98. Betrachtung.
Von der Heiligung
Alle die selig werden wollen, müssen heilig sein; denn ohne Heiligung
wird niemand den Herrn der Herrlichkeit, den dreimal heiligen Jehova schauen.
Der Herr selbst sagt: Ihr sollt, wenn ihr anders mein Volk, meine Kinder heißen
und selig werden wollt, heilig sein. Ja, ihr sollt in Wahrheit, ohne Heuchelei,
mir in Heiligkeit und Gerechtigkeit euer Leben lang dienen und mich als den
lebendigen Gott heiligen. Ich bin heilig und über alles erhaben; der
Unheilige kann sich mir nicht nahen. Ich bin ein heiliger Gott und ein heiliger
Vater; wer mein Kind sein will, muß an Geist und Leib geheiligt werden.
Nichts Unreines, Unheiliges und Gemeines wird zu mir kommen. Heiligkeit Heiligkeit
ist die Zierde meines Hauses; kein Unheiliger wird darein kommen.
Es ist also klar, dass ohne Heiligung keiner selig werden und in den Himmel
kommen kann. Aber ebenso gewiß ist es, dass keiner aus sich selbst heilig
werden kann; denn wie wollte ein Mohr seine Haut wahrhaft weiß machen,
und wie sollte es möglich sein, dass ein Pardel seine Flecken änderte?
Ebenso ist es unmöglich, dass ein Mensch, der von sich selbst nicht
das geringste vermag, der nicht ein einziges Haar weiß oder schwarz
machen kann (Matth 5, 36), von, aus und durch sich selbst wahrhafztig heilig
werden kann, so dass er würdig wäre, vor dem Angesichte Gottes
zu stehen. Weil dies nun keinem, auch nicht einem einzigen möglich ist,
so ist nichts dringender geboten, als dass man den Gott, der allein heilig
und gerecht ist und gerecht machen kann, um die Heiligungsgabe anruft.
Wenn Christus Joh. 15,5 sagt: Ohne mich könnet ihr nichts tun, das
gut wäre, also auch nicht heilig werden, so darf man doch aus seinen
Worten schließen, dass dies durch ihn möglich ist. Paulus sagt
Phil. 4, 13: „Ich vermag alles durch den, der mich mächtig macht, Christus,“
also vermag er durch ihn auch heilig zu werden. Hieraus lässt sich nun
erkennen, was die Heiligungsgabe ist, durch die Gott, der allein heiligen
kann, uns heilig macht. Wer des Glaubens an Jesus Christus ist, den macht
Gott gerecht; wer aber durch Jesus Christus gerecht geworden ist, der wird
durch ihn und aus ihm auch heilig; denn Christus ist uns gemacht zur Heiligung.
Er ist es, der heiligt, seit der Zeit, da er durch die Herrlichkeit des Vaters
von den Toten auferweckt worden ist. Er ist der Geist, der lebendig und frei
macht, der heilige und heiligmachende Geist. Er ist der, der alle heiligt,
die schon vor Grundlegung der Welt in der Heiligung des Geistes und in der
Besprengung des Blutes ersehen sind. Christus ist also unsere Heiligung, er
ist selbst die Heiligungsgabe; denn er ist Gottes Gabe, Gott selber, der wahrhaftige
Gott und das ewige Leben.
Wer diese Gabe hat, dem ist mit ihr alles geschenkt, und er kann alles für
Schaden und Kot achten; er hat mit und in ihr alle Heiligungsgaben, keine
ausgenommen. Wer aber diese e i n e Gabe nicht hat, der hat auch sonst keine
wahre Heiligungsgabe; es fehlen ihm alle, ob er es glaubt oder nicht. In wem
Jesus wohnt, der kann die Welt überwinden. ER ist stark in dem Herrn,
dem Geist, und in der Macht seiner Stärke. Er kann mit Paulus sagen:
Das Gesetz des Geistes, der da lebendig macht, in Christus Jesus hat mich
freigemacht von dem Gesetz der Sünde und des Todes, von dem Sündengesetz
in den Gliedern. Der heilige Geist regiert ihn und treibt ihn zu allem Guten
an. Das Gesetz der Lebenskraft Jesu wirkt in ihm. Mit Jesus hat er den Gottesnamen
in sich, durch den ihm nichts mangelt, was gut, geistlich, göttlich,
selig, heilig und herrlich macht; er ist mit aller Fülle erfüllt.
Es darf bei ihm nur alles sich entwickeln, hervorwachsen und zu seiner Größe
reifen. Wer einmal in das Gesetz der Freiheit durchgeschaut hat und also das
Wohl, das der Geist in der Freiheit genießt, aus Erfahrung kennt, der
liebt die freimachende Wahrheit nun erst recht. Er ist nicht heilig, weil
es sein muß, sondern sein Geist ist herzlich froh, dass er so sein
darf. Er kennt sein Lebenselement. Einem so mit dem Leben Jesu erfüllten
Menschen ist das Halten der Gebote Gottes nicht schwer, sonder leicht und
angenehm. Das Gesetz des unauflöslichen Lebens stellt sich der wiedergeborenen
Seele lieblich vor und es wirkt mit seiner Lust in ihr Leben. Der Geist aus
Gott im Rade des Gemüts bewegt nun das ganze Seelenrad, und wie der Geist
will, und wie er bildet, so geht das ganze Rad. Der ewige Geist ist als Feuerleben
und Lichtslust in ihm; und es ist für den Geist der Ewigkeit eine Erquickung,
mit dem göttlichmenschlichen Geist der Herrlichkeit aus dem hohepriesterlichen
Leben Jesu zusammenzufließen. Und den in die Seele eingesäten,
unentwickelten Gottessamen auszubilden und zu seiner Größe zu
bringen.
Lieber Leser, erfahre aber dies selbst, wenn du es irgend verstehen willst!
Du musst es dir nur recht angelegen sein lassen, treu zu sein. Du musst die
Gnade und das gute Salz von Anfang an wohl anwenden und nicht nachlassen,
nach des Geistes Begehren zu tun, bis dir die Tugend zur anderen Natur wird.
Richte dich nicht so sehr nach anderen, sondern sieh nur zu, dass du den Geist
nicht dämpfest! Du wirst zu allem Guten Lust haben und zu allem aus
der Fülle Jesu Kraft nehmen können, wenn du nur treu und einfältig
bist und durch den Geist des Glaubens die Vernunft gefangen nimmst.
Das merke dir aber: Ehe du diesen Gottessamen, diese Heiligungsgabe als
eine Gnadengabe Gottes vom Vater voller Gnade und Wahrheit empfängst,
wird es dich sauer ankommen, nach den Geboten Gottes zu leben, obwohl du
sie weißt und sie sogar in deine Natur eingepflanzt sind. Weil der
Same, der Geist und das Wesen der Herrlichkeit, noch nicht in dich gesät
ist, so hast du keine Kraft zum Guten in dir; die Heiligungsgabe fehlt dir
noch. Es ist ein anderes Gesetz in deinen Gliedern, und du tust nicht, was
du nach dem innwendigen Menschen willst, und kommst daher wieder in die Sinnlichkeit
heraus, bis du anhältst, das in deinem Inneren sich regende Gute stark
zu wollen, und dich befleißest, nach dem Gesetz des Geistes in dir zu
wandeln. Du wirst aber sodann bei all deiner Machtlosigkeit doch das Wort
Jesu im Glauben annehmen. Dieser Glaube will die Wahrheit; und durch die frei-,
lebendig- und heiligmachende Kraft des Geisteswesens will er dich nach dem
Bilde Gottes gestalten und in Jesus Christus neuschaffen.
Wenn es nun soweit in dir gekommen ist, wirst du durch das Wort der Wahrheit
zu einem Erstling der Kreatur wiedergeboren, und dadurch bekommst du die Heiligungsgabe.
Nun darfst du nur ihre Triebe nicht dämpfen, sondern tun, , wozu du
innerlich Lust hast, und wozu du dich durch das Salzwesen des Kraft- und
Herrlichkeitssamens gedrungen fühlst. Jetzt hast du Kraft; darum sei
nur treu, mein Leser! Nun geht es leicht heilig zu werden und heilig zu sein;
jetzt ist die rechte Zeit dazu. Vorher konnte dies wegen deiner Leidenschaften
und Affekte (Gemütsbewegungen), d. h. wegen des Sündengesetzes in
deinen Gliedern, nicht sein; es war ein böses Salz der Lust in dir. An
dessen Stelle ist nun aber mit dem Geist der Heiligung ein anderes Salzwesen,
eine andere Lust in dich gekommen; in dieser kann das Gewissen wirken, was
es soll. Dies merke dir recht, und laß dir raten! Wende solches gutes
Salz wohl an, dass du es nicht verlierst.
Ach Vater der Barmherzigkeit, Schenk mir die wahre Heiligkeit. Mit Jesus
Christus, deinem Sohn, von deinem hohen Himmelsthron!
O Jesus meine Heiligung, Wirk in mir Sinnesänderung! Mach mich so heilig
wie du bist, Mein liebster Heiland Jesus Christ!
O ganz heiligmachender Geist, Mir deine Gottesgnade leist! Mach mich vollkommen,
heilig, rein, So wie ich eben sollte sein!
Mit dir, o Herr, ist alles mein, Was immer mag zu nennen sein. Darum, ach
gib dich selber mir, so will ich heilig leben hier!
Laß mich nichts wollen, was nicht gut, Und was den Geist beflecken
tut! Laß mich nur suchen dich im Grund, O großes Licht, zu aller
Stund!
««««««««