. „Das aber ist das Gericht, daß das Licht in die Welt gekommen ist; und die Menschen liebten die Finsternis mehr denn das Licht. Denn ihre Werke waren und sind böse.“

[GEJ.01_021,09] „Siehe, das ist das Gericht, daß nun das Gottes-Licht aus den Himmeln in die Welt gekommen ist; die Menschen aber, da sie aus der Finsternis herausgenommen sind und gesetzt ins Licht, lieben aber dennoch die Finsternis bei weitem mehr als das nun volle Gotteslicht vor ihren Augen! Daß aber die Menschen das Licht nicht wollen, das beweisen ihre Werke, die durch und durch böse sind.

[GEJ.01_021,10] Wo findest du den ersten Vollglauben, wo die gerechte Gottesfurcht? Wo liebt einer den andern, außer er weiß von ihm für sich etwas zu gewinnen? Wo sind die, die ihr Weib liebten der lebendigen Fruchtbarkeit wegen? Sie lieben die jungen Dirnen der Wollust wegen und treiben mit ihnen Unzucht und eine förmliche Hurerei! Denn wer mit dem andern Geschlecht eine förmliche Abgötterei der Wollust und Unzucht wegen treibt, der treibt eine wahre Hurerei, und diese ist ein Übel der Übel! – Wo ist ein Dieb, der sich ein Licht nähme und stehle offenbar?!“

Ev.Joh.3,20. „Wer Arges tut, der hasset das Licht und kommt darum auch nicht an das Licht, auf daß seine argen Werke nicht gestraft werden möchten.“

[GEJ.01_021,11] „Sieh, alle aber, die also gesinnt sind und also handeln, was da arg ist und böse, die sind es, deren Werke böse sind; wer immer solche Werke liebt und tut, der ist ein Feind des Lichtes und hasset dasselbe und wird darum sicher alles aufbieten, daß es mit ihm nicht ans Licht kommen möchte, damit seine argen Werke, von denen er es dennoch weiß, daß sie vom Lichte verpönt und gerichtet sind, nicht im Lichte in ihrer Häßlichkeit erkannt und bestraft werden möchten!

[GEJ.01_021,12] Und sieh, darin besteht das eigentliche Gericht; was du aber unter dem Gerichte verstehst, ist nicht das Gericht, sondern nur eine Strafe, die dem Gerichte folgt.

[GEJ.01_021,13] So du ein Liebhaber bist, in der Nacht zu wandeln, so ist schon das ein Gericht deiner Seele, daß du die Nacht mehr liebst als den Tag; so du darum aber leicht dich anstößt und dir gewaltig wehe tust oder gar in eine Grube oder in einen tiefen Graben fällst, so ist dann ein solcher Anstoß oder ein solcher Fall nicht das Gericht, sondern nur eine Folge des Gerichtes in dir, der du die Nacht liebst und den Tag hassest!“

Ev.Joh.3,21. „Wer aber die Wahrheit tut, der kommt an das Licht, daß seine Werke offenbar werden; denn sie sind in Gott getan!“

[GEJ.01_021,14] „Bist du aber ein Freund des Lichtes, des Tages, der Wahrheit aus Gott, so wirst du auch der göttlichen Wahrheit gemäß handeln und wirst sicher sehnlichst wünschen, daß deine Werke ans Licht vor aller Augen kommen möchten und offenbar werden vor jedermann; denn du weißt es, daß deine Werke, weil im Lichte der Wahrheit aus Gott getan, gut und gerecht sind und sonach Anerkennung und offenbare Belohnung verdienen!

[GEJ.01_021,15] Wer aber sonach ein Freund des Lichtes ist, der wird nicht in der Nacht, sondern am Tage wandeln und wird das Licht sogleich erkennen, weil er aus dem Lichte ist, und dieses Licht heißt – der Glaube des Herzens.

[GEJ.01_021,16] Wer demnach glaubet an den Menschensohn, daß Dieser ist ein Licht aus Gott, der hat schon das Leben in sich; wer aber nicht glaubt, der hat das Gericht schon in sich, und das Gericht ist eben der Unglaube selbst.

[GEJ.01_021,17] Ich meine, daß du Mich nun wohl begriffen haben wirst.“


22. Kapitel

[GEJ.01_022,01] Sagt Nikodemus: „Nun ist mir bis auf eines alles klar; aber das Eine fehlt noch immer, und dieses Eine ist eben der außerordentliche Menschensohn Selbst, ohne Den natürlich all Dein weisestes Gespräch mit allen den herrlichen Erörterungen ins bodenlose Nichts fällt! Was nützt mir der Glaube oder der beste und festeste Wille, an den Menschensohn zu glauben, so der Menschensohn Selbst nicht da ist? Aus der Luft oder aus einer puren Idee kann man sich keinen Menschensohn schaffen. Sage mir daher, wo ich diesen ewigen Gottessohn treffe, und sei versichert, daß ich Ihm mit dem vollsten Glauben entgegenkommen werde!“

[GEJ.01_022,02] Sage Ich: „So Ich solches nicht gesehen hätte in dir, so hättest du von Mir nun eine solche Lehre nicht bekommen! Aber du kamst in der Nacht und nicht am Tage zu Mir, obschon du viel von Meinen Taten gehört und gesehen hast! Weil du aber in der natürlichen Zeitnacht wie auch in der dieser entsprechenden Nacht deiner Seele zu Mir kamst, so ist es auch sehr begreiflich, daß du über den Menschensohn noch nicht im klaren bist!

[GEJ.01_022,03] Ich sage es dir: So jemand sucht den Menschensohn in der Zeitnacht, da er am Tage vor allen Menschen so etwas zu tun sich scheut, auf daß er bei ihnen nicht käme in einen Verruf, der wird das, was er sucht, nicht wohl finden. Denn das wirst du als Weisester der Juden wohl wissen, daß die Nacht, was immer für eine es auch sei, zum Suchen und Finden am wenigsten taugt. – Wer sonach den Menschensohn sucht, der muß Ihn am Tage und nicht in der Nacht suchen; dann wird sich Dieser schon finden lassen.

[GEJ.01_022,04] Nur das sage Ich dir: Gehe hin zu Johannes, der nun doch des Wassers wegen zu Enon nahe bei Salim tauft, der wird es dir sagen, ob der eingeborene Sohn Gottes schon da ist oder nicht! Dort sollst du Ihn kennenlernen!“

[GEJ.01_022,05] Sagt Nikodemus: „Ach, ach, lieber Meister, das wird schwerhalten! Denn ich habe tagtäglich Geschäfte über Hals und Kopf und kann davon nicht leichtlich abkommen! Bedenke, in der Stadt und in der nächsten Umgebung der Stadt leben samt den Fremden über achthunderttausend Menschen, für die ich als ihr Oberster viel und viel zu sorgen habe; dann harren nebst dem noch tägliche Tempelgeschäfte meiner, die ich nimmer zur Seite schieben kann. Wenn mir demnach die Gnade nicht zuteil wird hier in Jerusalem, so werde ich darauf schon leider Verzicht leisten müssen! Sieh, ich benötigte zu dieser Unternehmung allerwenigstens drei volle Tage, und das wäre für mein Geschäft soviel als für jemand anderen drei Jahre.

[GEJ.01_022,06] Du mußt mich darum schon für entschuldigt halten, daß ich Deinem Rate nicht Folge leisten kann. Sooft Du aber mit Deinen Jüngern nach Jerusalem kommen solltest, da komme zu mir, und ich werde euch eine gute Herberge geben! An mir sollst Du samt allen, die mit Dir sind, stets einen aufrichtigen Freund und Gönner finden. Mein Haus, groß genug, um zehntausend Menschen zu beherbergen, steht am Davidsplatze, innerhalb des Salomon-Tores, auch das Goldene Tor genannt; wann immer Du kommen willst, da soll es ganz zu Deiner Schaltung und Waltung bereitstehen! Was nur immer in meiner Gewalt steht, das soll stets Dir zu dienen bereit sein! So Du was immer benötigst, begehre es, und ich werde es Dir stellen!

[GEJ.01_022,07] Denn siehe, in mir ist eine große Veränderung vorgegangen! Ich liebe Dich, Du lieber Meister, mehr denn alles, was mir je teuer war, und diese Liebe sagt mir gewisserart: Du Selbst seiest eben Derselbe, dessentwegen Du mich ehedem nach Enon zu Johannes beschieden hast!? Es mag auch nicht also sein, wie ich's in mir fühle; aber es sei da, wie ihm wolle, ich liebe Dich einmal aus meinem ganzen Herzen, indem ich in Dir einen großen Meister der echt göttlichen Weisheit erkenne. Haben auch Deine Taten, die vor Dir wohl niemand verrichtet hat, mich mit der tiefsten Verwunderung erfüllt, so hat mich aber Deine große Weisheit in meinem Herzen noch mehr gefangengenommen für Dich, Du lieber Meister! Ich liebe Dich! Sage es mir doch, spricht mein Herz ein rechtes Zeugnis über Dich aus?!“

[GEJ.01_022,08] Sage Ich: „Gedulde dich noch eine kleine Zeit, und es soll dir alles klar werden! In Kürze werde Ich wieder zu dir kommen und werde dein Gast sein; dann sollst du alles erfahren!

[GEJ.01_022,09] Folge aber dem Zuge deines Herzens, das wird dir in einem Augenblick mehr sagen als alle fünf Bücher Mosis und alle Propheten! Denn siehe, nichts ist wahr im Menschen als allein die Liebe! Halte dich daher an sie, und du wirst am Tage wandeln! – Nun aber von etwas anderem!

[GEJ.01_022,10] Ich werde nun ins jüdische Land Mich begeben und allda verkünden das Reich Gottes. Du aber bist gesetzt über dieses Land. Nicht Meinetwegen, sondern Meiner Jünger wegen gib Mir einen Sicherheitsschein, wie er nach dem Gesetze der Römer unter den Juden gang und gäbe ist, auf daß sie bei den Zöllen und Mauten keinen Anstand haben! Die Kinder sind zwar frei, aber sie müssen als solche beglaubigt sein. – Es wäre mir wohl ein leichtes, überall mit Legionen frei und unbeanstandet durchzukommen; aber Ich will niemandem ein Ärgernis geben und füge Mich daher dem Gesetze Roms. Sei deshalb so gefällig und verschaffe Mir einen Sicherheitsschein.“

[GEJ.01_022,11] Sagt Nikodemus: „Sogleich, lieber Meister, sollst Du ihn haben! Ich selbst werde ihn schreiben und ihn Dir überbringen in einer Stunde; denn es ist von hier gar nicht ferne in mein Haus.“

[GEJ.01_022,12] Nikodemus eilt nun nach Hause und überbringt schon in einer halben Stunde den verlangten Sicherheitsschein. Nachdem wir das Zeugnis auf einem Stück Pergament in unseren Händen hatten, segnete Ich im Herzen den biederen Nikodemus. Er empfahl sich mit Tränen in den Augen und bat Mich noch einmal, bei Meiner Wiederkunft nach Jerusalem Mich seines Hauses bedienen zu wollen, was Ich ihm auch zusagte. Ich aber empfahl ihm die Reinhaltung des Tempels, was er Mir denn auch gelobte. Und so schieden wir am Morgen.


23. Kapitel – Im jüdischen Land rings um Jerusalem und unterwegs nach Samaria. (Kap.23-25)

Ev.Joh.3,22. Danach kam Jesus und Seine Jünger in das jüdische Land, hatte daselbst Sein Wesen mit ihnen und taufte.

[GEJ.01_023,01] Als es vollends Tag war, brachen wir auf und zogen in das Judenland, das, gewisserart zu Jerusalem gehörend, um Jerusalem ungefähr also lag, wie in dieser Zeit ein Kreis um seine Kreisstadt. In etlichen Tagen konnte man ganz leicht das ganze Land abgehen.

[GEJ.01_023,02] Nun, was tat Ich denn in diesem Lande? Der Vers sagt, daß Ich mit ihnen Mein Wesen hatte und dann taufte; es fragt sich hier, wer so ganz eigentlich unter den „ihnen“ verstanden werden solle, und worin das Wesen bestehe, das Ich mit ihnen hatte. Unter „ihnen“ werden zuerst die Jünger, die zu Jerusalem abermals um einige Köpfe sich vermehrt hatten, verstanden, und dann aber auch alle jene, die an Meiner Lehre einen gläubigen Anteil nahmen.

[GEJ.01_023,03] Alle aber, die vollgläubig Meine Lehre annahmen, wurden von Mir offen mit Wasser, insgeheim aber mit dem Geiste Meiner ewigen Liebe und Weisheit getauft und erlangten dadurch die Macht, „Gottes Kinder“ zu heißen. Darin bestand also das Wesen, das Ich mit ihnen hatte. Die Lehre und was Ich getan hatte, ist teilweise von den anderen drei Evangeliums- Schreibern aufgezeichnet worden und braucht hier nicht wieder angegeben zu werden; sie bestand auch in nichts anderem als hauptsächlich in der Darstellung aller der groben Gebrechen, mit denen die Juden und Pharisäer behaftet waren, und in der Anpreisung der Liebe zu Gott und dem Nächsten.

[GEJ.01_023,04] Ich stellte einmal alle die Gebrechen dar, ermahnte die Sünder ernstlich zur Buße, warnte alle, die Meine Lehre annahmen, vor dem Rückfalle zum alten Sauerteige der Pharisäer, und wirkte zur für diese allermateriellste Zeit nötigen Bekräftigung Meiner sanftesten Lehre wunderbare Taten, heilte viele Kranke, reinigte die Besessenen von den unreinen Geistern und nahm stets mehr Jünger an.

Ev.Joh.3,23. Johannes aber taufte auch noch zu Enon, nahe bei Salim; denn es war viel Wassers daselbst, und sie kamen dahin und ließen sich taufen.

Ev.Joh.3,24. Denn Johannes war noch nicht ins Gefängnis gelegt.

[GEJ.01_023,05] Auf diesem Meinem Zuge durch das jüdische Land kam Ich denn auch in die Nähe, allwo Johannes in der kleinen Wüste zu Enon in der Nähe von Salim taufte, weil er da Wasser hatte, während in der Gegend Bethabara der Jordan sehr wenig Wasser hatte, und was noch des Wassers da war, war trübe, unrein und voll übelriechenden Gewürms. Deshalb also hatte Johannes seinen Platz gewechselt, hielt zu Enon seine scharfen Bußpredigten und taufte auch daselbst die Menschen, die seine Lehre angenommen und eine rechte Buße getan hatten.

[GEJ.01_023,06] Es waren aber auch unter denen viele, die schon Meine Lehre angenommen hatten, aber vom Johannes zuvor noch nicht getauft waren. Diese fragten Mich, ob es nötig sei, sich zuvor vom Johannes taufen zu lassen. Und Ich sagte zu ihnen: „Eines nur tut not, und das ist die tatsächliche Befolgung Meiner Lehre! Wer sich aber will vom Johannes zuvor reinigen lassen, solange dieser noch frei seine Werke verrichtet, dem wird solche Reinigung gut zustatten kommen.“ Auf solche Meine Rede gingen dann viele hin und ließen sich taufen vom Johannes.

Ev.Joh.3,25. Da erhob sich eine Frage unter den Jüngern Johannis mit den Juden (die hingekommen waren) über die Reinigung (d.h. über Meine Wassertaufe im Vergleich zum Zeugnisse Johannis).

[GEJ.01_023,07] Da entstand bald eine Streitfrage über die Reinigung Johannis und über Meine Taufe; denn die Jünger Johannis begriffen nicht, wie auch Ich mit Wasser taufte, da sie von ihm gehört hatten das Zeugnis, demnach Ich nicht mit Wasser, sondern mit dem heiligen Geiste taufen werde. Viele Juden, die nun schon Meine Jünger waren, behaupteten und sagten: Meine Taufe sei eine wahre Taufe; denn obschon Ich mit Wasser taufe wie Johannes, so sei aber Meine Taufe die allein gültige, indem Ich nicht nur mit dem Wasser der Natur, sondern auch zugleich mit dem Wasser des Geistes Gottes taufe und den Getauften die wohlersichtliche Macht gäbe, Gottes Kinder zu heißen!

Ev.Joh.3,26. Und sie kamen zu Johannes und sprachen: „Meister! Der bei dir war jenseits des Jordans, von Dem du gezeugt hast (daß Er mit dem heiligen Geiste taufen werde), sieh, Der tauft nun auch (mit Wasser), und alles läuft Ihm zu!“

[GEJ.01_023,08] Auf solche Erörterungen gingen dann des Johannes Jünger mit den Juden zu Johannes hin und sprachen: „Höre uns an, Meister! – Sieh, derselbe Mann, Der bei dir war jenseits des Jordans, von Dem du das Zeugnis gabst, daß Er mit dem heiligen Geiste taufen werde, tauft nun auch in der Nähe hier gleich wie du mit Wasser! Wie sollen wir das nehmen und verstehen? Ist dieser Täufer wohl Der, Dem du das große Zeugnis gabst?“

[GEJ.01_023,09] Johannes aber sagte zu seinen Jüngern: „Gehet hin und fraget Ihn: Bist Du Der, Der da kommen soll, oder sollen wir auf einen andern warten? Was Er euch darauf sagen wird, das merket euch und saget es dann mir! Darauf erst werde ich euch vollen Bescheid erteilen.“

[GEJ.01_023,10] Darauf begeben sich dann mehrere Jünger Johannis zu Mir hin und fragen Mich also, wie es ihnen Johannes geraten hatte. Ich aber gebe ihnen die bekannte Antwort, daß sie nämlich dem Johannes sagen sollen, was sie sahen, wie nämlich die Blinden sehen, die Lahmen gehen, die Tauben hören, und wie den Armen das Evangelium vom Reiche Gottes gepredigt werde! Und wohl dem, der sich nicht ärgert an Mir! – Mit dem kehren die Jünger wieder zu Johannes zurück und erzählen ihm sogleich, was sie gesehen und gehört haben.


24. Kapitel

Ev.Joh.3,27. Johannes aber antwortete und sprach: „Ein Mensch kann nichts nehmen, es werde ihm denn gegeben vom Himmel.“

[GEJ.01_024,01] Johannes aber fasset sich und spricht zu seinen Schülern: „Höret, mich bedünkt es also: Ein Mensch kann nichts nehmen, besonders in Dingen des Geistes, so es ihm zuvor nicht gegeben wird aus den Himmeln! Der seltene Mensch, Der Sich von mir taufen ließ jenseits am Jordan, über Den ich den Geist Gottes so sanft wie eine Taube, wann sie sich auf ihr Nest niederläßt, aus den Himmeln in der Gestalt eines Lichtwölkchens Sich niederlassen sah, und Dem ich das Zeugnis gab, hätte Sich als ein purer Mensch nicht nehmen können, was Er hat; aber Er ist mehr als ein purer Mensch und scheint wohl die Macht zu haben, Sich Selbst nehmen zu können aus den Himmeln und das Genommene zu behalten oder zu geben, wem Er es will! Und ich meine, daß wir alle, was wir haben, von Seiner Gnade empfangen haben, und es ist dann ja unmöglich, daß wir Ihm vorschreiben sollen, was und wie Er tun soll! Er gibt, – wir aber sind, die es von Ihm nehmen. Er hat Seine Wurfschaufel in Seiner Hand; Er wird fegen Seine Tenne, wie Er will, und wird sammeln den Weizen in Seine Scheune, die Spreu aber verbrennen mit dem ewigen Feuer und aus der Asche machen, was Er will!“

Ev.Joh.3,28. „Ihr selbst seid meine Zeugen, daß ich gesagt habe, ich sei nicht Christus, sondern nur vor Ihm hergesandt.“

[GEJ.01_024,02] „Ihr selbst seid mir Zeugen, daß ich vor den Priestern und Leviten, die aus Jerusalem zu mir gekommen sind, gesagt habe, ich sei nicht Christus, sondern vor Ihm hergesandt! Wie könnte ich mich dann über das aufhalten, was Der tut, Der die eigene Wurfschaufel in Seiner Hand hat? Feget Er Seine Tenne, wie Er will, wir mögen Ihm kein Gesetz geben! Denn der Acker (die Welt) ist Sein, also auch der Weizen (die Kinder Gottes) und die Spreu (Kinder der Welt oder des Teufels), und Sein ist die Scheune (der Himmel) und Sein das Feuer (die Hölle), das nimmer erlischt!“

Ev.Joh.3,29. „Wer die Braut hat, der ist der Bräutigam (Herr); der Freund des Bräutigams aber steht und hört ihm zu und freut sich hoch über des Bräutigams Stimme. Diese meine Freude ist nun erfüllt.“

[GEJ.01_024,03] „Wer die Braut (Weisheit der Himmel) hat, der ist ein rechter Bräutigam; der Freund des Bräutigams aber steht und hört ihm zu und freut sich hoch über des Bräutigams Stimme! Und sehet, diese Freude ist nun an mir erfüllt! Wenn aber der Herr Selbst kommt, dann ist des Boten Amt zu Ende! Denn der Bote hat nichts zu tun, als allein zu verkünden die Ankunft des Herrn; ist der Herr da, so ist der Bote nichts mehr nütze!“

Ev.Joh.3,30. „Er muß wachsen, ich aber muß abnehmen.“

[GEJ.01_024,04] „Deshalb muß ich nun abnehmen; Er als der Herr aber muß wachsen bei den Menschen dieser Erde! Ihr waret allzeitig meine Jünger, seit ich zu euch kam als ein gesandter Bote; wer aus euch hat je aus meinem Munde gehört, daß ich mich darum gerühmt hätte?! Allzeit behielt ich den gerechten Ruhm für Den, Dem er gebührt. So ich zeugte, daß ich nicht wert sei, Ihm die Riemen Seiner Schuhe zu lösen, so erhob ich mich doch sicher nicht, sondern gab Ihm allein alle Ehre, die der Menschen Blindheit mir erweisen wollte; und deshalb sage ich noch einmal: Nun ist mein Amt zu Ende! So der Herr Selbst kommt, da ist der Vorläufer nichts nütze mehr; darum muß der Bote (das Fleisch) nun abnehmen, und Er als der Herr (der Geist) muß wachsen über alles Fleisch hinaus! Es ist ein großer Unterschied zwischen dem Boten und Dem, Der den Boten aus höchst eigener Macht sendet, wohin Er will.“

Ev.Joh.3,31. „Der von ober her kommt, ist über alle. Wer von der Erde ist, der ist von der Erde. Der aber vom Himmel kommt, Der ist über alle.“

[GEJ.01_024,05] „Der, Der die Macht hat, Gesetze zu geben, ist oben; und der, welcher gehorchen muß, ist unten. – Es kann aber füglichermaßen wohl niemand oben sein, so er nicht von oben her gekommen ist. Wer aber wahrhaft von oben kommt, ist über alle. Wer von der Erde ist, der kann nie von oben sein, sondern stets nur von der Erde und mag von nichts reden denn von der Erde. Der aber vom Himmel kommt, ist über alle; denn Er ist der Herr und kann sonach tun, was Er will, und kann taufen mit Wasser, Feuer und Geist, denn Sein ist alles!

[GEJ.01_024,06] Ich aber meine, daß Er Selbst dennoch nicht mit dem Wasser tauft, sondern mit dem Feuer des Geistes nur; Seine Jünger aber werden die Menschen zuvor nach meiner Art taufen, das heißt, alle jene, die von mir die Wassertaufe nicht genommen haben. – Die Wassertaufe aber ist nichts nütze dem Menschen, so er darauf nicht getauft würde mit dem Geiste Gottes.“

Ev.Joh.3,32. „Und zeugt, was er gesehen und gehört hat; und dennoch will sein Zeugnis nahe niemand annehmen.“

[GEJ.01_024,07] „Das Wasser zeugt von nichts als vom Wasser und macht rein die Haut vom Schmutz der Erde. Der Geist Gottes aber, mit dem der Herr allein nur taufen kann, da der Gottesgeist Sein Geist ist, zeugt von Gott und von dem, das Er allein allzeit in Gott schaut und vernimmt.

[GEJ.01_024,08] Aber leider nimmt nun noch nahe niemand dies heilige Zeugnis an! Denn was Kot ist, das ist Kot und mag den Geist nicht annehmen, es müsse denn der Kot zuvor durchs Feuer gehen und allda selbst zum Geiste werden; denn ein rechtes Feuer verzehrt alles bis auf den Geist, der selbst ein gewaltiges Feuer ist. Darum wird die Geistestaufe des Herrn auch viele zerstören, und es werden sich darob viele scheuen, sie anzunehmen.“

Ev.Joh.3,33. „Wer es aber auch annimmt, der versiegelt es (in sich), daß Gott wahrhaft sei (natürlich in Dem, Der Ihm das Zeugnis gab durch die Taufe mit dem Geiste Gottes).“

[GEJ.01_024,09] „Wer aber diese Taufe und in ihr das heilige Zeugnis annehmen wird, der wird es in sich versiegeln vor der Welt, daß Derjenige, Der ihn getauft hat mit dem Geiste, Selbst allerwahrhaftigst Gott sei und allein geben kann das ewige Leben. Ihr sagt nun gleichwohl in euch: ,Warum denn in sich versiegeln das Zeugnis der Himmel von Gott durch Gott?!‘ Ich habe es euch gesagt: Der Kot ist und bleibt Kot, und der Geist ist und bleibt Geist; so aber der Erdmensch, der vom Grunde aus Kot ist, in seinen Kot den Geist überkommt, wird ihm der Geist bleiben, so er ihn in sich, das heißt in seinem Herzen, nicht wohl verwahren wird?

[GEJ.01_024,10] Oder gibt es irgend ein bestimmtes Maß, nach dem der Geist verteilt würde, auf daß ein jeder wüßte, wieviel des Geistes er überkommen hat? So aber ein solches Maß nicht bestimmt ist, so muß der irdische Kotmensch dem empfangenen Geiste in seinem Herzen ein Maß eröffnen; und so der Geist in diesem Maße sich zur bleibenden Ruhe begeben und in solcher Ruhe erfüllt hat das neue Maß, dann auch erst wird der Kotmensch in ihm selbst gewahr, wieviel des Geistes er überkommen hat.

[GEJ.01_024,11] Was würde es euch aber nützen, so ihr am Meere das Wasser schöpfet in ein durchlöchertes Faß? Könnt ihr je sagen und erkennen, soundso viel Wassers habt ihr aus dem für euch maßlosen Meere geschöpft? Wenn aber das Faß wohl gebunden ist, so werdet ihr es dann auch ermessen, wieviel des Meerwassers ihr im Fasse habt! Das Wasser des Meeres aber ist durch und durch gleich; ob viel oder wenig, das ist einerlei. Das Meer selbst ist also durchgehends Meer, und wer wo immer aus dem Meere schöpft, ob viel oder wenig, der schöpft ein vollrechtes Meerwasser und wird nachher erst des Maßes gewahr.“

Ev.Joh.3,34. „Denn Welchen Gott gesandt hat, Der redet Gottes Wort. Gott gibt aber Seinen Geist (Dem, Der von Ihm gesandt ist) nicht nach dem Maße (wie einem Menschen, sondern in aller Seiner Fülle).“

[GEJ.01_024,12] „Ebenalso aber ist es auch mit Dem, Der von Gott gekommen ist, zu zeugen von Gott und zu reden das reine Gotteswort. Er Selbst ist das maßlose Meer (Gottesgeist). So er jemandem sonach Seinen Geist gibt, so gibt Er ihn nicht nach dem endlosen Maße, das nur in Gott allein in aller endlosen Fülle dasein kann, sondern nach dem Maße, das im Menschen ist. So aber der Mensch den Geist erhalten will, darf sein eigen Maß nicht schadhaft sein und offen stehen bleiben; sondern es muß dies Maß wohl gebunden und gut versiegelt sein!

[GEJ.01_024,13] Der aber, bei Dem ihr waret und gefragt habt, ob Er Christus sei, hat, als äußerlich wohl auch ein Menschensohn, den Geist Gottes nicht nach dem Maße eines Menschen, sondern nach dem endlosen Maße Gottes Selbst empfangen schon von Ewigkeit her; denn Er Selbst ist das maßlose Meer des Geistes Gottes in Sich! Seine Liebe ist Sein Vater von Ewigkeit, und diese ist nicht außer dem sichtbaren Menschensohne, sondern in Ihm Selbst, Der da ist das Feuer, die Flamme und das Licht von Ewigkeit in und aus dem Vater.“

Ev.Joh.3,35. „Der Vater hat den Sohn lieb und hat Ihm alles in die Hand gegeben.“

[GEJ.01_024,14] „Dieser liebe Vater aber hat überlieb Seinen ewigen Sohn, und alle Macht und Gewalt liegt in den Händen des Sohnes, und alles, das wir haben nach dem gerechten Maße, haben wir geschöpft aus Seiner maßlosen Fülle. Er Selbst ist aus Seinem eignen Worte nun ein Fleischmensch unter uns, und Sein Wort ist Gott, Geist und Fleisch, das wir den Sohn nennen. Der Sohn aber ist demnach auch in Sich das Leben alles Lebens ewig.“

Ev.Joh.3,36. „Wer an den Sohn glaubt, der hat das ewige Leben. Wer aber dem Sohne nicht glaubt, der wird das Leben nicht sehen, sondern der Zorn Gottes bleibt über ihm!“

[GEJ.01_024,15] „Wer sonach den Sohn annimmt und an Ihn glaubt, der hat das ewige Leben schon in sich; denn so wie Gott Selbst in jedem Worte Sein eigenes vollkommenstes ewiges Leben ist, also ist Er es auch in jedem Menschen, der Sein lebensvollstes Wort in sich aufnimmt und dasselbe behält. Wer aber dann im Gegenfalle das Gotteswort aus dem Munde des Sohnes nicht annimmt, also dem Sohne nicht glaubt, der wird und kann auch das Leben nicht überkommen, noch sehen und fühlen in sich, und der Zorn Gottes, welcher ist das Gericht der Dinge, die kein Leben haben außer das des ewig unwandelbaren Mußgesetzes, wird bleiben über ihm so lange, als er an den Sohn nicht glauben wird.

[GEJ.01_024,16] Ich, Johannes, habe nun solches zu euch geredet und gab euch allen ein vollgültig Zeugnis. Ich habe euch gereinigt vom Schmutze der Erde durch meine eigenen Hände. Gehet nun hin, nehmet Sein Wort an, auf daß euch die Taufe Seines Geistes zuteil werde; denn ohne sie ist alle meine Mühe mit euch ohne Nutz und Wert! Ich möchte aber wohl auch selbst hinziehen zu Ihm! Aber Er will es nicht und offenbart es mir durch meinen Geist, daß ich bleiben soll, da ich das schon im Geiste empfangen habe, das euch noch mangelt.“

[GEJ.01_024,17] Dies ist das letzte und größte Zeugnis des Johannes über Mich und bedarf keiner weiteren Erklärung, da es sich in und aus sich selbst erklärt.

[GEJ.01_024,18] Der Grund aber, warum es im Evangelium nicht so vollständig gegeben ist, bleibt stets der gleiche: weil fürs erste damals also die notwendige Art zu schreiben war, dernach nur die Hauptpunkte aufgezeichnet wurden, alles andere aber, was ein geweckter Geist ohnehin von selbst leicht finden kann, weggelassen ward; fürs zweite aber, daß das lebendig Heilige im Worte nicht verunreinigt und entheiligt werden möchte. Und es ist demnach ein jeder solcher Vers ein tüchtig festbeschaltes Samenkorn, in dem der Keim zu einem endlosen Leben und seiner nie ermeßbaren Weisheitsfülle verborgen ruht.


25. Kapitel

Ev.Joh.4,1. Da nun der Herr inneward, daß er vor die Pharisäer gekommen war, wie Jesus mehr Jünger machte und taufte denn Johannes –,

Ev.Joh.4,2. Wiewohl Jesus Selber nicht taufte, sondern nur Seine Jünger –,

Ev.Joh.4,3. Verließ Er das Land Judäa und zog wieder nach Galiläa.

[GEJ.01_025,01] Nach solcher Rede Johannis gingen seine Jünger alsbald zu Mir, und es mehrte sich die Zahl Meiner Jünger von Tag zu Tag, ja, oft von Stunde zu Stunde. Denn ein jeder, der an Mich zu glauben begann, und dem Ich nach dem Maße seines Glaubens und nach der Taufe mit dem Wasser, die von Meinen ersteren Jüngern ausgeübt wurde, Meine Hände aufgelegt hatte, der ward voll Geistes der Kraft und des Mutes und aller Furcht vor dem Leibestode bar.

[GEJ.01_025,02] Da das viele erfuhren, so machten sie es trotz Meines Verbotes dennoch allenthalben, wohin sie nur kamen, ruchbar; dazu wurden noch alle Meine Taten, nicht selten sogar mit manchen Zusätzen und Übertreibungen, in ganz Judäa herum verbreitet, was bei den wundersüchtigen Juden die ganz natürliche Folge hatte, daß sie sich von Tag zu Tag bei Mir mehr und immer mehr einfanden und vielfach auch sogleich bei Mir verblieben.

[GEJ.01_025,03] Aber es hatte auch die unvermeidbar leidige Folge, daß alles das zu den weiten Ohren der Pharisäer kam, und, wie schon bemerkt, mit vielen Zusätzen und Übertreibungen, darunter einige so seltsam klangen, daß darob sogar einige Römer zu meinen begannen, Ich müßte entweder der Zeus selbst oder doch ein Sohn von ihm sein.

[GEJ.01_025,04] Es wurden auch von römischer Seite Auskundschafter an Mich abgesandt, die jedoch das nicht fanden, weshalb sie zu Mir beschieden wurden. Ich tat da auch gewöhnlich keine Zeichen, damit dies abergläubische Volk nicht noch vernagelter würde, als es ohnehin schon war.

[GEJ.01_025,05] Aus solchen Übertreibungen aber entstanden dann in der Folge eine Menge falscher Evangelien und entstellten dann das wahre.

[GEJ.01_025,06] Die Pharisäer, diese argen und über alle Maßen eifersüchtigen Vorsteher des Tempels und der Schrift, fingen sogleich unter sich an, Beschlüsse zu fassen, Mir und dem Johannes das Handwerk zu legen und uns entweder auf eine ganz unschuldige Art aus der Welt zu befördern oder uns wenigstens in irgend einer lebenslänglichen Versorgungsanstalt – so hübsch unterirdisch gelegen – unterzubringen, wie sie es beim Herodes für den Johannes (den Täufer) später doch durchgesetzt haben.

[GEJ.01_025,07] Daß Mir solche edlen Gesinnungen nicht fremd blieben, das bedarf wohl keiner weiteren Erläuterung; aber es blieb Mir auch nichts übrig, um Raufereien und lästige arge Spektakel zu vermeiden, als das ultramontan- finstere Judäa zu verlassen, um Mich in das mehr freisinnige Galiläa zu begeben.

Ev.Joh.4,4. Er mußte aber durch Samaria reisen.

[GEJ.01_025,08] Es war sogar nicht ratsam, geraden Weges sich nach Galiläa zu begeben, sondern durch Samaria, das sich auch schon lange von den Pfaffen des Tempels mit Hilfe der Römer losgemacht hatte (eine leichte und wünschenswerte Arbeit für die Römer, deren Grundsatz es ohnehin war, alle Lande zu zerspalten, um sie dann leichter beherrschen zu können), den Weg nach Galiläa einzuschlagen.

[GEJ.01_025,09] Die Samariter waren darum auch das verachtetste und allergotteslästerlichste Volk der Erde in den Augen der Pfaffen Jerusalems; dagegen die Pfaffen Jerusalems aber auch bei den Samaritern in einem solchen Ansehen standen, daß sie mit dem Namen eines Tempelpfaffen gewöhnlich das Allerschlechteste zu bezeichnen pflegten. Wenn zum Beispiel ein Samariter zu jemandem in irgend einer Aufregung, zu der er keinen hinreichenden Grund hatte, sagte: „Du Pharisäer!“, so ging der also Bescholtene vors Gericht, verklagte den Beleidiger, und dieser mußte dann seine Unbesonnenheit oft mit einer starken Geldbuße und einem jahrelangen Gefängnisse büßen. Daß es natürlich keinem Pharisäer oder sonstigen Pfaffen geraten war, nach Samaria den Fuß zu setzen, versteht sich von selbst. Mir und allen denen, die Mir folgten, kam diese Sache gut zu statten, denn in Samaria waren wir vor der bösen Verfolgung der Tempeljuden sicher.

Ev.Joh.4,5. Da kam Er in eine Stadt in Samaria, die heißet Sichar, nahe bei dem Dörfchen, das Jakob seinem Sohne Joseph gab.

[GEJ.01_025,10] Der Weg führte durch Sichar, eine Stadt nahe dem uralten Dörfchen, das Jakob seinem Sohne Joseph gab als ein Wiegengeschenk, samt den Bewohnern dieses Dörfchens, die gemeinhin aus lauter Hirten bestanden, die er mit der Rahel als Mitgift bekam. Es war aber die Stadt Sichar gerade keine Hauptstadt dieses Landes; aber dennoch hielten sich darin sehr viele und sehr wohlbemittelte Samariter auf und so manche reichen Römer, da diese Stadt eine sehr schöne Lage hatte und die Gegend sehr gesund war.

Ev.Joh.4,6. Es war aber daselbst der Brunnen Jakobs. Da nun Jesus müde war von der Reise, so setzte Er Sich auf das steinerne Geländer des Brunnens; und es war gerade um die sechste Stunde.

[GEJ.01_025,11] Wir sind in Judäa nach der jetzigen Zeitrechnung schon gegen 4 Uhr morgens aufgebrochen, gingen stark vorwärts ohne Rast und erreichten Punkt 12 Uhr mittags, was damals die sechste Stunde war, den alten Jakobsbrunnen, der gerade vor dem Dörfchen, kaum etliche vierzig Schritte von eben dem Dörfchen entfernt, gegen Sichar hin lag. Dieser Brunnen hatte eine sehr gute Quelle, war mit einem nach alter Art zierlich gemeißelten Steingeländer umfaßt und war nebst dem mit schattigen Bäumen umwachsen.

[GEJ.01_025,12] Der Tag, weil im hohen Sommer, war heiß, und Ich Selbst war dem Leibe nach von der starken Reise schon sehr müde geworden, und alle, die Mir aus Judäa und früher schon aus Galiläa gefolgt waren, suchten teils im Dörfchen, teils unter den schattenreichen Bäumen Unterkunft und vor großer Müde eine höchst erwünschte Rast.

[GEJ.01_025,13] Selbst die ersten Jünger, als Petrus, Mein Johannes d. Ev., Andreas und Thomas, Philippus und Nathanael fielen wie nahe halbtot aufs reiche Gras unter den Bäumen nieder; nur Ich allein, obschon auch sehr müde, setzte Mich auf das steinerne Geländer des Brunnens, denn Ich wußte es ja voraus, daß sich an dem Brunnen bald eine gute Gelegenheit darbieten werde, mit den zwar halsstarrigen, aber sonst mehr vorurteilsfreien Samaritern in ein sehr nützlichen Konflikt (Gespräch) zu geraten. Zugleich war Ich auch schon sehr durstig und harrte auf ein Gefäß zum Wasserschöpfen, das ein Jünger im Dörfchen holen ging, aber damit nicht zu einem erwünschten Vorschein kommen wollte.


26. Kapitel – Bei Sichar am Jakobsbrunnen. (Kap.26-33)

Ev.Joh.4,7. Da kommt ein Weib aus Samaria (eigentlich aus der Stadt Sichar; sie war nur aus der Hauptstadt dieses Landes Samaria gebürtig), aus dem Brunnen Wasser zu schöpfen. Jesus spricht zu ihr: „Weib! Gib Mir zu trinken!“

Ev.Joh.4,8. Denn Seine Jünger waren in die Stadt gegangen, daß sie Speise kauften.

[GEJ.01_026,01] Als Ich noch immer vergeblich auf ein Gefäß aus dem Dörfchen harre, da kommt wie gerufen eine Samariterin aus Sichar mit einem Kruge, sich für den heißen Tag aus dem Jakobsbrunnen, dessen Wasser sehr frisch war, einen köstlichen Labetrunk zu holen. Als sie, auf Mich anfangs gar nicht achtend, ihren Krug voll Wassers aus dem Brunnen an einer Schnur gezogen hatte, da erst rede Ich sie an und sage: „Weib! Mich dürstet es sehr, gib Mir zu trinken aus deinem Kruge!“

Ev.Joh.4,9. Spricht nun das samaritische Weib zu Jesus: „Wie verlangst du von mir Wasser zu trinken, so du doch augensichtlich ein Jude bist – und ich ein samaritisches Weib? Denn die (stolzen) Juden haben keine Gemeinschaft mit uns (armen) Samaritern!“

[GEJ.01_026,02] Das Weib macht große Augen, da es an Mir einen Juden erschaut, und sagt nach einer Weile: „Du bist doch auch einer von denen, die mir zur Stadt hinein begegneten und fragten, wo man darinnen Speise zu kaufen bekäme? Das waren stolze Juden; du bist sicher auch ein Jude, wie dich deine Tracht verrät, und ich bin ein samaritisches Weib! Wie verlangst du von mir, daß ich dir Wasser zu trinken gebe?! Gelt, ihr stolzen Juden, in der Not wäre ein armes samaritisches Weib euch auch gut genug, aber sonst habt ihr keine Augen und Ohren mehr für uns! Ja, so ich es vermöchte, mit diesem Kruge Wassers ganz Judäa zu ersäufen, so gäbe ich dir mit großem Vergnügen aus diesem Kruge das verlangte Wasser zu trinken; sonst aber möchte ich dich lieber sterben sehen vor Durst, als dir darreichen auch nur einen Tropfen Wassers aus diesem Kruge!“

Ev.Joh.4,10. Jesus antwortete und sprach zu ihr: „Wenn du erkenntest die Gabe Gottes, und Wer Der ist, Der zu dir sagt: ‚Gib Mir zu trinken!‘, – du würdest Ihn bitten, und Er gäbe dir lebendiges Wasser zu trinken!“

[GEJ.01_026,03] Sage Ich: „Weil du blind bist in deiner Erkenntnis, darum redest du also; wärest du offensehender Erkenntnis und erkenntest die Gabe Gottes und Den, der zu dir spricht und gesagt hat: ,Weib, gib Mir zu trinken!‘, da würdest du niederfallen vor Ihm und Ihn bitten um ein rechtes Wasser, und Er gäbe dir zu trinken lebendiges Wasser! Ich sage es dir, wer Mir aber glaubt, das Ich zu ihm sage, aus dessen Leibe werden Ströme des gleichen lebendigen Wassers fließen, wie solches geschrieben steht im Jesajas 44,3 und im Joel 3,1.“

Ev.Joh.4,11. Spricht das Weib: „Herr! Hast du doch nichts, womit du schöpfest, und der Brunnen ist tief! Woher sonst nähmest Du ein lebendiges Wasser?“

[GEJ.01_026,04] Spricht das Weib: „Du scheinst in der Schrift wohl bewandert zu sein! Aber, wie ich es erkenne aus deiner Bitte um einen Trunk Wassers aus meinem Kruge, und wie du ganz sicher kein Gefäß hast, mit dem du dir ein Wasser aus diesem Brunnen schöpfen könntest, und mit der Hand das Wasser nicht erreichen kannst, da der Brunnen tief ist und niemand mit der Hand bis zum Wasser langen kann, so möchte ich wohl deine Kunst wissen, mit der du von irgendwoher es dir verschaffen könntest!? (Oder willst du etwa gar verdeckt mir zu verstehen geben, daß es dich gelüste, eine Sache mit mir zu haben? Jung wohl bin ich noch genug und reizend auch, denn ich zähle noch nicht dreißig Jahre! Solch ein Begehren aber würde von der Seite eines Juden an eine allerverachtetste Samariterin doch ein zu großes Wunder sein, indem euch die Tiere lieber sind als wir samaritische Menschen! Wahrlich, zu dem würdest du mich wohl nie bereden!)“

Ev.Joh.4,12. „Bist du denn mehr als unser Vater Jakob, der uns diesen köstlichen Brunnen gegeben hat, aus dem er, seine Kinder und sein Vieh getrunken haben?“

[GEJ.01_026,05] „Wer und was bist du denn, daß du also mit mir zu reden dir getraust? – Bist du etwa gar mehr als unser Vater Jakob, der uns diesen Brunnen gegeben hat, aus dem er, seine Kinder und sein Vieh getrunken haben?! Was machst du aus dir? – Sieh, ich bin ein armes Weib; denn wäre ich reich, so käme ich in dieser Hitze nicht selbst, mir einen Labetrunk zu holen. Möchtest du als Jude mich wohl noch elender machen, als ich es ohnehin schon bin?! Siehe an meine Kleider, die kaum hinreichen, meine Scham zu bedecken, und dir wird es doch klar sein, daß ich sehr arm bin! Wie magst du von mir verlangen, daß ich als ein armes, elendes Weib dich sogar noch bitten solle, um dir, einem stolzen Juden, in der Lust dienen zu dürfen?! Pfui, wenn dahin dein Sinn gerichtet wäre! Aber du siehst mir dennoch nicht darnach aus; darum will ich das auch nicht im vollsten Ernste zu dir gesagt haben! Aber da du schon mit mir zu reden begannst, so erkläre dich deutlich, was du mit deinem lebendigen Wasser meinst!“

Ev.Joh.4,13. Jesus antwortete und sprach zu ihr: „Wer immer dieses Brunnens Wasser trinkt, den dürstet es mit der Zeit wieder.“

[GEJ.01_026,06] Sage Ich: „Ich sagte dir es ja, daß du in deiner Erkenntnis blind bist, und so ist es denn auch wohl begreiflich, daß du Mich nicht verstehen kannst und magst. Sieh, Ich sagte dir auch: Wer Meinem Worte glaubt, aus dessen Lenden werden Ströme des lebendigen Wassers fließen! Siehe, Ich bin schon dreißig Jahre in dieser Welt und habe noch nie ein Weib berührt; wie sollte Ich nun auf einmal dich begehren wollen?! O du blinde Törin! Und so Ich mit dir eine Sache machen würde, so würdest du doch sicher wieder durstig werden und trinken müssen, um dir zu löschen den Durst; so Ich dir aber ein lebendiges Wasser anbot, so ist es ja klar, daß Ich dir damit den Durst des Lebens für ewig stillen wollte! Denn sieh, Mein Wort, Meine Lehre ist solch ein Wasser!“

Ev.Joh.4,14. „Wer aber das Wasser trinken wird, das Ich ihm gebe, den wird es ewig nimmer dürsten; denn das Wasser, das Ich ihm geben werde, wird in ihm ein Wasserbrunnen werden, dessen Wasser ins ewige Leben hinüberquellen wird!“

[GEJ.01_026,07] „Denn wer das natürliche Wasser dieses, wie auch eines andern Brunnens trinkt, den dürstet es in kurzer Zeit wieder. Wer aber das geistige Wasser (Meine Lehre) trinkt (gläubig in sein Herz aufnimmt), das nur Ich allein geben kann, den dürstet es ewig nimmer wieder; denn das Wasser, das Ich jemandem gebe, wird in ihm zu einem Wasserbrunnen, dessen Wasser ins ewige Leben hinüberquillt.

[GEJ.01_026,08] Sieh, du hältst Mich für einen stolzen, hochmütigen Juden, und sieh, Ich bin von ganzer Seele sanftmütig und durch und durch voll der tiefsten Demut. Mein lebendig Wasser aber ist eben diese Demut selbst; wer demnach nicht also demütig wird, wie Ich Selbst es bin, wird am Reiche Gottes, das nun zur Erde herabgekommen ist, keinen Teil haben.

[GEJ.01_026,09] Zugleich aber ist das dir angebotene Lebenswasser auch die einzig wahre Erkenntnis Gottes und des ewigen Lebens aus Gott, quillt also aus Gott, dem Leben alles Lebens, in den Menschen als das ewige Leben, wird da zu einem unversiegbar ewig bleibenden Leben, das da in das Leben Gottes zurückquillt und in Gott ein und dasselbe freitätigste Leben bewirkt. Siehe, ein solches Wasser biete Ich dir; wie magst du Mich gar so falsch verstehen?!“

Ev.Joh.4,15. Spricht das Weib zu Ihm: „Herr! So gib mir solch ein Wasser, auf daß mich nimmer dürste und ich nicht mehr nötig hätte, hierher Wasser schöpfen zu kommen (was mir beschwerlich ist)!“

[GEJ.01_026,10] Spricht das Weib: „So gib mir denn ein solches Wasser, auf daß es mich nimmer dürsten solle und ich nicht mehr nötig hätte, hierher zu kommen den beschwerlichen Weg, um mir ein Wasser aus diesem Brunnen zu schöpfen! Denn sieh, ich wohne am andern Ende der Stadt und habe sonach einen recht weiten Weg bis hierher!“

Ev.Joh.4,16. Jesus spricht zu ihr: „Gehe hin und rufe deinen Mann und komme (mit ihm) her!“

[GEJ.01_026,11] Sage Ich: „O Weib, du bist überaus dumm, mit dir ist nichts zu reden, da du von geistigen Dingen keine Ahnung hast! – Gehe aber hin in die Stadt und rufe deinen Mann und komme mit ihm wieder hierher; mit ihm will Ich reden, der wird Mich sicher besser verstehen als du! Oder ist dein Mann auch also beschaffen wie du, daß er sich auch stillen möchte mit dem geistigen Wasser der Demut seines Leibes natürlichen Durst?“


27. Kapitel

Ev.Joh.4,17. Das Weib antwortete und sprach zu Ihm: „Ich habe keinen Mann.“ Spricht Jesus zu ihr: „Du hast recht gesagt: Ich habe keinen Mann.“

[GEJ.01_027,01] Das Weib erwidert darauf ganz schnippisch: „Ich habe keinen Mann!“, worauf Ich dann mit einer etwas lächelnden Miene zu ihr sage: „Kurz, gut und richtig, also völlig recht hast du nun geredet.“

Ev.Joh.4,18. „Fünf Männer hast du gehabt, und den du nun hast, der ist nicht dein Mann! Da hast du freilich recht ausgesagt (wie es mit dir steht)!“

[GEJ.01_027,02] „Denn sieh, Meine Liebe, fünf Männer hast du bereits gehabt, und da deine Natur ihrer Natur nicht entsprach, so wurden sie bald krank und starben; denn über ein Jahr hielt es keiner aus mit dir. In deinem Leibe ist ein arges Gewürm, und wer mit dir zu tun bekommt, der wird von deinem Gewürm bald getötet. Der Mann aber, den du nun hast, ist nicht dein Mann, sondern nur dein Buhlknecht – zu seinem und deinem Verderben! Ja, ja, also hast du vor Mir nun freilich wohl recht geredet.“

Ev.Joh.4,19. Das Weib spricht zu Ihm: „Herr, ich sehe nun, daß du ein Prophet bist!“

[GEJ.01_027,03] Hier erschrickt das Weib in ihrem Gemüte, will sich jedoch nicht verraten, sagt aber nach einer Weile dennoch: „Herr, ich sehe, daß du ein Prophet bist! Da du so viel weißt, so weißt du vielleicht auch, was mir hülfe!?“

Ev.Joh.4,20. „Unsere Väter haben auf diesem Berge (Garizim) Gott angebetet; und ihr sagt, zu Jerusalem sei die Stätte, da man Gott anbeten solle! (Was davon ist gültig vor Gott?)“

[GEJ.01_027,04] „Wohl weiß ich's, daß in derlei nur Gott allein helfen kann; aber wie und wo soll man Ihn darum anbeten? Unsere Väter sagen, auf dem Berge Garizim, allwo schon die ersten Erzväter Gott angebetet haben, müsse man Gott anbeten. Ihr aber saget, zu Jerusalem sei die rechte Stätte, da man Gott anbeten solle! So aber du sichtlich ein Prophet Gottes bist, da sage mir, wo man eigentlich wirksam Gott anbeten soll! Denn sieh, ich bin noch jung, und die Menschen sagen, ich sei ein wunderschönes Weib; es wäre ja doch etwas Entsetzliches, so mich meine Würmer bei lebendigem Leibe auffressen sollten! O ich armes, elendes Weib!“

Ev.Joh.4,21. Jesus spricht zu ihr: „Weib, glaube es Mir, es kommt die Zeit (und ist schon da), daß ihr weder auf dem Berge noch zu Jerusalem Gott den Vater anbeten werdet!“

[GEJ.01_027,05] Sage Ich: „Weib, Ich kenne wohl deine Armut, deine Not und deinen schlechten Leib; aber Ich kenne auch dein Herz, das gerade nicht das beste, aber auch nicht schlecht zu nennen ist, und sieh, das ist der Grund, daß Ich nun mit dir rede. Wo aber das Herz nur einigermaßen gut ist, da ist auch noch jegliche Hilfe möglich! – Aber da bist du ganz irrig daran, so du zweifelst, wo man Gott würdig und wirksam anbeten solle!

[GEJ.01_027,06] Sieh, Ich sage es dir, glaube es Mir: es kommt die Zeit, und sie ist schon da, daß ihr weder auf dem Berge noch zu Jerusalem den Vater anbeten werdet!“

[GEJ.01_027,07] Hier erschrickt das Weib und sagt: „Weh mir, wehe dem ganzen Volke! Was wird dann aus uns werden?! Also müssen wir so wie die Juden gräßlich gesündigt haben?! Aber warum sandte uns denn Jehova diesmal keinen Propheten, der uns ermahnt hätte? Du bist nun freilich zu uns gekommen als ein wahrer Prophet; aber was nützt uns nun das, so du mir sagst: Gott werde man in der Zukunft weder auf dem Berge noch zu Jerusalem anbeten? Will das nicht soviel heißen – was ich aus deinem auf einmal sehr bedenklich ernst gewordenen Gesichte las – als: Gott werde Sein altes Volk ganz verlassen und Seine Wohnstätte bei einem andern Volke nehmen? Wo des Orts auf der Erde wird das doch sein? O sage es mir, auf daß ich dann hinziehe und dort als eine rechte Büßerin Gott den Vater anbete, daß Er helfe mir Elenden und nicht ganz verlasse mein Volk!“

[GEJ.01_027,08] Sage darauf Ich: „Höre Mich recht und verstehe, was Ich dir sage! – Was zweifelst und bebst du denn? Meinst du denn, Gott ist auch so ungetreu in der Haltung Seiner Verheißungen wie die Menschen gegeneinander?!“

Ev.Joh.4,22. „Ihr wisset es nicht, was ihr anbetet; wir wissen es aber, was wir anbeten, denn das Heil kommt dennoch von den Juden!“

[GEJ.01_027,09] „Ihr besteiget wohl den Berg und betet daselbst, aber ihr wisset es nicht, was ihr da betet, und wen ihr anbetet. Desgleichen ist es auch bei denen, die zu Jerusalem anbeten; sie laufen wohl in den Tempel und machen da ein gräßliches Geplärre, aber sie wissen es auch nicht, was sie tun und was sie anbeten!

[GEJ.01_027,10] Aber dennoch, wie Gott durch den Mund der Propheten geredet hat, kommt das Heil nicht von euch, sondern von den Juden! Lies nur den dritten Vers im zweiten Kapitel des Propheten Jesajas, und du wirst es finden!“

[GEJ.01_027,11] Sagt das Weib: „Jawohl, ich weiß es wohl, daß es dort steht also, daß das Gesetz von Zion ausgeht, dieweil es auch dort verwahrt ist in der Lade; aber wie sagst du dann: ,Weder auf dem Berge noch zu Jerusalem‘?!“

Ev.Joh.4,23. „Aber es kommt die Zeit und ist schon jetzt da (vor deinen Augen), in der die wahren Anbeter Gott den Vater im Geiste und in der Wahrheit anbeten werden; denn der Vater Selbst will es, daß die Menschen Ihn also anbeten sollen.“

[GEJ.01_027,12] Sage Ich: „Du hast Mich noch immer nicht verstanden. Sieh, Gott der Vater von Ewigkeit ist ja weder ein Berg, noch ein Tempel, noch die Lade, und ebenalso weder auf dem Berge, noch im Tempel und ebensowenig in der Lade zu Hause! Darum sagte Ich dir: Es kommt die Zeit und sie ist nun schon da vor deinen Augen, in der die rechten Anbeter (wie du sie hier unter den Bäumen in großer Anzahl ruhen siehst und dir schon einige in der Stadt begegneten, Speise zu kaufen) Gott den Vater im Geiste und in der Wahrheit anbeten werden; denn also will es von nun an der Vater Selbst, daß Ihn die Menschen also anbeten sollen!“

Ev.Joh.4,24. „Denn Gott ist ein Geist, und die Ihn anbeten, müssen Ihn im Geiste und in der Wahrheit anbeten!“

[GEJ.01_027,13] „Denn siehe, Gott ist ein Geist, und die Ihn anbeten, müssen Ihn im Geiste und in der Wahrheit anbeten!

[GEJ.01_027,14] Und sieh, dazu braucht es weder einen Berg noch irgend einen Tempel, sondern lediglich ein möglichst reines, liebevolles, demütiges Herz! Ist das Herz das, was es sein soll, nämlich ein Gefäß der Liebe zu Gott, ein Gefäß voll Sanftmut und Demut, dann ist volle Wahrheit in solch einem Herzen; wo aber Wahrheit ist, da ist Licht und Freiheit, denn das Licht der Wahrheit macht jegliches Herz frei. Ist aber das Herz frei, so ist auch frei der ganze Mensch.

[GEJ.01_027,15] Wer demnach mit solch einem Herzen Gott liebt, der ist ein rechter Anbeter Gottes des Vaters, und der Vater wird sein Gebet stets erhören und wird nicht sehen auf den Ort, an dem nichts gelegen ist, ob Berg oder Jerusalem, da die Erde überall gleich Gottes ist, sondern allein auf das Herz jegliches Menschen! Ich meine, daß du Mich nun wohl verstanden hast.“


28. Kapitel

[GEJ.01_028,01] Sagt das Weib: „Ja, Herr, nun hast du klarer geredet! Aber sage mir: Hast du nun keinen Durst mehr und magst nicht trinken aus dem Kruge einer Sünderin?“ Sage Ich: „Liebes Weib, laß das nur gut sein, denn sieh, du bist mir lieber als dein Krug und dein Wasser! Als Ich ehedem von dir zu trinken begehrte, meinte Ich nicht deinen Krug, sondern dein Herz, darin ein viel köstlicheres Wasser ist als in diesem Brunnen und in deinem Kruge. Mit dem Wasser deines Herzens kannst du auch heilen deinen ganzen Leib; denn was an dir Mir wohltut, das wird dich heilen, so du glauben kannst!“

[GEJ.01_028,02] Sagt das Weib: „O Herr, wie soll ich das anstellen, wie meines Herzens Wasser bringen in meine Scham? Herr, vergib es mir, daß ich so frei rede mit dir; aber ich bin ein elendes Weib, und siehe, das Elend kennt die Scham nicht als Scham, sondern allenthalben sich selbst nur und löst die Zunge nach der Größe der Not. Wäre ich nicht so elend als ich bin, fürwahr, mein Herz würde ich dir bieten! Aber – o Gott, Du heiliger Vater, Der mir helfen möge! – so bin ich elend krank und darf zu meinen vielen Sünden keine neuen mehr hinzufügen; denn einem Reinen, wie du einer sein mußt, ein so unreines Herz zu bieten, wäre doch sicher der Sünden größte!“

[GEJ.01_028,03] Sage Ich: „Mein liebes Weib, nicht daß du mir dein Herz bötest, sondern Ich Selbst habe es genommen, als Ich dich bat ums Wasser! Darum magst du dein Herz Mir immerhin bieten, denn Ich nehme auch die Herzen der Samariter an! Wenn du Mich liebst, so tust du wohl daran; denn Ich habe dich schon lange eher geliebt, als du noch Meiner gedenken mochtest!“

[GEJ.01_028,04] Hier errötet das schöne Weib und sagt etwas verlegen: „Seit wann kennst du mich denn? Warst denn du schon je in dieser Stadt oder in Samaria? Wahrlich, ich habe dich nie irgendwo mit einem Auge gesehen! O ich bitte dich, wo und wann hast du mich gesehen? Sage es mir doch!“

[GEJ.01_028,05] Sage Ich: „Weder hier noch in Samaria oder an irgend einem andern Orte, und dennoch kenne Ich dich schon seit deiner Geburt, auch sogar noch von viel früher her, und habe dich allzeit geliebt wie Mein Leben! Wie gefällt dir das, bist du zufrieden mit Meiner Liebe? Sieh, als du in deinem zwölften Jahre zu Samaria in eine Zisterne fielst, da war Ich es, Der dich herauszog; aber du konntest nicht sehen die Hand, die dich aus der Zisterne hob! Erinnerst du dich noch dessen?“

[GEJ.01_028,06] Hier wird das Weib ganz verwirrt und weiß nicht, was sie darauf sagen soll; denn ihr Herz hat nun schon viel Feuers in sich, und ihre Liebe wuchs sichtlich.

[GEJ.01_028,07] Nach einer Weile ihrer Herzensarbeit fragte Ich sie, ob sie vom Messias, Der da kommen solle, nicht etwas wisse.

Ev.Joh.4,25. Spricht das Weib: „Ich weiß, daß der Messias kommt, Der da Christus heißen soll! So Er kommen wird, da wird Er uns (doch auch) das alles verkündigen (was du nun zu mir geredet hast)?“

[GEJ.01_028,08] Spricht das Weib darauf mit noch sehr geröteten Wangen und hoch wallender Brust: „Herr, du weisester Prophet Gottes, ich weiß es wohl, daß der verheißene Messias kommen soll und Christus Sein Name sein wird! Wenn Er aber kommen wird, da wird Er doch nur das uns verkündigen können, was du zu mir nun geredet hast?! Aber wer wird es uns sagen, wann und von woher der Messias kommen wird? Vielleicht weißt du, der du gar so grundweise bist, mir auch über des Messias Ankunft etwas Näheres kundzumachen? Denn sieh, wir warten schon lange, und es ist vom Messias nirgendwo eine Rede zu vernehmen! Du würdest mir daher einen überaus großen Wohlgefallen erweisen, so du mir kundtun möchtest, wann und wo der Messias bestimmt kommen wird, zu erlösen Sein Volk von allen seinen vielen Feinden! O sage es mir, so du es weißt! Vielleicht würde der Messias Sich auch meiner erbarmen und mir helfen, so ich Ihn darum anflehen würde?!“

Ev.Joh.4,26. Spricht Jesus zu ihr: „Ich bin es, Der nun mit dir redet.“

[GEJ.01_028,09] Sage Ich zum Weibe ganz kurz, aber sehr liebeernst: „Ich bin es, Der nun mit dir redet!“


29. Kapitel

Ev.Joh.4,27. Und überdem kamen Seine Jünger (aus der Stadt mit den eingekauften Speisen), und es nahm sie wunder, daß Er mit dem Weibe redete. Doch sprach niemand: „Was fragst Du (sie), oder was redest Du mit ihr?“

[GEJ.01_029,01] Bei dieser Erklärung erschrak das Weib sehr, und zwar darum um so mehr, da gerade in diesem Moment die speisebringenden Jünger aus der Stadt zurückkamen und ganz verwundert große Augen machten, als sie Mich mit diesem Weibe redend trafen, sich aber dennoch nicht getrauten, weder Mich noch das Weib zu fragen, was wir gemacht oder miteinander geredet hätten. Die anderen Mitreisenden aber schliefen samt Meiner Mutter, die hier auch noch zugegen war, derart fest, daß sie kaum zu erwecken waren; denn der weite Marsch hatte sie alle sehr müde gemacht. Es kam endlich auch der eine Jünger aus dem Dörflein zurück, der ein Gefäß zum Wasserschöpfen suchen gegangen war, aber keines gefunden hatte. Er entschuldigte sich und sagte: „Herr, das Dörfchen zählt doch bei etliche zwanzig Häuser, und sieh, es ist Dir aber auch nicht ein Mensch daheim, und alle Türen sind fest verschlossen!“

[GEJ.01_029,02] Worauf Ich ihm erwidere: „Mache dir nichts daraus! Denn sieh, das wird uns naturmäßig, und ganz besonders geistig, noch sehr oft und vielfach begegnen, daß wir vom Durste unserer Liebe getrieben an die Türen (Herzen) der Menschen pochen werden, zu suchen ein Gefäß zum Schöpfen des lebendigen Wassers; aber wir werden die Herzen verschlossen und leer finden! Verstehst du dies Bild?“

[GEJ.01_029,03] Spricht der Jünger ganz gerührt und betroffen: „Herr, Du lieber Meister, leider habe ich Dich wohl verstanden! Aber wenn so, da werden wir keine großen Geschäfte machen!“

[GEJ.01_029,04] Sage Ich: „Und doch, Mein Bruder! Sieh dies Weib an! – Ich sage dir: einen Verlorenen zu finden, ist mehr wert denn neunundneunzig Gerechte, die nach ihrem Gewissen der Buße nicht bedürfen, weil sie an jedem Sabbat auf Garizim Gott zu dienen wähnen, hier aber sogar am Vorsabbat alle Schöpfgefäße wegnehmen, auf daß sich am Sabbat ja niemand einen Trunk Wassers aus dem Brunnen schöpfe und lösche seinen Durst, wodurch nach der Meinung der Gerechten der Sabbat entheiligt würde. O der großen, blindesten Torheit solcher Gerechten! Hier aber steht eine Sünderin mit einem guten Kruge und dienet uns! Saget, was ist besser: diese oder die neunundneunzig Sabbatheiliger auf Garizim?!“

[GEJ.01_029,05] Das Weib aber sagt ganz zerknirscht: „Herr! Du Sohn des Ewigen! Hier ist mein Krug, bedienet euch desselben; zu eurem Dienste lasse ich ihn hier stehen! Mich aber lasset schnell in die Stadt eilen, denn in einem eurer zu unwürdigen Kleide stehe ich vor euch!“ – Sage Ich: „Weib, sei gesund und tue, wie es dir gut dünkt!“

Ev.Joh.4,28. Da ließ das Weib ihren Krug stehen und eilte in die Stadt und spricht zu den Leuten:

[GEJ.01_029,06] Weinend vor Freude verläßt das Weib den Krug und Brunnen und eilt in die Stadt, sieht sich aber während des Gehens vielmals mich grüßend um, denn sie liebt Mich mächtig. Das Weib kommt nahe außer Atem in die Stadt, und es begegnen ihr mehrere Männer in einer Schar, wie sie sabbats gewöhnlich in einer schattigen Gasse auf und ab zu lustwandeln pflegten. Die Männer, die das Weib wohl kannten, fragten sie scherzweise: „Nun, nun, wohin denn doch gar so eilig? Wo brennt es denn?“ Das Weib sieht sie liebernst an und sagt: „O scherzet nicht, ihr lieben Herren, denn unsere Zeit ist ernster geworden als ihr es ahnen möget!“

Ev.Joh.4,29. „Kommet und sehet einen Menschen, Der mir (draußen am Brunnen Jakobs sitzend) alles gesagt hat, was ich je getan habe, ob Er nicht Christus (der verheißene Messias) sei?!“

[GEJ.01_029,07] Hier unterbrechen sie die Männer und fragen sie voll banger Neugierde: „Nun, nun, was ist es denn, ziehen Feinde in unser Land, oder naht sich ein Heuschreckenschwarm unserer Gegend?“

[GEJ.01_029,08] Das Weib spricht ganz erschöpft: „Nichts von all dem! Die Sache ist viel größer und viel außerordentlicher! Höret mich ruhig an!

[GEJ.01_029,09] Schon vor einer Stunde ging ich hinaus zum Jakobsbrunnen, mir ein Mittagswasser zu holen, und seht, da fand ich einen Menschen, den ich anfangs fest für einen Juden hielt, am Geländer des Brunnens sitzen! Als ich mir, seiner kaum achtend, mein Wasser aus dem Brunnen geschöpft hatte, redete mich der Mensch an und verlangte, daß ich ihn aus meinem Krug solle trinken lassen. Ich verweigerte ihm solches, da ich vermeinte, daß er ein Jude sei.

[GEJ.01_029,10] Er aber redete wieder, wie ein Elias weise, und tat mir alles kund, was ich je getan hatte. Am Ende leitete er selbst das Gespräch auf den Messias, und als ich ihn weiter fragte, wo, wie und wann der Messias kommen werde, da sah er mich liebeernst an und sagte mit einer Stimme, die mir durch Mark und Bein ging: ,Ich bin es, Der Ich nun mit dir rede!‘

[GEJ.01_029,11] Ich aber hatte Ihn schon früher gebeten, da Er mir sagte, wie krank ich sei, ob ich nicht wieder gesund werden könnte. Und nun zuletzt sagte Er zu mir ,Werde gesund!‘, und sehet, mein Übel fuhr aus mir wie ein Wind, und ich bin nun vollauf gesund!

[GEJ.01_029,12] Gehet denn hinaus und sehet selbst, ob das nicht wahrhaft Christus, der verheißene Messias, sei. Ich halte Ihn fest dafür, denn größere Zeichen, als dieser Mensch tut, wird Christus, so Dieser es nicht wäre, nimmer zu tun vermögen! Gehet also hinaus und überzeuget euch selbst! Ich aber eile nun nach Hause, um bessere Kleider anzulegen, denn also könnte ich vor Seiner Herrlichkeit nimmer bestehen! Mehr ist Er sicher als ein Prophet oder ein König des Volkes, so Er nicht Christus sein sollte!“

[GEJ.01_029,13] Sagen die Männer: „Ja, wenn das, da wäre freilich diese Zeit vom höchsten Ernste und von der höchsten Bedeutung! Da müssen wir aber schon in größerer Anzahl hinausgehen und müssen auch darunter sein etliche, die der Schrift wohl kundig sind; es ist nur schade, daß heute unsere Rabbiner sich alle auf dem Berge befinden! Aber vielleicht läßt Er Sich bereden, einige Tage in unserer Mitte zu verweilen, und da könnten Ihn schon auch diese prüfen.“

Ev.Joh.4,30. Da gingen sie aus der Stadt und kamen zu Ihm.

[GEJ.01_029,14] Sie laden darauf noch mehrere, mit ihnen hinauszuziehen zum Jakobsbrunnen, und es geht nun ein Zug von nahe hundert Menschen beiderlei Geschlechts hinaus, um zu sehen den Messias.


30. Kapitel

Ev.Joh.4,31. Indes aber ermahnten Ihn die Jünger und sprachen: „Meister, iß nun!“

[GEJ.01_030,01] Während sich aber die starke Schar aus der Stadt gegen den Brunnen hin bewegte, ermahnten Mich Meine Jünger, daß Ich nun zuvor essen solle! Denn sie wußten es schon, daß Ich, sobald irgend Menschen zu Mir kamen, keine Speise nahm; sie aber hatten mich lieb und fürchteten, daß Ich schwach und krank werden könnte. Denn ob sie schon wußten, daß Ich Christus bin, so hielten sie aber Meinen Leib dennoch für schwach und gebrechlich und ermahnten Mich deshalb, daß Ich essen solle!

Ev.Joh.4,32. Er aber spricht zu ihnen: „Ich habe eine Speise zu essen, von der ihr nichts wisset.“

[GEJ.01_030,02] Ich aber sehe sie liebernst an und sage: „Meine lieben Freunde, Ich habe nun eine Speise zu essen, von der ihr nichts wisset!“

Ev.Joh.4,33. Da sprachen die Jünger untereinander (sich befragend): „Hat Ihm denn jemand schon etwas zu essen gebracht?“

[GEJ.01_030,03] Da sahen die Jünger einander an, befragten sich untereinander und sagten: „Hat Ihm denn schon jemand von irgendwoher etwas zu essen gebracht? Was wohl muß Er für Speise haben? Hat Er sie denn schon verzehrt? Es ist nirgends etwas zu sehen – außer der Krug noch ganz voll mit Wasser. Am Ende hat Er das Wasser in Wein verwandelt?“

Ev.Joh.4,34. Spricht Jesus zu ihnen: „(O ratet nicht so unsinnig!) Meine Speise ist, daß Ich den Willen Dessen tue, Der Mich gesandt hat, und vollende Sein Werk!“

[GEJ.01_030,04] Sage Ich zu ihnen: „O ratet doch nicht gar so unsinnig, was Ich gegessen oder nicht gegessen habe! Ihr habt es ja schon zu öfteren Malen doch gesehen, daß Ich Mich an eurer Seite nie extra habe bedienen lassen. Ich rede zu euch aber nun von keiner Leibesspeise, sondern von einer viel höheren und würdigeren Speise des Geistes rede Ich zu euch, und diese besteht darin, daß Ich den Willen Dessen tue, Der Mich gesandt hat, und Sein großes Werk vollende! Der aber, so Mich gesandt hat, ist der Vater, von Dem ihr saget, daß Er euer Gott sei, ihr Ihn aber dennoch nie erkannt habt. Ich aber kenne Ihn und tue darum Sein Wort, und das ist Meine rechte Speise, die ihr nicht kennet. Ich sage es euch: Nicht nur das Brot, sondern jede gute Tat oder Arbeit ist auch eine Speise, wennschon nicht für den Leib, so aber desto mehr für den Geist!“

Ev.Joh.4,35. „Saget ihr nicht selbst: ‚Es sind noch vier Monate, dann kommt die Ernte‘? Siehe, Ich aber sage euch: Hebet eure Augen auf und sehet in das Feld; jetzt schon ist es weiß zur Ernte!“

[GEJ.01_030,05] „Viele aus euch haben Äcker daheim, und ihr selbst saget es: Noch vier Monate, und die Zeit der Vollernte ist da, und wir werden müssen nach Hause ziehen und Ernte halten! Ich aber sage euch: Hebet eure Augen besser auf! Jetzt schon sind alle Felder weiß zur Ernte. Aber nicht diese Naturfelder meine Ich, sondern das große Feld, das da ist die ganze Welt, auf der die Menschen als reif gewordener Weizen stehen, die in die Scheuern Gottes sollen eingeerntet werden!“

Ev.Joh.4,36. „Und wer da schneidet, der empfängt den Lohn und sammelt die Frucht zum ewigen Leben, auf daß dann eine gemeinschaftliche Freude werde dem, der da säet, und dem, der da schneidet!“

[GEJ.01_030,06] „Und sehet, diese Ernte ist eine rechte Arbeit und diese Arbeit eine rechte Speise, die Ich, wie auch ihr, werde vollauf zu essen bekommen. Wer auf diesem Felde ein rechter Schnitter ist, der sammelt die wahre Frucht zum ewigen Leben, auf daß am Ende der Ernte eine gemeinschaftliche Freude werde Dem, Der da gesät hat, und gleich auch dem, der da geschnitten hat!“

Ev.Joh.4,37. „Denn hier ist der Spruch wahr: Dieser säet, und ein anderer schneidet.“

[GEJ.01_030,07] „Denn es wird nach der Ernte essen der Sämann wie der Schnitter von einer und derselben Frucht und ein und dasselbe Brot des Lebens; und es wird dann der alte Spruch zur vollen Wahrheit: Der eine säet und ein anderer erntet; aber beide werden leben von ihrer Arbeit gleich und essen eine und dieselbe Speise!

[GEJ.01_030,08] Sehet euch an die große Menge derer, die aus der Stadt zu uns gekommen sind, um zu sehen an Mir den Verheißenen, und wie ihr sehet, daß noch immer mehrere nachkommen! Sehet, das sind lauter schon vollreife Weizenähren, die da schon lange geschnitten hätten werden sollen! Ich sage es euch mit viel Freude: Die Ernte ist groß, aber der Schnitter gibt es noch viel zu wenig; bittet darob den Herrn der Ernte, daß Er mehr Schnitter in Seine Ernte sende!“

Ev.Joh.4,38. „Ich habe euch gesandt, zu schneiden, das ihr nicht gesäet habt; andere haben gesäet, und ihr seid nun in ihre Arbeit gekommen.“

[GEJ.01_030,09] „Ich habe euch aufgenommen, und mit der Aufnahme habe Ich euch auch schon ausgesandt im Geiste, zu schneiden, das ihr nicht gesäet habt; denn andere haben gesäet, und ihr seid nun in ihre Arbeit gekommen, und darob möget ihr euch wohl über die Maßen glücklich preisen! – Denn der da säet, der ist noch fern von der Ernte; wer aber da schneidet, der erntet zugleich und hat schon vor ihm das neue Brot des Lebens! Darum seid nun eifrige Schnitter; denn eure Mühe ist seliger denn die des Sämanns!“

[GEJ.01_030,10] Die meisten Jünger verstanden diese Lehre wohl und fingen sogleich an, Mein Wort von der Liebe zu Gott und von der Liebe zum Nächsten den Samaritern zu verkünden, und daß Ich wahrhaft Christus sei.

[GEJ.01_030,11] Aber einige wenige noch so ziemlich Blöde im Verständnisse des Herzens traten zu Mir hin und fragten Mich so ganz geheim im Vertrauen: „Herr, woher werden wir Sicheln nehmen, und dazu ist heute Sabbat?!“

[GEJ.01_030,12] Worauf Ich ihnen erwiderte: „Sagte Ich denn, daß ihr diese vor uns liegenden natürlichen Gerstenfelder schneiden sollet? O ihr Blöden, wie lange werde Ich euch denn noch also ertragen müssen?! – Verstehet ihr denn noch nichts?! – So höret denn und fasset es:

[GEJ.01_030,13] Mein Wort vom Reiche Gottes, zuerst in euren eigenen Herzen, und von da heraus über eure Zungen zu den Ohren und in die Herzen eurer Mitmenschen und Brüder gehend, ist die geistige Schnittersichel, die Ich euch gebe, einzuernten die Menschen, eure Brüder, in das Reich Gottes, in das Reich der wahren Erkenntnis Gottes und des ewigen Lebens in Gott.

[GEJ.01_030,14] Es ist heute freilich wohl Sabbat; aber der Sabbat ist dumm und unsinnig wie euer Herz, und ihr schauet darob auf den Sabbat, weil es in euren Herzen noch sehr stark sabbatmäßig aussieht. Ich aber sage es euch, da Ich ein Herr auch über den Sabbat bin:

[GEJ.01_030,15] Verbannet den Sabbat ehestens aus euren Herzen, so ihr Meine wahrhaftigen Jünger sein und bleiben wollt! Wir sind an jeglichem Tage gleich da zur Arbeit; wo der Herr des Sabbats arbeitet, da sollen Seine Knechte die Hände nicht in die Taschen stecken!

[GEJ.01_030,16] Muß nicht die Sonne am Sabbat so gut auf- und untergehen wie an einem Werktage? So aber der Herr der Sonne wie des Sabbats am Sabbate feierte, wäret ihr wohl zufrieden mit einem stockfinsteren Sabbat? Sehet, sehet, wie blöde ihr noch seid! Darum tuet euch auf und tuet, was Ich nun tue und was eure Brüder tun, so werdet ihr eine Mir wohlgefällige, wahrhaftig lebendige Sabbatfeier begehen!“

[GEJ.01_030,17] Nach diesen Worten begaben sich auch die schwächeren Jünger zu den Samaritern, die da nun schon in einer großen Anzahl aus der Stadt zu Mir gekommen waren, und lehrten sie, was sie von Mir wußten.


31. Kapitel

Ev.Joh.4,39. Es glaubten aber an Ihn viele der Samariter aus selbiger Stadt, (anfangs) um des Weibes willen, das da zeugte: „Er hat mir alles gesagt, was ich getan habe.“

[GEJ.01_031,01] Und so ging es bis an den Abend, und sehr viele von denen, die aus der Stadt zu Mir gekommen waren, glaubten nun an Mich, anfangs um des Zeugnisses des Weibes willen, das da dem Stadtvolke mit glühenden Worten zu erzählen wußte, wie Ich ihr alles gesagt habe, was sie je getan hatte; dann aber glaubten viele aus dem, was die Jünger von Mir ausgesagt haben. Am festesten aber glaubten jene Samariter, die so nahe bei Mir waren, daß sie Meine eigenen Worte vernehmen konnten.

[GEJ.01_031,02] Denn es waren einige darunter, die in der Schrift wohl bewandert waren; diese sagten: „Dieser redet wie David, der da sagt: ,Die Befehle des Herrn sind richtig und erfreuen das Herz; die Gebote des Herrn sind pur und erleuchten die Augen! Die Furcht des Herrn ist rein und bleibet ewiglich, und die Rechte des Herrn sind wahrhaft und allesamt gerecht. Sie sind köstlicher denn Gold und viel feines Gold; sie sind süßer denn Honig und Honigseim. Deinen Willen, Herr, tue ich gerne, und Dein Gesetz habe ich in meinem Herzen; ich will predigen Deine Gerechtigkeit in der großen Gemeinde. Siehe, ich will mir meinen Mund nicht stopfen lassen, Herr, das weißt Du. Deine Gerechtigkeit verberge ich nicht in meinem Herzen; von Deiner Wahrheit und von Deinem Heile rede ich. Ich verhehle Deine Güte und Deine Treue nicht vor der großen Gemeinde.‘ – Wir aber wissen, und das ist unser Zeugnis voll Wahrheit und Kraft, daß Der, Der also spricht und handelt, wie David vor Ihm und zwar in Seinem Namen geredet und gehandelt hat, wahrhaft der verheißene Messias ist. Bis auf Diesen aber hat nach David keiner mehr geredet und gehandelt wie David; sonach ist Dieser unfehlbar Christus, der von Ewigkeit Gesalbte Gottes! Diesen wollen wir darum vollends annehmen!“

Ev.Joh.4,40. Als nun die Samariter (vollends) zu Ihm hinkamen, baten sie Ihn, daß Er bei ihnen bleibe! Und Er blieb darauf zwei volle Tage allda.

[GEJ.01_031,03] Nachdem diese Samariter also untereinander sich ein Zeugnis gaben über Mich, traten sie ganz zu Mir hin in aller Ehrfurcht und baten Mich, daß Ich bei ihnen bleiben möchte. Denn sie sagten: „Herr, Der Du wahrhaftig Christus bist, wie wir Dich nun wohl erkannt haben, bleibe bei uns; denn in Jerusalem wirst Du wenig Aufnahme, wohl aber dafür desto mehr Unglauben und Verfolgung aller Art finden! Denn etwas Schlechteres denn einen Pharisäer trägt die weite Erde nicht, weder zu Lande noch zu Wasser. Hier aber sollst Du gehalten werden, wie es Dir als Dem gebührt, Den uns Moses, David und die Propheten verheißen haben!“

[GEJ.01_031,04] Ich aber sagte zu ihnen: „Liebe Männer aus Sichar! Mir macht es eine rechte Freude, daß Ich auf eurem Acker eine so gute Ernte gemacht habe; aber es wäre nicht fein von Mir, so Ich da, wo Ich die Kranken geheilt habe und sie nun gesund sind, verbliebe und achtete nimmer der vielen anderwärtigen Kranken! Ich werde aber dennoch zwei Tage bei euch verbleiben, und am dritten Tage erst weiter nach Galiläa hinabziehen.“

Ev.Joh.4,41. Und viel mehrere noch glaubten an Ihn Seines Wortes wegen.

[GEJ.01_031,05] Es traten aber darauf noch viele hinzu, die ehedem noch nicht gar fest glaubten, und bekannten ihren nun unerschütterlich festen Glauben. Es war aber auch das Weib da in gutem Anzuge und sagte zu denen, die nun glaubten: „Liebe Freunde, ihr werdet mich doch nun in eure Ehre aufnehmen? Denn ich habe euch zuerst den Weg hierher gezeigt, als ihr mich scherzweise fragtet, wo es brenne!“

Ev.Joh.4,42. Und sprachen zum Weibe: „Wir glauben fortan nicht mehr deiner Rede willen; wir haben Ihn selbst gehört und erkannt, daß Dieser ist wahrlich Christus, der Welt Heiland!“

[GEJ.01_031,06] Da sprachen die Samariter: „So dich der Herr angenommen hat zuvor denn uns, da bist du auch bei uns aufgenommen in Ehren, wie es in Sichar der Brauch ist. Aber wir glauben von nun und fort an nicht mehr deiner Worte wegen; denn wir haben Ihn nun selbst gehört und erkannt, daß Dieser wahrlich ist Christus, der Welt Heiland! Und du wirst uns nun nimmer gläubiger machen als wir nun sind! Aber von nun an sollst du auch bei uns eine rechte Ehre haben, so du hinfort nicht mehr sündigen wirst!“

[GEJ.01_031,07] Sagt das Weib: „Ich aber habe von jeher nicht alsoviel gesündigt, als ihr es leider noch immer meinet. Vor dem, als ich eines Mannes ordentliches Weib wurde, ist mein Leib nie von dem eines Mannes berührt worden; als ich aber nachher eines Mannes Weib ward, da lebte ich ganz ordnungsgemäß, wie es sich für ein Weib gebührt. Daß ich nicht fruchtbar werden konnte, und daß jeder meiner fünf rechten Männer, so er mit mir seine Sache verrichtet hatte, bald darauf sterben mußte, dafür konnte ja doch ich nicht, wohl aber höchstens die, von denen ich ein solches Fleisch erhielt, das da nicht geheuer war einem Manne. Nachdem mir fünf Männer starben und mir ein kaum erträgliches Herzleiden verursachten, da beschloß ich, mich nimmer mit einem Manne zu verbinden; aber nach einem Jahre, wie ihr es wißt, kam ein Arzt nach Sichar mit Kräutern, Ölen und Salben und machte viele Leute gesund; da ging auch ich hin zu ihm, getrieben von meiner sehr fühlbaren Not, ob er mir hülfe.

[GEJ.01_031,08] Er aber besah mich und sprach: ,Weib, eine Welt gäbe ich darum, so ich dir helfen könnte; denn wohl nie noch sah mein Auge ein schöneres Weib denn du bist! Kann ich dir aber schon nicht helfen vollends, so kann ich dein Übel aber dennoch lindern!‘ Er aber zog sich dann in meine ärmliche Behausung, gab mir darauf alle Tage lindernde Mittel und sorgte für mich; aber er hat meinen kranken Leib noch nie in einer schlechten Absicht, wie ihr es fälschlich zu meinen scheinet, berührt!

[GEJ.01_031,09] Und so bin ich wohl vor Gott, wie sicher auch ihr, allezeit eine Sünderin; aber vor euren Augen glaube ich eben keine so große und grobe Sünderin zu sein, als für wie groß ihr mich zu halten beliebet. Der aber hier sitzt am Brunnen Jakobs, Der mir zuvor alles gesagt hat, was ich getan habe, Den fraget, und Er wird es euch Selbst sagen, inwieweit ich den Namen einer öffentlichen Sünderin verdiene oder nicht.“

[GEJ.01_031,10] Hier schauen sich die Samariter groß an und sagen zum Weibe: „Nun, nun, sei nur wieder gut, wir haben es geradewegs ja so arg nicht gemeint; dafür sollst du nun eine Ehrenbürgerin in Sichar werden. Sage, bist du nun zufrieden mit uns?“

[GEJ.01_031,11] Spricht das Weib: „O sorget euch nicht um die Ehre eines armen Weibes! Ich habe mir bereits den größten Teil der Ehre genommen!“

[GEJ.01_031,12] Sagen die Samariter: „Wie wohl hast du das angefangen? Wir wissen nichts von einem Ehrenzeichen, das dir die Stadt erteilt hätte! Woher nahmst du dann solches?“

[GEJ.01_031,13] Sagt das Weib, mit Tränen wahrer Liebe und des rechten Dankes auf Mich hinweisend: „Hier ruht Er noch! Er allein ist nun meine höchste Ehre, eine Ehre, die weder ihr noch die ganze Welt mir also geben und ebensowenig nehmen könnet! Denn Er Selbst hat sie mir gegeben, und von Ihm habe ich sie genommen! Ich weiß es wohl, daß ich nicht im geringsten wie in all meinem Sein irgend wert bin, von Ihm, dem Herrn der Herrlichkeit, eine Ehre zu nehmen; aber Er gab sie mir vor euch, und ich habe sie genommen vor euch und gab euch Kunde von Ihm, da ihr nichts wußtet von Ihm ehedem. Sehet, das habe ich vor euch allen, das ihr mir nicht gegeben habt, und, da ich es einmal habe, mir es nicht nehmen könnet, und das ist ein Ehrenzeichen rechter Art und Weise und hat seine Geltung in Ewigkeit; euer Ehrenzeichen aber gilt nur zeitlich und das für Sichar allein, und dessen kann ich entraten, so man das ewige hat. Ich hoffe, daß ihr nun einsehen möchtet, wie und woher ich meinen größten Teil der rechten Ehre genommen habe.“

[GEJ.01_031,14] Sagen die Samariter: „Ist denn das irgend ein Vorzug, daß du zufällig zuerst herauskamst und trafst hier Christum? Wir haben Ihn nun auch gefunden und loben und preisen Ihn nun in unseren Herzen gleich dir, und Er verhieß uns auch wie dir, zwei Tage zu verweilen in unserer Stadt. Wenn aber also, wie sprichst du denn von einer Vorehre, die dir zuteil ward vor uns?“

[GEJ.01_031,15] Sagt das Weib: „Ihr lieben Männer von Sichar, so ich mit euch rechten wollte, da würden wir nie zu einem Ende kommen. Ich habe es euch aber nun gesagt, wie es ist der vollen Wahrheit gemäß; zum zweiten Male aber sage ich's euch nicht mehr! Mehrere aus euch aber haben das römische Gesetz studiert und sind nun Richter nach diesem Gesetze und sagen, das sei ein weises Gesetz! Nun steht aber in diesem Gesetze, das auch ich gelesen habe, da ich römisch verstehe: Primo occupanti jus! Ich aber war hier die Erste, und ihr könnt mir daher mein gutes Recht nicht nehmen.“

[GEJ.01_031,16] Hier schwiegen die Samariter und wußten nichts dem Weibe zu entgegnen; denn sie hatte nun ihre schwache Seite getroffen, und sie konnten ihr darauf nichts erwidern. Denn sie waren wegen der Juden große Freunde der Römer und schätzten hoch die Weisheit und Ordnung des römischen Gesetzes; darum schwiegen sie nun, da das Weib sie aufs Gesetz der Römer verwies.

[GEJ.01_031,17] Daß aber das Weib in der römischen Sprache wohl bewandert war, ist nicht zu verwundern; denn die Samariter redeten nahe durchgängig römisch und teilweise auch griechisch, um auch durch die Sprache jede Gemeinschaft mit den Juden zu vermeiden.


32. Kapitel

[GEJ.01_032,01] Es war aber nun Abend geworden, und alle, die aus Judäa mit Mir kamen und den ganzen Nachmittag hindurch geschlafen hatten, da sie sehr müde waren, wurden einer nach dem andern wach und erstaunten, wie da so geschwinde der Abend gekommen sei! Und sie fragten Mich, was nun geschehen solle, ob sie eine Herberge suchen sollten, oder ob Ich nun in der kühleren Zeit der Nacht weiterzöge.

[GEJ.01_032,02] Ich aber sagte: „So die Menschen schlafen, da wachet dennoch der Herr, und der Herr sorget für alles, und die mit Ihm sind, haben nicht zu sorgen, außer daß sie bei Ihm verbleiben. Darum machet euch nun auf, auf daß wir ziehen in diese Stadt der Samariter! Dort wird sich für uns alle eine gute Herberge finden. Dies Weib hier, das Mir heute mittag das Wasser verweigerte, hat ein geräumiges Haus, und Ich meine, sie wird uns die Herberge auf zwei Tage nicht verweigern.“

[GEJ.01_032,03] Da fällt das Weib schluchzend vor Mir nieder aus Liebe und Freude und spricht: „O Herr, Du mein Heiland, wie komme ich arme Sünderin zu dieser Gnade?“

[GEJ.01_032,04] Sage Ich: „Du nahmst Mich auf in dein Herz, das viel köstlicher ist denn dein Haus; also wirst du Mich wohl auch aufnehmen in dein Haus, das Jakob gleichwie diesen Brunnen seinem Sohne Joseph erbaute. Aber wir sind unser viele. Du wirst sonach für zwei Tage viel zu tun und zu sorgen bekommen; aber es soll dir darob ein tüchtiger Gewinn werden!“

[GEJ.01_032,05] Spricht das Weib: „Herr, und so ihr euer noch zehnmal so viel wäret, so sollet ihr bei mir, insoweit meine Mittel reichen, alle bestens beherberget werden! Denn mein freilich hier und da schon sehr baufälliges Haus hat viele und reine Gemächer und ist nach meiner Möglichkeit auch so ziemlich wohl eingerichtet und ist nur von mir, meinem Arzte und einiger Dienerschaft desselben bewohnt. Ich aber sage Dir, o Herr, das Haus ist Dein, Du allein bist der rechtmäßige Besitzer meines Hauses; denn Du hast das älteste Recht darauf. Daher komm, o Herr, und ziehe ein in Dein Haus! Denn von nun an ist es vollends Dein, und soll es Dein verbleiben fürder und alles, was darinnen ist!“

[GEJ.01_032,06] Sage Ich: „O Weib, dein Glaube ist groß und lieblich dein Herz; darum sollst auch du Meine Jüngerin sein und bleiben. Und wo immer dies Evangelium verkündet wird, soll deiner erwähnt werden in Ewigkeit!“

[GEJ.01_032,07] Das nahm die Samariter etwas ärgerlich wunder, und es traten mehrere hin zu Mir und sprachen: „Herr, wir haben ja auch Häuser, und es hätte sich besser geschickt, daß Du bei uns Herberge genommen! Denn siehe, dieses Weibes Haus ist bei uns sehr verrufen und ist mehr eine Ruine denn ein Haus!“

[GEJ.01_032,08] Sage Ich: „Ihr seid bereits drei Stunden bei Mir, habt Mich wohl erkannt, und es ist bereits Abend geworden; aber keiner aus euch hat Mir und Meinen Jüngern eine Herberge angeboten, obschon Ich eurer Bitte Gehör gab und euch zwei Tage in eurer Stadt zu verbleiben verhieß!

[GEJ.01_032,09] Ich aber besah das Herz dieses Weibes, und es dürstete gewaltig darnach, ob Ich gewillt wäre, bei ihm Herberge zu nehmen! Nicht Ich also verlangte Herberge in ihrem Hause, sondern ihr Herz verlangte es. Da es sich aber vor euch nicht laut zu äußern getraute, so kam Ich diesem Herzen entgegen und verlangte das von ihm, das es Mir so heißliebend voll lebendiger Sehnsucht und Bereitwilligkeit zu geben wünschte!

[GEJ.01_032,10] Aus diesem höchst triftigen Grunde nehme Ich denn nun auch auf zwei volle Tage Herberge in dieses Weibes Hause. Wohl dem, der sich darob an Mir nicht ärgert!

[GEJ.01_032,11] Ich aber sage es euch: Wie jemand säet, also wird er auch ernten; wer da sparsam säet, der wird auch also spärlich ernten, wer aber reichlich säet, der wird auch reichlich ernten. Von euch allen hat noch niemand weder Mir noch Meinen Jüngern etwas geboten; diese aber gibt Mir sogleich alle ihre Habe zu Meinem Eigentume! Wer aus euch hat Mir das getan? Ist es dann unbillig, daß Ich ihr vor euch allen eine gerechte Ehre gebe? Ich sage euch aber: Wer darob mit diesem Weibe rechten wird, dem soll es übel ergehen zeitlich!“

[GEJ.01_032,12] Hier sehen sich die Samariter groß an, da ihnen die Sache sichtlich in die Nase raucht, ermannen sich aber dennoch und bitten Mich, daß Ich ihnen erlauben möchte, Mich des nächsten Tages besuchen zu dürfen.

[GEJ.01_032,13] Ich aber antworte ihnen: „Ich lade euch nicht und lege euch keine Not an; wer aus euch aber frei zu Mir kommen will, soll keine Tür verschlossen finden, sondern einen ganz freien Eintritt zu Mir haben. Wer also kommen will, der komme, wer aber daheim verbleiben will, der verbleibe, denn Ich zwinge und richte niemanden!“

[GEJ.01_032,14] Hierauf erhoben sich die Samariter und gingen in die Stadt. Ich aber verweilte noch eine kleine Weile an dem Brunnen, und das Weib tränkte mit ihrem Kruge alle die Durstigen, die mit Mir waren.


33. Kapitel

[GEJ.01_033,01] Ihr Arzt aber, der auch vorher mit ihr herausgekommen war, eilte voraus, um mit seiner Dienerschaft für Mich eine beste Herberge und ein möglichst reichliches Abendmahl zu bereiten. Als er aber ins Haus trat, konnte er sich nicht genug verwundern, daß seine Leute schon nahe mit allem fertig waren, was er erst anordnen wollte. Er aber fragte sie ganz mit dem besten Mute, wer denn wohl sie das zu tun geheißen habe. Sie aber sagten: „Ein Jüngling herrlichster Gestalt kam und sprach mit sanfternster Stimme: ,Tuet das, denn der Herr, Der bald in dieses Haus kommen wird, bedarf alles dessen!‘ Da wir solches wunderbar vernommen hatten, ließen wir alles liegen und stehen, und taten und tun es noch, was uns der seltene Jüngling gebot.“

[GEJ.01_033,02] Der Arzt erstaunte und fragte: „Wo ist denn dieser seltene Jüngling?“ Die Diener aber antworteten: „Wir wissen es nicht; denn als er uns solches zu tun hieß, verließ er schnell dies Haus, und wir wissen es nicht, wohin er gekommen ist.“ Der Arzt aber sprach: „Also seid denn unverdrossen; denn diesem Hause widerfährt ein großes Heil, und ihr alle werdet desselben teilhaft werden!“

[GEJ.01_033,03] Darauf eilte der Arzt schnell wieder zur Stadt hinaus, um Mir zu berichten, wie nun alles schon vorbereitet sei.

[GEJ.01_033,04] Da begegneten ihm aber einige Ultramosaisten, hielten ihn auf und sagten: „Freund, es geziemt sich nicht, an einem Sabbat also zu rennen; weißt du denn nicht, wodurch allerlei man den Tag Jehovas entheiligen kann?“

[GEJ.01_033,05] Sagt der Arzt: „Ihr Buchstabenreiter Mosis! Hurtig gehen an einem Sabbat, der nunmehr, da die Sonne schon untergegangen ist, nur noch ein Nachsabbat ist, haltet ihr für Sünde; aber so ihr am Sabbat eure Weiber und Mägde schändet und mit ihnen die barste Unzucht, Hurerei und Ehebruch treibet, wofür haltet ihr denn das? Hat das Moses geboten zu tun an einem Feiertage Jehovas?“ Sagen die Samariter: „So es heute nicht Sabbat wäre, da würden wir dich solcher Rede wegen steinigen, aber für diesmal sei's dir nachgesehen!“ Sagt der Arzt: „Nun, nun, eure Rede und euer Sinn macht sich, besonders zu einer Zeit, in der der lange verheißene Messias gerade vor den Toren Sichars weilet und ich Ihm nun entgegeneile, Ihm zu sagen, daß in Seinem Hause schon alles zu Seinem Empfange bereitet sei! Habt ihr denn noch nicht vernommen, was sich heute vor dem Tore unserer Stadt ereignet hat?“

[GEJ.01_033,06] Sagen die Samariter: „Wir haben es wohl vernommen, daß draußen am Brunnen eine Judenkarawane Lager gemacht hat, und daß ein Jude, wahrscheinlich der Anführer dieser Karawane, vorgäbe, er sei Christus. Du bist ein Arzt doch und begreifst nicht, daß uns die Juden einen Streich zu spielen in dieser Weise ausgesonnen haben und nun diesen Streich an uns vermeintlichen Trotteln soeben ausführen wollen?! Das wäre uns ein sauberer Messias! Meinest du, daß wir ihn nicht kennen?! Sind wir nicht auch aus Galiläa und sind nun eure Glaubensgenossen, strenge nach Mosis Satzungen?! Da wir aber aus Galiläa sind, so kennen wir diesen Nazaräer, der eines Zmmermanns Sohn ist. Dieser, da ihm das Arbeiten nicht mehr schmeckt, läßt sich nun als ein schnödes Werkzeug der Pharisäer gebrauchen, macht einige erlernte Zauberkünste und gibt sich auf deren Unkosten für den Messias aus! Und Esel und Ochsen deiner Art sitzen ihm auf und glauben seinen verlockenden Worten! Aufgreifen sollte man sie alle, dann mit Ruten tüchtig durchstäupen und sie also über die Grenze schmeißen wie Kot und Unflat!“

[GEJ.01_033,07] „O ihr Blinden! In meinem Wohnhause harren Engel Gottes Seiner und brachten Speise, Trank und Lager aus den Himmeln für Ihn, und ihr führet eine solche Rede! Der Herr züchtige euch darum!“

[GEJ.01_033,08] Als der Arzt solches ausspricht, werden zehn augenblicklich stumm, und keiner kann mehr ein Wort reden, und sie bleiben stumm durch die zwei Tage Meines Aufenthaltes in Sichar. Der Arzt aber verläßt sie und eilt zu Mir.

[GEJ.01_033,09] Als er zu Mir kommt, sagt er: „Herr! Dein Haus ist wohlbestellt! Es geht daselbst wunderbar zu; aber am Wege heraus zu Dir, o Herr, geriet ich unter eine Anzahl Frevler, die Dir vor mir ein übles Zeugnis zu geben sich bemühten. Aber es währte ihr Geschrei nicht lange! Dein Engel schlug sie auf den Mund, und sie wurden bis auf zwei völlig stumm; die zwei aber erschraken gewaltig und flohen. Das, o Herr, ist alles nun in einer halben Stunde geschehen!“ – Sage Ich: „Sei ruhig, das mußte also kommen, auf daß nicht die, so schon glauben an Meinen Namen, abgewendet würden von uns! Nun aber gehen wir, und du, Mein liebes Weib aus Samaria, vergiß deinen Krug nicht!“ Sogleich schöpft das Weib ein frisches Wasser und nimmt es mit nach Hause. – Also ward ein Halbtag vor Sichar am Jakobsbrunnen zugebracht und in dieser Stadt eine ziemlich reichliche Ernte gehalten.


34. Kapitel – Im Hause des Weibes zu Sichar. (Kap.34-36)

[GEJ.01_034,01] Mein Jünger Johannes aber fragte Mich und sagte: „Herr! Wie Du es willst, so möchte ich wohl alles aufzeichnen noch in dieser Nacht, was sich hier zutrug!“

[GEJ.01_034,02] Sage Ich: „Nicht alles, Mein Bruder, sondern das nur, was Ich dir sagte, daß du es dir notieren sollst! Denn solltest du alles zeichnen, was da geschah und was hier die zwei Tage hindurch noch geschehen wird, so würdest du viele Häute voll zeichnen müssen; wer aber würde das Viele dann lesen und fassen? So du aber nur die Hauptmomente richtig in rechter Entsprechung, wie sie dir gegeben ist, zeichnest, so werden die rechtschaffenen Weisen in Meinem Namen schon ohnehin alles herausfinden, was hier alles geschah und weshalb, und du ersparst dir eine große und unnötige Mühe. So denn, Mein geliebtester Bruder, mache dir deine Arbeit bequem, und du wirst dennoch der erste Zeichner Meiner Lehren und Taten verbleiben immerdar.“

[GEJ.01_034,03] Johannes küßt Mich auf die Brust, und wir begeben uns an der Seite des Weibes und des Arztes in die Stadt und da in das Haus Josephs, da es schon recht dunkel ist.

[GEJ.01_034,04] Als wir in das wirklich große Haus kommen, findet das Weib in ihrem Hause eine Zubereitung für Meine Beherbergung, wie sie von einer ähnlichen noch nie eine Ahnung hatte! Denn es stehen eine rechte Menge wohlbesetzter Tische und um die Tische eine rechte Anzahl Stühle; auf jedem Tische stehen wohlleuchtende Lampen aus edlen Metallen; die Fußböden sind durchaus mit den schönsten Teppichen überzogen, die Wände selbst symmetrisch mit Blumenteppichen behangen, und aus den schönsten Kristallbechern blinket ein köstlicher Wein den Gästen entgegen!

[GEJ.01_034,05] Das Weib kann sich gar nicht fassen und sagt erst nach einer Weile ihres nimmer enden wollenden Staunens: „Aber Herr, was hast Du getan?! Hast Du das durch Deine Jünger, die Du vielleicht heimlich hierher sandtest, herichten lassen? Woher nahmen sie denn das alles? Ich weiß ja, was ich habe, von Gold und Silber sicher nichts, und hier strotzt alles von diesen Metallen! Einen kristallenen Becher wie diesen hier habe ich noch nie gesehen, und hier stehen hunderte, von denen jeder 30 Silberlinge wert ist. Dieser Wein, diese Speisen und Früchte, das schöne Brot und die vielen teuersten Teppiche, von denen einer sicher 100 schwere Silbergroschen kostet! O Herr! sage es mir Armen doch, ob Du solches alles mitgebracht hast oder ob es hier in der Stadt irgendwo ausgeborgt wurde?“

[GEJ.01_034,06] Sage Ich: „Siehe, liebes Weib! Du sagtest draußen am Brunnen ja, daß dies Haus Mir gehöre. Ich nahm solch eine Schenkung von dir an, und da nun dies Haus Mein ist, so wäre es ja doch von Mir nicht fein gewesen, so Ich dich als Schenkerin in ein unzierliches Gemach geführt hätte! Sieh, wie da eine Hand die andere wäscht, also ist es denn auch hier; eine Ehre erfordert die andere! Du schenktest es Mir vollends aus deinem ganzen Herzen, wie es ehedem war; Ich aber gebe es dir nun wieder also, wie es jetzt eingerichtet ist. Ich meine, daß du mit diesem Umtausche der Sache ganz zufrieden wirst sein können?! Denn sieh, Ich verstehe Mich auch so ein wenig auf rechte Zierde und feinen Geschmack!

[GEJ.01_034,07] Und Ich sage es dir: Solches alles habe Ich, so wie alles, auch von Meinem Vater gelernt! Denn die endlos vielen Wohnungen im Hause Meines Vaters sind eben auch voll des höchstbesten Geschmacks und voll der höchsten Zierden, was du aus dem schon recht wohl entnehmen kannst, so du aufmerksam betrachtest die Blumen der Felder, deren einfachste herrlicher geschmückt ist als Salomo in aller seiner Königspracht!

[GEJ.01_034,08] Wenn der Vater aber schon die Blumen, die nur kurz dauern, also zieret und schmückt, um wie viel mehr wird Er erst Sein Wohnhaus, das im Himmel ist, zieren und schmücken?! Was aber der Vater tut, das tue auch Ich; denn Ich und der Vater sind im Grunde des Grundes völlig Eins! Wer Mich annimmt, der nimmt auch den Vater an; denn der Vater ist in Mir, wie Ich im Vater! Wer Mir was tut, der tut es also auch dem Vater; und du kannst Mir darum nichts geben, das du nicht sobald hundertfältig wieder zurückbekämst! Jetzt weißt du alles Nötige.

[GEJ.01_034,09] Jetzt aber setzen wir uns und nehmen das Abendmahl zu uns, denn es gibt viele Hungrige und Durstige unter uns. Haben wir unsere Glieder gestärkt, dann erst wollen wir weiter sprechen über diesen Punkt!“

[GEJ.01_034,10] Alle setzen sich nun zu Tische, danken und stärken sich dann mit Speise und Trank.


35. Kapitel

[GEJ.01_035,01] Nach dem Mahle nähert sich Mir wieder das Weib, getrauet sich aber kaum zu reden; denn sie besprach sich während des Mahles mit der Dienerschaft des Arztes, wie solches alles herbeigeschafft worden sei. Und die Dienerschaft sagte: „Liebe Frau, das weiß Gott, wie das hergegangen ist! Wir haben dabei das wenigste getan; der Arzt tat gar nichts; denn als er kam, da war schon alles getan. Wir waren vordem, und lange bevor der Arzt kam, mit seinen Sachen beschäftigt, da kam auf einmal ein Jüngling von blendender Schönheit und sagte uns, daß wir dies und jenes tun sollen, da der Herr dessen bedürfe, und wir taten alles sogleich, was uns der seltene Jüngling geboten hatte. Aber siehe, es ging das sonderbar zu! Wie wir etwas tun wollten, da war es schon getan, und wir können dir daher nichts anderes sagen als: hier waltete offenbar Gottes Allkraft, und der weiße Jüngling muß ein Engel Gottes gewesen sein! Sonst läßt sich die Sache gar nicht erklären! Der Mensch, der ehedem an deiner Seite zuerst in den großen Speisesaal trat, muß ein großer Prophet sein, daß ihm die Mächte der Himmel dienen!“

[GEJ.01_035,02] Da aber also das Weib solches von den Dienern vernahm, war sie um desto mutloser und getraute sich kaum zu reden. Nach einer ziemlich geraumen Weile erst sagte sie mit einer ganz schwachen Stimme: „Herr! Du bist mehr denn allein der verheißene Messias! Du warst es sicher, Der den Pharao züchtigte, die Israeliten aus Ägypten führte und ihnen vom hohen Sinai die Gesetze donnerte!“

[GEJ.01_035,03] Ich aber sage zu ihr: „Weib! Die Stunde ist noch nicht da, daß solches des Menschen kundgetan würde; darum behalte es vorderhand in deinem Herzen! Mache aber nun, daß die große Schar, die aus Judäa mit Mir kam, in die Schlafgemächer verteilt werde; du, der Arzt und Meine Jünger, nun zehn an der Zahl, aber bleibet hier! Dem Weibe aber, das an Meiner Seite saß und Meines Leibes Mutter ist, weise das reinste Bett an, daß es wohl ruhe; denn sieh, die schon ältliche Mutter hat heute einen starken Weg gemacht und bedarf zu ihrer Stärkung einer guten Ruhe!“

[GEJ.01_035,04] Das Weib erfreut sich über die Maßen, in diesem ganz unansehnlichen Weibe Meine Mutter zu erkennen, und versorgt sie bestens. Und die Maria belobt sie solcher Zärtlichkeit wegen, empfiehlt ihr aber zugleich, ja alles zu tun, was Ich sagen würde.

[GEJ.01_035,05] Als nun alles zur Ruhe gebracht ist und das Weib und der Arzt nebst den zehn Jüngern allein bei Mir im Großen Speisesaale sich befinden, sage Ich zu den Jüngern: „Ihr wisset es, wie Ich zu Bethabara in Galiläa, da Ich euch aufnahm, zu euch sagte: Von nun an werdet ihr die Himmel offen sehen und die Engel Gottes herniedersteigen zur Erde; und sehet, das geht nun vor euren Augen buchstäblich in Erfüllung! Das alles, was ihr hier sehet und was ihr gegessen und getrunken habt, ist nicht von dieser Erde, sondern durch die Engel Gottes aus den Himmeln hierher geschafft. Nun aber machet auf eure Augen und sehet, wie viele Engel allda bereit stehen, um Mir zu dienen!“

[GEJ.01_035,06] Da gingen allen die Augen auf, und sie sahen die Massen der Engel, zu Meinen Diensten bereit, aus den Himmeln niederschweben. – Denn als ihnen die Augen aufgetan wurden, verschwanden des Hauses Wände, und alle sahen die Himmel offenstehen!

[GEJ.01_035,07] Spricht darauf Nathanael: „Ja, Herr, Du bist wahrhaft und getreu! Was Du geredet hast, das geht nun wunderbar in Erfüllung! Wahrlich, wahrlich, Du bist der Sohn des lebendigen Gottes! Mit Abraham sprach Gott durch Seine Engel; Jakob sah im Traume eine Leiter, über der die Engel auf- und niederstiegen, aber Jehova sah er nicht, außer einen Engel, der Jehovas Namen hatte gezeichnet in seine Rechte. Und da Jakob mit ihm stritt, ob er Jehova sei, ward er hinkend durch einen starken Rippenstoß. Moses sprach mit Jehova; aber er sah nichts denn Feuer und Rauch, und da er sich verbergen mußte in einer Höhle, weil daselbst Jehova vorüberzöge, durfte er nicht schauen, als bis Jehova vorübergezogen war. Und als er da nachsah, da ersah er nur noch den Rücken Jehovas; aber darauf mußte er sein Gesicht bedecken mit dreifacher Decke, da es leuchtete mehr denn die Sonne und es niemand ansehen konnte, ohne zu sterben! Dann war nur noch Elias, der Jehova gewahrte im sanften Säuseln! Und hier bist Du Selbst nun!“

[GEJ.01_035,08] Hier falle Ich dem Nathanael in die Rede und sage: „Genug, Mein Bruder, die Stunde ist noch nicht da! Nur einer so reinen Seele, wie da ist die deine, ganz ohne Falsch und Hinterhalt, ist solches zu erschauen möglich. Denn siehe, nicht ein jeder, der Mir folgt, ist wie du.

[GEJ.01_035,09] Dies Weib aber war nicht wie du, nun aber ist sie auch wie du, darum ahnte sie auch, was du nun sagen wolltest. Aber die Stunde ist noch nicht da. Erst, wann im Tempel der Vorhang wird entzweigerissen werden, dann erst ziehet dem Moses seine Decke vollends von seinem strahlenden Angesichte!“


36. Kapitel

[GEJ.01_036,01] Fragt mich darauf Johannes: „Herr, aber dieses muß ich mir doch aufzeichnen! Das ist mehr als das Zeichen zu Kana! Das ist einmal ein rechtes Zeichen, von wannen Du gekommen bist!“

[GEJ.01_036,02] Sage Ich: „Auch das laß du; denn was du zeichnest, ist ein Zeugnis für die Welt; diese aber hat das Verständnis nicht, daß sie es fassete! Wozu wäre dann solche deine Mühe? Meinst du, die Welt werde so etwas glauben? Sieh, die hier sind, die glauben es, weil sie es schauen; die Welt aber, die im Finstern wandelt, würde es nimmer glauben, daß hier solches geschehen; denn die Nacht kann sich unmöglich vorstellen die Werke des Lichtes. Möchtest du ihr aber erzählen von den Werken des Lichtes, so wird sie dich belachen und dich am Ende zu verspotten anfangen. Also sei es also, daß du in der Zukunft nur das aufzeichnest, was Ich offen vor aller Welt tue; was Ich aber im geheimen tue, und sei es noch so groß, das zeichne du bloß in dein Herz, aber nicht auf die glatte Tierhaut!

[GEJ.01_036,03] Es wird aber schon einmal eine Zeit kommen, in der alle diese geheimen Dinge sollen der Welt geoffenbart werden, aber es werden vorher noch gar viele Bäume ihr unreifes Obst von ihren Zweigen müssen fallen lassen! Denn siehe, die Bäume haben viel angesetzt, und es wird von dem wohl kaum ein Drittel zur Reife gelangen! Aber die zwei abgefallenen Drittel werden eher zertreten werden müssen und verfaulen und verdorren, daß ein Regen sie dann auflöse und in den Stamm treibe ein mächtiger Wind zur zweiten Geburt!“

[GEJ.01_036,04] Sagt Johannes: „Herr, das ist zu tief, wer kann es fassen?“

[GEJ.01_036,05] Sage Ich: „Es ist dies auch gar nicht nötig, es ist genug, daß du glaubst und Mich liebst, das tiefere Verständnis alles dessen wird schon kommen, so der Geist der Wahrheit über euch wird ausgegossen werden. Bevor aber das geschehen wird, werden aus euch trotz aller dieser Zeichen sich noch manche stoßen an Mir und an Meinem Namen!

[GEJ.01_036,06] Denn ihr habt alle noch einen ganz unrichtigen Begriff vom Messias und Seinem Reiche, und es wird viel brauchen, bis ihr da ins klare kommen werdet.

[GEJ.01_036,07] Denn des Messias Reich wird nicht sein ein Reich dieser Welt, sondern ein Reich des Geistes und der Wahrheit im Reiche Meines Vaters ewig, und es wird dessen nimmer ein Ende sein fürder und fürder! Wer in dieses Reich aufgenommen wird, der wird haben das ewige Leben und dieses Leben wird sein eine Seligkeit, von der noch nie jemand etwas gesehen, gehört und in seinem Herzen empfunden hat!“

[GEJ.01_036,08] Sagt Petrus, der lange geschwiegen hatte: „Herr, wer wohl wird dann solch einer Seligkeit fähig werden?“

[GEJ.01_036,09] Sage Ich: „Lieber Freund, siehe, heute ist es schon spät, und unsere Leiber bedürfen der Ruhe, auf daß sie morgen stark seien zur Arbeit! Deshalb wollen wir den heutigen Tag beschließen und morgen im guten Lichte wandeln. Suche sich daher ein jeder seinen Ruheplatz und ruhe sich darauf vollends aus; denn morgen werden wir viel zu tun bekommen!“

[GEJ.01_036,10] Auf das kommt ein jeder wieder in seinen Naturzustand und sieht wieder des Saales Wände, neben denen sehr gute Ruhelager, eine Art Diwane, zierlich gestellt sind. Die Jünger, von denen einige sehr müde sind, danken und legen sich sogleich nieder.

[GEJ.01_036,11] Nur Ich, der Arzt und das Weib bleiben noch wach. Als die Jünger bald fest schlafen, da fallen beide vor Mir auf ihre Knie nieder und danken Mir inbrünstigst für solche unaussprechlich große Gnaden, die Ich ihnen und ihrem ganzen Hause erwiesen habe. Zugleich aber bitten sie Mich, ob Ich es nicht gestattete, daß sie sich Mir anschlössen und Mir folgen dürften.

[GEJ.01_036,12] Ich aber sage zu ihnen: „Es ist dies nicht nötig um eurer Seligkeit willen. So ihr Mir aber schon folgen wollt, da ist es genug, daß ihr Mir folget in euren Herzen! Ihr sollet aber hier in diesem Lande als Meine Zeugen verbleiben! Denn es werden da in kurzer Zeit gar viele Zweifler aufstehen und zu euch kommen; diesen sollet ihr dann ein gutes Zeugnis geben von Mir.

[GEJ.01_036,13] Und du, Mein lieber Joram, sollst von nun an ein vollkommener Arzt sein! Dem du deine Hände auflegen wirst in Meinem Namen, mit dem soll es sogleich besser werden, wie krank er auch immer sei. Zugleich aber müßt ihr miteinander in eine vollkommene und unauflösliche Ehe treten; denn also wäre euer Beisammenleben ein Ärgernis den Blinden, die nur aufs Äußere sehen und vom Inneren keine Ahnung haben.

[GEJ.01_036,14] Du, Joram, brauchst dich nun nicht mehr zu fürchten vor Irhael; denn sie ist nun vollkommen gesund an Leib und Seele. Und du, Irhael, hast an Joram einen Mann aus den Himmeln und sollst mit ihm vollends glücklich sein; denn er ist nicht ein Geist aus der Erde, sondern ein Geist von oben herab.“

[GEJ.01_036,15] Sagt das Weib: „O Jehova, wie gut bist Du! Wann aber wäre es Dein Wille, daß wir uns öffentlich verbänden vor den Augen der Welt?“

[GEJ.01_036,16] Sage Ich: „Ich habe euch schon verbunden, und dies Bündnis ist allein gültig im Himmel wie auf Erden, und Ich sage es euch: Seit Adam gab es auf dieser Erde kein vollkommeneres Ehebündnis denn da nun ist das eurige; denn Ich Selbst habe euer Bündnis gesegnet.

[GEJ.01_036,17] Morgen früh aber werden hierher kommen eine Menge Priester und andere Leute und Bürger dieser Stadt; denen zeiget das an, auf daß sie es wissen, daß ihr nun vollends rechte Eheleute seid vor Gott und aller Welt! So euch aber Kinder werden, da erziehet sie in Meiner Lehre und taufet sie dann also in Meinem Namen, wie ihr morgen von Meinen Jüngern viele werdet taufen sehen in der Weise, wie da taufet ein Johannes im Jordan, von dem ihr werdet gehöret haben; also werde Ich dir, du Mein Joram, morgen die Macht geben, nachderhand jedermann zu taufen, der an Meinen Namen glauben wird.“

[GEJ.01_036,18] Nun aber begebet ihr euch auch zur Ruhe! Doch solange Ich in diesem Hause verweilen werde, sollet ihr euch nicht berühren, der Zucht wegen! Sorget euch aber nicht diese Zeit hindurch für den Tisch und Keller; denn solange Ich in diesem Hause verweilen werde, wird Tisch und Keller so wie heute von oben versorgt werden. Saget es aber vor der Zeit niemand, daß solches also geschehe; denn die Menschen würden dies nicht fassen. So Ich aber fort sein werde, da könnet ihr es immerhin den Helleren kundgeben. Und so denn begebet euch zur Ruhe, Ich aber werde nun hier allein wachen! Denn der Herr darf nicht schlafen noch ruhen; denn der Schlaf und die volle Ruhe wäre der Wesen Tod und Verderben! Denn so auch alle Welt schliefe, da wachet dennoch der Herr und erhält alle Wesen.“

[GEJ.01_036,19] Auf diese Worte danken die beiden und begeben sich, jedes in ein anderes Gemach, zur nötigen Ruhe. Ich aber bleibe auf Meinem Stuhle sitzen bis zum Morgen.


Soweit dieser kleine Ausschnitt aus dem Großen Evangelium Johannis

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