Die erste Stufe
Das Land der Barmherzigkeit

 

Du weißt, dass in dieser Stufe die wohnen, die es aufrichtig mit Gott und ihrer Seele gemeint haben, und das sind doch sehr viele. Unter allen Völkern gab es und gibt es zu allen Zeiten Menschen, die mit Aufrichtigkeit nach Gott fragten. Ihre Seelen gaben sich nicht zufrieden mit den religiösen Formen und theoretischen Dogmen, sondern sie strebten nach dem Wohlgefallen des lebendigen, persönli­chen Gottes. Sie kamen zu Gott auf dein Wege des geistigen Gebetes und der persönlichen Opfer und der Herr hat sie daher auch in Gnaden angenommen.

 

Dieser Vielgestaltigkeit ihrer religiösen Einstellung und ihrer per­sönlichen Erkenntnis entsprechend, ist diese Stufe eine ungeheure Welt. Ja, man kann sagen, sie besteht aus Welten. Diese Himmelsstufe grenzt an die Erdatmosphäre des Totenreiches (Hades). In den unteren Sphären dieser Stufe geht es noch recht irdisch zu und auch recht unruhig. Gewiss, diese Welten gehören schon zu den Geistesbezirken, aber es sind Grenzbezirke mit all den Gefahren, die dieser Grenze innewohnt. Wenn sie auch (räumlich) über der Erdatmosphäre liegen, so muss doch gesagt werden, dass der Fürst dieser Welt noch recht hineinwirkt. Wundere dich darüber nicht, sondern denke an die Tatsache, dass der heilige Seher einen großen Kampf im Himmel schildert, den der Drache mit seinen Engeln kämpft gegen Michael und dessen Engel. Und dieser Kampf findet in höheren Stufen statt als nur in der ersten. In dieser Stufe geht noch vieles nach der Beeinflus­sung von unten. Dadurch werden auch die Beziehungen der Bewohner untereinander beeinflusst. Du weißt, dass dort noch viel eigensinnig gekämpft wird, auch um dogmatische Meinungen und kirchliche Gegensätze. Um dessentwillen habe ich immer wieder auf dich ein­gewirkt, dass du dich nicht durch menschliche Systeme und kirchliche Voreingenommenheiten trennen lassen sollst von anderen, die dem Herrn mit gleicher Treue auf andere Weise zu dienen trachten.

 

Ich will dir heute nicht von den gewaltigen Welten dieser Stu­fe erzählen, die anderen, nichtchristlichen Bewohnern zur Verfü­gung stehen. Schon seit deiner Jugend ist dir unter unserer Beeinflus­sung klargeworden, dass der Herr für die ernsten Gottsucher aller Völker eine Gelegenheit gibt, die sie zur Gottnähe führen wird. Heute will ich dir nur sagen von den Verhältnissen derer, die aus der christlichen Welt hierher eingehen.

 

Aber gerade die sogenannten christlichen Bewohner dieser Stufe zeichnen sich nur durch ihre Aufrichtigkeit aus. Sie wollten zu Gott kommen, sie waren von der Welt unbefriedigt, aber sie waren noch nicht über ihre eigenen FrömmigkeitsIdeale hinausgekommen. Ihnen fehlte das göttliche Ideal. Deshalb ist es so wichtig, dass du den Menschen das göttliche Menschheitsideal zeigst, welches in Jesus Christus damals auf Erden verkörpert wurde, damit sie sich danach ausstrecken lernen. Wenn du es sehen könntest, mit welcher Hartnä­ckigkeit man hier noch Glaubenssätze verteidigt, du würdest erschre­cken, wie diese Dinge Seelen voneinander und dadurch auch von dem Herrn scheiden können. Da gibt es alle Kirchen und Gemeinschaften, denn die meisten haben doch wirkliche Wahrheitsmomente, die sie nun mit Ernst festhalten, aber daneben oft genug die alten Irrtümer von der Erde her. Dort hindert die Seelen ihr falscher Glaube, dass sie den Herrn und den Nächsten in heiliger Liebe erfassen. Doch gerade ihre Aufrichtigkeit wird dann zu irgendeiner Zeit für sie der Weg, weiter zu suchen und zu streben. Denn auch den Bewohnern dieser Stufe erscheinen ja die Wiedergeborenen, um ihren Brüdern und Schwestern den Weg der Liebe nach oben zu zeigen. Das geht aber oft sehr schwer. Die angeborene Trägheit feiert da oft unter dem Einflusse des Feindes ihre Triumphe.

 

Es ist viel schöner als auf der Erde, man ist die drückenden Sor­gen los. Man lebt in einer Gemeinschaft, die einem Freude und Be­friedigung schenkt, und hat dabei alle kulturellen Einrichtungen, die einem auf Erden Befriedigung brachten. Man hält sich in seinen kirchlichen Grenzen aber ebenso exklusiv, wie man das bisher auf Erden getan hat.

 

Dort gibt es wenig Allianzbestrebungen, also Bestrebungen ein­ander im Glauben näher zu kommen. Erst in den höheren Sphären dieser Stufe werden die Seelen dahin geführt. Deshalb ist es nötig, dass man der brüderlichen Liebe soviel wie möglich das Wort redet. Wer in dieser Richtung arbeitet, der arbeitet an der Verbesserung der Verhältnisse der ersten Stufe. Seid ihr schon auf Erden hierfür Werbende! Auch die Familien leben dort auf lange Zeit, Jahrhunderte oft, in einem Verbande. Man freut sich dieses Zusammenseins und des Friedens, den man auf Erden wegen materieller Widerstande so oft vermisste. Die sozialen Verhältnisse auf dieser Stufe tragen einen unverkennbaren Fortschritt. Das Leben bewegt sich auf viel ideellerer Ebene. Man hat viel Kraft, sich dem Schönen und Edlen zuzuwenden. Die Kraft der Freude ist gewachsen. Der Mensch ist, mit einem Wort gesagt, erst einmal selig.

 

Alles das ist für viele ein Grund zur Sesshaftigkeit. Man kann hier solche nicht verstehen, die sich in diesen Verhältnissen immer noch nicht zufrieden fühlen und nach mehr verlangen. Aber je höher die einzelnen in ihrer Erkenntnis steigen, desto mehr fragen sie auch nach dem Weiterkommen, d. h. Jesum näher zu kommen. Und so kommt es auch dort vor, wie auf Erden nicht zu häufig, dass ein Glied der Familie weitergeht und dadurch die anderen in Unruhe versetzt, damit auch sie aus ihrem Genussleben erwachen und suchen weiterzukom­men.

 

Hier findest du auch viele kranke Seelen, die über gewisse Dinge in ihrem Leben nicht hinweggekommen sind. Hier sind die Sanatorien dieser Ebene. Lass es dich nicht wundern, dass ich dir solches sage. Es gibt so vieles, was die Menschen für unmöglich halten. Aber es ist so. Wie viele kommen hinüber, die in ihrem Herzen einen Schmerz tragen, der sie hindert, zu wahrer Freude zu kommen. Darum werden sie hingeführt in diese Sanatorien, die unter der belebenden Kraftein­wirkung vom Throne des Herrn stehen. Dort werden sie seelisch gepflegt und werden gesund. In diesen Sanatorien werden die Seelen geheilt mit den Blättern der Lebensbäume, die am kristallenen Strome blühen und Frucht tragen. Diese Orte zeigen dir auch, dass es dort noch allerlei Arbeit gibt zur Pflege der Seele. Und solche Arbeit tun vom Herrn dazu Beauftragte. Es sind zumeist solche Seelen, die diese Arbeit auf Erden gemieden haben. Das trifft zu für Priester- und auch Königsseelen. Hier gibt es viel Gelegenheit, sich in Geduld zu üben und das abzulegen, was einen Aufstieg in höhere Sphären verhindert. Ja, unser himmlischer Herr hat für alle, die aufrichtig zu Ihm wollen, stets die rechten Mittel, um mit ihnen dies heilige Ziel zu erreichen!

 

Für die, welche nach oben drängen, gibt es Schulen aller Art. Von der einfachsten bis zur anspruchsvollsten Betätigung können sich dort die Seelen weiterbilden. Dem Herrn geht es in erster Linie um die Vollendung. Darauf ist auch der ganze Unterricht zugeschnitten. Die Seelen sollen zum Anschauen des Herrn in Seiner Herrlichkeit geführt werden. Und das ist gar nicht so leicht! Denke nur daran, wie genüg­sam die Menschen in göttlichen Dingen sind. Alles andere ist ihnen wichtiger, was ihnen zeitweilige Genüsse und Vorteile bietet. Von dieser Trägheit kommt ein Mensch auch drüben sehr schwer los. Dazu gehört auch seine leidige Neugier. Wenn aber der Mensch einmal in seinem Geiste erwacht ist, er seine Endbestimmung erkannt hat, dann erst eilt er auch vorwärts. In diesen Schulen sind meist Vorsteher, die auf Erden so mancherlei versäumten und nun an ihren Schülern diese versäumten Lektionen lernen können und müssen. Da erst lernt mancher Geduld, Stillesein und die schwerste Lektion der Demut. Ach, wenn mancher Lehrer auf Erden wüsste, wie schwer das jenseiti­ge Nachlernen ist. Er würde mit mehr Fleiß zusehen, das Ziel zu erfassen:

„Kommt her zu Mir alle, die ihr mühselig und beladen seid ICH will euch erquicken! Nehmet auf euch Mein Joch und lernet von Mir, denn Ich bin sanftmütig und von Herzen demütig! Nur so werdet auch ihr Frieden finden für eure Seelen. Denn Mein Joch ist sanft und Meine Last ist leicht!"

 

Aber so köstlich es ist, dass der Mensch hier nachholen kann. Noch köstlicher ist es, wenn er weiter vordringen darf. Überhaupt ist die Ungeduld und die Auswirkung ihrer unbeherrschten Affekte für viele der Grund, dass sie hier versuchen müssen, diese Eigenheiten los zu werden. Und dies geschieht häufig erst nach Durchwanderung der Sphären der zweiten Stufe, wenn auch unter erschwerten Umständen. Sie müssen Dinge tun, von denen sie sich auf Erden keine Vorstellung machen. Aber der Herr will gründliche Selbsterkenntnis und völlige Reinigung von allem Eigenwillen und -wollen, da Sein Wille regieren will als der Herr allen Seins in Freiheit aller Seiner Kinder.

 

Der kirchliche Betrieb geht in der ersten Stufe vielfach so weiter wie auf der Erde. Da wechseln Feste mit gewöhnlichem Gottesdienst; da versammelt man sich zu Konferenzen, Synoden und treibt Reichs­gottesarbeit. Da gibt es auch noch Verketzerungen und Unduldsam­keit. Aber je höher die Seelen emporsteigen, desto klarer und wärmer und brüderlicher wird der Umgang mit allen. Also gibt es auch hier Allianzversammlungen und Einigkeitsbestrebungen. Und diese wer­den je höher desto liebewärmer. Da geschehen auch sogenannte Bekehrungen, die immer zu einer gewissen Freiheit führen. Bei diesen Gelegenheiten ist der Platz dann nicht mehr von Geistern der ersten Sphäre allein besetzt. Hier redet dann meistens der Himmel in seiner höheren Sphärensprache. Und da zu den höheren Sphären nur solche kommen, die ein Verlangen haben weiter zu kommen, so kann man­ches getan werden. Hier erst gibt es für Seelsorger viel zu tun. Da kommt es zu Aussprachen, die zur Freiheit führen und den Weg frei machen zu höherem Aufstieg. Was sich aber sonst zeigt, ist nicht von großer Bedeutung; es sei denn, ein solcher Geistlicher erwartet Hilfe von oben und lässt sich beraten und helfen von Freunden aus den höheren Heimatgefilden. Aber sonst ist hier viel, sehr viel Genügsam­keit bei früheren Geistlichen und den Herden. Du hast den Eindruck, dass dies kaum ein Himmelreich zu nennen sei. Ja herrlich ist es hier nicht. Die Landschaft ist wohl schöner als auf Erden. Das hast du ja damals in deinem Traume, in dem du deine Jugendfreundin Maria gesehen hast, erkannt. Wunderbare Palmen zieren die Gefilde, auch sonst ist die Natur voller Herrlichkeit. Liebliche Berge wechseln mit wunderbaren Seen und hochragenden Gebirgsketten, welche die erste Stufe von der zweiten trennen. Es gibt allerlei Freuden, so schön wie sie eure Erde in diesem Falle nicht hat. Freilich ist es den Seelen unmöglich, höher zu steigen als ihr Reifegrad ist. Da aber diese Gebirge so unermesslich weit ausgedehnt sind, weil sie auch mit denen anderer Religionen benachbart sind, so kann nicht nur der Reiseverkehr, sondern auch der Missionsbetrieb fortgesetzt werden. Hier ist also Gelegenheit, sich für Jahrhunderte aufzuhalten, wenn die Seele keinerlei Sehnsucht nach Jesus Selbst im Herzen hat. Aber der Missionsbetrieb ist insofern erschwert, da die Angehörigen der ande­ren Religionen wohl erkennen, dass auch die Missionare aus dieser Stufe nicht weiter sind als sie. Dann kommt erst so recht die Mah­nung, sich um die eigenen Fehler, um sich selbst zu kümmern. Und solche Erlebnisse müssen dann oft mithelfen, die Seelen zur Selbster­kenntnis, Bescheidenheit und Achtung gegen Andersgeführte zu bringen. Dann kommt doch manchem die Sehnsucht an, weiterzu­kommen und sich selbst erst mal nach Helfern aus höheren Sphären umzusehen und den Weg zu finden, weiter aufwärts und näher zur eigentlichen Heimat - Jesum Selbst - zu gelangen.

 

Deine Freundin ist sehr rasch vorwärts gekommen und hat bald das erdbraune Kleid mit dem himmlischen Weiß vertauscht erhalten. Und dass du sie gesehen hast, war eine Hilfe. Wenn die Seelen weiter kommen, kehrt in sie der Hunger ein nach der Liebeskraft des Herrn; sie will teilhaben an den Segnungen des Herrn, der auch von Zeit zu Zeit fast menschlich verhüllt hier schon sichtbar wird. Seine unver­hüllte Herrlichkeit könnte hier niemand ertragen.

 

So weckt der Himmel auf jede erdenkliche Weise die Sehnsucht nach oben und lockt die Seelen immer wieder, sich bereitzumachen auf die Heimkehr. Dazu benutzt der Herr auch die unerwarteten Einbrüche des Feindes auf das Nachdrücklichste. Es wird klar, wie vieles ihnen noch fehlt. Besonders wenn der Herr Selbst in Seiner Herrlichkeit oder Seine Himmlischen den Feinden entgegentreten und Er sie alle überwindet durch den Hauch Seines heiligen Mundes. Danach wird ihnen auch klar, dass diese Feinde in ihrem Leben viel verwüstet und verdorben haben. Das wiederherzustellen macht viel Mühe. Das weckt dann tiefe Buße. Und diese Buße ist auch im Him­mel der Weg zur Freiheit und zum Sieg im Geiste der Liebe des Herrn.

 

So kommen dann die Seelen auf die gebirgigen Höhen der ersten Stufe. Unterweisung und vor allem Beispiel hilft ihnen ganz besonders die demütige Haltung ihrer Lehrer, die ihnen Handreichung darbieten zum Erfassen der göttlichen Wahrheiten, des Heils und der Erlösung. Wenn sie dann auf diese Gebirge kommen, dann muss sich erst erweisen, ob sie so weit gefördert sind, dass sie sich über diese steilen Kämme hinweg wagen können. Das Licht, das ihnen dort begegnet, ist für ihre Augen so durchdringend, dass sie in demselben ihre große Prüfung sehen. Ist ihre Aufrichtigkeit jetzt mit Entschiedenheit ge­paart, um alles zu verlassen, dann mag es sein, dass sie unter dem Jubel ihrer Führer hinwegschreiten in das Licht der zweiten Stufe.

 

 

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