Der nur kurz erwähnte Franz Bardon schildert die den einzelnen Buchstaben zugrunde liegende göttliche Qualität und Kraftwirkung, ein Gebiet, welches bei Lorber nur angedeutet wird:
[Großes Evangelium Johannis 05_072,03] "Daß unter dem Buchstaben a aber solches (die Weisheit) zu verstehen ist, bezeiget die Form der alten ägyptischen Pyramiden, die eine großmaßstäbige Nachbildung der Gehirnpyramiden sind, und deren Bestimmung es war, den Menschen zu Weisheitsschulhäusern zu dienen, wovon noch heutzutage ihr Name und ihre innere Einrichtung Zeugenschaft geben. Denn Pira mi dai heißt doch offenbar: ,Gib mir Weisheit!' Und die innere Einrichtung war auch also bestellt, daß der Mensch, darin von der Außenwelt ganz abgeschlossen, in sein Inneres hat zu schauen anfangen müssen und finden sein innerstes Lebenslicht. Darum war es in den weiten inneren Gängen einer solchen Pyramide stets kohlpech- und rabenfinster, und es ward nicht eher helle, als bis der Mensch mit seinem innern Lebenslichte alles zu beleuchten anfing."
Bardon: "Im Akashaprinzip repräsentiert das A die höchste Weisheit und die höchste Erleuchtung, welche überhaupt einem Menschen zuteil werden kann..." (Der Schlüssel zur wahren Quabbalah (Kabbalah), Stufe 7)
Vermittels dieser Lichtsprache hat laut Bardon unter anderen der biblische Mose seine Wunder vollbracht (z. B. das rote Meer geteilt usw.).
Die Darlegungen Bardons entstammen ebenfalls der Sicht eines Eingeweihten aus der Mental-Kausalebene, und infolgedessen reduziert Bardon den Menschen auf seine Hüllen, den physischen Leib, die Astralmatrize (=Ätherleib), den Astral- und Mentalkörper. Letzerer wird bei Bardon als der Geist des Menschen bezeichnet. Dieser, bei Bardon beschriebene, vierpolige Geist ist eine Reproduktion dessen, was der Mensch einmal war, angepaßt dem herabtransformierten Kosmos. Daß der eigentliche Geist des Menschen höheren Ebenen entstammt, findet man bei Bardon nicht, was die Bedeutung seiner Schriften relativiert, aber nicht unbrauchbar macht. Die göttlichen Gesetzmäßigkeiten spiegeln sich auch in den höheren Bereichen des Kosmos wieder, wenn auch in leicht verzerrter Weise. Es muß bei dieser Beurteilung allerdings berücksichtigt werden, daß Bardon nur einen kleinen Teil seines Wissen enthüllt hat, er spricht von 22 Blättern im Buch der Weisheit, wovon er lediglich die ersten drei in schriftlicher Form zugänglich gemacht hat. Zudem hat Bardon angedeutet, daß es andere Kosmen mit anderen Gestzmäßigkeiten gebe als den unsrigen.
Dem heutigen Herausgeber der Bardonwerke ist leider nicht aufgefallen, daß "Buddhi" und "Atma" im theosophischen Sinne einen anderen Bedeutungsinhalt haben als bei R. Steiner. Desgleichen wurde von ihm nicht berücksichtigt, daß die Kabbalah von den geistigen Ebenen En Soph, Azilut, Beriah, Jesirah und Asia spricht und die Aussagen Bardons sich auf die Ebene Beriah beziehen, während etwa Azilut frei vom Gegensatz von Gut und Böse ist. Daß Gott zu gleichen Teilen gute und böse Geistwesen und den Menschen, sozusagen, in der Mitte geschaffen habe, ist ein weitverbreiteter, kosmisch bedingter Irrtum.
Bei seiner Beschreibung des geistigen Weges erwähnte Bardon zwei Möglichkeiten, einen Weg der Heiligkeit und einen der Vollständigkeit. Darunter verstand Bardon einen Weg, bei dem das Schwergewicht auf der Aneignung göttlicher Tugenden liegt, während der zweite gleichzeitig die dem Menschen innewohnenden, göttlichen Kraftpotentiale erschließt. Bardon selbst war klar ein Vertreter der zweiten Richtung, ohne den ersten Weg jedoch abzuqualifizieren oder für weniger gut zu halten. Aus der Tatsache, daß im Menschen göttliche Kraftpotentiale enthalten sind, kann man m. E. nicht den Schluß ziehen, ein Weg ohne Entfaltung derselben wäre minderwertig, einseitig oder gar gefährlich. Diese Kraftpotentiale lassen sich ebenso gut im Jenseits erschließen. Bardon selbst nennt das Beispiel, wie einer seiner Bekannten durch die von ihm erworbenen Fähigkeiten ein Naturwesen des Wasserelementes, eine sog. Undine, beschworen, die sich darauf den Körper einer frisch verstorbenen Frau angeeignet hat und hernach eine eheliche Verbindung mit diesem Mann einging (Frabato, S. 133), ein Vorgang, über den Bardon vermutlich nicht sonderlich erbaut war, der jedoch zeigt, wie leicht man auf diesem Weg der Vollständigkeit auf Abwege geraten kann. Die Kritik des Herausgebers der Bardonwerke an dem Weg R. Steiners, "einseitig und gefährlich", ist daher nicht angebracht und wäre ebenso gut dem Weg der Vollständigkeit nach Bardon vorzuwerfen. Letztlich ist jeder geistige Weg mit Gefahren und Abwegen gespickt.
(Die Kabbalah wird bei Lorber mit einem Seitenhieb bedacht. Es läßt sich jedoch nicht rekonstruieren, was damit gemeint ist, da Lorber die Kabbalah zu Jesu Zeiten meint, während die heute bekannte Kabbalah mit ihrer Darstellung des Lebensbaumes auf das 12. Jahrhundert zurückgeht, während Bardon als Eingeweihter aus eigener Erfahrung schreibt.)
Auch in Lorberkreisen wurde verschiedentlich der Versuch unternommen, die göttliche Lichtsprache zu rekonstruieren (M. Kahir, Das verlorene Wort). Einen Vergleich mit F. Bardon halten diese Versuche jedoch bei weitem nicht stand.
Ähnlich wie die östlichen Wege insgesamt ist auch das Thema Magie bzw. Quabbalah in christlichen Kreisen mit irrationalen Ängsten und Vorurteilen behaftet. Wenngleich Bardon keinen persönlichen Gott kennt, sondern nur eine unpersönliche göttliche Vorsehung, so setzt er sich jedoch mit dieser im Inneren in Verbindung, er handelt also nicht aus willkürlich eigenem Gutdünken, bevor er seine Fähigkeiten einsetzt, um z. B. jemanden zu heilen, was bei Lorber Kennzeichen eines seelisch Wiedergeborenen ist, was Bardon nach meiner Ansicht zweifelsohne war.
In dem autobiographischen Roman "Frabato" wird beschrieben, wie sich Bardon heftig dagegen gesträubt hat, dieses Wissen in schriftlicher Form preiszugeben und er ließ sich nur auf Geheiß des inneren göttlichen Wortes des Leiters der weißen Bruderschaft dazu bewegen. Wenn also Gott selbst es für sinnvoll erachtet hat, dieses Wissen der Menschheit zur Verfügung zu stellen, sollte man sich nicht durch irgendwelche kleinlichen Befürchtungen dazu veranlaßt sehen, an diesem Wissen vorbeizugehen.
Genannter Roman ist eines der wenigen Dokumente, welche einen Einblick in die Auseinandersetzung zwischen der sog. weißen und schwarzen Magie gewähren. Bardon stellt sich hier den dunklen Kräften unter Lebensgefahr entgegen (Im Gegensatz zur Mehrheit der Christen dieser Zeit in Deutschland). Hieraus kann auch die Einsicht gewonnen werden, dass es unrichtig und verfehlt ist, alles, was nach dem Gebrauch geistiger Kräfte riecht, als okkult oder dämonisch abzustempeln, wie das in engen christlichen Kreisen häufig gemacht wird.
Auch wenn Bardon Jesus nicht im höchsten Sinne erkannt hat, so spricht er an keiner Stelle abwertend über ihn, sondern wenn, dann spricht er von unserem "Bruder Christus", wie das in den Kreisen von Eingeweihten häufig angetroffen werden kann, die Jesus als hoch bzw. höchst entwickelten Meister sehen.

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